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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.08.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-08-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980802013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898080201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898080201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-08
- Tag1898-08-02
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Größer« Schriften laut unsere« Preis- ve^eichnttz. Dabellarischer und Ziffernsatz »ach höherem Tarts. » VMS > Extra-Bei lagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ebne Postbeförderung SO.—, mit Postbeförderung 70.—. A«nah«fchl»ß fiir Jazrige»: »bend-Au-gab«: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgab«: Nachmittags 4Uhr. Bel de» Filialen und Annahmestellen je ein« halb« Staude früher. Anzeige» fiud stet- an die Erp,ditto» zu richten. > -« -»«v, >' Druck und Verlag von E. Pol» 1» Leipzig. 92. Jahrgang. Lisrnarck's To- und Deutschlands Feinde. Staatsmänner und insbesondere leitende Minister pflegen eines doppelten Todes zu sterben: des politischen und des körperlichen. Der erstere tritt ein, wenn der Politiker frei willig oder unfreiwillig aus seinem Amte scheidet. Selbst be deutende Staatsmänner pflegen von diesem Augenblicke ab zumeist für ihr eigenes Land, zum Mindesten aber für das Aus land politisch todt zu sein. Gladstone hieß bei seinen Lands leuten zwar bis zu seinem Tode der orauä vlä nanu, aber hatte er nach seinem Scheiden aus dem Amte schon auf die innere englische Politik nur wenig Einfluß, so war er für das Ausland völlig bedeutungslos geworden. Ebenso ging es Lord Beacons field, ebenso, um einen noch Lebenden zu erwähnen, Crispi, von den cliis rninoruin «entiuru, wie Hanotaux oder Rosebery, ganz zu schweigen. Wenn solche Männer von der politischen Bühne abtreten, so braucht Neunzehntel des Auslandes, wenn von ihnen geredet wird, eine geraume Zeit, um sich darauf zu besinnen, in welchem Zusammenhänge man einmal den Namen gehört hat. Ganz anders war es, als Bismarck am 18. März 1890 sein Amt aufgeben mußte. Wohl frohlockten damals Deutschlands Gegner, aber es war doch keine volle Freude. Wie der todte Cid, auf seinem Pferde festgebunden, noch eine Schlacht lenkte und gewann, so strahlte von dem Namen des gestürzten Bismarck noch ein Glanz aus, der Deutschlands auswärtige Politik um leuchtete. Dieser Glanz läßt sich auch wohl der Feuersäule ver gleichen, die bei dem Zuge des Volkes Israel durch die Wüste Nachts vor ihm einherleuchtete und ihm den richtigen Weg wies. Auch Bismarck's warnende Stimme hat noch oft nach seinem Weggange der deutschen Politik den richtigen Weg gezeigt. Fest zuhalten an den von ihm geschaffenen Dreibunde, aufrecht zu erhalten ein freundschaftliches Verhältniß zu Rußland, das war die Mahnung, die er immer wieder ertönen ließ und der ins besondere auch unter dem Ministerium Hohenlohe Folge geleistet wird. Und das Ausland wußte gar wohl, daß, so lange noch ein Athemzug in dem greisen ersten Kanzler sein würde, Bismarck, wenn einmal eine schwere Stunde für Deutschland gekommen wäre, mit seinem Rathe und seiner Hilfe bei der Hand gewesen sein würde. So wußte das Ausland, daß es immer noch mit der Kraft des genialen Staatsmannes rechnen müßte, und dieser Gedanke schreckte die Feinde davor zurück, rankevolle Pläne zur Ausführung zu bringen. Aber auch für die Beziehungen Deutschlands zu nicht feind lichen Nationen wirkte Bismarck's Persönlichkeit noch nutz bringend, als er sein Amt verlassen hatte. Könige und Staats männer aus dem fernsten Osten des Erdballes