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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.08.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-08-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980817022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898081702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898081702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-08
- Tag1898-08-17
- Monat1898-08
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Wir geben gern zu, daß diese Bedenken einer ernsten Prüfung Werth sind, vermögen sie aber nicht für ausschlaggebend zu erachten gegenüber den materiellen und moralischen Vortheilen, welche sich aus der Verwirklichung der von Seiten des Handelsministers in der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 24. Februar d. I. in dieser Richtung gemachten Vorschlägen ergaben. Aus der Erörterung dieser Vorschläge ist nicht ersichtlich, daß den als Mitglieder der Grubencontrole fungirenden Grubenarbeitern eine andere als eine begutachtende Stellung eingeräumt werden soll, daß ihnen eine Executive zugestanden werden soll, die auch wir für bedenklich erachten müßten. WaS aber das Hauptbedenken in technischer Hinsicht anlangt, so dürfte es nicht schwer sein, intelligente Bergleute soweit mit ihren Obliegenheiten als Controleure ver traut zu machen, daß sie ihre Stellung voll ausfüllen. Die auf die fehlende Autorität und die moralische Qualifi kation sich gründenden Bedenken sind nicht stichhaltig; sie würden sonst gegen jede Betheiligung der Arbeiter an der Selbstverwaltung bei Institutionen angeführt werden können, deren segensreiche Wirksamkeit von keiner Seite mehr in Frage gezogen wird. Bei den erwähnten Verhandlungen im Abgeordnetenhause hat denn auch der Gedanke einer Be theiligung der Grubenarbeiter an der Bergwerkscontrole auf allen Seiten des Hauses Sympathie erweckt. Abgesehen von den freisinnigen und Centrums-Rednern, die sich außer ordentlich günstig zu den Vorschlägen des Ministers auS- sprachen, bezeichnete der Oberbergralh vr. Schultz dieselben als „durchaus nicht unsympathisch" und der Abgeordnete v. Eynern gab der Ansicht Ausdruck, wenn es gelänge, in richtigen Formen die Bethciligung der Arbeiter an der Be aufsichtigung der Gruben mit der Sicherheit der Betriebs einrichtungen in den Gruben zu verbinden, so würde sich zweifellos Niemand mehr darüber freuen, als die Betriebs-Verwaltungen der Bergwerke selbst; denn eine derartige begutachtende Tbätigkeit der Arbeiter selbst würde ihnen eine wesentliche Stütze gegenüber der bei jedem Unglück auftauchenden Agitation gegen die Verwaltung sein. Herr v. Eynern meinte, mit der notkwendig beschränkten Competenz, die solche Bergarbeitercommissionen haben müßten, würden sie für den Bergbau selbst nur wesentliche Dienste leisten können. Wir sind der gleichen Ansicht und meinen, daß die Denkschrift des Eingangs genannten Vereins noch nicht das letzte Wort der Bergwerksverwaltungen in einer Sache sein wird, deren günstige Erledigung für daS Ver- hällniß zwischen Arbeitern und Arbeitgebern in Zukunft von der größten Bedeutung sein kann. Nachdem die deutschen klerikalen Zeitungen lange Zeit vergeblich versucht haben, über die Coburger Ehesache der Welt Sand in die Augen zu streuen, besorgt dies Geschäft jetzt der „Osservatore Romano". Der „Germania" verschlägt dies zwar nichts, die in Anbetracht der Verfassung der römischen Kirche groteske Behauptung aufzustellcn, die „Kirche" habe in dem mitgctheilten Artikel der vatica- nischen Blätter eine schroffe Verurtheilung der „activen Assistenz bei der Coburger Mischehe" ausgesprochen. In Wirklichkeit liegt von Rom aus nichts weiter vor als die Auslassung einer Zeitung, die von der Curie schon mehr als einmal deSavouirt worden ist und, wenn eS passend er scheinen sollte, in Zukunft wieder deSavouirt werden wird. Etwa- Kirchlich-OfsicielleS ist allerdings jetzt aufgetaucht. DaS Wiener erzbischöfliche Ordinariat macht bekannt, der dortige Erzbischof habe das Vorgehen bei der Eheschließung im Palais Coburg untersucht und festgestellt, „daß hierbei über die reine passive Assistenz, welche allein in diesem Falle nach kirchlichen Gesetzen einzuhalten war, hinausgegangen wurde." DaS ist ein vorbehaltloser amtlicher Tadel des Verhaltens des assistirenden Pfarrer» von St. Stephan, aber gegen die aus Anlaß der Coburger Ehe-Angelegenheit wieder in Erinnerung gebrachte alte Er fahrung, daß die römischen Kirchengesetze einen doppelten Boden haben, je nachdem sie auf Hoch oder auf Niedrig an- zuwcnden