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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.08.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-08-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980802024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898080202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898080202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-08
- Tag1898-08-02
- Monat1898-08
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Größere Schriften laut unserem Preis« vcrzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höheren! Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: BorrnittagS 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen find stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 387. Dienstag den 2. August 1898. 92. Jahrgang. Arn Sarge Bismarck's. Der schon in den telegraphischen Meldungen unseres heutigen Morgenblattes erwähnte Nachruf, den der „Reichs anzeiger" Deutschlands größtem Sohne widmet, lautet wörtlich: Seine Durchlaucht der Fürst Otto von Bismarck, Herzog von Lauenburg, ist am 30. Juli, Abends 11 Uhr, in Friedrichs- ruh verschieden. Das Vaterland hat seinen größten Sohn verloren. Zehn Jahre nach dem Ableben des großen Kaisers ist sein großer Kanzler ihm in den Tod gefolgt. Ein gnädiges Geschick hatte uns mit dem Anblick vertraut gemacht, die Begründer des neuen Reiches in ungebrochener Kraft bis an die letzten Grenzen des Lebens unter uns wandeln zu sehen. Kaiser Wilhelm und Moltke sind als Neunziger von uns geschieden; es sollte dem deutschen Volke nicht vergönnt sein, den Letzten aus großer Zeit gleich lange zu besitzen; das Heldenzeitalter unserer neuesten Geschichte ist zur Rüste gegangen noch vor dem Ablauf des alten Jahr hunderts. Ueber fünfzig Jahre hat Fürst Bismarck dem öffentlichen Leben der Nation angehört, fast dreißig Jahre hindurch hat er an der Spitze der preußischen Staatsregierung, dann der deutschen Reichsregierung gestanden. Preußen, Deutschland, Europa weisen die unvergängliche Spur von seinen Erdentagen auf; ein auserlesenes Werkzeug der Vorsehung, hat er die Welt verwandelt, die er jetzt verließ. Als Otto von Bismarck-Schönhausen, zweiunddreißigjährig, einer der jüngsten unter den Landtagsabgeordneten, den poli tischen Schauplatz betrat, schickte das deutsche Volk soeben sich an, die schmerzlich entbehrte Einheit sich selbst zu schaffen. Der Versuch der Frankfurter Nationalversammlung mißlang: nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse, wie Bismarck vierzehn Jahre später rückschauend gesagt hat, konnten die großen Fragen der Zeit gelöst werden. Auch die monarchische Unionspolitik scheiterte, deren Träger im Rath König Friedrich Wilhelm's IV. Josef von Radowitz war. Im Erfurter Parlament hat Bismarck den Radowitz'schen Verfassungsentwurf lebhaft bekämpft; der künftige Einiger Deutschlands zählte zu den Gegnern der da maligen Einheitsbestrebungen nicht als Verächter der nationalen Idee, aber in der Besorgniß, daß in dem deutschen Neubau, wie er geplant wurde, das preußische Königthum seine festen Grund lagen verlieren werde. Der Deutsche Bund von 1815 ward wiederhergestellt, und Bismarck wurde Preußens Vertreter auf dem Bundestage. Er ging nach Frankfurt als Gegner der unitarischen Entwürfe von 1848 und 1849, als abgesagter Feind der konstitutionellen Doktrin, als warmer Freund Oesterreichs; er schied aus Frankfurt mit der Losung, daß Preußens Palla dium in Deutschland liege, mit der Erkenntniß, daß für den zu schaffenden deutschen Einheitsstaat konstitutionelle Einrichtungen nicht zu entbehren