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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.07.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-07-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980730024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898073002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898073002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-07
- Tag1898-07-30
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Reklamen unter dem RedaetionSsirich (4ao- spalten) 50^, vor den Famtliennachrichten (6 gespalten) 40^. Vröffer» Schriften laut unserem Preis- derzrichnib. labeilarischer und Zifsernsatz nach höherrm Tarif. Extra'vetttgen (gefalzt), na» mit Ut Morgen »Ausgabe, ohne PostbrfvrderNNg 60.—, mit Postbesörderung ^l 70.—. 2l»nahmeschlnß fir Anzeigen: Abend-AuSgab«: Bormiti-g« 10 Uhr. Morgen-Ausgab«: Nachmittag« 4Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je ei« halbe Stund« früher. Anzeigen sind stet« an di« Expedition _ zu richten. « « Druck und Verlag von E. Bolz in Leipzig. 92. Jahrgang. Der spanisch-amerikanische Krieg. Die Depeschen, welche heute vorliegen, enthalten über die Friedensbedingungen nichts Neues und manches Wider sprechende. Es scheint in der Thal, als ob eine authentische Mittheilung über das Verlangen Amerikas nicht zu haben sei. Der Telegraph meldet: * Washington, 29. Juli. (Meldung des „Reuter'schen Bureau-".) Die Antwort der amerikanischen Re» gierung an Spanien, welche dem Cabinet zur Genehmigung zugegangen ist, enthält folgende Friedensbedingungen: Unbedingte Abtretung Puerto Nicos, Aufgeben der spanischen Oberhoheit über Cuba, Abtretung mehrerer kleiner Inseln in der Nähe von Cuba und Puerto Rico an die Vereinigten Staaten. WaS die Philippinen und andere Inseln in jenen Gewässern anlangt, so bleibt die Entscheidung späteren Verhandlungen Vorbehalten. Das Cabinet beräth gegenwärtig über die Antwort. (Wiederholt.) * Washington, 29. Juli. (Meldung des „Reuter'schen Bureaus".) Das Cabinet beschloß, folgende Friedensbedingungen zu stellen: Abtretung von Puerto Rico, Anerkennung der Un abhängigkeit Cubas, Abtretung einer der Ladronrninseln, Ueberlassung mindestens einer Kohlenstation auf den Philippinen. Die Antwort enthält nichts über eine in Geld zu leistende Kriegsentschädigung. Ein Waffenstillstand wird nicht abgeschlossen werden; die Philippinenfrage wird voraussichtlich durch eine aus Amerikanern und Spaniern zusammengesetzte gemischte Commission geregelt werden. Das Cabinet entschied sich einstimmig gegen eine Annectirung der Philippinen durch die Vereinigten Staaten. * Washington, 29. Juli. (Meldung des „Reuter'schen Bureaus".) Außer den bereits gemeldeten Friedensbedingungen beabsichtigt die Regierung, wie von zuverlässiger Seite gemeldet wird, noch die Errichtung einer Kohlenstation auf den Philippinen mit hinreichendem Terrain zu verlangen, um eine amerikanische Stadt darauf zu erbauen, und zwar möglicherweise in Manila selbst. Die Antwort der Regierung dürste noch heute Nachmittag »ach Spanien abgehen. * Washington, 29. Juli. Das Cabinet beschloß, noch folgende Friedensbedingungen zu stellen: Die Oberhoheit Spaniens in den westindischen Gewässern und im Karaiben-Meer soll völlig aufgegcbeu, die Staatsschuld Cubas und Puerto Nicos nicht von den Vereinigten Staaten übernommen werden. Die Handels verträge