suchten den greisen Einsiedler im Sachsenwalde auf und seine gewaltige Persönlich keit gab ihnen ein stolzeres Bild von Deutschlands Macht und Größe, als Truppenparaden und höfische Prunkfeste es zu thun vermochten. Der Beduinenscheich in der arabischen Wüste, der stille Gelehrte an den Ufern de» Ganges, der herumschweifende Jäger am Amazonenstrom, sie alle hatten ein Gefühl dafür, daß ein Reich mächtig und unangreifbar sei, so lange eS einen solchen Mann in seinen Grenzen hatte. Nun ist dieser Mann dahin geschieden und Deutschland» Feinde athmen auf. Jetzt, so wähnen sie, sei das stärkste Hinder nisi ihrer tückischen Anschläge aus der Welt geschwunden. Aber der Mann, der im Gegensatz zu anderen Staatsmännern auch nach seinem politischen Tode noch lebte und die deutsche Politik stützte und schützte, er lebt auch nach seinem körperlichen Tode weiter und breitet seine schirmenden Fittiche über sein geliebtes Volk. „Setzen wir Deutschland nur in den Sattel, reiten wird es schon können", dieses Wort drückte sein Vertrauen zu der Kraft und Gesundheit des deutschen Volkes und seine feste Zuversicht aus, daß dieses Volk das gewaltige Werk, das er geschaffen, nach seinem Tode nicht gefährden lassen werde. Wenn ein Mann 40 Jahre hindurch mit solcher Kraft, solchem Muthe, solch fortreißender Begeisterung von frühem Morgen bis in die späte Nacht in verantwortlicher Stellung für sein Vaterland arbeitet, dann bleibt dieses Wirken lebendig im Volke, dann bleibt es lange Jahrzehnte hindurch vorbildlich für Jeden, der dem Vaterlande zu dienen berufen ist. Fürst Bismarck hat, weil er mit einer glühenden Vaterlandsliebe einen umfassenden Geist und eine überragende Persönlichkeit besaß, wie kein anderer Staats mann, das Staatsgefühl in seinem Volke zu wecken ver standen, wie kein Anderer vor ihm. Friedrich dem Großen mußte dieser Versuch noch mißglücken, weil sein Volk von den höchsten Spitzen bis zu den untersten Schichten noch nicht reif genug war, um das köstliche Gut eines lebendigen Staatsgedankens, eines leidenschaftlichen Vaterlandsgefühles in sich aufzunehmen; so mußte den Tagen von Roßbach und Leuthen der Tag von Jena folgen. Bismarck aber traf eine durch schwere Leiden gereifter« Nation an, er fand den Boden besser vorbereitet, um die Samen körner lebendigen VaterlandSgrfühleS, die er mit seinem Wirken und seinem Beispiele pflanzte, zur Frucht reifen zu lassen. Noch in Jahrunderten werden, wenn der Name Bismarck genannt wird, die Wangen deutscher Männer sich lebhafter färben, die Augen werden Heller strahlen und dem Munde wiro das Ge- löbniß entquellen, sein Werk für alle Zeiten zu erhalten. Bis marck's Bild wird dem deutschen Volke voranstrahlen in Kampf und Noth; es wird ihm Schild und Schwert zugleich, Deckung und Angriff zugleich sein. Darum mögen die Feinde Deutsch lands nicht frohlocken über den Tod ihres gewaltigen Gegners und sich nicht beifallen lassen, auf seinem Grabhügel rach- und ränkesüchtig Pläne aufzubauen. Denn er würde ge wappnet aus dem Grab« herauStreten und mit gepanzerter Faust das Gebäude so leicht zerschmettern, Wie ein Knabe ein Karten haus zusammenwirft. AuS dem Traaerhause, der Reich-Hauptstadt und au- anderen deutschen Städten liegen die folgenden Meldungen vor: Hambnrg, t. August. (Telegramm.) Die „Hamburger Nachrichten" melden au- FriedrichSruh: Die Züge des verewigten Fürsten BiSmarck tragen den Ausdruck vollkommenen Frieden». Am Sterbelager shalten Förster die Todtenwacht. Mannschaften des 31. Infanterie-Regiment» und der Halber stadter Kürassiere bilden die Ehrenwache. An der Stelle, die von dem Fürsten selbst zu seiner Ruhestätte auSersehen ist, soll ein