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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.08.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-08-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980815029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898081502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898081502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-08
- Tag1898-08-15
- Monat1898-08
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Reclome» «ntrr dem Redaction-strich l4u«» spalte») SO^j, vor den Famtlteniiachri h!ea (ß gespalten) 40-4- Größere Schriften laut unserem Preis» verzeichnib. Tabellarischer und Zissernjatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Poslbesörderung 60.—, mit Postbeförderunz ^ll 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend.Ausgabe: BormittszS 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Sttjkigen sind stet« an die Expedition zu richten. —— Truck und Verlag von E. Polz in Leipzig. tll Montag den 15. August 1898. 92. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 15. August. Die „Deutsche Tageszeitung" findet es „famoS", „heiter", „naiv", daß wir Herrn von Wangenheini's Wahl zum Präsidenten des Bunves der Landwirthe aus antisemitischen Einfluß zurückgeführt haben. Aber die Thatsache, die in dieser unserer Behauptung zu Grunde liegt, wähl daS Bundes organ so wenig zu leugnen, als es, beiläufig bemerkt, bei wiederholtem, vermuthlich witzig sein sollendem Eingehen auf unsere Bemerkungen über den Margarineconsum sich zu bestreiten getraut, daß Großgrundbesitzer des Ostens den in ihrer Presse als ekel und gesundheitsschädlich geschilderten „Oeltalg" massenhaft bei der Ernährung ihrer Arbeiter verwenden. Wir stellen also nochmals fest, daß am Tage nach der Beerdigung des Herrn v. Ploetz, also ge raume Zeit vor der Wahl des Bundesvorsitzenden, unter Umgebung der conservativen Mitgliever deS BundesausschusscS eine Vorbesprechung in Berlin stattgefunden bat, nach deren Beendigung die Wahl des Herrn v. Wangenheim ein Mit aecompU war. Außer dieser Hauptsache be stätigt die „D. T." durch ibr Stillschweigen noch den mehr nebensächlichen, aber für Sachsen nicht uninteressanten Umstand, daß der Vertreter unseres Königreiches, der bei dem Begräbniß in Dötlingen zugegen war, zu Denen gehörte, die von dem angesagten Berliner Conventikel nichts erfahren dursten. Das ist nicht weiter zu verwundern, denn die Vor besprechung war das Werk der Antisemiten und diesen sind die sächsischen Conservativen, „die Hofrathspartei", noch um einige Grad stärker verhaßt als selbst Männer wie v. Levctzow und Graf Mirbach. Der Charakter des Wahl ergebnisses als eines antisemitischen Sieges und einer „alt- conservativen" Niederlage steht dann auch außer allem Zweifel. Daß, wie die „D. T." hervorhebt, Herr v. Wangen heim einmal von antisemitischer Seite einen Angriff zu erdulden gehabt, will gar nichts besagen, dagegen ist es beweiskräftig, daß die „Staatsbürgerzeitung", das Hauptorgan der Antisemiten und Sprachrohr des Herrn Liebermann von Sonnenberg, ohne einem Widerspruch zu begegnen, fortfährt, von Herrn von Wangenheim als einem im Gegensatz zu den Conservativen an die Spitz« diS Bundes gebrachten Mann ihres, der antisemitischen Partei, Vertrauens zn sprechen. Heute schreibt das Blatt, nachdem es an eine ZeitungSmeldung, wonach der Kaiser seine Mißbilligung über die Präsidentenwahl ausgesprochen haben soll, unseres Erachtens berechtigte Zweifel geäußert hat, wieder Folgendes: „Daß aber Herrn v. Wangenheim