zwischen Cuba und Puerto Rico mit anderen Theilen des spanischen Königreichs werden aufgehoben, da das Cabinet beschloß, sie nicht anzuerkennen. Wenn man die Reihenfolg» der Depeschen vergleicht, so kommt man unwillkürlich zu der Ansicht, daß bei der Be- rathung im Cabinet der Appetit gestiegen sei, und wenn die Berathnag sich noch weiter fortsetzt, dürfte vielleicht außer einer Kriegsentschädigung auch noch eine canarische Insel, Melilla oder Luzon verlangt werden. Hoffen wir im Interesse Spaniens, daß eine Dinnerpause die Mägen der amerikanischen Diplomaten milder gestimmt hat. In Madrid stellt man sich vorläufig noch etwas dumm. Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten er klärte Zeitungsberichterstattern gegenüber wieder einmal die von den Blättern gebrachten mehrfachen Vermuthungen in Betreff des Friedens für unrichtig. ES thut natürlich uicht- rur Sache. Solche Erklärunyen haben wir zur Genüge ge- hört. An eine Conferenz m der Philippinenfrage scheint man aber in der That nicht zu glauben. Unterdessen gehen die kriegerischen Unternehmungen ruhig weiter: * Washington, 29. Juli. Die Stadt Ponce auf Puerto Rico hat am Donnerstag Nachmittag capitulirt. * New Port News, 29. Juli. General Brooke ist heute von hier an Bord des Transportschiffes „Massachusetts" mit Truppen nach Puerto Rico abgrgangen. Andere Transporte werden un mittelbar folgen. * New Port News, 29. Juli. (Meldung de« „Reuter'schen Bureau«".) Da« letzte Schiff der nach Puerto Rico bestimmten Expedition unter dem Commando des General« Brooke ist heute früh abgrgangen. Die gesammte Expedition besteht aus 1l9 Osficieren und 5719 Mann. * Pari«, 29. Juli. Nach Depeschen, welche der „TempS" aus Puerto Rico erhalten hat, ist dir Lage der Spanier daselbst eine kritische. Mangel an Waffen und der Zustand der Truppen lassen vorauSsehen, daß im Fall eines Zusammenstoßes kaum ein Kampf stattsinden werde. Die Spanier seien außer Stande, den amerikanischen Streitkräften Widerstand zu leisten. * Washington, 30. Juli. General Miles erklärt in einem Telegramm aus Ponce, die Spanier seien auf dem Rück züge aus dem südlichen Theile Puerto RicoS, die Bevölkerung habe die Amerikaner mit lautem Jubel ausgenommen und die amerikanische Flagge stürmisch begrüßt. Die Kriegsschiffe hätten mehrere Prisen und gegen 70 Lichterschiffe erbeutet. Der Eisenbahn telegraph, welcher zum Theil zerstört gewesen sei, werde wiedcr- bergcstellt. Bald werde sich die amerikanische Armee in der Gebirgs region befinden. Das Wetter sei herrlich und di« Verfassung der Truppen in körperlicher wie geistiger Beziehung vorzüglich. Unüber windlich« Schwierigkeiten seien nicht vorauszusehen. — In einem später ausgegebrnrn Telegramm sagt General Miles, die Spanier hätten sich au« Ponce so eilig zurückgezogen, daß sie sogar Gewehre und Munition in den Casernrn und etwa 50 Kranke im Hospital zurückgelaffrn hätten. Die Bevölkerung habe die Ankunft der Amerikaner festlich begangen. Capitol» Higginson, vrlcher da« Geschwader com- mandirte, das den General MileS nach Puerto Rico begleitete, berichtet, in den Bedingungen für die Capitulation von Ponce sei bestimmt worden, daß der Garnison der Abzug gestattet werde und die Civilbehördrn einstweilen im Amte blieben. Higginson bemerkt noch, daß zwanzig Segelschiff« genommen seien. * Loudon, 29. Juli. Ucber die iu der Pariser Ausgabe