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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.08.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-08-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980804017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898080401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898080401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-08
- Tag1898-08-04
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Der „Vorwärts" ist natürlich allen voran, er schilt Alle« Heuchelei, und daS ist wieder einmal so recht bezeichnend für die socialdemokratische Auffassung der menschlichen Seele. Eine Geistesrichtung, die in dem einzelnen Menschen nur ein Stück Maschine sieht, darf naturgemäß an edlere Seelenregungen nicht glauben. Für die Socialdemokratie ist ja ein Mensch, der stirbt, nicht mehr Werth, als ein von der Maschine abgebröckeltes Stück, das zum alten Eisen geworfen wird. Wenn der „Vorwärts" und die um ihn aber schon nicht im Stande sind, von Großen groß zu denken, so sollten sie doch wenigstens das Anstandsgefühl besitzen, das Empfinden Anderer zu schonen — aber Anstandsgefühl steht jo leider nicht in dem Programm der Partei des Haffes und der Rohheit. Die Trauer um den verschiedenen Staatsmann voll zieht sich eben, weil sie eine aufrichtige, innerliche ist, in ruhigen Formen. Das glaubt die äußerste Linke natürlich dahin deuten zu müssen, als sei sie nur eine Zeitungsmache, von der das Volk nichts wissen wolle. Es liegt eben dieser marktschreierischen Sorte von Menschen das Verständniß für Alles fern, was nicht mit Tamtam in die Welt gesetzt wird. Die bürgerliche Presse hat bisher noch nie ein Wort darüber verloren, wenn die socialdemokratische Partei einen ihrer Verschiedenen mit dem Aufgebot des ganzen Parteiapparates — und sei er auch ein noch so bescheidenes Licht gewesen — zu Grabe trug. — Heben wir im Folgenden aus der großen Zahl der vorliegenden Trauer kundgebungen einige heraus: , * Berlin, 3. August. (Telegramm.) Die „Nordd. Allg. Ztg." meldet: Prinz Heinrich telegraphirte aus Fusar» an den Kaiser und sprach seine tiefe Erschütterung über das Hinscheiden Bismarck's auS. Der Kaiser dankte tele graphisch. * Berlin, 3. August. (Telegramm.) Ueber die Trauer kundgebungen aus Anlaß des Hinscheidens des Fürsten Bismarck wird weiter gemeldet: Eine Anzahl rheinische Orte be absichtigen, am nächsten Sonntage eine Trauerfeier am Nieder walddenkmale zu veranstalten. — Die Stadt Rheydt beschloß, eine Kranzspende nach Friedrichsruh zu senden. Bei der Bei setzung soll der Oberbürgermeister die Stadt vertreten. * Kiel, 3. August. (Telegramm.) Im Auftrage des Prinzen und der Prinzessin Heinrich von Preußen wird Hofmarschall Freiherr v. Seckendorfs heute einen Kranz am Sarge des verewigten Fürsten Bismarck nieder legen und morgen der liturgischen Andacht in der Kaiser- Wilhelm-Gedächtnißkirche in Berlin beiwohnen. * Münster, 3. August. (Telegramm.) Staatsminister vr. v. Riedel ist nach Berlin abgereist, um den Trauerfeier lichkeiten für den Fürsten Bismarck in der Kaiser-Wilhelm- Gedächtnißkirche beizuwohnen. 