einfaches Maussolcum errichtet werden, in dem auch die Fürstin Bismarck mit beigesetzt werden soll. Die Herstellung einer solchen weihevollen Grabstätte, deren Plan bereits feststeht, wird immerhin eine gewisse Zeit erfordern, und da eine provisorische Beisetzung dem Gefühle der fürstlichen Familie widerstrebt, wird für jetzt nur eine einfache Einsegnung der Leiche de- Fürsten durch den zuständigen Geistlichen deS Dorfes BrunStorf er folgen. Zn einer eigenhändig unterzeichneten letztwilligen Verfügung hat der Fürst für den Fall seines Todes an geordnet, daß er an einer bestimmten Stelle des Sachsen- waldeS begraben werden will. Diese Anordnung schließt: „Als Grabschrift wünsche ich: F ür stvon Bismarck, geboren am 1. April 1815, gestorben und den Zusatz: „Ein treuer deutscher Diener Kaiser Wil helm'- I." v. Berlin, 1. August. (Privattelegramm.) Die „Nat.-Ztg." berichtet: Wie uns ein Privattelegramm aus FriedrichSruh meldet, traf dort gestern mit dem Abend- Schnellzuge im Auftrage des Professor» Reinhold Begas, der in Ostende weilt, aber zur Beerdigung erwartet wird, der Former Menzel aus Berlin ein, um die TodtenmaSke des Fürsten Bismarck auf Befehl deS Kaisers abzunehmen. Nach Privatmittheilungen anderer Blätter ist gestern bereits einmal die Gesichtsmaske im Auftrage der Familie deS Fürsten Bismarck genommen, auch ist die Leiche photographirt worden. Außer dem Bildhauer Bega» wird auch der Maler Lenbach zur Beerdigung in FriedrichSruh erwartet. Ueber die Vorgänge vor und nach dem Tode de» Fürsten Bismarck sind noch folgende Mittheilungen verbreitet: Am Freitag Nachmittag war der Fürst außergewöhnlich munter. Um 7 Uhr nahm er an dem Diner Theil, rauchte, trank einige Gläser Champagner und gab einem Beamten den Auftrag, zwei Meerschaumpfeifen für ihn anzurauchen. Sonnabend früh trat eine Verschlimmerung ein. Die Familie saß von Vormittag unausgesetzt am Bett. Die Schmerzen des Fürsten waren so heftig, daß sein Stöhnen auf der Land straße zu hören war. Der Fürst griff mehrere Male au das Herz, da heftige Athemnoth ihn bedrängte, und sprach nur wenige Worte zum Grafen Herbert. Um 3 Uhr Nachmittag wurde er ganz apathisch. Ein Ohnmachtsanfall folgte auf den andern. Um 9 Uhr konnte man sagen, daß der Fürst im Sterben liege; Seine kraftvolle Natur wehrte sich fast zwei Stunden im heftigsten Kampf gegen den Tod. Kurz nach zehn Uhr traf Professor Schwenmger ein; er konnte nur constatiren, daß der Fürst sich bereits im letzten Stadium des Todes- kampseS befand. Am Sterbebette de» Fürsten weilte auch Gräfin Eichstädt auS PeterSwalde, eine Jugendgespielin der Tochter des Fürsten, der Gräfin Rantzau. Gräfin Eichstädt, die früher auch am Sterbelager der Gemahli» deS Fürsten Bismarck gestanden hatte, weilte bereit feit mehreren Wochen in FriedrichSruh und war zu dem Zwecke gekommen, die Stimmung deS erkrankten Fürste» beben zu helfen. Gleich nach dem Tode Bismarck's sandte Professor Schwenmger ein Telegramm an den Kaiser, dessen Wortlaut, wie der „Nat.-Ztg." mitgetheilt wird, folgender ist: „An Se. Majestät den deutschen Kaiser. Melde Ew. Majestät unterthänigst, daß Se. Durchlaucht Fürst Bismarck soeben verstorben ist. FriedrichSruh. vr. Schwe- ninger." Der Kaiser antwortete darauf wie bekannt, sofort. Professor Schweninger erzählte, er sei selbst von der jähen Katastrophe überrascht worden. Sechsmal habe der Fürst dergleichen Anfälle gehabt und sie stets überstanden. Nachdem Sonntag um 6 Uhr die Einsegnung der Leiche stattgefundcn hatte, wurde die Sektion und alsdann die Einbalsa- mirung, beides unter Leitung von Professor Schweninger, vorgenommen. Die Sektion wurde nur soweit vorgenvmnien, als