des „New Jork Herald" aus Madrid gemeldete Capitulation Manilas liegt weder hier noch in Madrid eine officirlle Mit- theilung vor. Auch in einer Depesche, welche dem hiesigen Vertreter Aguinaldo'S beute zugegangen ist, wird von eiuer Capitulation Manilas nicht« erwähnt. (Wdhlt.) * San Francisco, 30. Juli. Ein weiterer Truppentrün«. Port ist nach Manila abgegangen. * Gibraltar, 30. Juli. Der spanische Kreuzer „Lepanto" der jetzt in Carthagena liegt, hat Befehl erhalten, sich dem Geschwader Camara's anzuschließen. Politische Tagesschau. * Leipzig, 30. Juli. Auf die Depescke, die der Kaiser an den Grafen- Regenten von Lippe gerichtet, kommt in einer im „Sprcch- saal" der „Deutschen Juristenzeitung" veröffentlichten Aus lassung der StaatSrechtSlehrer an der Universität zu Straß burg, Professor vr. Lab and zurück. Da bekanntlich von seiner Hand die Nechtsgutackten stammen, die zu Gunsten der Ansprüche von Schaumburg-Lippe die nachher schiedsgerichtlich anerkannten Rechte des Grafen-Regenten von Lippe-Detmold bestritten haben, so kann es nicht befremden, daß er gegen den Regenten Partei nimmt. Aber befremden muß »S, daß er als selbstverständlich annimmt, auch der Kaiser habe sich bei Abfassung seiner Depesche von der Rücksicht auf jene Ansprüche beeinflussen lassen. Er geht nämlich sämmtliche Militairconventionen durch, theilt sie iu drei Gruppen nnd sagt von der dritten, die allein die Ebren- rechte des Bundesfürstcn erwähnen, welche auf seinem „Ver- hältniß eine« commandirenden Generals" beruhen: „Nur in den Schlußprotokollen zu den Militairconventionen mit Schaumburg-Lippe und Waldeck ist erklärt worden, daß die dem Fürsten eingeräumten Ehrenrechte namentlich auch das Recht in sich schließen, über die aufzustellenden Ehrenposten und die Len Mitgliedern der FürstlichenFamilie einzurüuinenden Ehren rechte Bestimmung zu treffen." Dann fährt er fort: „Es kann nun zweifelhaft erscheinen, ob diese in den beiden Schlußprotokollen enthaltene Erklärung als eine Declaration an- zufehen ist, welche auch auf die allen anderen Bundesfürsten ein geräumten Ehrenrechte anwendbar ist, oder ob mit dem arxum. » contrario zu schließen ist, daß die Bundessürsten, denen diese Rechte nicht ausdrücklich eingeräumt sind, keinen Anspruch auf sie haben. Gleichviel aber, wie man diese Frage auch beantworten mag, so kann r» doch keinem Zweifel unterliegen, daß die landesherrlichen Ehrenrechte nursolchen Familienangehörigen gewährt werden können, welche wirklich zum landesherrliche» Hause gehören, d. h. ebenbürtig sind. DaS ist hinsichtlich der Gemahlin und der Söhne und Töchter des Graken-Regentcn von Lippe «ichtderFall oder wirdwenigstens mit guten Gründen bestritten. Der Schiedsspruch,> welcher dem Grafen Ernst die Regentschaft und Thronfolge in Lippe zu gesprochen hat, bezieht sich aus diese Frage nicht; sie bleibt einer späteren Entscheidung Vorbehalten, in welcher vielleicht auch die „Gründe"des Schiedsspruch«einerNachprüfungunterzogen werde» könnten. Bon Seiten des Grasen zur Lippe-Biesterfeld wurde nun bei den Verhandlungen über den Thronfolgestreit in Lippe stets ein ganz besonderes Gewicht auf solche Acte gelegt, welche als „Anerkennung" der Familienzugehörigkeit und Ebenbürtigkeit gedeutet werden können, namentlich Anreden, Titulaturen, Ehrenbezeigungen. Nicht die geringfügigste Höflichkeit, wie Glückwünsche zu