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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.08.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-08-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980810011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898081001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898081001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-08
- Tag1898-08-10
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August einen Artikel mit der Ueberschrift „Fürst Bismarck und die Arbeiter" gebracht, worin eS ausführt, wie das Centralorgan der Socialdemokratie, der „Vorwärts", gegen seine eigene Natur, aber gezwungen durch die Macht der Wahrheit, des verewigten Fürsten unsterbliche Verdienste um die Arbeiter, als des Schöpfers der großen Versicherungs gesetze, halb unwillig anerkennt. Ganz anders erfreulich, als dieses halbe und erzwungene Zeugniß sind die Beweise rückhaltloser, aufrichtiger und herz licher Dankbarkeit, die aus der Mitte der Arbeiter selbst dem großen Staatsmanne nachgerufen werden. Und niemals mehr als hier hat es sich gezeigt, daß die Socialdemokratie keine „Arbeiterpartei" (wie sie vorgiebt), und daß die Arbeiterschaft in ihren gesunden Elementen nichts weniger ist als eine Vasallenschaft der Socialdemokratie. Vor mir liegt eine Nummer des „Evangelischen Arbeiter boten", des „Organs des Gesammtverbandes der evangelischen Arbeitervereine". Sie ist vom 5. August datirt und fast gänzlich dem dankbaren Andenken an BiSmarck gewidmet. Zuerst feiert „der Vorsitzende des Gesamn.^derbandes", Lic. Weber, dessen Verdienste theilS um das Reich, theilS um die Arbeiter in folgenden Worten: „Dem Arbeiterstande hat er durch die Arbeiterversicherungsgesetze unermeßliche Segnungen zugesührt. Dem deutschen Bolte hat er auch draußen neue Bahnen der Vethätigung geöffnet. Den deutschen Namen hat er zu Ehren gebracht. So wird sein Andenken bei uns fortleben bis in die fernsten Zeiten. Daß es auch im ganzen deutschen Volke in Segen fortwirke, das walte Gott, dem wir unseres Bismarck's Seele besohlen haben und befehlen. Er ruhe in Frieden!" Eine ganze Beilage ist sodann ausschließlich Erinnerungen und Huldigungen für den erlauchten Tobten, theilS in Versen, theils in Prosa, eingeräumt und mit Bildnissen des Gefeierten, seiner Familie, seiner Todesstätte rc. geschmückt. Auch hier wird der Arbeiterfreundlichkeit Bismarck's gedacht. Es heißt da: Den Socialdemokcaten gegenüber schuf Bismarck das Ausnahme gesetz. Aber er schuf auch, die berechtigten Forderungen des Arbeilerstandes anerkennend und fußend auf der kaiserlichen Bot- schäft, die socialpolitischen Gesetze, durch welche der Socialdemokratie die guten und dem geordneten Staatsleben sich fügenden Elemente entzogen wurden. Endlich geschieht das Gleiche auch noch indirect, aber sehr wirksam durch eine Vergleichung der deutschen Versicherungs gesetze mit dem, was in ähnlicher Richtung erst jetzt in England geschieht. Da wird auSgrführt: In England ist mit dem 1. Juli ein Unsall-BersicherungSgrsetz in Kraft getreten. Gegenüber dem deutschen Unfall-Bersicherungs- grsetz weist dasselbe große und schwere Schäden auf. Ersten- haftet nicht eine Genossenschaft für die Entschädigungen der verunglückten Arbeiter, sondern her einzelne Arbeitgeber. Wenn ein Arbeitgeber sein Geschäft aufgiebt oder bankerott wird, so hat der Arbeiter nichts, denn im Gesetz ist für solche Fälle nicht» vorgesehen. Am sonderbarsten ist die Entschädigung tm Todesfall