gegenüber dasselbe Manöver angewendet werden wird, wie es kürzlich erst Herrn v. Ploetz gegen über beobachtet wurde, daß ihm nämlich in letzter Stunde noch von dunklen Hintermännern ein gouvernemcntaler Gegencandidat gegenüber gestellt wird, glauben wir ganz gern." „Gouvernementale" sind für das antisemitische Blatt die Führer der conservativen Partei. Aber auch ein gar nicht gouvernementaler Agrarier scheint über die Wahl deS Herrn v. Wangenheim nicht anders zu denken, als Graf Mirbach. Nämlich Herr v. d. Gröben-Arenstein, Mit glied des Herrenhauses und deutschconservativer Reichstags abgeordneter für den Wahlkreis Heiligenbeil-Pr.-Eylau ist aus dem Bunde der Landwirthe ausgeschicden. Er kheilte seinen Entschluß dem Provinzial-Vorsitzcnden sür Ostpreußen, Grafen zu Dohna-Wundlacken, in folgendem Schreiben mit: „Arenstein, 9. August 1898. Ew. Hochwohlgeboren beehre ich mich ergebenst mitzutheilen, daß ich aus dem Verbände des Bundes der Landwirthe zu meinem aufrichtigen und tiefsten Bedauern aus- zutretcn mich genöthigt sehe. v. d. Gröben-Arenstein, Mitglied ^ZaS, bsi/wird hinzngefügt, Herrn v. d. Gröben -Aren stein, der früherPrvvinzial-Vorsitzender deS Bundes sür Oit- preußen war, zn diesem Schritt veranlaßt bat, ist noch unbekannt. Warum giebt sich die „Deutsche Tageöztg.^ mit unserer „Naivi tät" und nicht mit diesem sonderbaren, höchst sonderbaren Vor- kommniß ab? Herr v. d. Gröben ist, wie gesagt, kein Gouvernementaler, vielmehr vornehmlich bekannt geworden durch einen höchst „ungouvernementalen", den Oberpräsidenten Grafen Stolberg bös zerzausenden Brief, der seinerseits noch in allgemeiner Erinnerung ist, weil er s. Z. mit Hilfe eines glücklichen, aber nicht redlichen Finders unter den social demokratischen Reickstagöabgeordneten den Weg in ein socialdemokratisches Blatt gefunden hat. Wenn ein Agrarier, wie Herr v. d. Gröben, unmittelbar nach einer Veränderung im Präsidium dem Bunde den Rücken kehrt, so muß ein ursächlicher Zusammenhang zwischen beiden Ereignissen so lange angenommen werden, als sein Nichtvorhaudcnscin nicht erwiesen ist. Und die „Deutsche Tageszeitung" schweigt. Wir haben unS dieser Tage nachdrücklichst gegen die Ein führung eines allgemeinen Befähigungsnachweises für das Handwerk ausgesprochen. Heute haben wir Veranlassung, für den obligatorischen Befähigungsnachweis für das Bau gewerbe einzutreten. Von einer als ofsiciöS geltenden Seite wird nämlich befürwortet, die Frage deS Befähigungs- itächweiseS für das Baugewerbe vorläufig ruhen zu lassen, bis die geplanten Handwerkskammern in der Lage sein würden, ihr Votum dazu abzugeben. Dabei wird auf die Zerfahrenheit hingewiesen, welche in den interessirte» Kreisen über den Umfang des vorgeschlagenen Befähigungsnachweises, die Abgrenzung der heranzuziehenden an der Bauthätigkeit betbeiligten Handwerke und die innere Einrichtung des Nach weises noch immer herrsche. Wir leugnen nicht, daß die Meinungsverschiedenheiten, auf welche hier angespielt ist, in einem bedenklichen Maße existiren, und daß es keine leichte Aufgabe sein wird, hier eine zweckentsprechende Ausgleichung herbeizuführen. Diese Schwierigkeit ist indessen nicht so groß, als daß sie unüberwindlich erscheinen müßte. Auf keinen Fall ballen wir eS für notbwendig oder erwünscht, damit bis nach Schaffung der Handwerkskammern zu warten. DaS InSleben- treten der Handwerkskammern stehl noch in weitem Felde. Alle Anzeichen deuten darauf hin, daß für die nächste Zeit die ganze Handwerksorganisation noch eine lückenhafte sein wird. Andererseits dürften die