Familienereigniffeir, wurde bei der Auszählung der sogen. Nuerkrnnungen übergangen oder außer Acht gelassen. Dadurch gewinnt die Frage, ob den An- gehörigen des Grafen Ernst zur Lippe-Biesterfeld diejenigen Ehren bezeigungen erwiesen werden, welche den Angehörigen der landesherrlichen Häuser gebühren, eine praktische Tragweite, welche sonst Fragen der Courtoisie nnd Etiquette nicht zuzukommen pflegt. Würde Se. Majestät der Kaiser befehlen, Laß den Anverwandten des Grafen Ernst zur Lippe-Biesterfeld die militairischrn Ehren bezeigt werden, welche den Familien angehörigen der deutschen Bundessürsten gebühren, so würde daraus sicherlich dereinst der Schluß gezogen werden, daß der Kaiser ihre Familienangehörigkeit, Ebenbürtigkeit, Thronfolgefähigkrit aner kannt habe, und die scheinbar so harmlose Genehmigung einer an sich unbedeutenden Ehrenerweisung könnte zum Fallstrick dienen, um den angestammten Thronfolgrrrchten ebenbürtiger und legitimer Agnaten Abbruch zu thun. Es erklärt sich daraus vielleicht auch, daß die Gewährung dieser Ehren bezeigungen in einem Tone verlangt worden ist, den Se. Ma jestät der Kaiser sich „zu verbitten" veranlaßt sah. Wenn in der Presse die kaiserliche Versagung der Ehrenrechte an andere Personen, als den Regenten selbst al- Aeußerung persönlicher Antipathie gegen den Grafen-Regenten oder des Nergers über den Schiedsspruch hingestellt worden ist, so wird dabei verkannt, zu welchen Schlüffen die Gewährung der Ehrenrechte an die Familien angehörigen des Grafen gebraucht werden könnte; es war vielmehr ein Gebot unparteiischer Gerechtigkeit und vorausschauender Klug heit, nicht durch die Gewährung dieser Ehrenbezeigungen an Per- sonen, deren Berechtigung zweifelhaft und bestritten ist, ein folgen- fchweres Präjudiz zu schassen." Professor Laband nimmt also an, der Kaiser habe sich bei seiner Antwort auf das Ersuchen deS Grafen-Regenten leiten lassen von der Thatsache, daß der Fürst von Lippe- Schaumburg nach der Entscheidung des Schiedsgerichts, die zu Gunsten der Thronfolge-Berechtigung des gegenwärtigen Grafen-Regenten ausfiel, die Ebenbürtigkeit der Kinder deö Grafen bestritten und sich wegen eines die Nach folge in der Regentschaft iu Detmold regelnden Landes gesetzes beschwerdeführend an den BundeSrath ge wendet hat, der bisher der Angelegenheit noch nicht näher getreten ist und jedenfalls au« guten Gründe» zögert, ihr näher zu treten. Der Kaiser als solcher steht der Angelegenheit objektiv gegenüber, denn nicht an ibn, sondern an den BundeSrath hat der Fürst von Schaumburg-Lippe sich gewendet und wenden können. Der Kaiser würde auch durch die Gewährung der erbetenen Ehrenbezeigung an die Kinder de« Grafen-Regenten der Entscheidung de« Bundes- raths nicht vorgreifen, weil, wie wir schon dieser Tage aus führten, diese Ehrenbezeigungen noch eine Weile »ach dem Spruche des Schiedsgerichts erwiesen worden sind, obne, wie die Beschwerde des SchaumburgerS und das Zögern des Bundesrathö beweist, ein „folgenschweres Präjudiz" geschaffen zu haben. UebrigenS könnte dem Ver suche, ein solches aus der Erfüllung der Bitte hrrzuleiten, ganz leicht durch eine ausdrückliche Erklärung vorgrbeugt werden. Die Ausführungen des Herrn Prof. Laband werden daher schwerlich die beabsichtigte Wirkung haben; durch seinen Hinweis darauf, daß „vielleicht auch die „Gründe" des Schiedsspruches einer Nachprüfung unterzogen werden könnten", dürfte der Verfasser vielleicht dem BundeSrathe die Ueberzeugung beibringen, daß es das Ge- rathenste sei, der LandeSgesetzgebung in Lippe-Detmold die Regelung der Regentschaft«- und der Thronfolgefragr zu überlassen. Urber da- Befinden de« Fürsten Bismarck liegt beute eine höchst erfreuliche Meldung vor. Die „Nat.