für die Einbalsamirung nöthig war, bei der die WeckerS- heimer'sche Einspritzung verwendet wurde. Die Aufbahrung der Leiche in KUrassieruniform erfolgt heute. Beileids telegramme liefen am Sonntag außer vom Kaiser noch ein von der Kaiserin, dem Kronprinzen, sämmtlichen preußischen Prinzen und Prinzessinnen, fast sämmtlichen Bundes fürsten und deren Familien, dem Kaiser von Oester reich-Ungarn, dem italienischen Königspaar, dem englischen und russischen Hof und von über hundert europäischen Staatsmännern, darunter Crispi als einem der ersten. Auch die Deutschen in New Kork sandten ein Beileidstelegramm. * Berlin, 1. August. Der schwarzumränderte „Reichs anzeiger" theilt das Telegramm mit, das der Kaiser gestern dem Fürsten Herbert BiSmarck gesandt hat: „In tiefer Trauer theilnehmend an dem Schmerze, der Sie alle um den theueren großen Tobten erfaßt bat, beklage Ich den Verlust von Deutschlands großem Sohne, Silder aus dem Leben des Fürsten Lismarck. Von Robert Berndt. Nachdruck »trielm. IV. Am deutschen Bunde. Im Parterre des Taxis'schen Palais zu Frankfurt a. M. in der Eschenheimer Gaffe sind sie um einen kreisrunden Tisch versammelt, die Herren Bundestagsgesandten, alle von ihrer Würde und von der Bedeutung ihrer Stellung tief durchdrungen. Nur Einer theilt dies Gefühl bundestäglicher Würde nicht, der neue preußische Gesandte, der Herr von Bismarck, der dort, während Hessen-Darmstadt breit und wichtig einen inhaltlosen Vortrag hält, ruhig an einem Briefe schreibt und nur von Zeit zu Zeit seine blitzenden blauen Augen zu dem Sprecher und seinen feierlichen Zuhörern aufhebt. Er flößt ihnen Angst rin, dieser preußische Junker. Unter seinem Vorgänger, dem schlichten, bescheidenen Herrn von Rochow, waren sie gewöhnt gewesen, in Oesterreich Alles, in Preußen nichts zu sehen. Der weiße Rock war in der Mainstadt beliebt und respectirt, der blaue galt wenig. Jetzt aber — es war wunderlich, aber den neuen preußischen Gesandten konnte man schlechterdings nicht ignoriren und ironisiren. Mit welchem Stolze trug er sein Preußenthum und seinen Preußenrock! Wie zwang er mit Wort und Blick die Widerwilligen zur Achtung, wie gewann er mit hinreißender Liebenswürdigkeit die Schwankenden für sich! Und was das Schlimmste war: sie alle, vom Grafen Rechberg, dem Vertreter Oesterreichs, bis zum Vertreter von Waldeck fühlten, daß der Mann hoch über ihnen steh«, ja, sich über sie und ihren „bundestäglichen Pli" lustig mache. Was hätten sie wohl gesagt, diese selbstbewußten Halbgötter der deutschen Bundespolitik, wenn sie hätten lesen können, waS der preußische Gesandte da soeben schrieb: „Schickt den Schulzen R. oder Herrn von ?arSky auS dem Thausseehause her, wenn sie gewaschen und gekämmt sind, so will ich in der Diplomatie Staat mit ihnen machen!" Hessen-Darmstadt spricht noch immer, und BiSmarck schreibt noch immer weiter. Er weiß auS Erfahrung, daß der langen Rede kurzer Sinn immer in wenigen Sätzen zusammenzufaffen ist. Das ist es ja, was seine Tollegen so in Erstaunen setzt. Der Mann spricht so kurz, so ganz klar, — so ganz undiplo matisch. Wenn ein Diplomat ehrlich und gerade heraus seine Gedank« sagen soll, wo bleibt dann das ehrsame Handwerk? Und Bismarck ist geradezu von einer schreckenerregenden Ehrlich keit. Seine Worte sind blank wie Säbelhiebe. In die bundes täglich« Salbaderei, in das höfliche verhüllen und hinterlistige Scharwenzeln, wie es im Palais Taxi» üblich ist, fahren seine Erklärungen wie Blitze hinein. Dann sitzen die Herren Ge sandten mit offenem Mund« da. von den Gegensätzen zu sprechen, die st« ja alle kennen, Preußen- Interessen offen gegen die Oesterreichs auszuspielen und ihre