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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.07.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-07-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980728023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898072802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898072802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-07
- Tag1898-07-28
- Monat1898-07
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Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,7 Uhr, dd Abend-Ausgabe Wochentag» um ü Uhr. NeLartion und Lrpe-itio«: Aoha»ne--asse 8. Die Expedition ist Wochentag» nnunterbroche» geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Filialen: ivlt» Klemm's Sarttm. (Alfred Hahn), Univrrsitätsstratze 3 (Paulinum), LoniS Lösche, Katharinens». 14, part. und Königsplatz 7. Abend-Ausgabe. MMer Tageblatt Anzeiger. Amtsblatt des Aönigl'ichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Nokizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Prei- die 6 gespaltene Petitzeile >0 Psg. Reklamen unter dem Rrdactiousstrich (4»o» spalteu) SO/g, vor den Kamtlieauachrtchtea (k gespalten) 40^ Größer« Schriften laut uuserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ztfsrrnsatz nach höherem Tarif. Ertra-Vetlagei» (gefalzt), »nr mit der Morgen - Ausgabe , ohne Postbefürdernng 60.—, mit Postbesürderung 70.—. ^nnahmeschluß fir Ä«zeige«: Abend-AuSgab«: Vormittags Lü Uhr. Morgen- Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. vei den Filialen und Annahmestellen je ein« halb« Stund« früher. Anzeigen sind stet« an die Erpe-ttton zu richten. Druck und Verlag von E. Polz iu Leipzig. Donnerstag den 28. Juli 1898. 92. Jahrgang. Der spanisch-amerikanische Lrieg. Präsident Mac Kinley wird heute dem französischen Bot schafter Cambon die Antwort auf den spanischen Friedensvorschlag übermitteln. Wenn Spanien die Zu sicherung giebt, baß dem Waffenstillstand ein auf be stimmten allgemeinen Gesichtspunkten basirter Friedens vertrag folgen werde, so wird, wie man glaubt, Präsident Mac Kinley in die Einstellung der Feindseligkeiten ein willigen. Außerdem muß der Präliminarvertrag die Ver pflichtung Spaniens enthalten, sich einer Reihe von Be dingungen zu unterwerfen, die von den Vereinigten Staaten als Grundlage der FriedenSverhandlungen erklärt werden. Man vermutbet in Washington, daß, wenn Spanien diese Be dingungen erfährt, vorübergehend ein Rückschlag zu Gunsten der Fortsetzung des Krieges erfolgen werde, der wahrscheinlich so lange dauert, bis San Juan vollständig eingeschloffen ist, was nach dem Urtheile militairischer Sachverständiger in kurzer Zeit der Fall sein wird. Eine Kriegsentschädigung werde man, so heißt eS, nicht fordern, cS sei denn, daß Spanien durch weiteren Widerstand der amerikanischen Re gierung schwere Kosten wegen der Sendung eines Geschwaders nach Spanien und der in großem Maßstabe erfolgenden Fort setzung der Operationen auf den Antillen verursachen sollte. Der Staatssecretair Day und der stellvertretende Secretair dcS Staatsdepartements sollen übrigens die Gruudzüge für die FriedenSverhandlungen fcstgestclll haben, um sie dem Cabinet zu unterbreiten, lieber die Einzelheiten wird strenges Still schweigen beobachtet, doch behaupten die amerikanischen Blätter mit Bestimmtheit, daß die Hauptpunkte folgende seien: 1) Das Aufgeben der spanischen Oberhoheit über Cuba mit dem Zugeständnisse, daß die Bevölkerung Cubas unter amerikanischem Schutze berechtigt ist, sich eine Lauernde Regicrungssorm zu wählen. 