geregelt. Hinterläßt der Arbeiter Angehörige, die gänzlich auf die Versorgung durch ihn angewiesen waren, so erhalten sie den dreifachen Betrag des JahresarbeitSlohneS, mindestens 150, höchsten» 300 L als einmalige Capitalsabfindung. Waren die Angehörigen nur theilweise ans di« Borsorgung durch den Verstorbenen angewiesen, d. h. arbeitet z. B. die Frau mit, so ist die Entschädigung durch Uebereinkommen oder einen Schieds richter sestzusetzen. Hinterläßt jedoch der Arbeiter keine alimen tation-berechtigten Angehörigen, so hat der Unternehmer nur Kranken» nnd Begräbnißkosten zu zahlen, aber niemals mehr al- 10 L Dies englische Gesetz setzt also geradezu »ine Prämie für die Be schäftigung unverheirathrter Arbeiter aus, weil man sich nicht ent schließen konnte, eine staatlich organisirte Versicherungsanstalt zum Träger der Entschädigungspflicht zu machen. Bor zwei Jahren hat die englische Regierung eine Commission eingesetzt, die aus den vor- handenen Altersversicherungsplänrn einen zur Durchführung geeigneten auswählen und der Regierung vorlegen sollte. Diese Commission hat nun letzte Woche seinen Bericht veröffentlicht. Nus demselben geht hervor, daß die Kommission von den vorhandenen Plänen keinen für geeignet und die Altersversorgung der Arbeiter überhaupt für nicht nothwendig betrachtet. Damit ist die Altersversorgung der englischen Arbeiter io weite Ferne gerückt. Italien bat ebenfalls erst jüngst ein Unfall-Bersicherungsgesetz geschaffen. Dieses Gesetz bildet erst einen kleinen Anfang der Socialgejetzgebung in Italien und kann sich mit dem deutschen Gesetze nicht messen. Dieses Gesetz gestattet dem Unternehmer, seine Arbeiter bei einer Privat-Ber- ficherungsgrsellschaft zu versichern, dann gewährt eS den Hinter bliebenen eines tödtlich verunglückten Arbeiter- nur eine einmalige Entschädigung, ebenso den dauernd Invaliden. Da können wir doch mit Stolz auf unsere so verlästerte Socialgesetzgebung blicken. DaS ist die Sprache wirklicher Arbeiter, nicht erheuchelter Arbeitersreunde! Wildungen, 7. August 1898. Karl Biedermann. Das handelspolitische Verhallniß zu Amerika. LL Der starke Rückgang der deutschen Ausfuhr nach den Vereinigten Staaten ist in der Hauptsache ohne Zweifel eine Wirkung der enormen amerikanischen Zolltarifsteigerungen des vorigen JahreS; der Krieg mit Spanien ist nicht ohne Einfluß auf den Handel geblieben, spielt aber eine nebensächliche Rolle. Trotzdem hat, wie gemeldet, bei einer von den preußischen Handelskammern veranstalteten Enquete die große Mehrheit der an der Ausfuhr nach Nordamerika betheiligten Firmen sich gegen Retorsionsmaßregeln ausgesprochen. Formell würde dem Beginn eines Zollkrieges, bei dem das gute Recht auf deut scher Seite wäre, bekanntlich nichts im Wege stehen. Der ca8us belli ist durch die differentielle Behandlung des deutschen ZuckerS längst gegeben. ES sind Zweckmäßigkeitserwägungen, die den Interessenten die Aufstellung von Kampfzollsätzen unräthlich erscheinen lassen: der Zollkrieg würde der deutschen Erzeugung den Rest des deutschen Absatzes in Amerika wegschwemmen und zwar zunächst zu Gunsten anderer Bewerber auf dem Weltmarkt, späterhin zum Theil auch zu Gunsten amerika nischer Industrien, deren Entstehen und Aufblühen der durch Kampfzölle verursachte Ausschluß deutscher Maaren bewirken würde. Wir haben, so wurde überwiegend geltend gemacht, auf dem amerikanischen Markte trotz Dingley-Bill noch immer Erkleckliches zu verlieren. Gegen d,es« Begründung der Abwehr eines Zollkrieges, dem sich übrigens nicht