Berücksichtigung zu ver langen, — nein, es geht gegen allen Frankfurter Brauch. Und in ihrer hilflos« Verlegenheit murmeln sie, für solch« Er» klärungen seien sie ohne Instructionen und sie müßten um Ver- taaung bitten. Dann fetzt der Preuße gleichmüthia seinen wichtig« Namenszug unter den vollendet« Prüf, pa« gleich' müthig seine Papiere zusammen und verläßt stolzen Schrittes unter freundlichem Gruße die verdutzten Herren College». Wenn man noch sagen könnte, daß er unliebenswürdig oder unfreundlich sei! Aber im Gegentheil! Er ist von einer gerade zu bestrickenden Liebenswürdigkeit, und sein HauS ist als das gastlichste in Frankfurt a. M. bekannt. Dort trifft man nicht nur die würdigen Herren aus der Eschenheimer Gasse, sondern auch, Maler und Künstler. Es ließ sich im Haufe Bismarck's leben, und er selbst war nie und nirgends ein Spielverderber. Bald sah man ihn auf der Jagd, bald hoch zu Roß auf einem Spazierritt, bald bei gesellschaftlichen Vergnügungen, bald zu Fastnacht in der Mitte seiner Dienerschaft, der er nach heimischer Sitte ein Fest gab. Etwas, was in der Nebelatmosphäre deS bundesräthlichen Frankfurt ganz unbekannt war, ging von diesem pommerschen Junker aus: Leben, wirkliches lebendiges Leben, daS den Anspruch und daS Recht zur Bethätigung in sich trug, und vor vergilbten Mumien und schwankenden Nebelgestalten keine Angst und keinen Respect empfand. Nein, gar keinen Respect. Unerhört ist es, mit welcher Gleich- müthigkeit er seiner k. k. Majestät BundeStagSgesandten betrachtet und behandelt. Ordentlich wie einen Gleichberechtigten! Hat er niHt den Muth gehabt, in feierlicher Bundestagssitzung sich die Cigarre zu erlauben, die bisher besagtem k. k. Gesandten gewohnheit-gemäß allein zugestanden hatte? Hat er nicht da durch allen College» große politische und physische Beschwerden geschaffen, weil sie sich nun alle moralisch verpflichtet glaubten, ihre resp. Vaterländer rauchend zu vertreten? Hat er sich nicht sogar geweigert, den österreichischen Premier bei seiner Durchreise durch Frankfurt „zufällig" zu besuchen und ihn ruhig zu sich kommen lassen? Was gab ihm nur den Muth zu solchen in dieser bis in die Knochen schwarz-gelben Stadt nicht erhörten Kühnheiten? Den Muth gab ihm, daß er von Niemandem etwa» brauchte und von Niemandem etwas wollte. Ja, er fühlte sich wohl in dieser lebenslustigen Stadt und unter diesen Gegnern, mit denen er spielen konnte, wie die Katze mit der Maus. Aber wollte man ihn nicht frei nach seinem Ermessen handeln lassen, so zog er sich gern hinter die Kanonen von Schönhausen zurück, kehrte er gern heim zur breiten, wogenden Elbe und den gesegneten Fluren von Schönhausen. Den Muth gab ihm, daß er gleich am ersten Lage erkannt hatte, daß er in Frankfurt „vor'm Feinde" stehe, auf dem Kampfplatz stehe, auf dem Preußen» und Deutschland» Wiedergeburt errungen werden müsse. „Zu jung!" hatte der Prinz von Preußen bedenklich gemeint, als er den neuen Bundestagsgesandten von Bismarck gesehen hatte. Ja, jung fühlte er sich freilich, wenn er auch in lang gewöhnter Hypochondrie ab und zu über die fliehenden Jahre Nagt; da» Junge, da» Neue ist mit ihm auf die Wahlstatt getreten und fegt lachend und übermüthtg den Trödel von Jahrhundert«, der sich noch immer brauchbar dünkt, au- dem Reiche de- Leben hinweg. V. Li« Stunde der Entscheidung. In dem Arbeit-zimmer de» lieblichen Schlosse» zu vaveltberg stand« zwei stattliche Männer einander gegenüber, der« straffe Haltung die preußisch-soldattsch« Jucht verrieth, deren Haupt- haar schon den Nets de» Alter» zeigte. S» war König Wilhelm und sein Gesandter in Pari», der Wir«. Geheime Rath von Virmarck-Schönhausm. Beide