2) Absolute und unbedingte Abtretung Puerto Ricos an dir Bereinigten Staaten. 3) Regelung der Philippinenfrage durch eine Conferenz oder Commission. Die Vereinigten Staaten werden für sich rinMaximum von commerciellem Vortheil, verbunden mit einem Minimum von Regierungsverantwortlich keit beanspruchen. Was die Ladronen, Karolinen und sonstige Errungenschaften betrifft, so werde diese Frage kein Hinderniß für die sofortige Einigung und den Friedensschluß bilden. Ein Mitglied des CabinetS, das bei der im Weißen Hause stattgehabteu Verhandlung eine bedeutende Rolle spielte, erklärte, es werde sich bei der Frage der künftigen Besitzungen der Vereinigten Staaten in der Philippinen- Gruppe wahrscheinlich um nicht mehr als eine einzige Insel handeln. Man kann nickt sagen, daß diese Forderungen der Amerikaner übermäßig hohe seien. Auf Cuba, das Spanien schon so lange so viel Geld und Menschen kostet, mag eS getrost verzichten, vielleicht gelingt eS ihm, noch eine Concession wegen seines Handels zu erringen, aber mit Puerto Rico ist daS eine andere Sache. Man wird sich erinnern, daß auf Puerto Rico kein Aufstand herrschte, daß Amerika nur Cuba befreien wollte und daß durch die Puerto Rico gewährte Autonomie dieses an und für sich schon befreit ist. So hat denn auch daS am 22. Juli zu sammengetretene Parlament der Insel Puerto Nicol in den Sitzungen vom Sonnabend und Montag die I auf Grund der gewährten Autonomie ausgearbeitete' Verfassung einstimmig angenommen. Gleichzeitig wurde beschlossen, au fämmtliche Großmächte und amerikanische Re gierungen eine Erklärung zu versenden, worin gegen dir von den Vereinigten «taaten angekündigte Besitz ergreifung Einspruch erhoben wird. Durch die der Insel gewährte Autonomie sei Puerto Nico ein völlig selbst ständiges Staatswesen geworden, welches genau ebenso viele Freiheiten besitze, wie jeder Einzelstaat Nordamerikas. Ein Angriff der Nordamerikaner auf die Insel bedeute also den Versuch, einem amerikanischen Gemeinwesen die Freiheit und Selbstverwaltung zu entreißen; eS wäre dies demnach die vollständige Verleugnung derjenigen Grundsätze, um deren willen die Bereinigten Staaten den Krieg unternommen hätten. Durch diese Haltung der Volksvertretung der Insel kommen die Amerikaner in eine eigenthümliche Zwickmühle, sie werden sich freilich nicht viel daraus machen. Haben sie erst die Macht, so fragen sie nicht nach dem Reckt, daS ist immer demokratischer Grundsatz gewesen, ob die Sache nun die Aerzte in Barmen oder eine Antilleninsel angeht. Einen kleinen Sieg erfochten die Spanier, wie folgende Depesche meldet: * Ley West, 27. Juli. („Rruter'iches Bureau") Ein amerika nischer Dampfer machte den Versuch, Mannschaften und Massen bei Banes (in der Nähe der Bucht von Nipe) zu landen. Dem Anscheine nach sind die kubanischen Aufständischen, welche die Landung unterstützen sollten, von Spaniern vertrieben worden. Trotzdem begann der Dampfer seine Ladung mittel kleiner Fahrzeuge zu löschen. Plötzlich eröffneten 1000 Mann spanischer Cavallerie von einem nahe der Küste belegcnen Walde au» Gewehrfeuer. Von den amerikanischen Schützen, etwa 40 an der Zahl, die die Rückkehr der Expedition an Bord des Dampfers decken sollten, wurden sechs verwundet. Weitere Meldungen lauten: * Madrid, 28. Juli. Der Minister der auswärtigen Angelegen- Hellen bestätigte, Laß Vorschläge für die Friedensverhand» lungen gemacht worden seien, weigerte sich aber, Einzelheiten mit- zutheilen. — Wie eine officielle Depesche aus Puerto Rico meldet, wiesen 700 Freiwillige