Handwerkskammern kaum in der Lage sein, das zur Beurtheilung der vorliegenden Frage vorhandene Material in nennenSwerther Weise zu ergänzen. Die aus dem Anfänge der 90er Jahre stammenden Ergebnisse der preußischen Enquete über das Baugewerbe und den Be fähigungsnachweis für dasselbe sind seither in einer Weise von staatlicher wie privater Seite vervollständigt worden, daß schwerlich viel Neues nachzutragen sein wird. Bei aller Divergenz der Meinungen über Einzelheiten der Frage läßt sich doch eine weitgehende Uebereinstimmung in Bezug auf den Kreis der Gewerbe constatiren, für welche der Be fähigungsnachweis als nötbig erachtet wird; er umfaßt das Maurergewerbe, das Zimmerer- und Steinmetzgewerbe. Beschränkt man den Befähigungsnachweis auf diese drei Gewerbe, so fällt der schwerwiegendste Grund, den man gegen die Forderung ins Feld geführt bat, die Unmöglichkeit einer strengen Abgrenzung der einzelnen Handwerke ohne Herbeiführung der mit Recht in Oesterreich so gefürchteten Gewerbestreitigkeiten, von vornherein weg. Zweifellos wäre es verfehlt, sich von dem Befähigungs nachweis daS Verschwinden aller Mängel, die sich im Bau gewerbe breit machen, zu versprechen; daß dem Pfuscber- thum in diesem Gewerbe aber durch den obligatorischen Be fähigungsnachweis in wirksamer Weise Abbruch gethan werden würde, ist nicht zu bestreiten. Dazu tritt in aus schlaggebender Weise das, auch in einer den Gegenstand be treffenden Resolution des Reichstages vom vorigen Jahre betonte öffentliche Interesse am Baugewerbe. Alles das kann nur Len Wunsch zeitigen, daß von Reichs- oder Staatswegen unverzüglich der Frage deS Befähigungsnachweises für daS Baugewerbe näher getreten wird. Die nationalliberale Partei hat sich im Reichstag wie im Landtag wiederholt in diesem Sinne ausgesprochen und wir zweifeln nicht daran, daß das bei nächster Gelegenheit im Interesse deS Handwerks wiederum geschehen wird. DaS erschütternde Ereigniß des Todes des Fürsten Bismarck, des größten deutschen Staatsmannes, hat in allen fünf Erdtbeilen das verdiente Echo gefunden. Nur die Türkei scheint hiervon ausgeschlossen zu sein. Man schreibt darüber der „Frkf. Ztg." aus Konstantinopel, 8. August: Bis heute wenigstens, zehn Tage nach dem Tode BiSmarck's, wartet man vergeblich, daß die türkischen Blätter in einigen Worten ihrer Anerkennung und Dankbarkeit für den ersten deutschen Reichskanzler Ausdruck verleihen. Man brauchte dazu sich durchaus nicht der Lapidarschrift zu bedienen und hätte doch in wenigen Strichen die gerade für die Türkei unvergänglichen Verdienste deS Fürsten hervorbeben können. Nichts davon ist geschehen nnd die türkische Presse ist bis auf die Schilderungen der localen Begebenheiten in Friedrichsrub achtlos nnd ohne ein eigenes Urtbeil am Sarge deS Fürsten vorbeigeschrittcn. Den Vorwurf für dieses Verhalten trifft natürlich die grenzen los kurzsichtige türkische Censur, welche, was hier bemerkt werden mag, auch allen hiesigen Blättern bis auf Weiteres ver boten hat, über den Kaiserbesuch in Konstantinopel nnd Palästina daS Geringste zn veröffentlichen. Bis auf die im trockenen Tone gehaltene Depesche deS Sultans an den Fürsten Herbert unterließ mau türkischerseits jede Kundgebung sür den Mann, ohne den die Türkei nach dem rassischen Feldznge aufgehört hätte, cin europäischer Staat zu sein. Der Sultan äußerte sich zwar beim Empfange der Todesnachricht, drei Männer haben unvergängliche Verdienste um die Türkei: Kaiser Wilhelm, BiLmarck und Molike, aber daß diese Ver dienste in der Presse Eiwähnung fänden, wäre zu viel ver