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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.08.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-08-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980809028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898080902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898080902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-08
- Tag1898-08-09
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Beim Bau von Schlachtschiffen darf kein Holz verwendet werden, 2) die Feuerlöschvorrichtungen mit Ausnahme von Schläuchen und Mundstücken müssen geschützt unterhalb des Panzerdecks liegen, 3) Torpedos sollten auf Schlachtschiffen nur aus Unterwasserrohren geschossen und unterhalb des Panzerdecks aufbewahrt werden. 4) Der Werth der Schnelllade kanonen im Gefecht ist ein ungeheuerer." Diesen Folge rungen können wir um so mehr zustimmen, als bereits die Schlecht an der Aalu-Mündung am l7. September 1894 genügend Anregung gegeben hat, nach der Mehr zahl der vorliegenden Schlüffe unfern Kriegsschiffbau zu ver bessern. In dieser Schlacht, dann vor Cavite bei Manila und vor Santiago entstanden Brände auf den chinesischen und den spanischen Schiffen durch das feindliche Geschützfeuer. Auf unfern neueren und den umgebauten, für den Kampf bestimmten Schiffen wird kein Holz mehr verwendet außer zu Booten, Möbeln und kleineren Geräthschaften. Der zweite Grundsatz wird daraus abgeleitet, daß ein Brand im Achterschiff der „Maria Theresia" vor Santiago nicht gelöscht werden konnte, weil dieselbe Granate, die die Kammern und Cajüten dort ent zündet hatte, auch die Feuerlöschvorrichtung zerstört hatte. Der dritte Schluß ist nicht neu, aber von Wichtigkeit, weil man seit längerer Zeit in dem Vorhandensein der Torpedos in ungepanzerteu Räumen über der Wasserlinie eine Gefahr für das eigene Schiff gesehen hat. Durch den immer stärker gewordenen Geschoßhagel der Schnelllade kanonen und das vermehrte Durchschlagsvermögen ihrer Granaten ist diese Frage noch wichtiger geworden, als sie schon nach der Schlacht bei der Balu-Mündung war. Vor Santiago soll nun der Bug der „Viscaya" durch Explosion eines von einer amerikanischen Granate getroffenen Torpedo kopfes zerstört worden sein. Die Stimmung gegen die Ueber- wasserrohre für Torpedoverwendung auf für den Artilleriekampf bestimmten Schiffen war schon seit Jahren derart, daß in der bekannten englischen Tendenzschrift „The Captain of the Mary Rose" der seemännische Verfasser dem Führer des Schiffes den Befehl ertheilen läßt, vor dem zu erwartenden Kampf die Torpedos unter daö Panzerdeck zu stauen und nur die Unterwasserrohre zu laden. Wir halten das Explo- diren eines unserer Torpedoköpfe durch Auftreffen von feind lichen Geschossen für einen Ausnahmefall und nur in den seltensten Fällen für möglich, sind aber dennoch, wie die britische Marine auf unseren neuesten schweren Schiffen zu Unterwasserrohren übergegangen, l>ajben aber ebenso das Heckausstoßrohr Uber Wasser beibehalten. Ein Unterwafferlegen deS Heckrohrs ist deS Ruders halber nicht angängig. Ein dort im Schiff explodirender Torpedo würde dem Schiff wegen der Zer störung der Steuerfähigkeit verhängnißvoll sein. Die Treff wahrscheinlichkeit des Hecktorpedos ist wegen der Wirbel