6. Au« Renh j. L., 3. August. Aus Anlaß des Todes des Fürsten Bismarckist von den regierenden Herrschaften unseres Landes ein in wärmsten Worten gehaltenes Condolenz-Tele- aramm an den Fürsten Herbert Bismarck abgeschickt worden Außerdem ist von dem erbprinzlichen Paare eine Blumenspende nach Friedrichsruh abgegangen. Ferner ist befohlen worden, daß aus sämmtlichen öffentlichen und fürstlichen Gebäuden des FUrstenthumS die Flaggen halbmast zu hissen sind. Aus dem Ausland« liegen noch folgende Mittheilungen vor: * Krakau, 3. August. (L «ltgramm.) Dir Nachrufe der Polenblätter spiegeln den Hatz wider, den die Polen jeder Zeit gegen Bismarck hegten. Der »Lzas- schreibt: Die Vorsehung stattete ihn mit riesigen Fähigkeiten aus, aber er besah nicht jene Gröhe der Gefühle, die dem wahren Genie eigenthümlich ist, und darum beruhte jedes seiner Werke auf irgend einr Ruine und Un bill, jeder seiner Triumphe kostete reichlich Blut und Lhränen. Die polenfeindliche Politik Bismarck s schreibt der „Czas« der Angst zu und wirst ihm »satanische Bosheit" vor; auherhalb Deutschlands werbe man ihm keine Thräne nachweinen. Di« „Reform«" sagt, gegenüber den Polen habe Bismarck den gleichen Standpunct ein genommen, wie der Generalgouverneur Graf Murawiew in Wilna. Bei all seiner Gröhe habe Bismarck doch kein Verständnih dafür ge habt, dah man Ideen nicht durch Bayonnette bekämpfen könne und dah eine Nation ein Gebilde Gottes sei, weshalb denn auch keine menschliche Macht eine Nation auszurottrn vermöge, wenn sie sich ihrer Lebensfähigkeit bewußt ist. (Voss. Ztg.) * Pari«, 3. August. (Telegramm.) Cornely sagt heute im "Figaro» über Bismarck, man habe diesen zu Unrecht mit Napo leon verglichen. Napoleon sei nur rein Feldhauptmann gewesen und ein Tollhäusler auf diplomatischem Gebiete. Bismarck habe nie eine Schwadron commandirt, aber sein Genie in den Dienst eines Charakter»,nämlichWilhelm'sl.gestellt. AuchseiBismarck kein Mann der Vergangenheit, sondern ein moderner Mensch. Das habe er durch die Art seines Rücktritts und durch die Veröffentlichung ge wisser Papiere gezeigt; er habe sich stets an dir Oesfentlichkeil ge wandt. (Voss. Ztg.) Deutsches Reich. * Berlin, 3. August. Die Urkunde, durch welche die Stadt Berlin Bismarck da« Ebrenbürgerrecht ver lieb, ist bisher Wohl noch nicht veröffentlicht worden. Die Urkunde, die in einem einzigen Satze, gleichsam in einem Athemzuae «ine Geschichte de« Gewaltigen durch Aufzählen seiner Tyaten giebt und die daher auch stilistisch merkwürdig ist, lautet nach d«r „Berl. Börs.-Ztg.": „Wir, der Magistrat der Königlichen Haupt- und Residenzstadt Berlin, urkunden und bekennen hiermit, daß wir im Linverständniß mit der Stadtverordnrten.Versammlung dem Kanzler deS Deutschen Reichs, Präsidenten de« Preußischen StaatSministrrium« Fürsten Otto Eduard Leopold Bismarck, welcher, nachdem Er in ernster Vorbereitung für den öffentlichen Dienst in treuer und einsichtsvoller Führung desselben die Kraft und Leben«- bedingungen de- preußischen Staate« mit seltener Klarheit er kannt hatte — von Seinem Könige an di« Spitze der Regierung und zur Leitung der auswärtigen Angelegenheiten berufen — erfüllt von glühendem Patriotismus, geleitet von sicherem Verständniß der Geschichte, getragen von der schöpferischen Kraft Seines Genies, der preußischen Politik die höchsten Ziele stellte, mit Weisheit die Wege zur Erreichung derselben vorbereitete, die er öffneten Bahnen mit unerschütterlichem Muthe verfolgte, durch die von glänzenden Waffrnthaten des preußischen HeereS unterstützten Siege Seiner Staatskunst der Nordalbingischen Grenzlande für Preußen gewann, Oesterreich auS Deutschland auS- chloß und den Norddeutschen Bund gründete; während des ge waltigen Kampfes gegen Frankreich — für den er in weiser Voraussicht den Norden und Süden zur Waffengemeinschaft verbunden hatte — mit kluger und rascher That die politische Vereinigung