alle nach Amerika rxportirenden Häuser abgeneigt gezeigt haben, ist au sich nichts einzuwenden. Ebensowenig kaun aber in Abrede gestellt werden, daß der gegenwärtige Handelsfrieden mit den Vereinigten Staaten ein fauler Frieden ist, der die Gefahr des Entstehens eines handelspolitischen Zustandes birgt, gegen den die erwähnten, gegen einen Zollkampf sprechenden Gründe nicht mehr an geführt werden könnten. Der Einspruch der deutschen Re gierung gegen die ungerechtfertigte Behandlung des deutschen Zuckers kann zurückgewiesen werden, und eine weitere Aus bildung des amerikanischen Prohibitivsystems, wie es der Dingley-Tarif angebahnt hat, liegt im Bereich einer nahen Möglichkeit. Es gilt also, sich zur Vertheidigung zu rüsten. Einige Vorschläge, die diesem Zwecke bienen sollen, macht in einer soeben erschienenen Schrift: „Deutschland und die Handelspolitik der Vereinigten Staaten von Amerika" der Straßburger Volkswirthschaftslehrer Sartorius Freiherr v. Waltershausea. Auch er will keinen „localisirten", d. h. keinen allein zwischen Deutschland und Nordamerika sich abspielenden Zollkrieg; er ist sogar der Meinung, daß selbst unsere Landwirthschaft bei einem Abbruch der Handels beziehungen von der Aussperrung ihre» ZuckerS, Hopfens und Weins mehr direkten Schaden haben würde, als ihr die Fernhaltung amerikanischen Fleisches, Schmalzes u. s. w. nützen könnte. Sartorius hält aber den gegenwärtigen Zustand gleichfalls für unhaltbar und empfiehlt deshalb den Abschluß eines Gegenseitigkeitsvertrags, jedoch nicht zwischen Amerika und Deutschland allein, sondern zwischen dem über seeischen Staat und den westeuropäischen Ländern, einstweilen etwa Deutschland, Oesterreich-Ungarn, Italien, der Schweiz und Belgien. Zugeständnisse auf dem Gebiete des land- wirthschaftlichen Zollschutzes lehnt die Schrift dabei im Lebensintereffe der deutschen Landwirthschaft rundweg ab, doch glaubt der Verfasser, es könnte der amerikanischen Viehzucht Bedeutendes dadurch geboten werden, daß man das vor vier Jahren — wegen des in den Vereinigten Staaten aufgetretenen Texasfiebers — erlassene Einfuhrverbot für lebendes amerikanisches Rindvieh aufhebe und durch sorg fältige UeberwachungSmaßregeln ersetze. Die genannten Staaten, denen sich nach Sartorius' Er wartung die übrigen westeuropäischen Länder bald anschließen würden, sollen nun den Nordamerikanern Tarifverträge an bieten, die in ihren Grundzügen gleichartig wären, und sich verpflichten, nur dann zur Ratification zu schreiten, wenn jedem der cooperirenden Länder ein gleiches oder ähnliches und für sie alle annehmbares Abkommen zugesichert fei. Die Zweckmäßigkeit eines solchen Vorgehens ist einleuchtend. Es würde der jetzt auf die Uneinigkeit und, wie der Verfasser sagt, die „Altersschwäche" Europas rechnenden amerikanischen Republik imponiren und ihr den Gedanken eines Zollkriegs, mit dem man zur Zeit jenseits des großen Wassers nicht ungern spielt, als einen sehr ernsten erscheinen lassen. Der Zollkrieg wäre selbstverständ lich als ein Coalitionskrieg der gemeinsam auftretenden europäischen Staaten gegen Amerika aufzusasfen und nach des Verfassers Ansicht für den Fall, daß die Vereinigten Staaten solche Vertragsanerbieten ablehnten, den Verbündeten ebenso dringend zu empfehlen, als er einem einzelnen Staate zu widerrathen wäre. In der That würde sich Amerika einer furchtbaren tvirth- schaftlichen Ealamität gegenüber sehen, wenn wir, fünf oder mehr europäische Länder, seine industriellen Erzeugnisse ohne Ausnahme, seine