einen Angriff der Amerikaner aus Manpo zurück. Die Amerikaner zogen sich in die Stellungen zurück, di« sie vorher besetzt hatten. Und nun müssen wir uns nochmals an die Amerikaner direct wenden, und zwar wegen der „Irene". Die amtliche Zurückweisung der amerikanischen Unterstellungen durch den Prinzen Heinrich haben wir bereits mitgetheilt. Diese Aufklärung durch den Prinzen, zu dessen Division übrigens die „Irene" selbst nicht gehört, macht ein für alle Mal dem Gerede rin Ende, das sich in der Presse auS Anlaß der amerikanischen Meldungen über eine angebliche Neutralitätsverletzung des deutschen Kreuzers erhoben hatte. Um die Leichtfertigkeit beurtheilen zu können, womit auf ameri kanischer Seite solche Verdächtigungen in die Welt gesetzt werden, lohnt eS sich wohl, auf den Wortlaut der ersten Dar stellung drS Falles zurückzukommen. Am Mittwoch, den 13. Juli, ging dem Mariuedepartement zu Washington folgende amtliche Depesche des GeschwaderchrfS vor Manila, Admirals Dewey, zu: „Aguinalbo hat mich benachrichtigt, daß seine Truppen die ganze Subic-Bucht eingenommen haben mit Ausnahme der Isla Grande, an deren Besetzung er durch daS deutsche Kriegsschiff „Irene" gehindert wurde. Am 7. Juli schickte ich die „Raleigh" und die „Concord" bin, die das Eiland mit etwa 1300 Mann, Waffen und Schießvorrath nahmen. Kein Widerstand. Bei ihrer Ankunft zog sich die „Irene" zurück. Dewey." Verschlimmert wurde der üble Eindruck, den dieser Bericht mit seiner dreisten Constructio» eines ursäch lichen Zusammenhangs, der gar nicht vorlag, auf beiden Seiten machen mußte, nvck durch die weiteren Einzelheiten, die der amerikanische Consul Wildmann in Hongkong hinzu fügte und durch die telegraphische Darstellung, die sich der „New Mork Herald" am 14. Juli aus Manila kabeln ließ, wo eS hieß, die Deutschen hätten wahrscheinlich Vorräthe in Manila gelandet und ließen es auch sonst an den unter den Marinen üblichen Höflichkeiten fehlen. Wie weit, trotz der anerkennenSwerth zurückhaltenden und ruhigen Haltung der Washingtoner Behörden, die Verhetzung Deutsch lands und der Union getrieben worden, zeigt eine Reulermeldung vom Montag, daß die Zurückhaltung ves Ostgeschwaders unter Watson hauptsächlich auf die wiederholten Neutraliläts - Versicherungen Deutschlands hin angeordnet worden sei. DaS sieht ja so auS, als ob Watson nicht zum Angriff auf die spanischen, sondern die deutschen Küsten abgeschickt werden sollte. Nie mand wird ja diesen Unfug ernst genommen baden, ebenso wenig wie die Angabe, Dewey hätte Befehl bekommen, uölhigenfallS mit Waffengewalt gegen die deutschen Schiffe vorzugehen. Aber angesichts dieses Treibens gewisser amerika nischer und englischer Blätter und NachrichtenbureauS wurde es hohe Zeit, daß einmal von maßgebender Seite ein auf klärendes Wort gesprochen würde, das alledem ein Ende macht. Politische Tagesschau. * Leipzig, 28. Juli. Ueber daS Befinden des Fürsten Bismarck nicht nur Wahres, sondern auch die ganze Wahrheit zu erfahren, ist überaus schwer, nicht nur weil die Fülle der in Friedrichsruh eingehenden Anfragen eine eingehende Antwort der einzelnen nicht gestattet und die Umgebung des Fürsten begreiflicher weise sehr vorsichtig in ihren Aeußerunzen ist, sondern auch, weil ersichtlich die den Leidenden umgebenden Personen, Prof. Schweninger nicht ausgeschlossen, der Stimmung unterworfen sind, die naturgemäß durch verschiedene Aeußcrungen des Fürsten über seine Empfindungen hervor gerufen werden. So antwortete, wie die „Tägl. Rundsch." miuheilt, gestern Mittag gegen 1 Uhr