sämmtlicher Deutschen Fürsten und Männer herbei- ührte und dem unter den ehrwürdigen Formen von Kaiser und Reich zusammengefaßten Deutschen Volke die Wirklichkeit eine- nationalen Lebens wiedergab, in dankbarer Anerkennung dieser Ber- dienst« um da« Vaterland, welche die Mitwelt bewundert, die Nach welt erst in ihren vollen Wirkungen erkennen wird, das Ehren bürgerrecht unserer Stadt ertheilt haben. Dessen zur Urkunde haben wir diesen Ehrenbürgerbrief unter unserer Unterschrift und unter Anhängung unseres großen Stadt- Jnsiegel« ausfertigen lassen. Berlin, den 27. März 1871. Magistrat hiesiger König!. Haupt- und Residenzstadt." U Berlin, 3. August. DaS Reichs-Versicherungsamt hat die Handhabung und Durchführung des Ent scheid i g u n g s v e r f a h r e n s im Falle der Bethei- ligung mehrerer Berufsgenossenschaften neu geregelt. Danach soll in Fällen der bezeichneten Art regelmäßig das anhängige Recursverfahren zunächst ausgesetzt und die nach Ansicht des Reichs-Versicherungsamtes entschädigungspflichtige Berufsgenossenschaft um Ertheilung eines berufungsfähigen Be scheides rrsucht werden, damit, wenn diese letztere ihre Ent schädigungspflicht bestreitet, die Frage, wer für die Folgen des Unfalles einzutreten hat, thunlichst gleichzeitig gegenüber allen in Betracht kommenden Versicherungsträgern vom Reichs-Ver- sicherungsamte im instanzmäßigen Verfahren entschieden werden kann. Hierbei wird der Rentenberechtigte auf die Benutzung der ihm zustehendrn Rechtsmittel nötigenfalls noch besonders hin gewiesen werden. Die Gefahr einer Doppelzahlung von Renten wird dadurch vermieden werden können, daß der zur Bescheids- ertheilung aufgeforderte Versicherungsträger, sofern er seine Entschädigungspflicht anerkennt, sich sofort mit der zunächst in Anspruch genommenen Berufsgenossenschaft in Verbindung setzt. Lehnt Jener die Entschädigungspflicht ab, wird aber durch das Schiedsgericht zur Entschädigung verurtheilt, so braucht dieses Urtheil nicht ausgeführt zu werden, so lange die dem Berechtigten günstige schiedsgerichtliche Entscheidung, welche gegen die zuerst in Anspruch genommene Berufsgenossenschaft ergangen ist, nicht aufgehoben wird, und der Berechtigte auf Grund der letzteren Entscheidung mindestens das erhält, was ihm die neue Entscheidung zuspricht. Das Reichs-Versicherungsamt seinerseits wird in Fällen, in denen die Entscheidung gegen sämmtliche Berufsgenossenschaften nicht gleichzeitig erfolgen kann, z. B. wenn gewerbliche und landwirthschaftliche Berufsgenossenschaften in Frage kommen, und in denen vom Reichs-Versicherungsamt eine Berufsgenoffenschaft verurtheilt wird, während das eine andere Berufsgenossenschaft verurtheilende schiedsgerichtliche Urtheil noch nicht aufgehoben ist, diese letztere von der neuen Verurteilung sofort benachrichtigen. (-) Berlin, 3. August. (Telegramm.) Der „Reichs anzeiger" erklärt dir in der Presse vertretene Auffassung, daß durch die Verleihung de« Schwarzen Adlerordens an den Kaiser von China, sowie durch die früheren Verleihungen an den Sultan Abdul Meschid und an den jetzigen Sultan die Grundbestimmung, nach der die Gemeinschaft der christ lichen Kirche als Grund deS Ordens zu betrachten ist, außer Kraft gesetzt sei, für irrthümlich. Die Statuten de« Ordens sind nur anwendbar auf die Verleihung an in ländische, zur Investitur zugelassene Ritter. Fremde Souveraine, wie überhaupt Ausländer, werden nicht investirt. Diese Verleihungen unterliegen nicht den Bestimmungen der Statuten. — Der Reichskanzler Fürst Hohenlohe