seien, mit der Voraussagung, daß auch in diesem Jahrhundert „der deutsche Dualismus seine Beziehungen durch einen gründlichen inneren Krieg werde reguliren müssen". Nach der Uebernahme der Regentschaft durch den Prinzen von Preußen hat Bismarck gemeint, man müsse die auswärtige Politik mit der im Innern cingeschlagenen liberalen Richtung in Einklang bringen; er gedachte für seine nationalen Pläne die Unterstützung der konstitutionellen Partei zu gewinnen. Da ge schah es, daß vielmehr die innere Politik aus der liberalen in die konservative Bahn zurückgedrängt wurde, weil das Mini sterium der neuen Aera in der Frage der Armee-Reorganisation von den liberalen Parteien nicht unterstützt wurde. Bismarck hat den Verfassungsconflict nicht geschaffen, er fand ihn bei seinem Eintritt in das Ministerium im September 1862 fertig vor. Er durfte sein nationales Programm nicht offen enthüllen, er durfte seine deutsche Gesinnung nicht auf die Zunge nehmen, sondern mußte sie tief in seines Herzens Schrein verschließen. „Ich kam", so hat er 24 Jahre später in einer berühmten Rede gesagt, „mit einer bewußten Absicht, die ich noch nicht aussprechen durfte; die Saat, die ich sorgfältig hütete, wäre erstickt worden durch einen combinirten Druck des gesammten Europas, das unseren Ehrgeiz zur Ruhe verwiesen hätte". Was Bismarck seinem königlichen Herrn in jenen schweren Jahren inneren Zwistes und auswärtiger Spannungen gewesen ist, hat der dankbare Monarch dem Minister niemals vergessen. Bismarck's unvergleichliche Diplomatie eröffnete einen Ausweg aus dem Labyrinth. Ungeahnt bald schlug die Stunde der deutschen Einheit. Nach der Aufrichtung des Königreichs Italien hatte Graf Cavour gemeint, auch Deutschland werde seine Einheit finden, aber die Preußen würden fünfzig Jahre zu dem Werke brauchen, das die Piemontesen in dreien ausgeführt hätten. In der That, König Wilhelm hatte die Einigung Deutschlands seinem Sohn oder seinem Enkel Vorbehalten geglaubt; Schritt für Schritt aber überzeugte er sich von der Unmöglichkeit, dem Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland länger aus dem Wege zu gehen. Der preußische Staat kehrte nach den langen Zeiten des Zuschauens und der Unentschiedenheit zu den ruhm vollen Ueberlieferungen einer Politik des Entschlusses und der That zurück. Binnen einem Lustrum, wie es in den Jahrbüchern der deutschen Geschichte ohne Gleichen dasteht und dastehen wird, schritt diese neue preußische Politik von Erfolg zu Erfolg, auf den Schlachtfeldern, in der Diplomatie, in den Parlamenten. Das 1866 mit sicherer Hand Gewonnene wurde behauptet und erweitert in einem neuen Kriege, dessen letzte und tiefste Ursache doch immer in jener von dem hervorragendsten Staatsmann und Geschichtsschreiber Frankreichs damals scharf formulirten An schauung zu suchen sein wird, daß Frankreichs historische Macht stellung in Europa durch die Fortdauer der politischen Zerrissen heit des deutschen Nachbarvolkes bedingt werde. Deutschland hatte sein Recht, seine Einheit gefunden. Thaten waren vollbracht, so groß und überwältigend, daß sie füglich nicht überboten werden konnten. Unscheinbarer, aber darum nicht minder schwer und verdienstvoll war die öffentliche Wirksamkeit Bismarck's während der nun folgenden zwanzig Friedens jahre. Sie galt einmal unausgesetzt der Wahrung des in harten Kämpfen erstrittenen Friedens. „Millionen Bajonette", so hat der große Staatsmann 1882 im Reichstage ausgeführt, „haben ihre polare Richtung gegen das Centrum Europas, und Deutsch land im Centrum Europas ist dieser geographischen Lage nach und außerdem infolge der