Professor Schweninger auf die von der Redaction dieses BlattcS an ihn gerichtete Anfrage, ob die bekannten Meldungen dcS „Berl. Local-Anz." richtig seien, wörtlich: „Alles Unsinn! Schlaf gut, sonstiges Befinden unverändert. Schweninger." Etwa zwei Stunden vorher hatte er einem Mitglied« der Redaction des „Berl. Local-Anz.", das nach Friedrichsruh gesandt worden war, um sich gleichfalls über die Begründung der von diesem Blatte frischweg in die Welt posaunten erschreckenden Meldungen zu informiren, gesagt: „Der Fürst habe eine gute Nacht gehabt und sei aufgestanden. Er fühle sich verhältnißmäßig Wohl und eine Gefahr sei gegenwärtig nicht vorhanden. Infolge dessen werde er (Schweninger) im Laufe des Tages (also des gestrigen) eine kurze Reise nach Sachsen unternehmen. DaS Körper gewicht des Fürsten sei zur Zeil in Abnahme begriffen; es betrage zur Zeit 187 Pfund. Der Humor sei leidlich. Ein Grund zu ernsterer Besorgniß sei gegenwärtig nicht vor handen." Der Widerspruch zwischen beiden Auslassungen, oder vielmehr der Gegensatz zwischendenStimmungen, von denendiese Auslassungen abhingen, ist unverkennbar. Denn wenn Alles, was dem „B. L.-A." gemeldet worden war, Unsinn gewesen wäre, so hätte Prof. Schweninger dem Vertreter deS Blattes diesen Unsinn auf ganz andere Weise klar gemacht, als durch die Versicherung, der Fürst habe eine gute Nacht gehabt, sei aufgestanden und fühle sick verhältnißmäßig so wohl, daß Grund zu ernster Besorgniß gegenwärtig nicht vorhanden sei. Wahrscheinlich batte sich, nachdem der Fürst aufgestanden und vaS Telegramm Schwe- ninger's an die „Tägl. Rundsch." abgegangen war, bei dem Leidenden wieder eine Beschwerde eingestellt, die auf die spätere mündliche Auskunft des Arztes einen Einfluß übte. Es wird daher nicht befremden können, wenn auch die in den nächsten Tagen aus Friedrichsruh einlaufenden und auf directe Auskunft der Schloßbewohner sich gründenden Meldungen — von den übrigen, die allein gewissenloser Speculation ihren Ursprung verdanken, sehen wir ganz ab — nicht mit einander harmoniren. Eine nicht unbedenkliche Störung in dem Befinden des Fürsten war jedenfalls zu Anfang dieser Woche oder wohl schon zu Ende der verflossenen eingetreten und ist auch jetzt noch nicht völlig beseitigt. Daß Professor Schweninger gestern wirklich, wie er angeblich beabsichtigte, nach Sachsen abgercist sei, ist bisher nicht gemeldet worden. Erst wenn die Abreise erfolgt sein wird und morgen, wie der Arzt ferner in Aussicht gestellt haben soll, der Fürst den Besuch des bayerischen Ministers v. Crailsheim empfängt, wird die Sorge schwinden, mit der die deutsche Nation den Meldungen aus Friedrichsruh entgegen sieht. Von den uns heute vorliegenden Telegrammen geben wir nur daS folgende des Wolff'schen Telegraphen-Bureaus wieder: Berlin, 28. Juli. Mehrere Morgenblätter melden aus Friedrichsruh, daß im Befinden deS Fürsten Bismarck, den ein acuter Anfall seines Sehnenleidens auf das Lager ge worfen habe, im Lause des Mittwoch eine Besserung eingrtreten sei. Indessen werden Graf Herbert und Graf Wilhelm Bismarck bis Ende dec Woche in Friedrichsruh bleiben. — Dem „Kleinen Journal" zufolge äußerte Geheimrath Schweninger, er hoffe ganz bestimmt, daß Fürst BiSmarck ein sehr hohes Alter er reichen werde. Wie wir gemeldet haben, ist der Verkauf zweier vor einiger Zeit begründeter Witzblätter auf den preußischen Bahnen verboten worden. Die freisinnige Berliner Presse bat deswegen sofort daS Garn ihrer Entrüstung ab- gewickclt — was der Eisenbahnministcr vorauSseheu kennt.