-Ztg." be richtet nämlich in ihrer gestrigen Abendausgabe, ohne Zweifel FrrrrHetsrr» Vergeltung. 4j Erzählung von Wilkie Collins. »lachdruck verbot««. So gaben der Baron uni» seine Schwester Dr. Bambert ge nau das Beweismittel in die Hand, dessen er am dringendsten bedurfte, Bally davon zu überzeugen, daß sie nur zwischen zwei Dingen zu wählen habe, entweder Evers zu heirathen, und für ihr ganzes Leben unglücklich zu sein, ober ihren Better zu heirathen, und ihn namenlos glücklich zu machen. „Wann werde ich Bally sehen?" fragte Evers. „Sie wird zu Tisch wieder nach Hause kommen", antwortete der Baron. „Bleiben Sie hier, Roland, und speisen Sie mit uns." „Besten Dank. Erst mutz ich wirrer nach der Stadt, werde aber zu Tisch wieder hier sein." Eine Stunde später traf ein Telegramm von Valeska ein. Sir habe sich überreden lassen, bei der Tante zu Tisch zu -bleiben und dort zu übernachten, werde also erst am nächsten Tage wieder nach Hause kommen. Der Baron übergab dem Boten sofort eine telegraphische Rückantwort, in der er die Tochter auffordrrte, ungesäumt nach Holderwell zurückzukehren, wo Roland EverS sie erwarte. „DaS ist Recht, Josef", sagte Lavinia, ihrem Bruder, wäh rend er das Telegramm niederschrieb, über die Schulter sehend. „Sie scheint mit Roland kokettiren zu wollen", erwiderte der Baron mit der Miene eines Manne«, der die weibliche Natur in ihren verborgensten Tiefen ergründet hat. „Mein Telegramm wird seine Wirkung thun, Lavinia." Darin hatte der Baron sich picht geirrt. Da« Telegramm that seine Wirkung. E« brachte nicht nur seine Tochter zu Tisch zurück, cs führte noch zu einem anderen Grgebniß, da« sein prophetischer Blick nicht vorausgesehen hatte. k. Capitel. Zwischen 4 und 6 Uhr Nachmittag«, wo die Damen de« Westend» svazieren fahren, und die Herren in ihren Club« ver weilen, aieot eS wenige Plätze in Londpn, die sich zu einer unge störten Unterredung besser ergnrn, al« die umfriedigten Garten anlagen der Stadt. An demselben Tage, an dem Roland EverS seinen Besuch in Hokderwell abgestattet hatte, öffneten zwei Damen da« Thor de« eisernen Gitter«, da« die Gartenanlagea von der Berkeley Square umschloß. Sie beschränkten ihren Spaziergang auf die Westseite des Gartens, emsig plaudernd und auf di« Straße hin- ausspähend. Eine dieser Damen war Valeska Koslyn, ihre Begleiterin war die Nichte deS Herrn v. Koslyn, die älteste Tochter seiner Schwester, Frau Grawford. Für die junge Dame hatte sich die Gesellschaft eine Zeit lang lebhaft intereflirt. Sie war vor Kurzem die zweite Frau Lord Winword'S und die Stiefmutter seiner drei Töchter geworden, die sämmtlich älter waren, als sie selbst. Lady WinWord, klein und blond, entschlossen und wage- muthig in der äußeren Erscheinung wie im Charakter, der voll kommenste Gegensatz zu ValeSka, und gerade deshalb ihre Busen freundin. „Meine Liebe, eine Heirath au« Ehrgeiz in der Familie ist genug", sagte Lady WinWord. „Ich habe mir fest vorgenom men, daß Du den Mann, Sem Dein Herz gehört, heirathen sollst. Sage mir nicht, daß