landwirtbschaftlichen zum Theil durch un erschwingliche Zölle ausschließcn und etwa noch einer Reihe von anderen Produkten durch differentielle Behandlung den Athem bei dem Wettlauf auf dem westeuropäischen Markte benehmen würden. Vermag sich der ameri kanische Staat vorläufig in die Illusion zu wiegen, von einem Zollkrieg mit Deutschland allein batte er den ge ringeren Schaden zu befürchten, so könnte bei einer Coalition, wie der inS Auge gefaßten, die Frage, aus welcher Seite das größere Risico wäre, vernünftigerweise gar nicht auf geworfen werden. Es käme hinzu, daß etwaige amerikanische Gegenmaßregeln nicht Deutschland allein, sondern die ver bündeten Staaten im Allgemeinen gleichmäßig treffen würden und der Verlust des deutschen Absatzes wenigstens nicht den cooperirenden Ländern zum Gewinn ausschlüge. Englands Weizen allerdings würde blühen — wenn die Vereinigten Staaten dessen Vortheil und nicht den eigenen zu Rathe zögen. Geschieht das Letztere, so würde es zu einem Zollkrieg kaum kommen, denn Amerika würde sich nicht ent schließen, für die Zurückweisung billiger Handelsvertrags anerbieten die größte Gefahr für seine Volkswirthschaft zu lausen. Sartorius denkt an ein Abkommen von etwa zehn Jahren Dauer unter Zugrundelegung der deutschen Zölle für die amerikanische Ausfuhr und der keineswegs niedrigeren sogenannten Wilsonzölle für die europäische Einfuhr nach Amerika; dazu an Ausschluß der Meistbegünstigung, um beiden Gruppen freie Hand gegen Rußland und ein all britisches Wirtschaftsgebiet zu lassen. Bei einem solchen Zustande würde sich die überseeische Republik jedenfalls besser befinden, als in einem Zollkrieg, der den größeren Theil des europäischen Festlandes seiner ge- sammten industriellen Production, seinem Tabak und Mais, feinem Fleisch und Schmalz und vielleicht auch seiner Roh baumwolle und seinen Bergbauerzeugnissen verschlösse. Ueber die Möglichkeit, auch die amerikanische Rohbaumwolle durch differentielle Behandlung ohne allzu großen Schaden für die europäische Baumwollenfabrikation zu treffen, und über die bleibenden Nachtheile, die Amerika durch eine solche Maß regel zugefügt werden würden, äußert sich Sartorius in über zeugender Weise. Trotz alledem scheint uns dieser Nationalökonom vorerst Zukunftsmusik zu machen, da Westeuropa trotz der Größe der amerikanischen Gefahr so rasch nicht unter einen handels politischen Hut zu bringen sein wird. Die Mittheilung der Vorschläge erscheint aber angezeigt, denn früher oder später wird unser Festland, wenn es Amerika und dem am Horizont aussteigenden Greater Britain wirtschaftlich und somit kul turell nicht unterliegen will, die Frage gemeinsamer Abwehr praktisch anfassen müssen. Feuilleton. Mißbrauchte Frauenkraft. N-ldtnlck »erboten. Mit diesem Buche*) führt sich eine der bekanntesten und am heftigsten angegriffenen Schriftstellerinnen Schwedens bei uns ein. Angegriffen wurde sie von den bisherigen Leiterinnen der Frauenbewegung darum, weil sie die von jenen angestrebte Gleich stellung der beiden Geschlechter im Erwerbsleben als eine thö- richte, unbestehbare bezeichnete und statt derselben Forderungen aufstellte, die einzig auf dem physischen und seelischen Gegensätze zwischen Mann und Weib fußten. Das Endziel dieser For derungen hat schon eine deutsche Schriftstellerin, Marie Stahl, ins Auge gefaßt und seine vermeintliche Berechtigung in einem Romane „Frauenehre" dargelegt. Wie wir diesen Roman als ein der herrschenden Sitte hohnsprechendes Werk bezeichnet haben, so vermögen wir