-, worüber er sich aber keine Sorgen gemacht zu haben scheint. Denn er hätte den „Sturm" vor seinem Ausbruch leicht durch das gleichzeitige Verbot eines antisemitischen Witz blattes beschwören können. Wie wir wahrnehmeu konnten, begegnet die Maßregel des Herrn Thielen vielfach auch in Kreisen Verständniß, die gleich uns behördliche Beschränkungen deS Publikums in der Wahl seiner Lectüre im Allgemeinen nicht zu billigen vermögen. Diese nicht un günstige Aufnahme des Verbotes gründet sich auf die „Eigenart" der betroffenen Blätter, die künstlerische, die literarische und die politische. WaS die letztere anzeht, so dürfte mindestens die Münchener Socialdemokratie nicht ernstlich ungehalten über Herrn Thielen sein, denn er befreit das von ihr herausgegebene Witzblatt „Der wahre Jacob" von zwei Concurrenten, die eS mehr und mehr verdrängt haben. Die Gerechtigkeit gebietet, anzuerkenuen, daß daS Vor herrschen des schlechten Geschmackes eS gewesen ist, WaS das erklärtermaßen socialdemokratische Blatt in Nachtbeil brachte. Wie man Uber daS erlassene Verbot auch urtheilen mag, jedenfalls ist es bedenklich, daß die preußische Eisenbahnverwaltung eine allgemeine Bevor mundung der reisenden Lesewelt in- Auge gefaßt F-urlletsn» Vergeltung. 2s Erzählung von Willi« Collins. Nachdruck v.rdotm. „Gelang es Ihnen, seinen Namen ausfindig zu machen?" fragte Evers. Selbst der Baron, einer der arglosesten Menschen, dem es an jeder Beobachtungsgabe fehlte, bemerkte die voll kommen unerklärliche Gereiztheit des Schiffsherrn. „Weshalb sind Sie so ärgerlich?" fragte der alte Herr. „Ich weiß nicht, was Sie meinen, Baron", erwiderte Evers; „ich bin nicht ärgerlich, ich bin nur neugierig. Gelang es Ihnen, zu erfahren, wo er war?" „Ja, sein Name war Godard. Er war in Liverpool als ein sehr verschlagener und gefährlicher Mensch bekannt zu der Zeit, von der ich spreche, noch sehr jung, und ein Seemann ersten Ranges, berüchtigt als Führer seeuntüchtiger Schiffe und verrufener Mannschaften. Auf diese Weise soll er sich ein nicht unbeträchtliches Vermögen erworben haben. Ein jämmerlicher Schurke, Roland, der mehr als einmal auf beiden Seiten des Atlantischen Oceans in schwere Unannehmlichkeiten gerieth, weil er die ruchlosesten Grausamkeiten und Gewaltthätigkeiten be gangen hatte. Jetzt wird er wohl schon seit Langem todt sein." „Vielleicht lebt er auch unter einem anderen Namen und hat sich einem neuen Beruf mit nicht minder halsbrecherischen Wag nissen gewidmet", bemerkte Bambert. „Sind Sie mit den Umständen bekannt?" fragte Evers mit einem herausfordernden Tone seiner blechernen Stimme. „Was wurde aus dem Matrosen, Papa?" erkundigte sich Valeska, Bambert absichtlich unterbrechend, ehe er zornig die an ihn gerichtete Frage beantworten konnte. „Wir veranstalteten eine Sammlung für ihn und konnten ihm ein recht hübsches Sümmchen übergeben. Auch bei seinem Consul hatten wir uns zu seinen Gunsten verwendet, so daß der arme Mensch auf die bequemste Weise in seine Heimath zurückgelangen konnte." „Und damit ist des BaronS Geschichte zu Ende", sagte Evers, sich geräuschvoll aus seinem Sessel erhebend. „Endlich haben wir die Brise", rief er, zur Decke aufblickend, „und diese- Mal irre ich mich nicht!" Es verhielt sich in der That so. Der Wind hatte sich wirk lich «hoben. Die Segel blähten sich, der Hauptmast knarrte, und das wieder in Bewegung gekommene Wasser schlug lustig plätschernd an die Schiffswände. „Komm auf das Verdeck, Vally, etwas frische Luft zu schöpfen", sagte Fräulein Lavinia, nach der Cajütenthür voran gehend. Valeska hob