bildungen im Kielwasser durch die Fahrt des Schiffes, die Schrauben und daö Ruderlegen sehr gering; die Verwendung des Hccktorpedos kann man wohl zu den am seltensten zu erwartenden Vorkommnissen in einem zukünftigen Gefecht rechnen, der Wegfall des Heckrohrs oder des Torpedos dort auf Schlachtschiffen und schweren Kreuzern würde deshalb kaum al» eine Verminderung des GefechtswertheS des Schiffes empfunden werden. Die steigende Wichtigkeit der Schnellladekanonen ist in den Seeschlachten dieses Jahrzehntes hinreichend erwiesen. Nach den Besichtigungen der zerschossenen Schiffe scheinen die der mittleren Artillerie angehorenden Schnellladekanonen von 10 bis 15 cm Kaliber die entscheidendste Wirkung im Rumpf der Schiffe gehabt zu haben, während die kleineren Kaliber die leichten Aufbauten durchsiebt haben. Das Verharren von Mannschaften an ungeschützt stehenden Geschützen wird bei der Menge der auftreffenden Geschosse für unwahr scheinlich trklärt. Nach den Erfahrungen des amerikanisch spanischen Krieges muß man daher annehmen, daß ein starker Panzerschutz oder mindestens gute Stahlschilde vor den Aufstellungen der Schnellladegeschütze, deren Werth durch Schutz der Bedienungsmannschaften gegen die zahllosen mittleren und kleinen feindlichen Geschosse vervielfacht. Wenn das amerikanische Blatt den guten Schutz der 6" Schnell ladekanonrn (15 cm 8 L) auf den amerckanischeu neuesten Schlachtschiffen als besonderen Vorzug anerkennt, so trifft die« für unsere neuesten Schlachtschiffe und großen Kreuzer noch mehr zu. Politische Tagesschau. * Leipzig, 9. August. Der vermittels der „Kreuzztg." gestellte, schon erwähnte Antrag des Grafen Mirbach, die Wahl des ersten Vorsitzenden deS BnndeS der Landwtrthc bis zum Spätherbst auszusetzen, ist in der gestrigen Sitzung des BundeSauSschusseS (über die wir an anderer Stelle berichten) als „nicht vorliegend" betrachtet worden und Freiherr v. Wangenheim-Klein-Spiegcl durch Zuruf zum Nachfolger des Herrn v. Plötz gewählt worden. Vorher war in der gleichen Weise der zweite Vorsitzende vr. Rösicke, dessen Ablehnung man sicher war, gewählt worden — eine Formalität, an der nur das Eine von einiger Bedeutung ist, daß man sie gegenüber dem dritten Mitgliede des bisherigen Vor standes, vr. Hahn, nicht zu beobachten für nöthiz fand. Daß dieser Herr gar nicht in Betracht gezogen wurde, darf man wohl als eine der antisemitischen Politik, wie der Politik im Bunde überhaupt, von der Landwirthschaft bei gebrachte Niederlage ansehen. Auch Herr von Waugenheim — es wurde dies schon gestern hier bervorgehoben —-ist vor demagogischen Ausschreitungen schlimmster Art nicht zurückgesckreckt. Aber abgesehen davon, daß seine stärkste Leistungen dieser Art einige Zeit zurückliegen, ist er, obwohl zur konservativen Partei gehörig, im Bunde nicht als Parteipolitiker aufgetreten. Herr Hahn hingegen hat kürzlich seine ganze „Kraft" an «ine, allerdings negative, parteipolitische Wirksamkeit, die Ausmerzung der Nationalliberalen auS dem Reichstag, gewendet, und zwar nicht nach dieser Richtung, wohl aber als Bahnbrecher für die Welfen und die Socialdemokratie in Hannover schöne Erfolge davongetragen; er selbst hat sich freilich gegen diese Schütz linge von den Nationalliberalen schützen lassen müssen. Ob Herr v. Wangenheim sich