sind, beweist die Veröffentlichung des Wiener Ordinariats nichts. Denn wenn der Wiener Pfarrer die Instruction über das geistliche Verhalten bei der Schließung von Mischehen, der ein Versprechen über katholische Kindererziebung nicht vorauSgegangen ist, aus Grund einer Dispensation unbeachtet gelassen hat, so war die Dispensation nicht vom Wiener Erzbischof, sondern vom Papst auSgeganaen, der sie auch allein ertheilen konnte. Daß aber der Pfarrer von St. Stephan in einer Sache, die Aller Augen auf sich zog, das ihm natürlich wohlbekannte Kirchengesetz aus eigenem Antrieb, etwa aus persönlicher Connivenz gegen die Interessenten und ihre Familien verletzt habe, glaubt kein Mensch, der die römische DiSciplin und ihre Erhaltungs mittel kennt. DaS Wiener „Vaterland", daS klerikale Haupt organ Oesterreichs, hat sogar den für ein Blatt seiner Richtung nickt unbeträchtlichenMuth,sich nicht einmal denAnschein zu geben, als ob eS diesen thörichten Glauben »heile. Jetzt nun, da daS Ordinariat den Vorgang verurtheilt, muß es natürlich über diesen schweigen, und die Existenz eines päpstlichen Dispenses, der nicht öffentlich bekannt gegeben wurde, einzuräumen, ist einem ultramontanen Blatt selbstverständlich verwehrt. Daß die Dispensation von der Beobacktung der „rein" passiven Assistenz in dem Wiener Falle erfolgt ist, kann trotz der Ableugnung in der „Germania" keinem Zweifel unter liegen und nicht einmal Verwunderung erregen. Der Papst, der „oberste Priester", kann von allen kirchlicken Vor schriften diSpensiren, wenn daraus ein „evidenter Nutzen" zu ziehen ist. Seine Binde- und Lösegewalt stellt ihn auch über die Sakramente. Das geht nicht in jedes deutsche, auch nicht in jedes katholische deutsche Hirn, aber dem ist so. In dem Falle, der jetzt manches katholische Gemüth erregt, bat sich die unumschränkte Macht deS päpst lichen Stuhles über die Kirche und ihre Gesetze an einem verhältnißmäßig geringfügigen Object bethätigt. Einem Priester war erlaubt worden, eine kirchlich statt hafte Ebe zu schließen, anstatt sie durck die bloße Entgegennahme der Eheerklärung der Brautleute zu Stande kommen zu lassen. Das ist eine bedeutende Abweichung von dem Gesetz im Vergleich zu den Fällen, wo Päpste vollkommen ordnungsgemäß geschloffene, also nach einem katholischen Fundamentalgebot unauflösliche Ehen getrennt haben. Der päpstliche Stuhl beherrscht eben die römische Kirche, und der „evidente Nutzen" giebt die Richtschnur für sein Regiment. Das HauS Coburg aber kann durch Neichthum und Einfluß nützen. Die Wiener „Reichswehr", welche zwar vielleicht nickt, wie man sie genannt, ein Hoforgan, aber — leider! — ein Hosblatt ist, d. h. bei Hofe gelesen wird, fährt fort, die Palästinafahrt des dcutschrn Kaisers zum Gegenstand wenig freundnachbarlicher, geschweige denn bundesfreundlicher An griffe zu machen. Sie spricht zum zweiten Male vom Kaiser von Oesterreich als dem König von Jerusalem und führt gut jesuitisch auS, daß dem Beherrscher Oester reich-Ungarns Prärogative als König von Jerusalem durch die geplante Kaiserreise zwar geschmälert werden könnten, aber nickt geschmälert werden würden. Gerade die außergewöhnliche Albernheit deS wiederholten Hin weises auf jenen leeren Königstitel giebt zu denken. Denn sie läßt die Vermuthung aufkommen, daß eS in Wien Persönlichkeiten giebt, die um jeden Preis Verstimmungs momente zwischen dem deutschen Reick und der öster reichischen Monarchie entstehen lassen möchten. Den Titel „König von Jerusalem" führt der Kaiser Franz Joseph als König von Ungarn, nicht als Kaiser von Oesterreich, und er ist, beiläufig bemerkt, länger mit der ungarischen Krone verbunden, als das Haus Habsburg in Ungarn regiert. Irgend welchen Inhalt hat er nie oder wenigstens seit vielen Jahren nicht gehabt. Die meisten Ungarn und Oesterreicher würden nichts von seiner Eristenz wissen, wenn nickt der 1835 verstorbene Kaiser Franz II. einmal einen hübschen Witz über ihn gemacht hätte. Als der Monarch auf einer galizischen Reise in die überwiegend von Juden bewohnte Stadt Brody kam und beim Empfang der zahllosen kaftanbekleideten und schmachtgelockten Unterthanen ansicklig wurde, bemerkte er zu seiner Umgebung: „Jetzt weiß ich doch, warum ich König von Jerusalem heiße." Die Gelegenheit zu diesem Scherze ist daS Einzige, was der Titel dem Hause Habsburg jemals eingebracht hat. Wenn jetzt von der „Reichs wehr" aus diesem Namen Prärogative, die niemals be standen haben, hergeleitet werden, so ist La- mehr als einfältig und dennoch nicht ganz ungefährlich. Denn der Kaiser von Oesterreich nennt