langt. Wenn es wahr ist, daß diese auffallende Haltung ihre Erklärung im Koran findet, der das Betrauern von Tobten nnd die hiermit in Verbindung stehende Widmung von Nachrnfeu verbietet, so kann sich diese Vorschrift doch nur von Muselman auf Muselman beziehen. Mit den citirten Koranverordnungen entschuldigte auch der Coinman- dant des türkischen Kriegsschiffes sein Verhalten. Vor Tberapia liegen sämmtliche Kriegsschiffe der Großmächte verankert. Der deutsche Stativnair „Loreley" zog am Montag zum Zeichen der Trauer die Flagge auf Halbmast und sämmtliche anderen Schiffe, auch die Franzosen, folgten seinem Beispiel. Am Dienstag legten alle Stationaire für die Kaiserin von Rußland Flaggengala an, die aber zwischen elf und zwölf Uhr unterbrochen wurde, um neuerdings auf Halbmast zu hissen. Nur der türkische Stationair schloß sich auch von diesem Zeichen der Ehrung eines großen Tobten auS. In allerletzter Zeit erst ist die Annexion der Hawaii- Inseln durch die Union tatsächlich vollzogen worden. Es ist den Mächten noch keine Mittbeilung über diese Besitz ergreifung zugegangen; eine Entschließung dazu kann daher von irgend einer Seite noch nicht gefaßt sein, von deutscher Seite schon deshalb nicht, weil die maßgebenden Personen gar nicht in Berlin anwesend sind. Wenn jetzt gemeldet wird, baß die Annexion von Hawaii zu keinerlei Rccla- mationen von Berlin ans gegenüber den Bereinigten Staaten führe» werde, so scheint diese Angabe nur auf Vermuthung zu beruhen. Seit mehreren Jahren galt es in be rufenen Kreisen als ein feststehender Grundsatz, daß die von den Vereinigten Staaten schon seit Langem geplante Annec- tirung Hawaiis zum Anfangspuncte für eine Lösung der Samoafrage gemacht werben sollte. Bisher hat aber weder ein Anzeichen noch ein Anlaß vorgelegen, diesen Grundsatz zu ändern. Wenn Deutschland so ohne Weiteres die Erwer bung Hawaiis gutbeißen wollte, so stellte es sich fast genau auf den Standpunkt von 1887 und 1889; ans diese Weise würde man die Aenderung der Samoa-Verbältnisse in einer den deutschen berechtigten Ansprüchen angemessenen Weise eher verhindern als fordern. Nach einer Meldung aus Washington hat Präsident Mac Kinley beschlossen, den Haien zu Pago-Pago ans der Samoa-Insel Tutucla als Marinc- und Kohlenstation zn benutzen. Als Koblenstation gilt er schon lange, doch haben die Amerikaner bisher nur wenig Kohlen daselbst gehabt. DieErweiterung desselben zu einer Marinestation erinnert daran, daß in England der Plan besteht, Auckland auf Neuseeland zn einer Floltenstation zu machen. Der Washing toner Beschluß kann daher zunächst nur als cin Gegenstoß gegen die englische Absicht angesehen werden. Di: ausgesprochene Rivalität der Vereinigten Staaten gegen alle Mächte, welche im Stillen Ocean Besitzungen haben, kommt hier wieder«»! scharf zum Ausdruck. Die Absichten der Union in Bezug aus Samoa liegen vollkommen klar zu Tage durch mehrfache Aeußcrungcn Mac Kinley'S, wie namentlich durch das dem Congreß, insbesondere dem Senate während der letzten Tagung zugcgangcnc Material. Darunter ist wohl am über sichtlichsten die Denkschrift des früheren OderrichlcrS Ide in Apia .,<)uv Intorost in Lamou". Tie Amerikaner wollen eine Reibe von Etappen durch den ganzen Parisischen Ocean bis nach Asien hin sich ancignen; die erste ist Hawaii. Mr. Ide zählt auf, was die Franzosen, die Deutschen und die Engländer in der Südsee besitzen, nnd sagt, so bliebe außer Hawaii nur Samoa noch als srei übrig; diese Gruppe bildete auch eine gegebene Station für das geplante parisische Kabel. Hinsichtlich