als Präsident größerer Mäßigung, als dieser sein College, wie auch als sein Vorgänger im Vorsitz befleißigen wird und ob die Conservativeu auf ihn stärkeren Einfluß als auf Herrn von Plötz werden ausüben können, muß leider vorerst dahin gestellt bleiben. Di« „Deutsche Tageszeitung" sucht gleich am ersten Tage de« neuen Regiments einen Anlaß, ziemlich herausfordernd gegen die Conservativen aufzutreten. Sie kommt wieder auf den Vorschlag deS „Schlesier-", den Bund zu decentralifiren, zurück, wobei für diesen und die „Kreuzztg." drohende Worte abfallen. Von der Bezeichnung „Hundstagsvorschlag" wird sie aber abkommen müssen, denn der „Schlesier" erklärt heute, jener Gedanke werde die nächste Generalversammlung, die im Februar k.J. stattsindet, beschäfti gen. Das ist freilich nicht gefährlich. Diese „Generalversamm lung" hat die Bundesleitung in der Tasche. Die böse Erb schaft, die Herr v. Wangenheim mit der „Thomasmehl geschichte" antritt, scheint er ebenso behandeln zu wollen, wie sein Vorgänger. Die „D. T." kommt beute, also sehr spät, auf die durch die ganze Presse gegangene Meldung zu sprechen, wonach in der letzten Versammlung der Bezugsvereinigung Herr vr. Rösicke ein Vertrauensvotum für die Bundesleitung in Sachen der Tüngerwucher-Beschuldigung gefordert, aber nicht erlangt hat. DaS Blatt bemerkt dazu: „Daß ein Mitglied der Bezugsvereinigung, da» der fraglichen Sitzung beigewohnt hat, derartige Gerüchte in die Presse gebracht habe, können wir nicht annehmen, da die Sitzungen streng ver traulichen Charakter haben. Dieser Charakter der Sitzungen hat uns auch bestimmt, bisher zu schweigen. Da aber unrichtige Ge- rüchte in die Presse lancirt worden sind, sehen wir uns genölhigt, zu erklären, daß diese Gerüchte falsch sind, daß vor allen Dingen Niemand in der Bezugsvereinigung an der Correctheit des Ver fahrens des Bundes auf dem Gebiete deS Thomasphospbatmehl- handels auch nur Len leisesten Zweifel gehegt oder zum Ausdruck gebracht hat." Das ist die alte, in dieser zweifelhaften Angelegenheit immer beobachtete Methode, zu bestreiten, was nicht gesagt war, und hinwegzuhuschen über das, was behauptet worden. ES ist nicht gemeldet worden, daß Zweifel an der Correct- heit deS Verfahrens des Bundes ausdrücklich geäußert wurden, sondern, daß die von der Vereinigung geforderte EideS- hilfe für die Bundesleitung verweigert worden ist. Unter dem Titel „Rationale Politik und EeheimrathS- thum" schreibt man uns: Gestern sind in Posen mehrere Minister eingctroffen, um an Ort und Stelle über Projekte der Errichtung einer Landesbibliothek, eines Museums und eines großen Vereinshauses Berathungen abzubalten. Gewiß läßt sich durch derartige Einrichtungen eine Förderung des DeulschthumS erzielen, aber man darf doch auf derartige Dinge nicht zu große Hoffnungen setzen, wie das Beispiel der Reichslande zeigt. Wenn die deutsche Sache im Westen wie im Osten so geringe Fortschritte macht, so hat Fürst Bismarck einmal einen sehr wesentlichen Grund dafür an gegeben, indem er darauf hinwies, daß das deutsche Beamtenthum keine sehr große Fähigkeit habe, sich die Zuneigung fremder Nationalitäten zu gewinnen. Daß aber in Posen die Beamten sich auch mit der deutschen Bevölkerung nicht recht ins Einvernehmen zu stellen wissen, darin liebt Wohl der Hauptgrund