Dir der Muth dazu fehlt; eine so verächtliche Entschuldigung lasse ich nicht gelten." Vally'S schmachtende braun« Augen blickten mit unterwür figer Aufmerksamkeit auf da» kleine, zierliche Persönchen ihrer Cousine nieder, Lady WinWord'» blaue Augen sahen gebieterisch zu der hohen Gestalt de» jungen Mädchen« auf. „Du treibst mit dem armen Fritz Bambert ein leichtfertige» Spiel Bally. Fritz ist «in prächtiger Mensch, und ich habe ihn gern. Ich wrrde e« nicht dulden, daß Du ihn so be handelst!" .Mir!" „EverS hat Nichts, Watz rhn empfehlen könnte. Er ist kein vornehmer alter Herr von guter Erziehung und hohem Rang, er ist eia roher, widerwärtiger Mensch, der zufällig Geld ver dient hat. Du wirst nicht diesen Ever», sondern Fritz Bambert heirathen!" „Willst Du mir gestatten, auch zu sprechen, Alicia?" „Ich will nur Deine Antwort hören, weiter nicht». Bist Du nicht heute weinend zu mir gekommen? Sagtest Du mir nicht: Alicia, sie haben mein TodeSurtheil gesprochen, ich soll mich in der ersten Woche de« neuen Jahre« verheirathea! Um des Himmels willen, steh« mir bei, Alicia! Das Alles, und noch viel mehr sagtest Du mir. Und wa« that ich, nachdem ich Deine Geschichte angehört hattet „O, Du warst so gut!" „Gut ist eia sehr ungenügender Ausdruck. Ich habe Deinet wegen Verbrechen begangen! Ich hab« meinen Mann und meine Mutter betrogen, Deinetwegen hab« ich Mama überredet, Fritz zu Mittag «ia-uladra, Deinetwegen hab« ich meinen braven, arglosen Mann vor noch nicht einer Stunde in seinen Llub »«rbanntl Wer hat Dir eine ungestörte Unterredung mit Fritz ermöglicht, wer hat ihn zu einem befreundeten Rechtsanwalt geschickt, sich über die gesetzlichen Vorschriften für eine heimliche Heirath zu erkundigen? Wer gab Dir den Rath, nach Holderwell zu tele- graphiren und in der Stadt zu übernachten? Wer hat die Ver abredung getroffen, daß Fritz in zehn Minuten sich hier zu uns gesellen wird? Ich, ich, ich that das Alles in Deinem In teresse, that es, um Dich zu verhindern, zu thun, was ich gethan habe: Deiner Familie, statt Dir selbst zu Gefallen, zu hei rathen. Nicht, daß ich mich über Lord WinWord oder seine Töchter beklagte. Mein Mann ist außerordentlich liebenswür dig, er ist reizend, und seine Töchter werde ich mit der Zeit schon bändigen. Bei Dir ist es aber etwas ganz Anderes, und Evers ist, wie ich Dir schon vorher sagte, ein ungebildeter, roher Patron. Nun gut! Was bist Du mir für alle meine Liebes dienste schuldig? Du hast doch mindestens mir gegenüber die Pflicht, zu wissen, was Du eigentlich willst, Dein eigenes Ge- müth zu kennen, doch davon ist bei Dir nicht die Rede. Du theilst mir kühl und gelassen mit, daß Du es nicht magst, Dich in solche Gefahr zu begeben und die zu befürchtenden Folgen auf Dich zu nehmen. Ich muß Dir sagen, Vally, daß Du den guten Menschen, der Dich so schwärmerisch liebt, selbst den Boden unter Deinen Füßen zu verehren, nicht verdienst. Ich glaube auch gar nicht, daß Du Fritz gern hast." „Ich sollte ihn nicht gern haben?" Unfähig, für ihre Ge fühle Worte zu finden, schlug Vally verzweifelt die Hände über dem Kopf zusammen. In diesem Augenblicke klirrte das eiserne Gartenthor. Sie sah sich um und erblickte Bambert, der noch vor der verabredeten Zeit erschienen war, und sich den beiden Freundinnen raschen Schritte« näherte. „Nun, wie steht es mit den Gesetzen über heimliche Ehen?" fragte