Pago-PagoS erzählt Mr. Ide, 1870 habe der Norddeutsche Bund seinen Consul in Apia beauftragt, sich um die Verhältnisse Pago-Pagos zn bekümmern; er sei aber zu spät gekommen, der amerikanische Commodore habe de» Erwerb schon abgeschloffen gehabt In Frankreich droht ein Streik der Eisenbahner, für welchen der rund 58 000 Mitglieder zählende Verband der französischen Eisenbahner eine rege Agitation entfaltet. Seit Jahren liegt dieser Verband mit den sieben große» Eisenbahugescllsckasten in Fehde, einmal, weil die Gesell schaften sich weigern, den Verband als osficielle Vertretung der Arbeiterschaft auzuerkennen, und weil die Gesellschaften bisher die Forderungen des Maximalprogramms deS Verbandes zurückgewiescn haben. Diese Forderungen gehen in der Hauptsache dahin, daß alle Arbeiter I nnd Unlerbeamten nach einem Dieustjabre cndgiltig an- l gestellt, die Gehälter erhöht, die Arbeitsstunden herab- ! gesetzt, die Frachtbabnböse Sonntags geschlossen, die «Bußen und Außerdienslstcllungcn aufgehoben und eigene Feirilletsn. In der Brandung des Lebens. 81 Roman au« dem amerikanischen Westen Von Theodor Eicke. Nachdruck verboten. Es handelte sich um Folgendes: Dorothy hatte eine Classe in einer Sonntagsschule; das wußte Brant, auch den Ort, aber nicht die Stunde. Heber diese letztere Untenntniß war er durch aus nicht böse, denn sie gab ihm eine Entschuldigung dafür, daß er sich den größeren Theil des Tages in der Nähe der Capelle umhertrieb. Spät am Nachmittag« wurde er durch einen Blick belohnt, den er auf sie werfen konnte, als sie hineinging; er- muthigt dadurch, stand er Schildwache auf der anderen Seite der Straße, bis sie endlich au« war. Sie kam unter den Letzt«» heraus, mit einer Gruppe von Kindern um sich herum, und Brant's Herz wurde warm bei dem Anblick. „Gott segne sie", sagte er bei sich, „was für eine reizende Mutter sie in eines Mannes Heim sein müßte!" Dann nahm er seinen Muth zusammen und ging über die Straße hinüber, um «ine Frage an das Schicksal zu stellet. Wenn sie Alles wußte, wenn ihre Mutter eS ihr erzählt hatte, dann würde ihr Gruß es erkennen lassen, und dann würde er wissen, daß das Schlimmste ihn betroffen hatte. Sie trafen einander an der Ecke, und Dorothy blickte empor, während sie den Kindern Lebewohl sagte. Brant fühlte es, daß sie ihn sah, und obwohl in ihren Augen kein Zeichen des Er kennens lag, stand er still und zog seinen Hut. Da beugte si« sich über eines der Kinder, als wollte sie ihm ausweichen; er aber ging schnell fort, Zorn und Scham erfüllten sein Herz, und der Dämon der Verzweiflung flüsterte an seinem Ohr. Wie gewöhnlich ging er am Abende nach seiner Wohnung, aber nicht, um dort zu bleiben. Um acht Uhr warf er das Buch, in dem er zu lesen versucht hatte, zur Seite, steckte den Revolver, der einst Harding gehört hatte, in die Tasche seines Ueberziehers und ging aus. Eine halbe Stunde später stand er in Draco's Schänkzimmer, und Tom Deverney hieß ihn mit lauter Herz lichkeit willkommen. „Weiß Gott, ich dachte schon, der Teufel hätte Dich geholt. Im Gebirge gewesen?" „Nein, ich war nicht aus der Stadt." „Machst Dich aber verdammt selten", meint« Deverney. „Wie meinst Du?" fragte Brant, halb abwesend. „Meinen Check über die hundert Dollars hast Du doch erhalten?" „Zum Teufel mit dem Check! Wer spricht davon?" Meine nur, weshalb Du selbst Dich nicht sehen läßt?" „War sehr beschäftigt", sagte Brant. „Komm her, Tom, laß uns ein Glas zusammen trinken und laß es gut sein." „Na ja, ist schon gut." Die beiden Männer thaten einander mehrfach Bescheid und Brant