ihren Rock etwas in die Höhe und zeigte der Tante, daß von dem rochen Besatz ein sehr großes Stück ab gerissen war. „Gieb mir erst eine halbe Stund« Zrit, in meiner Cabine diesen Streifen wieder anzunähen, Tantchen", bat sie. Lavinia zog ihre Brauen verwundert zusammen. „Seit Du auf dieser Macht bist, liebes Kind", schalt sie, „hast Du nicht aufgehört, Dir die Kleider zu zerreißen; mir ist es während der ganzen Fahrt nicht ein einziges Mal begegnet." „Ich bin so ungeschickt an Bord", entschuldigte sich Valeska erröthend. Nach wenigen Minuten war sie in ihre Cabine verschwunden. Roland Evers zog seine Cigarrentasche hervor. „Jetzt ist es Zeit", sagte er zu dem Baron, „die beste Cigarre zu rauchen, die Cigarre nach dem Frühstück! Gehen wir hinauf auf daS Verdeck." 2. Capitel. Die Annehmlichkeiten einer Fahrt auf dem Meere werden für Liebende dadurch außerordentlich beeinträchtigt, daß sie vom Morgen bis zum Abend beständig von den Mitreisenden beob achtet werden. Noch empfindlicher ist dieser Uebelstand, wenn das LiebeSverhältniß ein Geheimniß bleiben muß. Eine noth- wendige Folge dieses Zustandes der Dinge ist die Entwickelung einer ungeahnten Erfindungsgabe, «ine nie, zu erschütternde Geistesgegenwart. Nachdem Valeska und Bambert sich über eine Zeichensprache verständigt hatten, die ihnen ermöglichte, einander Mittheilungen zu machen, wenn auch die Augen ihrer Umgebung auf ihnen ruhten und fremde Ohren jedem ihrer Worte lauschten, hatten sie die noch größere Schwierigkeit zu überwinden, Mittel zu finden, von Zeit zu Zeit eine verstohlene Zusammenkunft an Bord der Macht zu erlangen.. Bambert hatte sich unfähig gezeigt, die Hindernisse zu beseitigen, die sich ihm in den Weg stellten. Auf ihre eigene Erfindungsgabe angewiesen, war Valeska auf den Gedanken gekommen, daß Bambert seine Studien als Vor wand benutzte, sich in seine Cabine zurückzuziehen, während sie selbst sich immer wieder den Besatz ihre» Kleide» abriß und sich dazu vrrurtheilte, ihre Unachtsamkeit durch sofortiges Ausbessern des angerichteten Schaden» gut zu machen und damit eine Ent- lchuldigung für ihr zeitweilige- Verschwinden zu gewinnen. In dieser Weise trafen sich die Liebenden auf dem neutralen Boden der großen Cajüte, während die nichts ahnenden regie renden Mächte auf dem Verdeck weilten, und auch heute waren sie infolge der Verständigung am Frllhstückstisch wieder im Be griff, sich im Geheimen an den gewohnten Ort zu begeben. Valeska öffnete, wie stets bei diesen Gelegenheiten, ihr Thür zuerst, weil sie bei einem etwaigen unvorhergesehenen Zufall sich auf die eigene Geistesgegenwart sicher oerlaffen könnte. Sie blickte zu dem Fenster in der Decke auf. Dort wurden die Beine der beiden Herren und die Röcke ihrer Tante an der Seeseite des Verdeckes sichtbar. Einige Schritte weitergehend, lauschte sie. Das Gemurmel der Stimmen über ihr verstummte plötzlich. Sie sah wieder hinauf. Ein Paar Beine, und zwar nicht die ihres Vaters, waren verschwunden. Ohne einen Augenblick zu zögern, eilte sie in ihre Cabine zurück, gerade zu rechter Zeit, um Roland EverS, der die Cajüten'treppe. herunter kam, zu entschlüpfen. Er trat an eine der Schubladen unter dem Bücherschrank der Cajüte, nahm eine Banknote heraus und begab sich sofort wieder auf Deck. Valeska's böses Gewissen brachte sie trotzdem auf die Vermuthung, daß EverS Verdacht geschöpft habe. Als sie sich zum zweiten Mal zeigte, wagte sie eS nicht, die Cajüte zu betreten. „Fritz!" flüsterte sie. Der Vetter erschien an seiner Thür; aber noch ehe er die Schwelle