wird bereits in nächster Zeit, wie der „Reichsbote" zuverlässig vernimmt, eine Commission von Fachmännern einberufen lassen, um die Abänderungsvorschläge in Erörterung zu ziehen, die hinsichtlich des jetzigen Weingesetzes gemacht worden sind. Gleichzeitig soll bei dieser Gelegenheit noch eine andere wichtige Frage berührt werden: es ist die Declarationspflicht der durch Einleiten von Kohlensäure hergestellten Schaumweine. — Zugleich mit dem Tode des Fürsten Bismarck fällt auch die historisch denkwürdige Stätte, welche den eisernen Kanzler so oft in ihren Mauern gesehen hat, das alte Reichstags gebäude. An diesem Montag früh wurde mit den Ab bruchsarbeiten begonnen, nachdem der bereits für den Beginn des Monats Juli geplante Abbruch des seit mehr als sechs Wochen leer stehenden Hauses immer wieder verschoben worden war. Am Montag früh traten die Bauarbeiter an und begannen sofort vor der Front des alten Reichstagsgebäudes tiefe Gruben zu graben und in denselben die Pfosten für den Bauzaun zu errichten. So ist es denn ein ganz merkwürdiges Zusammen treffen, daß dieses Haus, in welchem der Fürst so viele seiner historischen staatsmännischen Reden gehalten, und w-r er durch die überzeugende Macht seiner Beredsamkeit und die Wucht seiner gewaltigen Persönlichkeit so manchem Gesetzentwurf zum Siege verholsen hat, zugleich m t dem Ableben des größten Staats mannes, der je in den hi torisch denkwürdigen Räumcn geweilt hat, von dem Erdboden zu verschwinden beginnt. — Der Beschluß der vorjährigen interparlamentarischen Conferenz für Schiedsgericht und Frieden zu Brüssel, die Conferenz in diesem Jahre in Lissabon abzuhaltey. ist mit Zustimmung aller Betheiligten aufgehoben und es ist staK dessen beschlossen worden, an Stelle der Conferenz, wie schon einmal im Jahre 1894, im Herbst eine Sitzung des interparla mentarischen Bureaus in Brüssel oder im Haag stattfinden zu lassen, um Ort und Zeit der nächstjährigen Conferenz zu be stimmen und sich vor Allem mit der Consolidirung der intee^ parlamentarischen Einrichtungen unter den veränderten Vere hältnissen zu beschäftigen. — Ueber die Verwaltung und Redaction de« „Reichs boten" veröffentlicht Graf Schnlrnburg-Beetzendorf nach stehende Erklärung: » Hierdurch bringe ich zur Kenntniß des Leserkreise« de« „Reichs boten", daß ich seit drei Jahren wegen NichtzustandekommenS d»S F-ttilletsn. Um die Erde. Reisebriefe von Paul Lindenberg. NaLdruck verboten. Tokio. Bildeten sich die sogenannten „ersten Kreise" Japans schon vor her viel auf die Culturfortschritte des Landes ein, so jetzt noch weit mehr, verbunden mit dem hochgesteigerten Nationalgefühl. Davon merkt man auf dem Lande und in den kleineren Ort schaften wenig, desto mehr in Tokio. Viele der hiesigen Ein wohner, die sich einen alten europäischen Hut aufsetzen, und europäische Kleider, von meist bedenklicher Beschaffenheit, an- ziehen, glauben damit auch „europäisches Wesen", von dem sie keine Ahnung haben, angelegt zu haben, und meinen, nun ver pflichtet zu sein, alles Japanische abzustreifen. Zunächst die ihnen angeborene und anerzogene Höflichkeit, die Rücksichtnahme und Bescheidenheit, ihr heiteres Sichgebrn u. s. w., an deren Stelle in vielen Fällen Ungezogenheit und Dummdreistigkeit, verbunden mit lächerlicher Ueberhrbung, treten. ES sind halb gebildete Elemente, — im Gegensatz zu einer ganzen Zahl vor nehm gebildeter Japaner von den besten Manieren — in deren Köpfen es von allen möglichen unverstandenen Ideen spukt und denen bald nichts europäisch, bald