für die geringen Erfolge der GermanisirungS- bestrebung in der Provinz Posen. Museen und Bibliotheken sind ja sehr schöne Dinge, aber es sind todte Dinge, und wirkliche Erfolge erzielt man nur durch den Verkehr des Lebenden mit dem Lebenden. In richtiger Erkenntniß dieser Thatsache ist vor einigen Monaten verfügt worden, daß die Beamten in der Ostmark in engere Fühlung mit der deutschen Be völkerung treten sollten. Aber ist diese Bestimmung etwas Anderes geblieben, als eine papierene Verfügung, bat sie auch Blut und Leben gewonnen? Wir haben bis jetzt noch nichts da von gehört. Professor Lenbach hat in diesen Tagen erzählt, Fürst Bismarck habe ihm einmal unmuthig gesagt, er werde noch an der Spitze der Socialdemokraten gegen die — Ge- heimräthe marschiren müssen. Der Fürst, der der gerade Gegensatz zum BureaukratiSmus war, hat sich mehr als einmal auf das Schärfste über die Schwierigkeiten, die ihm die Bureaukratie verursache, ausgesprochen. Und wie der größte deutsche Staatsmann des 19. Jahrhunderts, so dachte auch der größte deutsche Staatsmann deS 18. Jahr hunderts, Friedrich der Große, über das Beamtenthum. Es wäre eine Undankbarkeit, die Vorzüge de« deutschen Beamten- thums abstreiten zu wollen, denn der Fleiß, die Pünktlichkeit, die Tüchtigkeit, die Ehrlichkeit und die gute Durchschnitts bildung dieses Beamtenthum- haben zu der Größe Deutsch lands wesentlich beigetragen. Diese Eigenschaften sind dem Beamtenthum auch heute noch erhalten geblieben, aber die weniger guten Eigenschaften de» Beamten- thumS haben sich eher verschärft als gemildert. Die kasten- mäßige Abschließung gerade des höheren Beamten- thumS ist eine immer größere geworden, und, so gegnerisch wir uns sonst zu der demokratischen Redensart von dem „wachsenden Militarismus" verhalten, so müssen wir zu geben, daß bei dem Beamtenthume sich — nicht zu seinem Vortheile — ein gewisser Militarismus immer mehr geltend gemacht hat. Seit der Referendar und in neuerer Zeit auch der Gymnasiallehrer einen erheblicheren Werth darauf legt, Lieutenant der Reserve zu sein, als auf seine eigentliche Beamtenqualität, seit seine Visitenkarte kautet: „Paul Schulze, Lieutenant der Reserve im soundsovielten Infanterie-Regiment (III. Westfälisches) von Steinmetz und Referendar", seit also in seinen Augen die eigentliche Berufsstellung zum Nebenamte geworden ist, seit dieser Zeit ist der Verkehr zwischen Bürgerlhum und Beamtenthum ein noch viel geringerer. Der sociale Schade dieser Veränderung macht sich überall bemerkbar; denn wenn der Beamte außer seinen Büchern und Acten nur mit Seinesgleichen verkehrt, so lernt er das wirkliche Leben herzlich wenig kennen; Be deutendes aber werden immer nur die Beamten leisten können, die mit dem wirklichen Leben in engster Fühlung stehen, und auch hierfür ist Fürst Bismarck das glänzendste Beispiel. Von ganz besonderem Nachtheil aber ist die Ab schließung des Beamtenthum- in den gemischtsprachigen Bezirken. Es ist ja schön und gut, wenn sich die deutschen Beamten Vereinen, die sich zur Förderung deS DeulschthumS gebildet haben, anscbließen, aber damit ist noch nicht viel ge wonnen. Wenn sie nicht in dauernden und sehr engen Verkehr mit der „civilen" Bevölkerung treten, so werden sie dem Bürgerthume nie daS sein, was sie ihm sein sollten: ein