überschreiten konnte, rief sie ihm in gebieterischem Tone entgegen: „Rühre Dich nicht! Evers war unten in der Cajüte! Er beargwöhnt uns augenscheinlich." „Unsinn! Komm' doch heraus!" „Um keinen Preis werde ich Das thun, wenn Du nicht einen anderen Ort ausfindig machen kannst, als die Cajüte." Einen anderen Ort? Wie leicht wäre das am Lande zu finden gewesen! Wie unmöglich schien das auf dem Meere! Die vorhandenen Räume waren aus dem einen oder dem anderen Grund« unzugänglich. Bambert überlegte. Die Vorraths- kammer des Steward» lag auf der anderen Seite. Ja das war der Ort, der ihnen eine Zufluchtsstätte werden konnte! „Wohin gehst Du?" fragte Valeska, als der junge Mann auf eine geschloffene Thür an dem unteren Ende der großen Cajüte zuschritt. „Ich will mit dem Steward sprechen, Vally. Warte «inen Augenblick, und Du wirst mich Wiedersehen." Bambert öffnete die Thür d« VorrnthSkammer und ent deckte nicht den Steward, sondern dessen Frau, die Wirth- schafterin an Bord des Schiffes. DaS war ein glücklicher Zu fall. So oft Bambert auf dieser Fahrt Valetta «inen Kuß geraubt hatte, war er dabei von dem Steward und seiner Frau überrascht worden. Er brauchte deshalb kein Bedenken zu tragen, sie zu bitten, ihm und Vally die Vorrathskammer für eine kurze Unterredung zu überlaffen. Auf das Schweigen der in dieser Region des Schiffes herrschenden Autoritäten, deren Sympathien er schon früher durch das beredte Mittel von Geld geschenken gewonnen hatte, durfte er mit Bestimmtheit rechnen. Nach einem schwachen Versuche, ihm die Gewährung seiner Bitte nicht zu verweigern, willigte die Wirthschafterin ein, ihm nicht nur die Vorrathskammer zu überlassen, sondern auch ihren Mann fern zu halten, unter der Bedingung, daß ihr Monn und sie nicht länger als zehn Minuten ausgesperrt bleiben würden. Bambert winkte Valeska an der einen Thür, ein zutreten, während die Wirthschafterin durch die andere ver schwand. Im nächsten Augenblick waren die Liebenden bei sammen. Valeska setzte sich auf eine der Vorrathstonnen. Thee, Zucker und Gewürze waren hinter ihr aufgestapelt, über ihrem Kopf hing eine Speckseite, und dicht vor ihrem Gesicht schaukelte ein Netz mit Citronen hin und her. Sie hatte Nadel und Zwirn mitgebracht und nähte emsig an dem abgerissenen Besatz. In dieser Stellung zeigte sich ihre schlanke Gestalt am vortheilhaftesten. Die Nadel flog in ihren geschickten Fingern durch den weichen Stoff. Bambert hatte sich neben das junge Mädchen gefetzt. „Nun, Vally, was hast Du mir mitzutheilen?" fragte er. „Er hat mit Papa gesprochen, Fritz." „Roland EverS?" .Ja!" „Zum Teufel mit ihm!" Valeska fuhr zurück. Ein in den Nacken geflüsterter Fluch, der von einem Kuß begleitet ist, hat etwas Beunruhigendes, wenn man nicht darauf vorbereitet ist. „Thu' das nicht wieder, Fritz! Während Du auf Deck Deine Cigarre rauchtest und die Herren mich fest eingeschlafen glaubten, fand das Gespräch statt. Ich öffnete den Ventilator in meiner Thür und hörte jedes Wort, das sie sprachen. Er wartete, bis Tante Lavinia fortgegangen war, und er Papa ganz allein für sich hatte, und dann fing er mit seiner abscheulichen Stimme an: „Wie lange soll ich noch warten, Koslyn?' „Sagte er das?" „Ja, das waren seine Worte. Papa verstand sie nicht gleich, aber Evers erklärte sich sofort deutlicher. Auf wen sollte er war ten, als auf mich. Papa wendete ein, ich wäre noch so jung. Der widerwärtige Mensch unterbrach meinen Papa sebr un wirsch: „Mädchen sind wie Früchte, Einige reifen früh» Ander»
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