ganzen europäischen Geschichte den Koalitionen anderer Mächte vorzugsweise ausgesetzt. Unsere Schwäche hat früher diese Koalitionen gefühlt; wir haben die Objecte, die Gegenstand der Begehrlichkeit für jeden unserer Nach barn sein können, und wenn ich mir in der auswärtigen Politik irgend ein Verdienst beimessen kann, so ist es die Verhinderung einer übermächtigen Coalition gegen Deutschland seit dem Jahre 1871." Indem Bismarck's Staatskunst so den Völkerfrieden, den Weltfrieden zu erhalten wußte, ward die Vorbedingung geschaffen für den Ausbau der Zustände im Innern, für eine gesetzgeberische Thätigkeit auf breitester Grundlage und auf allen Gebieten. Welch gewaltigen Theil dieser Arbeit des Ausgestaltens hat der erste Kanzler des neuen Reiches den Kindern und Enkeln doch abgenommen! Eine höchste, die entscheidende, die große nationale Aufgabe, an der die Kunst der Vorfahren immer gescheitert war, sie war gelöst; welche Fülle neuer Aufgaben hat Bismarck, ebenso unerschöpflich an Gedanken wie erfindungsreich an Hilfsmitteln, erkannt, bezeichnet, gestellt, um sie theils selber noch zu lösen, theils allerdings den^Nachfolgern zu überlassen. Auf der parla mentarischen Bühne ist der Mann, der die Beredsamkeit eine geistige Function zweiten Ranges nannte, dreiundvierzig Jahre hindurch der Meister des Wortes gewesen, der Beherrscher der Redeschlacht, ein Rufer im Streit. Denn eine Kampfes- und Trutznatur war ihm geworden, eine Herrscherseele. „Ein Mann ist noch, ein Nibelungen-Enkel, Daß er die Zeit, den toll gewordenen Renner, Mit eherner Faust regier' und ehernem Schenkel" — so hatte in den vierziger Jahren des Jahrhunderts einer unserer Dichter geklagt. Als dann dieser Eiserne kam, wie hätte es ihm an Feinden fehlen sollen! Ihrer viele hat er zu sich herübergezogen, seine Popularität und die Zahl seiner Getreuen wuchs stetig, und als Bismarck vor jetzt acht Jahren von den Staatsgeschäften schied, ward mehr noch als zuvor offen bar, welch unermeßlichen Schatz an Liebe und Verehrung er in allen deutschen Gauen sich erworben hatte. Der bisher streng Abgeschlossene, saft Unnahbare, den Augen der Welt oft auf lange Monate Entrückte öffnete jetzt die Pforten seines Hauses gastfrei den Be suchern von fern und nah, und unermeßlich war die Zahl derer, die in den Sachsenwald zogen, um einmal im Leben dieses ehr würdige Greisenantlitz geschaut zu haben. Alljährlich und von Jahr zu Jahr in steigendem Maße war der 1. April ein natio naler Festtag, an dem in der Heimath und in der Fremde unge zählte Tausende von deutschen Männern und deutschen Frauen ihrer Treue und Dankbarkeit gegen den Alt-Reichskanzler be geisterten Ausdruck gaben, und an dem achtzigsten Geburtstage hat ihm das deutsche Volk unter Führung seines Kaisers Hul digungen dargebracht, wie sie noch nie einem Staatsmann zu Theil geworden waren. Nicht die Verehrung und Bewunderung der eigenen Volks genossen, sondern nur das kühlere Urtheil der Fremden wird für die Schätzung weltgeschichtlicher Größe den sicheren Maßstab abgeben. Aber kein Fremder hat uns noch zum Vorwurf ge macht, daß wir Verdienst und Bedeutung Bismarck's überschätzt hätten; ja vielleicht ist die rückhaltsloseste Anerkennung seinem staatsmännischen Genius gerade im Auslande gezollt worden. Bismarck habe, so urtheilt ein Franzose, „die Deutschen aus dem Dunkel hervorgezogen und auf den Scheitelpunkt des Ruhmes erhoben; er habe mehr für Deutschland gethan, als Richelieu für Frankreich, Cromwell für England, Peter für Rußland". Als Bismarck längst der Staatsleitung fern stand, lauschte die Welt noch immer einem jeden