Vorbild in der Betätigung deutscher Gesinnung. Und so müssen wir dabei bleiben, daß es ja recht hübsch ist, wenn der Finanzminifter und der CultuSminister, der Kriegsminister und der Minister des Innern sich in Posen über die Errichtung culturfördernder Einrichtungen benommen haben, aber daß es vielleicht noch bester wäre, wenn der eine oder der andere dieser Minister die Rolle des Harun al Raschid spielen und in der Ostmark umherwandern und einmal sehen wollte, ob und wie weit das GeheimrathSthum sich dem ministeriellen Erlasse über den engeren Verkehr mit den deutschen bürger lichen Kreisen anbequemt hat. Vielleicht würde er dann finden, daß noch Manches zu thun ist, was vielleicht wichtiger und dringlicher, jedenfalls aber für die deutsche Sache för derlicher ist, als die Errichtung eines Museums. In Vieser Hinsicht möchten wir daS Wort „das Eine thun, daS Andere In -er Brandung -es Lebens. 8s Roman aus dem amerikanischen Westen. Von Theodor Eicke. Nachdruck verboten. Harry Antoine hoffte immer, daß Isabel anderen Sinnes werden würde, wenn auch nur aus dem Grunde, daß sie eines Tages selbst vom Eisenbahndienste leben sollte. Das würde wenigstens die Folge eines Projektes gewesen sein, das dem jungen Herrn sehr am Herzen lag und das auch Jsabcl's Eltern sehr gern verwirklicht gesehen hätten. In diesem Sinne sprach er auch eines Sonntags, ein paar Wochen nach den jüngst er zählten Ereignissen. „Ich interessire mich für Ihre Angelegenheiten, Harry, Sie wissen das wohl", sagte sie. „Ich freue mich, wenn Sie Erfolg haben in Dingen, die Ihnen am Herzen liegen. Aber ich möchte doch" — sie stockte und ließ ihre Blicke über ihn hinweggehen — „ich möchte doch gern, daß Sie nicht so zu mir sprechen, als ob —" Sie stockte wieder, und Harry Antoine fuhr an ihrer Stelle fort: „Als ob meine Absichten und Ihre Zukunft ein und ixis- selbe wären, meinen Sie, nicht wahr?" „Ganz recht; Sie ärgern mich damit. Sie kennen meine Pläne. Wenn ich jetzt auch noch nicht besonders gut malen kann, so liegt doch kein Grund vor, daß ich eS nicht lerne, nicht wahr?" „Durchaus nicht, aber Sie werden niemals Ihren Lebens unterhalt damit verdienen; Sie werden mich heirathen und dann können Sie zu Ihrem Vergnügen malen, so viel Sie wollen." Isabel kräuselte unwillig die Augenbrauen. „Das sag»n Sie mir, so lange ich denken kann", erwiderte sie, „aber Sie wissen wohl, daß ei nicht sein kann, Harry; und wenn Sie in dieser Werse sprechen, wird es nur noch un möglicher." „Warum denn?" „Weil es den Beweis liefert, daß Sie immer noch der An sicht sind, meine Liebe zur Kunst sei nur eine Schulmädchen schwärmerei. Das ist e» durchaus nicht, und Sie und der Vater und alle Anderen sollten da? allmählich wissen." „Ach waS!" sagte Antoine und versank in unwilliger SLwergen. Isabel berührte mit der Spitze ihres Pantoffels den Boden und versetzte die Hängematte in leise Schwingungen. Als Kamerad, als Bruder, als Alles, nur nicht als Liebhaber, war ihr Antoine herzlich willkommen. Sie kannten einander von Kindheit an, und die naturgemäße Vertrautheit solch' einer Be kanntschaft kann nicht ganz bei Seite gesetzt werden, wenn sich auf der einen Seite Liebe daraus entwickelt. Er war ein netter Junge, dachte sie, und auch begabt; Jeder sagte das von ihm. Nur drei Jahre war er älter