nichts japanisch genug sein kann. Ihr Ideal ist das „freie Amerika", sie wären auch mit einer Republik ganz einverstanden und möchten eine noch weit liberalere Verfassung, als sie gegenwärtig besitzen: „die jetzige mag ja gut genug für daS veraltete Deutschland sein, nicht aber für uns fortgeschritten« Japaner!" DaS sind verbürgte Worte! Ein Beispiel für viele: Al« vor einiger Zeit der abberufene deutsche Gesandte v. G. sich in Uokohama auf dem Schiff befand, von einigen näheren, sich von ihm verabschiedenden Freunden umgeben, drängte sich durch deren Kreis der japanische Bediente de« deutschen LegationSsecretairS und reichte dem Gesandten vertraulich die Hand mit den Worten: „Vooä b^s, Aiuistor, I'ar veil!" („Lebewohl, Minister, reise glücklich!") Alle« ist verwundert, der betreffende Legationsfecretair, der immer die Bescheidenheit seines Diener« gerühmt, will in die bewußte Hammelmacht fallen, und al« er den Jüngling später zur Rede stellt, ihn aufmerksam machend, daß zwischen ihm und dem deutschen Gesandten denn doch ein gewisser gesellschaftlicher Unterschied bestände, antwortete der Diener ganz beleidigt: WaS ist denn dabei? — Ich war in Washington, Labe dem Präsi denten der Vereinigten Staaten di« Hand gedrückt, habe der Präsidentin und der Tochter guten Tag gesagt, und die Tochter zeigte sich vor mir sogar in au»geschn!tten«m Kleid«, und der deutsch« Gesandte ist doch auch nicht mehr, wie der amerikanisch« Präsident!" Köstlich, das Hervorheben des „ausgeschnittenen Kleides" der Tochter! Die Begrüßung mit dem Präsidenten hatte natürlich an einem der öffentlichen wöchentlichen Empfänge stattgefunden, wo Jeder im „Weißen Hause" zugelaflen wird. Manchem der japanischen Minister und ersten Beamten wird jetzt bereits bange vor den Geistern, die sie gerufen, und sie möchten sie gern wieder bannen, zumal sich schon unter den Arbeiterschaaren Tokios und Osakas socialistsche Strömungen bemerkbar machen. „Japan muß renationalisirt werden", hat schon vor einiger Zeit der Ministerpräsident, Graf Ito, ver kündet, und „Japan den Japanern" dürfte die neueste Parole werden. Damit wird man aber dem fremden Handel noch mehr, wie bisher, die Thore schließen, und dieser Handel ist sowieso schon in den letzten Jahren erheblich zurückgegangen. Deutsch land führte nach Japan im vorletzten Jahre für 18 Millionen Mark aus, während Japan nach Deutschland für 8 Millionen Mark einführte. Der Kaufmarkt aber in Japan wird immer geringer; bei ihrem ausgezeichneten Nachahmungstrieb und ihrer Kunstfertigkeit bringen jetzt die Japaner Vieles selbst hervor, WaS sie noch vor wenigen Jahren in Massen vom Auslande be zogen. Damit nicht genug: sie untergraben in ganz Ostasicn und auch schon in einzelnen Theilen von Amerika den Markt für europäische Maaren. Axminster- und persische Teppiche werden in Osaka nachgeahmt und schon nach Europa ausgeführt, japanische Händler kaufen in Peking alte Seidenwaaren auf, um sie zu imitiren, und „echt chinesisches Porzellan" wird in Massen von Japan nach China geschmuggelt, japanische Streichhölzer findet man von Ceylon bi« San Francisco und ebenso japanische Woll- und Seidenwaaren. Alle« taugt nicht viel, aber Alles ist ungemein billig, erhält doch ein japanischer Arbeiter für tägliche zehn- bi« zwölfstündige Arbeitsleistung kaum 40 bi« 60 Pfg. Lohn, rin« Arbeiterin sogar nur die Hälfte. In einiger Zeit tritt nun der neue japanisch-deutsche Handelsvertrag in Kraft; er ist auf denselben Grundlagen ab geschlossen wie der mit England und «den übrigen Großmächten. Danach werden sämmtliche Häfen und daS innere Land dem Handel frei erschlossen (bisher kamen nur die Vertragshäfen in Frage und im Innern durfte überhaupt kein Handel seitens der Europäer getrieben werden), Europäer können sich überall nieder lassen und miethweise Bodenbesitz erhalten, und die gegenseitigen Einfuhrzölle wurden den entsprechenden Bedürfnissen angepasst; als wichtigste« Zugeständniss erhielt Japan aber die Aufhebung der ConsulargerichtSbarkeit, d. h. Europäer werden nicht mehr von ihren Lonsuln nach den in ihren Ländern geltenden Ge setzen abgeurtheilt, sondern von japanischen Richtern nach japanischem Recht, da» sich in seiner neuen Gestaltung vielfach an unser deutscher Bürgerliche« Gesetzbuch anlehnt. Diese- letztere Zugeständniss — von England zuerst ein geräumt, so dass die anderen Mächte nothgrdrungen folgen mussten, wollten st« nicht dem englische^ Handel die Allein herrschaft in Japan überlasten — begegnet auf europäischer Seite manchen ernsten Befürchtungen, denn gerade in den den internationalen Handel betreffenden Streitigkeiten können doch wesentliche Verschiedenheiten zwischen japanischer und euro päischer Auffassung entstehen. Ob und wie weit diese Be fürchtungen gerechtfertigt sind, muß die Praxis entscheiden. Der deutsch« Handel darf sich jedenfalls keinen übertriebenen Erwartungen bezüglich einer großen Zuncchme in Japan hin geben; aber fest und thatkräftig muß er versuchen, England sein Gebiet auch fernerhin streitig zu machen, denn der britische Handel ist gegenwärtig noch mit 40 Procent am internationalen Handel Japans betheiligt, hat aber in den letzten Jahren schon manch« Bresche durch den deutschen Unternehmungsgeist und deutschen Fleiß erhalten. Das Schwergewicht des deutschen Handels in Ostasien wird aber weit mehr in China wie in Japan liegen. V o k o h a m a. Nach Tokio wirkt Uokohama erfreuend und erfrischend; un mittelbar am Meer gelegen, von zwei Seiten durch bewaldete Berge eingerahmt, mit schönen Villencolonien auf den nahen Hügeln, von denen man prächtige Ausblicke auf Stadt und Ocean hat, mit einer breiten und langen Strandpromenade, von der aus man das rege Schiffsleben im weiten, gut geschützten Hafenbecken beobachten kann, mit echt japanischen und echt euro päischen Vierteln, bietet Aokohama viel des Fesselnden und Ab wechselungsvollen, zumal man noch kürzere und sehr lohnende Ausflüge in die nächste Nachbarschaft unternehmen kann. Der Ort, der heute an 180 000 Einwohner zählt und dessen jährliche Ein- und Ausfuhr sich auf ca. 280 Millionen Mark beläuft, während im letzten Jahre hier über 2000 Dampf- und Segelschiffe ein- und ausliefen, verdankt seine Grösse in erster Linie dem rastlosen Unternehmungsgeist der Europäer, be ziehungsweise Amerikaner. 1854, als die ersten ameri kanischen Kriegsschiffe hier ankerten, befand sich an dieser Stelle «in Fischerdorf, fünf Jahre später wurde der Ort nebst Hafen den Fremden geöffnet, die sich allmählich ihr eigenes „Settlement" schufen, das jetzt allein bereits den Rang einer Stadt beanspruchen darf. Sieht man von den zahlreichen Chinesen ab, so leben hier nahe an zehntausend Fremde, darunter über achthundert englische Unterthanen. Stattlich ist daS deutsche Element vorhanden, mehrere der einflussreichsten Handelshäuser gehören Deutschen, ein General-Consulat vertritt die politischen und wirthschaftlichen Interessen unseres Baterlande», ein grosser, behaglich eingerichteter Deutscher Club bildet den geselligen Mittelpunkt. Noch