warm tief ernst, doch sehr ver schied« war ihre Stimmung in di^em Augenblicke. Der König »ar gebeugt, sorgenschwer, trüb«; Bismarck fest, sich«, kämpfe-» frisch und kampfesfroh. Einst in Frankfurt a. M. hatte der damalige Prinz von Preußen gefunden, daß der Herr von Bis marck doch zu jung zum preußischen Gesandten am Bundestage sei; heut sah der König seinen letzten einzigen Ausweg auS dem schweren Kampfe mit seiner Volksvertretung in den Diensten des Mannes, dem er eben die schicksalsschwere Frage vorlegte, ob er sein erster Minister, ob er der Atlas sein wolle, der die Militairreorganisation auf starken Schultern halte und trage, einer Welt von Stürmen und Widersachern zum Trotze. Ob Bismarck wollte? Es war noch nicht lange her, daß er nach Paris verseht worden war, und er hatte die Umzüge von Frankfurt nach Petersburg, von Petersburg an die Seine, hatte die langen Trennungen von Weib und Kindern gründlich satt. Auch fühlte er sich in Paris wohl; der Weltmann in ihm, der geistreiche Plauderer, der große Menschenkenner, der in seiner mächtigen Ueberlegenheit die klugen und selbstbewußten Französ- lein so sicher zu führen verstand, kamen da gut auf ihre Rechnung. Aber als in die majestätische Einsamkeit der Pyrenäen, in der er seine Erholung suchte, das Telegramm des getreuen Roon gedrungen war, der in Berlin Bismarck's Namen immer und immer wieder als den des Retters dem Könige wiederholte und jetzt dem Freunde meldete, es sei Zeit, — da hatte er doch keinen Augenblick gezögert, dem Rufe zu folgen. Denn er fühlte seine gewaltige Kraft und wußte, was er leisten könnte, und als ihn Roon auf der gemeinsamen Fahrt durch die ernsten Ebenen der Mark besorgt gefragt hatte, ob er annehmen würde, da hatte er einfach geantwortet: „Ich mag mich nicht drücken!" Und „Ja!" antwortete er auch jetzt dem Könige; und so fest und hell, so schneidig und so schwertesscharf klang dies Ja, daß es ein Echo in des Königs Brust hervorrief und neue Hoffnung in ihm erweckte. Schnell stellte er Bismarck Frage aus Frage. Die HeereSreorganisation? Sie soll und muß gerettet werden. Dl« Opposition? Muß überwunden werden. Der König griff hastig nach einem Schriftstücke, das neben ihm lag. Auf 16 Seiten waren da Concessionen ausgezeichnet, die der Monarch seiner besseren Einsicht zuwider zu machen bereit war. Aber „Nichts Halbes!" klang eS von Bismarck's Lippen; nicht- von verschlechternden Zugeständnissen. Da richtet sich der König hoch auf, ein langer Blick in das Auge seine treuen Diener-, — und zerrissen ist daS Schriftstück. Als der König mit BiSmarck in den in allen Farben de» Herbste» prangenden Park hinaustritt, scheint er ein Anderer, Jüngerer geworden zu sein. Hochaufgerichtet, rüstig und straff schreitet er daher, lebhaft bespricht er mit Bi-marck all dir Fragen, die jetzt zu behandeln sind, über die man sich verständigen muß. Und mit jeder Antwort wird sein Blick Heller, fein« Miene froher. Noch trägt er ein Dokument in der Hand, da» Preuß«» und Deutschland» ganze Geschichte von Grund au» verändrrn konnte: seine Abdankung zu Gunsten de» Kronprinzen. Tentnerschwer wog da- Papier noch vor einer Stunde in seiner Hand, leichter wird e» ihm jetzt mit jeder Minute. Und schließlich — gerade schreiten die Beiden über eine Brücke — zerreißt er mit schneller Bewegung die verhängnißvolle Urkunde und wirft sie fort. BiSmarck aber sammelt sorgsam die Reste und vertraut sie dem eilenden Wasser an. Al- die Beiden von einander schieden, haben sie sich für immer gefunden. Den König hatte BiSmarck „an» PortepSe gefaßt", und der gebeugte Grei» war wieder zum echt« Preußen« könia geworden. vi-marck aber, der „Junker" von 