als sie, und doch hatte er sich schon «inen gewissen Namen gemacht im Eisenbahnwesen. Und dennoch, er war nur ein — Junge, und — „Weshalb sprechen Sie gar nicht?" unterbrach Antoine ihre Gedanken. „Ich dachte nach." „Worüber denn, wenn es erlaubt ist, zu fragen?" „Ueber Sie." „Ah! — und zu welchem Resultate sind Sie gekommen?" „Wenn Sie es denn gern wissen wollen! Ich dachte, daß Sie ein ganz schneidiger, netter Mensch sind, der sich sehr gut zu kleiden versteht, daß Ihre Einnahme groß genug ist, um arme Leute neidisch zu machen, daß Sie aber geradezu lächerlich jung aussehen und daß ein Schnurrbart Sie viel älter machen würde und — „Das genügt! Nun sagen Sie mir, Isabel, olb Sie auch wohl einmal einen ernsten Gedanken haben. Nehmen Sie sich Zeit, darüber nachzudenken, und dann sagen Sie eS mir ehrlich." Wieder ging Jsabel's Blick über ihn hinweg, die weite Ebene überfliegend und haftend auf den Höhen, die in gewaltiger Größe sich hinter dem flachen Gipfel des Tafelberge» erhoben. Als sie wieder sprach, hatte der scherzhafte Ton der Begeisterung Platz gemacht. „Könnte ein Mensch angesichts dessen" — sie zeigte auf die Gebirgskette — „leben, ohne Gedanken zu haben, für die eS keinen Ausdruck mehr giebt?" „Ja, war Kunst anbetrifft, ich gebe eS ja zu, daß Sie da die meisten Leute im Denken übertreffen können." „Höhnen Sie nur zu! Die Kunst ist doch das einzig Wahre, und Ihre elenden Geschäftsanaelegenhkiten sind ja nur Spielerei. Könnte ich den schwächsten Eindruck, nur einen Schatten von Dem, was Sie dort drüben sehen können, auf die Leinwand bringet», jede andere Fertigkeit, jeder andere Genuß in der Welt würde im Vergleiche dazu gering erscheinen." „Da sind Sie schon wieder im Gange", sagte Antoine. „Ich lieb« solch« hübsche Sachen wie jeder Andere, aber wenn Sie mich glauben machen wollen, da» Unfertigen derselben sei der Leben»- zweck eines Mannes oder einer Frau, nun, das ist ja" — er suchte nach einem passenden Vergleich, und da er keinen finden konnte, brach er ab und fuhr fort: „Zwischen Ihnen und Brant hat man wirklich Mühe, die Füße aus der alltäglichen Erde zu behalten." Isabel beachtete seine Tirade nicht, sonbern, an die Er wähnung Brant's anknüpfend, fragte sie: „Mr. Brant hat studirt, nicht wahr?" „Ich glaube wohl; weshalb fragen Sie?" entgegnete Antoine, der in so hohem Grade Geschäftsmann war, daß er von wissen schaftlicher Bildung nicht viel hielt. „Nichts Besonderes; ich dachte nur, um wie Vieles ein studirter Mann doch zu beneiden ist." „Kann ich nicht einsehen", erwiderte Antoine. Zum Bei spiel Brant — was hat er denn vor uns Anderen voraus?" „Die Thatsache, daß Sie so fragen können, ist die beste Ant wort hierauf", sagte Isabel schnippisch. „Mr. Brant braucht nicht immer vom Geschäft zu sprechen; er kennt Kunst und Literatur und vieles Andere." Antoine verlor schließlich die Geduld. „Zum Teufel mit Brant!" rief er. „Ich bin's müde, ihn mir immer als Muster Vorhalten zu lassen. Ich wünschte, ich hätte ihn nie hierher gebracht." Volle fünf Minuten sprach Keiner von Beiden ein Wort. Dann machte Antoine noch einen verzweifelten Versuch, auf Das zu kommen, was ihm am meisten am Herzen lag. „Wollen wir nicht endlich einmal die Kunst bei Seite lassen, Isabel, und über etwas reden, das viel wichtiger ist — für mich. Wann