zahlte. „Willst wohl 'n bischen spielen?" fragte Deverney. Brant warf «inen Blick über die Tische und schüttelte den Kopf. „Glaube nicht. Bin nicht recht auf dem Damme heute, und ich fürchte, ich würde schlecht wegkommen." „Will Dir was borgen", sagte Deverney. „Nein, danke schön; so mein' ich's nicht. Ich habe Geld genug." Er ging fort, zur Pharaotafek hinüber, zweifelnd, ob er spielen sollt« oder nicht. Er hatte sein Zimmer verlassen mit der Absicht, einen tollen Streich zu machen — etwas, das Dorothy Kummer verursachen würde, wenn sie es wußte; doch jetzt, wo er am Rande des Sumpfes stand, empfand er Ekel davor. Hätte er nichts getrunken, er wäre umgekehrt und nach Hause gegangen. Aber das gab den Ausschlag. Das Getränk war schlecht,- und Brant — selbst in seine» schlimmsten Zeiten außerordentlich mäßig — hatte, seitdem «r ein neues Leben begonnen, kaum Alkohol angerührt. So kam e«, daß er sich wieder umwandte und zurückging, um das Spiel zu beobachten. Dann plötzlich war kein Halten mehr. Aus einem Dollar wurden zwei, aus zweien vier und aus vieren acht. Einer von den Spielern schied aus, und Brant nahm den freigewordenen Stuhl «in, zündete sich eine neue Cigarre an und ließ sich etwas zu trinken kommen. So pflegte er es auch in früheren Tagen zu machen, w«nn sein Gewissen ihn quälte, und wie damals hatte auch jetzt der Alkohol die gewünschte Wirkung; er tödtete die Energie in ihm, ohne dem Spieler di« Ruhe und Kaltblütigkeit zu rauben. Und während er sich gar nicht darum kümmerte, ob er verlor oder gewann, war ihm das Glück von Anfang an günstig. Er mochte spielen, wie er wollte, er verlor nicht; und als er die Tafel um Mitternacht verließ, mußte Draco, der sein eigener Bankhalter war, eine Pause im Spiel machen und zu seinem Geldschrank gehen, um Geld zu holen, da er nicht mehr auszahlen konnte. „Da habt Ihr Euren Mammon", sagte er, indem er eine Rolle Papiergeld über die Tafel schob, „ist 'n offenes Spiel, und ich kann keinen zurückweisen; aber einerlei, ich möchte doch, daß Ihr aufhörtet — hab« hier keine Goldmine zu verspielen." Brant rollte die Scheine auseinander, drehte einen großen Fidibus davon und reichte ihn zurück. „Vehalt's doch, wenn Du Lust hast; ich habe wirklich keine besondere Verwendung dafür." Draco lachte. „O ja, und morgen bist Du mit 'm Schieß zeug wieder hier, wenn Du nüchtern bist und darüber nachgedacht hast! Nein, mein Junge! Habe keine Lust, hier 'ne Schießhalle einzurichten und Pfeil und Bogen mit Dir zu spielen, George." Brant steckte das Geld in seine Tasche und ging fort; am Ausgange winkte Deverney ihm. „Hörte da eben zwei Kerle schwatzen Uber den Weg, den Du hast", sagte er flüsternd, indem er sich über den Schänktisch beugte. „Kenne sie nicht writer, sel)rn aber wie 'n paar rechte Spitzbuben aus. Wollen Dir vielleicht an den Kragen. Bist Du parat?" Brant nickte. „Du kennst sie nicht, sagtest Du?" „Nein, habe sie vor 'n paar Abenden zum ersten Mal gesehen." „Beschreibe sie mir doch 'mal, vielleicht erkenne ich sie." „Der Eine ist 'n langer und schmächtiger Kerl — beinah' wie der Professor; nur hat er 'n Bart wie 'n Gaisbock und rothe Haare. Der Andere ist kleiner und hat 'n glattes Gesicht mit so 'nem galligen Blick, weißt Du." Brant schüttelte den Kopf. „Kann mich nicht erinnern", sagte er, „aber ich w«rd« auf die Ecken Acht geben und ihnen im Nothfall geben, was sie haben wollen. Danke für die Warnung, Tom, gute Nacht!" Er ging fort mit dem Gefühl, daß er den Unglückstag ebenso gut mit einem Kampf auf Leben und Tod beschließen könne als anders. An