seiner Worte. Nicht nur der Einiger, auch der Erzieher seines Volkes ist dieser große Deutsche geworden. Wie er der in politische Starr heit versunkenen Nation die Glieder gelöst, wie er das Volk der Dichter und Denker und der Träumer handeln gelehrt und unserer Politik, seinem eigenen Ausdruck nach, „eine respectablere Farbe" verliehen hat, so hat er jedem Einzelnen das Beispiel ge geben, in Arbeitsamkeit, Hingebung und Pflichttreue ganz sich in den Dienst des Staatsgedankens zu stellen und auf Erden keine höhere Pflicht zu kennen, als die Pflicht gegen das Vaterland. Wenn der Satz wahr ist, daß die Staaten erhalten werden durch den Geist und die Kraft, darin sie gegründet wurden, so wird der Name Bismarck uns ein Wahrzeichen und eine Ver kündung bleiben für alle Zeiten. Und wie einst Bismarck zu Frankfurt frei heraus erklärte, ein Preußen, welches der Erbschaft des Großen Friedrich entsagen könne, bestehe in Europa nicht, so wird ein Deutsches Reich in keiner Zukunft bestehen können ohne das Festhalten an dem Vermächtniß seiner Begründer, des ersten hohenzollerischen Kaisers und seines großen Kanzlers. Ueber die letzten Stunden des Fürsten gehen der „Köln. Ztg." aus FriedrichSruh Mittheilungen zu, die von den bisher bekannt gewordenen etwas abweichen. Sie lauten: „Nach der Abendtafel am Donnerstag rauchte Bismarck bei leb haftem Plaudern vier Pfeifen und war nur schwer dazu zu bewegen, sich nach 11 Uhr zur Ruhe zu begeben. Die Nacht auf Freitag war allerdings schlecht, so daß der auf Freitag angesagte Besuch dcs bayerischen Ministerpräsidenten v. Crailsheim abbestellt werden mußte, aber noch am Sonnabend Morgen las Bismarck wie gewöhnlich seine Zeitungen. Am Sonnabend Nachmittag sprach er mit seinem Kammerdiener, daß dieser ihm etwas Cognac in den Thee thun möge, aber schon bald machten sich an diesem Nachmittag Alb- mungsbeschwerden, die Vorboten der bevorstehenden Lungenlähmung, bemerkbar. Gelegentlich wurden Schmerzenslaute hörbar, von denen aber schwer zu sagen war, ob sie Bismarck bei Bewußtsein oder im Traumzustand von sich gab; denn wie bei vielen Leuten in derartig hohem Alter waren auch bei Bismarck in letzter Zeit soporöse Zustände häufiger geworden. Erst am Sonnabend Abend erkannte man bestimmt, daß es mit dem Fürsten zu Ende gehe. Die letzten von Bismarck klar und mit Bewußtsein gesprochenen Worte ent hielten einen Dank an seine Tochter und betrafen das Abwischen des Schweißes. Ob Bismarck den kurz vor seinem Tode eintreffeu- den Leibarzt, Geheimrath Schweninger, noch erkannt hat, ist unsicher; denn der Tod ist zweifellos ohne Todeskampf, ohne Be- wußtsein und also auch ohne Schmerzgefühl erfolgt. Bismarck ist träumend ins Jenseits hinübergeschlummert. Nach dem erwähnten Dank an seine Tochter hat Bismarck noch mehrere schwach articu- lirte Laute von sich gegeben, die aber von der Familie, vom Leib- arzt und dem alten Kammerdiener verschieden aufgefaßt worden sind Als Todesursache ist zweifellos Lungenlähmung zu bezeichnen. Es liegt die Annahme nahe, daß infolge der längern Bettruhe, zu welcher der Fürst in der letzten Zeit gezwungen war, eine bei so hohem Alter stets verhängntßvolle Congestion der Lungen mit Ausschwitzung von Flüssigkeit in den Lungenbläschen ringetreten ist. Die trotz anfänglicher Besserung stetig sich steigernde Altersschwäche vermochte dem überhand nehmenden Lungenödem keinen Widerstand entgegen- zusrtzen, und so folgte die unvermeidliche Lungen- und Herzlähmung. Die im letzten Stadium neben den lichten Momenten aufgetretenen Anfälle von traumhafter Benommenheit und Bewußtlosigkeit beruhen darauf, daß