1848, war preußischer Ministerpräsident. Die Zeit der Umzüge war vor über, di« Würfel war« gewmffeu..,, VI. AufderHöhevonDub. Ein kühler, trüber, regnerischer Sommertag. Auf einer Höhe, von der man einen weiten Blick über das Thal der Bistritz hat, hält neben seinem Könige aus einem großen Fuchshengst Graf Bismarck. Heute, wo der Donner der Geschütze, das Krachen der Gewehrsalven ihn umtönt, trägt der Staatsmann das Gewand des Kriegers. Eine ernste Stimmung liegt über dem Könige und seinen drei Paladinen, Bismarck, Moltke und Roon, aber schwerer noch als auf dem Könige und auf den beiden Generalen lastet der Ernst dieser Stunde auf dem Staatsmann?. Ist er es doch, der für den Krieg, den er seit langen Jahren für unausbleiblich gehalten und den er seinem Könige angrrathen hat, die volle Verantwortung trägt. Und er fühlt es, daß diese Stunden nicht nur über seinen Ruhm, sondern über sein Leben entscheidet. Denn wenn diese Schlacht unglücklich verläuft, so ist auch der unglückliche Ausgang des ganzen Krieges gewiß, und wenn der Krieg gegen Oesterreich verloren wird, so kehrt Bismarck nicht lebend in sein Vaterland zurück. Er hat es später gesagt, daß er einen unglücklichen Ausgang des Krieges nicht überlebt hätte, und daß es ihm bitterer Ernst mit diesem Worte war, das darf man einem Bismarck wohl glauben. So schweifen mitten in dem Donner der Geschütze die Gedanken des Staats mannes auch zu den Seinen hinüber, denen er vielleicht zum letzten Male einen stillen Gruß sendet. Denn jetzt, um die Mittagszeit, steht die Schlacht sehr ungünstig für die Preußen. Der König hat die letzten Reserven heranziehen müssen, die sicher gezielten Geschosse der 500 österreichischen Kanonen haben die preußischen Reihen furchtbar gelichtet, die wichtige Stellung des General» Fransecki im Swipwalde wird von den Oester reichern schwer erschüttert, und mit verzweifeltem Todesmutbe ruft der General seinen Soldaten zu: „Hier sterben wir!" Plötzlich erhellen sich Bismarck's ernste Züge. Sein scharfes Auge erkennt in der Ferne lange, sich vorwärts bewegende Linien. In seiner Umgebung zweifelt man daran, ob er richtig gesehen hat; man hält diese Linien für Ackerflächen. Da sprengt der General v. Voigt-Rheetz heran und meldet, daß der preußische Kronprinz, dessen Ankunft man sehnsüchtig erwartet hat, im Gefecht steht. Bismarck athmet auf; jetzt ist der Sieg gesichert. Stundenlang tobt zwar noch der Kampf, und Bismarck, der seinen König al» treuer Vasall überall bin begleitet, kommt bei dem großen Cavallerieangriff in daS dichteste Feuer der öster reichischen Granaten, aber waS will ihm die Gefahr besagen gegenüber den furchtbaren Stund«, die er in banger Erwartung hat durchleben müssen. Es ist Abend geworden, die Truppen umjubeln den königlichen Sieger, Bismarck aber zieht sich todtmüde zurück und bereitet sich auf dem Straßenpflaster von Horsitz mit Hilfe eines Wagen kissens ein ärmliches Nachtlager. Man sagt, daß KriegSjahre doppelt zählen, die fünf Stunden aber vom Morgen del 3. Juli bis zu der Mittag-stunde, di« die Wendung des Kampfe« brachte, können für BiSmarck als ebenso viele Jahre angerechnet werden. In seinem von den gewaltigsten Ereignissen erfüllen Leben hatte er vor Königgrätz und hat er nachher gar manche Stund« der gewaltigsten Erregung durchleben müssen, aber me wurde seine Seele durch die Bedeutung deS Momentes so furchtbar er schüttert, wie auf jener Höhe von Dub. Daß er bei dem furcht baren Kampfe in seinem Inne« äußerlich in keinem Momente feine ruhige Gelassenheit einbüßte, da» knmzeichnet am besten sein« wahrhafte Sharaktergröße. —
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