wollen Sie mich endlich erhören?" Die Zeit war schlecht gewählt und dementsprechend die Ant wort. „Seien Sie kein Thor, Harry; es ist wirklich zwecklos, daß wir darauf zurückkommen." „Das ist es nicht", beharrte er, „ich habe jetzt geduldig ge wartet seit mehr als zwei Jahren, Isabel, und so kann es doch nicht fortgehen." „So machen Sie doch ein Ende; ich habe Sie doch nicht auf gefordert, zu warten." Er sprang erregt auf. „Sprechen Sie nicht so z« mir, Isabel, ich dränge Sie jetzt nicht mehr, aber ich bitte Sie, zu bedenken, daß ich nicht immer eine scherzend« Antwort hinnehmen kann. Wenn wir wieder davon sprechen, dann müssen Sie ent weder Ja oder Nein sogen. Und Sie werden verständig sein, nicht wahr?" Sie hielt unverwandt ihre Blicke auf di« fernen Berge ge richtet und sagte ihm. kein Wort der Ermuthigung. „Nicht wahr, Isabel?" wiederholte er. Keine Antwort. * „Isabel, ich gehe jetzt." Auch jetzt ließ sich keine Antwort hören, und Isabel rührte sich nicht, bis sie hörte, wie sich das Thor hinter ihm schloß. V. Um wieder auf Brant zurückzukommen, so hatte er nach den Ereignissen auf der Reise nach Denver und nach der Erkennungs scene mit dem Schaffner bei jeder Gelegenheit ähnlichen Un annehmlichkeiten mit Besorgniß entgegengesehen. Aber der Pfad nach oben ist nicht immer steil und schlüpfrig. Der Anfang wurde ihm sogar recht leicht gemacht; er traf keine unangenehmen Bekanntschaften, und die Stellungsfrage erledigte sich fast sofort in erfreulichster Art. Oberst Lowran brauchte einen Ingenieur und zufällig stellte er die Universität, die Brant besucht hatte, sehr hoch, weil der dortige Professor der Mathematik ein Schüler seiner eigenen Xim» muter war. So kam es, daß Brant zwei Tage nach seiner Ankunft in Denver eine Stellung im Constructionsbureau hatte, wo er sich mit ganzer Seele dem Beruf hingab, dem er «inst mit Leidenschaft ergeben war. Vierzehn Tage später traf Antoine ein. Die Bekanntschaft wurde erneuert, und Brant vertauschte sein Hotelzimmer mit einem Quartier in dem ruhigen Logirhause, das ihm durch den Bureauchef empfohlen war. Einige Wochen lang lebte der junge Ingenieur ganz seiner Thätigkeit, indem er den Tag auf dem Bureau und den Abend auf seinem Zimmer verbrachte, sich auf der Straße aber so wenig wie möglich zeigte. Er traf auch nicht ein einziges Mal auf seinen Wegen ein bekanntes Gesicht. So begann er sich allmählich sicher zu fühlen und that einen weiteren Schritt, indem er mit Antoine einen Besuch bei Langford machte. „Sind nette Leute und werden Ihnen gefallen", sagte der Bureauchef. „Mein Vater war des Richters bester Freund, früher in Illinois, und unsere Häuser standen nebeneinander. Ich kenne sie, so lange ich zuriickdenken kann." „Große Familie?" fragte Brant. „Nein, zwei Mädchen und ein Junge. Dorothy ist gut, aber nicht hübsch; Isabel ist hübsch, aber nicht gerade — doch ich will nichts weiter sagen. Sie mögen selbst urtheilen. Aas Will anbetrifft, der hat seine eigene Art — ich nenne ihn «inen unge- leckten Hund." Zwanzig Minuten später führt« Antoine seine» Freund in dem gemüthlichen Wohnzimmer des Langsordffchr» Häuf«» ein. „Mrs. Langford, mein Freund, Mr. Brant. Mr. Lang ford, di«» ist der Eremit, den ich Ihnen zu bringen versprach.
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