infolge der Flüjsigkeitsansammlung in den Lungen bläschen der sonst durch die Lungen vermittelte Gasaustausch be hindert wird und eine Anhäufung von Kohlensäure austritt, die wie bei der Kohlensäure-Vergiftung auf das Gehirn einwirkt. Mit dem alten Venenleiden, an dem Fürst Bismarck bekanntlich schon seit fünfzehn Jahren gelitten hat, steht seine letzte Krankheit nicht im Zusammenhang." Dem rheinischen Blatte entnehmen wir ferner die folgenden Meldungen: FriedrichSruh, 1. August. Man erwartet hier mit Be stimmtheit, daß der Kaiser unmittelbar von Kiel sich hierher be geben und an der in ganz einfacher Weise geplanten vorläufigen Beisetzung kheilnchmen werde.—> Fürst Herbert BiSmarck ist mit migräneartigen Kopfschmerzen bettlägerig. Irgendwelche Beijetzungsfeierlichkeiten finden zunächst nicht statt. Zwischen den FettiHrtsn. Vergeltung. Sj. Erzählung von Wilkie Collins. Nachdruck verboten. Evers' eifersüchtiges Mißtrauen, das schon seit Wochen den höchsten Grad von Reizbarkeit erreicht hatte, brachte die Worte, die er eben gehört, mit den Worten in Verbindung, mit welchen Bambert ihn daran erinnert hatte, daß er noch nicht mit Vally verheirathet sei. War hier Verrätst im Werke und Bambert be müht gewesen, den schwachmüthigen Baron zu überreden, die beabsichtigte Heirath seiner Tochter in einem für den jungen Arzt günstigen Sinn noch einmal in Ueberlegung zu ziehen? Evers' blinder Argwohn übersprang alle die Unwahrscheinlich keiten, die gegen eine solche Annahme sprachen. Er beschloß, die Zuverlässigkeit des Barons sofort auf die Probe zu stellen, eine Probe, die um so befriedigender ausfallen mußle, als sie Koslyn völlig überraschend kam. „Koslyn!" Der Baron zuckte zusammen. „Wie sonderbar sehen Sie aus, Roland! Ist Ihnen die Hitze hier im Zimmer zu drückend?" „Ach, was kümmert mich die Hitze! Was ich heute Abend ge sehen habe, rechtfertigt es, wenn ich darauf bestehe, das Vally und Bambert von heute bis zu meinem Hochzeitstage nicht mehr zusammenkommen!" Des Barons Versuch, ihm zu antworten, unterbrach er. „Ja, ja, ich weiß es. Sie denken über Bambert andtrs als ich. Vor wenigen Minuten sah ich Sie und ihn in freundschaftlichem Gespräch." Der Baron machte einen zweiten Versuch, zu sprechen. Evers' ewiger Klagen über seine Tochter und seinen Neffen müde, war er gereizter Stimmung genug, ihm zu wiederholen, was Bam bert ihm gesagt hatte, wenn er hätte zu Wort kommen können, aber Evers fuhr in seiner Rede ungestüm fort. „Ich kann Sie und Ihre Schwester nicht hindern, Bambert hier zu empfangen, aber ich kann ihm den Zutritt zu meinem Landsitz verweigern; wir werden deshalb ohne Zeitverlust dorthin übersiedeln. Haben Sie sich für die Weihnachtstage schon versagt?" „Nein." „In diesem Falle lade ich Euch Alle nach Somersetshire auf mein Gut ein und schlage vor, die Hochzeit in meinem Hause zu feiern, und nicht hier." „Das ist gegen den Brauch, lieber Roland." „Lehnen Sie meinen Vorschlag ab? Ich sage Ihnen gerade heraus, daß ich mir den Beweggrund für Ihre Weigerung nach meiner Weise erklären werde." „Ich nehme Ihre Einladung an." Evers wich schweigend einen Schritt zurück. Diese Be reitwilligkeit des Barons verblüffte ihn. „Das wird verschiedene Pläne zu nichte machen, und die Damen werden heftige Einwendungen dagegen erheben", fuhr der alte Herr fort, „aber wenn Sie nicht anders zu befriedigen sind, gebe ich Ihnen meine Zustimmung. Ich wexde morgen in Holderwell Gelegenheit haben, Ihre Nachsicht in einer Weise in Anspruch zu nehmen, die Sie in Erstaunen setzen wird. Es ist nicht mehr als billig, wenn ich Ihnen mit dem guten Beispiel