auch nicht dem ent sprechenden Theil der Key'schen Schrift näher zu treten. Der weitesten Verbreitung werth erscheinen uns dagegen ihre Auslassungen -über die Erfolge oder vielmehr Mißerfolge, die die Frauenrechtlerinnen mit ihren bisherigen Gleichheitsbestrebungen erreicht haben. Sie sagt unter Anderem: „Der mit der Frauenkraft ge triebene Mißbrauch besteht darin, daß die Frauen ihre Kräfte in erster Linie auf Gebieten einsetzen, auf denen sie mit den Männern zu wetteifern gezwungen sind und dabei zum großen Theil versäumen, ihre innersten weiblichen Eigentümlichkeiten zu entwickeln und zu verwerthen." Daß sie trotzdem nicht Gleiches leisten wie der Mann, behauptet die Verfasserin fol gendermaßen: „Sogar auf denjenigen Gebieten, wo die Sitte der Frau ganz speciell ihre Thätigkeitssphäre anweist, auf den Gebieten der Erziehung und der Gestaltung des Heims, sind die Männer die Neuschaffenden gewesen. Selbst in der Kochkunst ist der Mann der Erfinder gewesen, und in Betreff der ersten Kinderpflege war es ein Mann, Rousseau, der in der Frau wieder den Sinn dafür erweckte, ihre Mutterpflichten zu erfüllen." Aber, wird man vielleicht einwenden, die Erziehung und die Thätigkeit der Frau haben bisher ihre Gedanken einseitig auf die Häuslichkeit gerichtet. Jetzt erst, da ihr Gesichtskreis weniger eng geworden ist und sie ihre Individualität frei entwickeln darf, kann man sagen, daß ihre schöpferische Kraft, ihre Fähigkeit zur Initiative wirklich Verwendung finde. Darauf erinnert die Verfasserin an alle die Frauen, die „während eines Zeitraumes ") Ein Essay von Ellen Key, autorisirte Uebersehung von Therese Krüger. Verlag von Albert Langen, Paris, Leipzig, München. von mehr als tausend Jahren nach den Kämpfen des Lebens den Frieden des Klosters aufgesucht hatten, hier durch kein Vorurtheil gehindert wurden, sich der Wissenschaft, der Kunst und der Literatur zu widmen und dies auch thaten. Trotzdem sind alle berüwten Namen aus den Klosterannalen männliche, mit Aus nahme der Dichterin Roswitha". „Endlich", fährt die Key fort, „muß man bedenken, daß die Religion innerhalb und außerhalb des Klosters ein Gebiet war, das sowohl der Frau wie dem Manne offen stand, und doch besitzt die Welt kein berühmtes Andachtsbuch von einer Frau, und noch weniger ist uns ein großer weiblicher Religionsstifter entstanden — es sei denn, man mäße mit dem Maße der Theosophie." Es unterliegt nun Wohl keinem Zweifel, daß die Verfasserin alle diese Rückblicke nur nach einer Seite, nach der ihrer Tendenz, gerichtet hat — Gegner der letzteren könnten sie mit Recht darauf aufmerksam machen, daß sie von dem intellektuellen Fort schritt der Menschheit, die Frauen mit einbegriffen, nichts weiß oder ihr Wissen absichtlich verschweigt; und ferner, daß durch den einmal begonnenen Wetteifer auf den Gebieten der Kunst und Wissenschaft auch bei der Frau die Leistungsfähigkeit ins Niedagewesene wächst. Ob diese Steigerung zu etwas positiv Be deutendem werden wird, darüber können Wohl erst spätere Jahr hunderte urtheilen. Aber wir müssen der Key vollständig Recht geben, wenn sie sagt: „Haben die Frauenkämpferinnen ihren vollen Sieg erreicht, dann wird man sich deshalb doch nicht glück licher fühlen in der Welt; eine viel drückendere Müdigkeit wird dann auf den Gemüthern lasten, denn in ihrem Eifer für die künf tige Gleichheit denken die Frauen nicht daran, welche Opfer sie dafür zu bringen haben. Unzählige Impulse von Zärtlichkeit müssen diese nach außen hin arbeitenden Frauen unterdrücken, un