Lady WinWord. „Komm, Fritz, wir wollen un« setzen." Sie führte ihn zu einer Bank, und winkte ihm, zwischen ihr und Vally Platz zu nehmen. „Nun, Du Hauvtverschwörer, hast Du die Heirathserlaubniß in der Tasche? Nein? Sind die Ge bühren zu hoch? Goll ich Dir das Geld dazu leihen?" „Sie kostet in meinem Falle — einen Meineid, Alicia", er- wldcrte Bambert. „Vally ist noch nicht mündig. Ich kann die HeirathSbewilligung nur dann bekommen, wenn ich beschwöre, daß ich Vally mit der Zustimung ihre» VaterS heirathe. DaS konnte ich doch nicht gut thun." ,,E« giebt aber doch einen anderen Au«weg", bemerkte Lady WinWord. „Ja, den giebt e«, aber e« sind so schreckliche Bedingungen mit dieser Art der Heirathsschließung verbunden." „Noch schrecklicher, al« der Meineid? Etwa «in Mord?" „Erst kommt die Heirath, di« Bedingung folgt. ES giebt nur eine Möglichkeit für uns. Wir müssen uns aufbieten und dann trauen lassen." „Aufbieten?" rief Vally. „Das Aufgebot wird öffentlich in der Kirche verkündet." „Ihr braucht Euch nicht in der Kirche Eures Sprengels aufbieten zu lassen, Du Gänschen", lachte Lady WinWord; „auch werden bei solchen Gelegenheiten die Namen so undeutlich ge sprochen, daß kein Mensch sie versteht." „Das sagt mein Freund gleichfalls", rief Bambert. „Er räth mir, in einer enlegenen Gegend Londons, in der Nähe einer Kirche, eine Wohnung zu miethen, dann zum Geistlichen deS Sprengels zu gehen, ihm mitzutheilen, daß ich aufgeboten zu werden wünsche, und ihm zu sagen, daß ich zu seiner Gemeinde gehöre. Was meine Braut beträfe, wäre die Sache noch ein facher. Ich brauchte nur anzugeben, daß die Dame gleichfalls zu seinem Sprengel gehöre. Es genügt, eine Adresse zu nennen, wenn sich in der bezeichneten Gegend Jemand befindet, der vor zulegende Fragen beantwortet. Der Streifen Papier, auf dem unser Name mit Dutzenden anderer Namen steht, wird von dem Pfarrer mit auf die Kanzel genommen und dort verlesen. Wenn die Zeit gekommen ist, treten wir mit all den Anderen, die aufgeboten wurden, vor den Altar, um getraut zu werden." Vally rang seufzend die Hände. „Da« werden wir nie durchführen können!" rief sie verzweifelt. Alicia WinWord faßte di« Sache heiterer auf. „Ich sehe bis jetzt nichts Furchtbare» an der ganzen Ge schichte", bemerkte sie, „aber laß uns erst das Ende hören, Vally. Du sprachst vorhin von einer Bedingung, Fritz?" „Du nimmst natürlich an, wie auch ich eS gethan habe, daß ich mich nach der Trauung mit Vally in eine Droschke setze und mit ihr von der Kirche au« durchgehe." „Natürlich, während ich gemüthlich nach Hause fahre." „Ach nein, auch Vally muß zu ihrem Vater nach Haus« zu- rückkehren." „Ist da» die Bedingung, von der Du sprachst?" fragte Alicia WinWord betroffen. „Ja, das ist die Bedingung. Ich darf Vally heirathen, ohne mich dadurch einer strafbaren Handlung schuldig zu machen; wenn ich aber nach vollzogener Trauung mit ihr durchgehe, und Du mir darin Vorschub leistest, sind wir der Entführung schul dig und dem Strafgesetz verfallen. Vally ist noch nicht ganz sechzehn Jahre alt. Sie muß von der Kirche virect in da« Haus ihre« Vater« zurllckkehren, und ich muß ihren nächsten Geburts tag abwarten, ehe ich mit ihr durchgehen darf. Mit vollendetem sechzehnten Lebensjahr ist e« ihr gestattet, mir überall hin zu folgen, aber nicht eine Stunde früher."
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