stärker wie im übrigen Japan tritt unS hier Amerika entgegen. Der Verkehr hin- und herüber zwischen Uokohama und den Pacific-Hasenplähen der Vereinigten Staaten ist ein äusserst reger, und unter de» Gästen der Hotel« findet man sicher zwei Drittel von Bürgern und Bürgerinnen der vom Sternen banner beschatteten großen Republik. Elegant und sicher treten die amerikanischen Damen auf, und weich' stolze und schöne Er scheinungen trifft man unter ihnen, welchen Toilettenloxu» wissen sie zu entfalten, zumal wenn Abends in den Speisesälea der Hotels die elektrischen Lichter aufgeflammt sind, und sich um die einzelnen Tische die kleineren, zusammcngehörendeu Kreise schaaren. Hier hört man «denn auch zum ersten Male Näheres von dem amerikanisch-spanischen Kriege und findet in den in Uokohama veröffentlichten englisch-japanischen Zeitungen ausführlichere Berichte. Im Innern des Landes hatte man nur tropfenweise, meist durch mündliche Nachrichten, DieS und Jenes vernommen, und auch das war, wie man jetzt erfährt, nicht richtig gewesen. Mit doppelter Freud« genießt man hier, vor der langen Seefahrt, die Vorzüge eines guten Hotels, und ich möchte dabei erwähnen, wie manches unserer deutschen Hotel» noch von denen Ost-Asiens (und anderer Länder!) lernen könnte. Man nimmt meist, was ja den deutschen Verhältnissen nicht angepaßt ist, gleich volle Pension, die sich, je nach dem Zimmer, auf acht bis zwölf Mark täglich beläuft; der Durchschnittspreis ist zehn Mark. Dafür hat man früh Thee oder Kaffee, dann ein sehr reiches Frühstück — etwa zwölf Gerichte nach eigener Wahl, wieder mit Thee oder Kaffee —, zur Mittagszeit das ausgedehnte Tiffi» und Abends das umfangreiche Diner, nachdem man noch Nach mittags auf Wunsch Kaffee rc. erhalten hat. Die Gerichte wählt man sich aus, so daß, wer keinen Appetit oder keine Zeit hat, in zehn Minuten seine Mahlzeit beenden kann, man speist an kleinen Tischen, und es fällt demnach die furchtbare „Table d'hote" Deutschlands fort. Nirgends besteht Weinzwang, man braucht überhaupt nichts zu trinken, kann aber auch seine Flasch« Bier (ca. dreißig Pfennig), seinen Whisky mit Soda, sein Glak Sherry, seine Limonade erhalten, die Nothweine sind gut und billig, für drei Mark bekommt man eine annehmbare Flasche Bordeaux. Die Bedienung ist flink und lautlos, geschickt und aufmerksam, Gespräche mit den Gästen über daS Wetter, die Fremden, die Sehenswürdigkeiten giebt's nicht. In den Zim mern findet man stets auf den Waschtischen gute Seife vor und ferner große Frottirhandtücher, die Betten sind breit und ausge zeichnet, in wenigen Minuten ist da« Bad fertig, für welche« nichts berechnet wird, und endlich, die Trinkgelder sind sehr mäßig, und man giebt sie, englischem Beispiel folgend, nur, wenn man durchaus zufrieden war. Und nun noch Eines bei dieser Gelegenheit: wie Viel« denken in Deutschland, dass wenn sie ein wenig die französische Sprache beherrschen, ihnen die Welt nun offen stände, „denn mit Fran zösisch kommt man ja überall durch!" — Ach Du lieber Himmel, welche Täuschung! Kaum 60 Millionen Menschen sprechen fron- zösisch, weit über 200 Millionen aber englisch — in den Kreisen unserer höheren Schulbehörden scheint man nicht viel hiervon zu wissen! Heute der letzte Tag in Japan und Ostasien, draussen im Hafen li«gt bereit« die „Brlgic", rin großer, gestern mm Hong» kong ber eingelaufener englischer Dampfer, der uni nach Gan Francisco bringen soll, am Nachmittag um S Uhr geht'« fort.
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