endlich oft müssen sie die persönliche Fürsorge für das Glück der Ihren aufgeben. Eine solche Frau wird gezwungen, ihr Herz gegen da» tägliche Anklopfen zu verhärten; täglich muß sie sich von kleinen Kinderhänden, die sie festhalten, losreißen, oder aus dem Heim, wo sie als Tochter oder Gattin liebe Pflichten zu er füllen hat." Ein bereit» von uns mehrfach betontes Argument finden wir auch hier erwähnt: „Bei der echten Frau erreicht da» Bedürfnis sich in persönlichen Verhältnissen auszuleben, seine höchste In tensität auf dem Gebiete, da» zugleich der höchste Lebenszweck ist: die Mutterschaft durch die Liebe! Diese Mutterschaft aber absorbirt ihre physischen und psychischen Kraftquellen bi» zu dem Grade, daß ihre geistig- Production das Secundäre werden muß, daß sie mehr von der Geisterart de» Zufall», als der Nothwendig- keit haben wird. Aber nur das mit Nothwendigkeit hervor gebrachte bleibt unvergänglich." Aber in ihrem Eifer denken die Frauen nicht daran, und „doch bat man aus denjenigen Ländern, in denen di« Frauensach« am weitesten gediehen ist, eine Reih« von Zeugnissen dafür, daß es immer weniger Mütter giebt, ja, von den Frauen sogar das Cölibat als der wünschenswerlheste Zu stand angesehen wird, weil er sie am wenigsten in ihren Studien oder in ihrem Erwerbsleben stört." Von sehr feiner Beobachtung zeugen die interessanten Ver gleiche zwischen der männlichen und der weiblichen Arbeitsweise. „Schon während der Schuljahre", so beginnt die Verfasserin dieses Thema, „kann man einen Unterschied in dieser Richtung bemerken. Das Mädchen ist pflichtgetreuer in der Arbeit an den erhaltenen Aufgaben, aber sie läßt ihr Interesse an dem Gegenstände in der Schule zurück. Seit mehreren Jahren schon hat es mich amüsirt, die Gespräche zwischen der Schuljugend zu belauschen. In neun Fällen von zehn sprachen die Mädchen von irgend einem „er" oder einer „sie", von Vergnügen oder von Kleidern. In neun Fällen von zehn sprachen die Knaben von Sport oder von ihren Studien — von der Multiplicationslehre bis zu der Lehre von der Hölle! Und dieser Grundunterschied setzt sich später in der äußeren Arbeit fort, wo die ungleichen Lebensverhältnisse, die die männliche und weibliche Arbeitskraft erfährt, nicht immer so ungerecht sind, wie sie scheinen, freilich zum Theil auch sind." „Seit dreißig Jahren", fährt Ellen Key fort, „habe ich ver sucht, mir einen klaren Begriff von der Frauenfrage zu bilden, und während dieses Zeitraumes habe ich, nicht von den Feinden, sondern von den Freunden der Frauenbewegung ungefähr das Urtheil gehört, das sich am besten in der Aeußerung eines auf diesen Gebieten hervorragenden Mannes zusammenfassen läßt. Er hatte mit Wärme der Ansicht Siuart Mill's von der Gleich heit der Geschlechter gehuldigt. Die Erfahrung aber zwang ihn zu dem Schlußsatz: daß die Arbeit der Frau sich in der Pflicht treue und Ordnung auszeichne, daß sie bis aufs Genaueste ihr Zugewiesenes ausfllhre, nicht aber die Kraft der Initiative des Mannes, das tiefere Interesse für die Arbeit besitze." Ebenso hat der Disponent für eine der größten Fabriken Schwedens ihr die Mittheilung gemacht, „daß er noch nie ein Mädchen gefunden habe, das die Mechanik der Maschine, die es wie ein Automat bediene, begriffen hätte. Hiergegn sei es kaum paffirt, daß nicht ein Junge, mit ganz derselben Volksschul- bildung wie das Mädchen, binnen Kurzem die Art der Zu sammensetzung der Maschine und ihre Thätigkeit begriffe." Des Weiteren theilt die Verfasserin au» ihren Erfahrungen mit, daß