der Nachsicht vorangehe." Es war unmöglich den Baron an diesem Abend zu einer weiteren Erklärung zu bringen, und Evers zerbrach sich ver gebens den Kopf darüber, was die geheimnißvolle Anspielung Koslyn's zu bedeuten habe. Die auf den nächsten Tag bestimmte Zusammenkunft in Holderwell hatte, wie Evers wußte, die Auf- zetzung des Heirathsvertrages zum Zweck. Sollte der Baron ik der Regelung der Geldfrage die Nachsicht seines zukünftigen Schwiegersohnes in Anspruch nehmen wollen? Er dachte an seine bedrängte Lage. Die Verlegenheiten im levantischen Han del dauerten fort. Noch nie hatte sein Geschäft eine so an dauernde Aufmerksamkeit erfordert, wie jetzt, ohne dafür einen nenncnswerthen Gewinn abzuwerfen. Die Schiffsfrachtbriefe waren von der Firma bereits dazu benutzt worden, den Besitz der Maaren zu erlangen. Die in den Händen des Bankiers Bulgit befindlichen Duplikate waren buchstäblich werthloses Papier. In weniger als einem Monat mußte das Darlehen von vierzigtausend Pfund zurllckgezahlt werden. Sollte der Baron, der das Geld so leidenschaftlich liebte, die Mitgift seiner Tochter zu vermindern beabsichtigen? Der bloße Gedanke an diese Mög lichkeit erfüllte Evers mit Schauder. In starrem Entsetzen ver ließ er das Haus und vergaß, sich von Valeska zu verabschieden. Bambert hatte sich schon vorher entfernt. Zu Hause ange kommen, fand er einen Brief seines Bruders vor. Hastig öffnete er das Schreiben. „Wenn Du rmr der moralischen Beweise bedarfst, ist Dein Zweck erreicht, lieber Fritz", las Bambert. „Es steht moralisch unzweifelhaft fest, daß Evers und der Capitain, der jenen frem den Matrosen zum Ertrinken über Bord warf, eine und dieselbe Person sind. Die Sache in juristischer Weise festzustellen, hat große Schwierigkeiten, denn Evers hat alle Beweise für den Zusammenhang zwischen seiner jetzigen Existenz und seiner Ver gangenheit vernichtet. Es giebt nur eine Möglichkeit für uns. Ein Matrose, der sich damals auf dem Schiffe befand, und der Vertraute des Capitains war, soll noch leben und sich der fort gesetzten Gönnerschaft seines Herrn erfreuen. Diesem Menschen sind alle die früher von Evers begangenen Verbrechen bekannt, und wenn es uns gelingt, ihn aufzufinden, wird er gegen eine entsprechende Belohnung jene Thatsachen beweisen. Ün'er wel chem Namen er sich verbirgt, wissen wir einstweilen :>och nicht. Sein wirklicher Name ist Thomas Wilde. Wenn wir den Ver such machen wollen, ihn aufzuspüren, dürfen wir keinen Augen blick verlieren. Gieb mir Nachricht, ob die Sache weiter verfolgt werden soll, oder ob das, was wir bis jetzt erreichten, Dir genügt." Das, was bereits enthüllt war, erschien Bambert vollkommen genügend, auf den Baron die gewünschte Wirkung auszuüben, wenn das Geheimniß der Heirath offenbart werden mußte. Bambert wies seinen Bruder an, es bei dem Geschehenen be wenden zu lassen. „Dieses Material reicht aus", sagte er sich, die dem Briefe seines Bruders beigefügten Papiere wegschließend, „dem Onkel jeden Gedanken einer Verheiratung seiner Tochter mit Evers als eine Unmöglichkeit erscheinen zu lassen, und wenn Evers nicht mehr in Frage kommt, werden alle anderen Schwierig keiten schnell genug zu beseitigen sein." 8. C a p i t e l. Am nächsten Tage waren Baron v. Koslyn, sein Rechtsan walt Or. Dirks und Roland Evers in des Barons Arbeits zimmer in Holderwell versammelt, über den Ehevertrag zu be- rathen. Der Baron vermied es ängstlich, seinem Anwalt ins Auge zu sehen, und betrachtete Evers mit ängstlichen Blicken. „Roland", fing er endlich an, „als ich an Bord Ihrer Dacht von Ihrer Heirath mit Ihnen sprach, sagte