der Ecke hinter Draco's Local sah er zwei Männer in einem Thorweg auf der anderen Seite der Straße stehen, und einer plötzlichen übermüthigen Eingebung folgend, ging er gerade zu ihnen hinüber. Sic beachteten ihn nicht, selbst dann nicht, als «r stehen blieb und sie mit verächtlichem Blicke betrachtete; aber als er weiterging, folgten sie ilyn gemächlich und in be trächtlicher Entfernung. Brant wußte es, doch er ging deshalb weder schneller noch langsamer. Ueberholten sie ihn, so wollte er schon wissen, was er zu thun hatte; wenn nicht, um so besser für sie. Als er sie gemustert hatte, war ihm der Lange fremd er schienen, während das Gesicht des Anderen ihm seltsam bekannt vorkam; doch er wußte nicht, wo er «s hinbringen sollte. Das Gesicht war ihm ein Räthsel; die kräftige Nase, die hohen Backen knochen und die eingesunkenen Augen hgtte er schon einmal ge sehen, aber den derben Mund mit dem grausamen Zug in den Ecken und den vorstehenden Unterkiefer vermißte er dab«i. „Ist das reine Naturspiel!" murmelte Brant vor sich hin, als er sich soweit klar geworden war. „Der Kerl hat den oberen Theil vom Kopfe eines Anderen — eines Menschen, den ich kenne. Weiß der Teufel, wie er dazu kommt!" Die Frage ließ sich ganz leicht beantworten, und hätte Brant die Antwort geahnt, so würde er sehr darauf bedacht gewesen sein, bei seinem Wege die hellerlcuchteten Straßen zu wählen. Wenn er daran gedacht hätte, daß ein dichter, ungekämmter Bart den grausamen Mund und den häßlichen Unterkiefer vielleicht bedeckte, so würde er das Gesicht wiedererkannt haben, obwohl er es nur einmal, und zwar in einem Augenblicke wildester Erregung gesehen hatte. Und wenn er ferner bedacht hätte, daß ein Bart an- und abgelegt werden kann und daß die Kunst des Perrückenmachers noch blüht, dann würde ihm klar geworden sein, daß aus der sehr ansehnlichen Zahl von Feinden, die er sich während der vergangenen Jahre gemacht hatte, keiner gefährlicher und verzweifelter war als die Beiden, die ihn auf dem Rückwege zu seinem Logirhause im Auge hatten. Sie kamen ihm näher, als er das Thor erreicht hatte, und er zog den Revolver und wartete. Die wenigen Stunden, die seit seinem Zusammentreffen mit Dorothy vergangen waren, hatten Das, was die vorhergehenden Monate ehrbaren Lebens Gutes ge schaffen hatten, fast ganz wieder vernichtet. Die alten Gewohn heiten stellten sich unwiderstehlich wieder «in, und es war viel mehr „der brave George" aus den Goldgräberplätzen, als Oberst Bowran's Ingenieur, der auf di« Ankunft der beiden Männer wartete. Eh« diese ihn erreicht hatten, bogen sie ab und gingen auf die andere Seite der Straße hinüber. Hätte er gewußt, wer sie waren und weshalb sie ihm folgten, sie wären sicher nicht so unangefochten w«itergrkommen. So steckte er den Revolver in die Tasche und ging mit höhnischem Lächeln über die vermeint liche Angst der Leute ins HauS. xm. Als man James Harding nach seinem Attentat auf Brant's Leben in dem Privatzimmer bei Draco hatte laufen lassen, hatte er sich in Denver nur noch so lange aufgehalt«», bis ein Zug fuhr. Mit Wuth im Herzen war er fortgegangen, sein schweres Conto gegen den Mann, der ihn verbannt hatte, noch um einen Posten belastend. Da er sich in den größeren Niederlassungen schon ganz un möglich gemacht hatte, wandte er sich zunächst nach Silverette, in der Hoffnung, aus den Besuchrrn von Gaynard's Tanzsaal einen Lebensunterhalt herauszuholen. Darin täuschte «r sich. Die Kunde von seinen Schandihaten war weit durch da« Land gr«
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