von zehn jungen Männern, die dir Wahl hätten zwischen zwei gleich hoch besoldeten Stellungen, von denen die eine aber mühsamer und verantwortungsvoller wäre, die andere, weniger anstrengend, aber auch weniger interessant, neun die erste Stel lung wählen, während von zehn jungen Mädchen sicher neun die letztere wählen würden. „Während der ganzen Jugend des Weibes", entnehmen wir dem Buch« writrr, „ist d«r Traum vom «ig«n«n H«im di« Unter« strbmung in ihrem Dasein. Dafür verläßt sie sowohl ihre Studien wie ihre Beschäftigung, wenn sie wohlhabend genug dazu ist. Und sie handelt dabei in voller Uebereinstimmung mit ihren Glücksinftincten, während ein Mann, der so handelte, allen seinen Glücksinstincten ins Gesicht schlagen würde. Und in den meisten Fällen verlassen die Frauen ihre Thätigkeit nach außen ohne Ent behrung, es sei denn, daß sie als Lehrerin oder Aerztin thätig waren." Bis hierher sind wir der Verfasserin mit Interesse gefolgt, — der weitere Theil des Buches aber weckte lediglich Widerspruch und Befremden bei uns. Die Geschicklichkeit, mit der die Key ein, wenn auch fehlerhaft construirtes, so doch immerhin bestehendes Gebäude einreißt, hat sie beim Aufbau eines neuen nicht bewiesen. Wir begriffen nun leicht, daß sich ein Sturm von Unwillen gegen die Verfasserin von Seiten ihrer Landsleute erhoben hatte, und begriffen wiederum nicht, wie Frau Key hoffen konnte, „für ihre Gedanken bei den deutschen Frauen rin besseres Verständniß zu finden, als sie bei den skandinavischen gefunden hatte." Derart getrübten Auges sehen unsere Frauen gewiß nicht in das Leben, daß sie haltlos flatternde Hirngespinste für ein be glückendes Schicksalsgewebe halten könnten. Während die Key bis dahin Thatsachen anführte, füllt sie das Buch jetzt mit Phrasen. Von dem sicheren Boden der Wirklichkeit gelangt sie mit einem blitzschnellen Saltomortale auf das wacklige Trapez der Utopien. Da» Weib, dieArbeiterin kennt sie nicht mehr, sie hat es nur noch zu thun mit Damen, mit Künstlerinnen, die im Arme des geliebten Mannes erst angeregt werden müssen zu begeistertem Schaffen. Sie schwärmt von „der genialen Frauen- Jndividualität, die, erst einmal befreit, uns ungeahnte Reiche thümer darbicten wird: die glühendrothe Flamme der Leiden, schäft, die alle konventionellen Formen zu Asche brennt; den dionysischen Rausch und die apollinische Klarheit; die heilige Einfalt mit dem Maiglöckchenduft eines Frühlingsmorgens auf dem Lande, und den Klang des Glockenläutens am Abend vor dem Feste; und die großen Rücksichtslosigkeiten mit ihren Rauch wolken und ihrer Sturmglocke." Man sieht, leicht haben'» die Frauen nach Key'schem Muster nicht — aber leicht wird's ja den Frauen heutzutage überhaupt nicht gemacht. Von den Begliickungsaposteln verschiedenster Ob servanz hin- und hergezerrt, sollen sie nun durchaus da» Weibsein aufstecken und irgend was Besonderes werden. All diese hohen, sehr hohen Ansprüche, die in den meisten Fällen nicht sie selbst, sondern Andere an sie stellen, zu erfüllen, das ist gewiß keine Kleinigkeit. Wohl mag's die Frauen freuen, wenn ein Goethe von ihnen sagt: „Sie sind da» einzige Gefäß, was uns Neueren noch geblieben ist, um unsere Idealität hineinzugießen" — sollen sie nun aber noch Alle die Illusionen der Unzufriedenen ihres eigenen Geschlechtes in sich aufnehmen, dann möchte sich doch wohl das Gefäß bald als zu klein erweisen und im Ueberfließen das Werthvoll« mit dem W«rthlos«n v«rlor«n grhrn. M. Uhs».
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