ich meiner Tochter eine Mitgift zu, welche die Hälfte meines Vermögens ausmacht. Verzeihen Sie mir, lieber Roland, ich kann das nicht thun." vr. Dirks legte seine Feder nieder und beobachtete Evers neugierig, was der künftige Schwiegersohn des Barons auf diese Eröffnung antworten werde. Evers erhob sich von seinem, dem Fenster gegenüber befindlichen Platz und vertauschte ihn mit einem an der anderen Seite des Tisches, wo er dem Licht den Rücken zukehrte. „Meine Augen sind heute schwach", sagte er mit unnatürlich leiser Stimme, „sie können das Licht nicht gut vertragen." Er fand in der Eile keine bessere Enschuldigung dafür, daß er sein Gesicht vor dem forschenden Blick der beiden Männer im Schatten verbarg. Der fortwährende Aerger, den ihm seine Bewerbung um Valeska verursachte, eine Bewerbung, die ihn nie bis über die kühle Vergünstigung eines Handkusses in Gegen wart Anderer gefördert, hatte ihn auch körperlich angegriffen. Er konnte sich auf seine Selbstbeherrschung nicht mehr verlassen. „Hörten Sie, was ich sagte, Roland?" „Ja, bitte, fahren Sie fort." „Mein halbes Vermögen", wiederholte der Baron in zu versichtlichem Tone, „das heißt, mich von meinem halben Leben trennen, meinem theuersten Freunde für immer Lebewohl sagen. Mein Geld ist mir ein solcher Trost gewesen, meinem Geist eine so angenehme Beschäftigung. Ich kenne keine entzückendere Lek türe, als die meines Bankbuches, bald die betrübende Vermin derung des Ueberschusses, bald die erfreuliche Zunahme meines Gewinnes zu studiren. Der beste Roman der je geschrieben wurde, ist nichts dagegen. Ich kann mein Vermögen nicht auf die Hälfte der Summe zusammcnschmelzen sehen, an die ich mich seit einem Menschenalter gewöhnt habe. Es mag schwach von mir sein, aber wir Alle haben unsere schwachen Seiten. Ucberdies sind Sie auf mein Geld nicht angewiesen. Wenn Sie es brauchten, wäre es etwas Anderes, aber Sie sind ein reicher Mann und heirathen meine Vally aus Liebe, nicht um ihrer Mitgift willen. Nach meinem Tode gehört Alles, was ich besitze. Euch. Es kann für Sie keinen Unterschied machen, noch einige Jahre zu warten, bis ich zu meinen Vätern versammelt bin. Wollen Sie mit dem vierten Theil, statt mit der Hälfte, zu frieden sein, Roland, mit zwanzigtausend Pfund? Mich von zwanzigtausend Pfund zu trennen, könnte ich schon ertragen, aber bei Allem, was Ihnen heilig ist, beschwöre ich Sie, nicht mehr von mir zu verlangen. Lassen Sie mich nicht im Unge wissen, Roland. Antworten Sie mir: Ja oder Nein?" In leidenschaftlicher Aufregung schlug Evers mit der Hand auf den Tisch und platzte mit der Antwort heraus, die er in so befremdlicher Weise verzögert hatte. „Zwanzigtausend Pfund, von ganzem Herzen bin ich damit einverstanden", rief er, „unter der Bedingung, daß jeder Heller für Vally festgelegt werde, und mir nichts, gar nichts von dem Geld« zu Gute komme!" Der Baron, bis zu Thränen gerührt, ergriff schweigend die Hand seines Schwiegersohnes. / Von diesem Augenblick an ging das Geschäft sehr glatt von Statten. Der Baron setzte seine Ansichten in behaglicher Breite auseinander, und die Feder des Anwalts flog über das Papier. Evers, der seinen Platz am Fenster behielt, erklärte sich mit Allem einverstanden. In der schrecklichen Lage, in die er sich unver- muthet durch die Verminderung der versprochenen Mitgift um die Hälfte versetzt sah, blieb ihm nichts übrig, als den Groß- müthigen zu spielen und die Wahrheit zu verbergen, bis Vally seine Frau und er im Stande war, ihrem Vater Alles enthüllen zu können. (Fortsetzung folgt.)
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