sich einem etwa» sonderbaren Herkommen gemäß auck König, Herzog, Herr von Ländern, die dereinst unter österreickischer Herrschaft gestanden haben und jetzt inteqrirende Theile anderer befreun deter Länder sind. Wenn der Schein entstände, daß mit dem Gebrauch dieser Bezeichnungen der Glaube an Prärogative in den einstmals besessenen Territorien ver bunden sei, so könnte dies vielleicht doch einmal beunruhigend wirken. Aber nicht auS dieser fernliegenden Besorgniß heraus sollte dem Wiener Blatte das Handwerk gelegt werden, sondern im Interesse der Freundschaft mit Deutschland, dessen Bevölkerung durch die hämische Beleuchtung der Jerusalemer Reise Kaiser Wilhelm s in einem der Zulassung zur Hof burg gewürdigten Organ verletzt wird. Die klerikale Presse verräth freilich durch die Art ihrer Abwehr Genugthuung über die Angriffe. Aber in Wien wird man die deutschen Verhältnisse zu genau kennen, um die Bedeutung dieser Erscheinung zu überschätzen. Die Ministerconferenzen am Hoflager de« Kaiser- Franz Joseph in Ischl haben eine definitive Lösung der österreichisch-ungarische» Krise nicht gebracht. Dir Con- ferenzen sollen am 24. d. Mts. in Pest wieder ausgenommen werden, und man hofft dann zu einer Verständigung zu gelangen. ES sind ungeinein schwerwiegende Fragen, um die es sich in Ischl gehandelt hat. Zwei entgegengesetzte An schauungen haben mit einander gerungen, und von dem Siege der einen oder der andern hängt es ab, ob das Verbältmß der beiden Rcichshälften bleiben soll, wie eS bisher ge wesen, ob der Kitt, welcher sie festaneinandergefügt, halten, oder ob sie erst wirthschaftlich und in nothwendiger Folge davon auch politisch auSeinanderfallen werden. Der Gegen stand des Streites ist der Ausgleich, den Graf Thun mit Umgehung des Parlaments durch ein abermaliges Pro visorium oder aus Grund deS Nothparagraphen (H 14), welcher der Krone die Entscheidung über die Quote rc. überläßt, verwirklichen will, während Baron Bansfy im Namen der ungarischen Regierung erklärt, dieselbe könne in der Aus- glelchSfrage auf Grund des Gesetzes nur verbandeln, wenn in Oesterreich ein verfassungsmäßiger Zustand vorhanden sei, und müsse daher die Einberufung deS Reicksrathes ver langen. DeS Näheren lassen sich die beiderseitigen Stand- puncte wie folgt präcisiren: Die österreichische Regierung hält die Einberufung des ReichSrath» nicht für unbedingt nothwendig. Wohl schreibe daS Gesetz vor, daß der Kaiser erst dann die Quote bestimme, wenn die beiden Regierungen den Parlamenten die Erfolglosigkeit der Deputationsverband lungen gemeldet haben, daS Gesetz könne aber nach Auffassung der Wiener Kreise ganz gut dahin auSgelegt werden, daß die Verhandlungen der Deputationen durch den Schluß der öster reichischen Session unmöglich gemacht wurden, so daß schon jetzt dieEntscheiduna derKrone angerusen werden könne. AuchdieEin- reichung der Ausgleichsvorlagen sei nicht neuerding- noth- wendig, da eS sich für di« österreichische Regierung vorläufig nur um die Verlängerung de- Provisoriums bandle, WaS wie da» Provisorium selbst ohne Mitwirkung des Parlaments auf Grund des 8 14 erfolgen könne. Zudem gäbe eS wegen der deutschen Obstruction czar keine Bürgschaft dafür, daß der wieder einberufene ReichSrath zur Wahl der Quoten deputationen werde schreiten können; die Zurückziehung der Sprachenverordnuugen aber bält die österreichische Re gierung unter den gegebenen Verhältnissen schon deshalb für ausgeschlossen, weil sie glaubt, daß an die Stelle der deutschen die tschechische Obstruction treten würde, und ohne Zurückziehung der Sprachenverordnungen erklärt die österreichische Regie rung selbst, daß der ReichSrath nicht arbeitsfähig sein könne. Von ungarischer Seite wird dagegen behauptet: Graf Thun habe einen unglaublichen Fehler begangen, indem er durch die Schließung der Session die peinliche Lage schuf, weder die Quote bestimmen, noch über die Ausgleichs vorlagen verhandeln zu können; ein neue- Provisorium könne man nicht bewilligen, weil Ungarn im § 1 de- vor jährigen Provisoriums ausdrücklich ein solches für die Zu kunft ausgeschlossen habe. Die ungarisch« Regierung könne im Sinne de- Gesetzes ein Zoll- und HaudelSbündniß nur mit der parlamentarischen Vertretung der anderen ReichSbälfte ab schließen. Wenn die Regierung gegen diese Grundsätze handelte, würde sie nicht nur von der Opposition verfolgt werden, sondern sie wäre auch von der eigenen Partei Labe» im Stiche gelassen. DaS würde zu einer Ministerkrisis in Ungarn und zu einer bedenklichen Aufwühlung der öffentlichen Meinung führen. Dann hätte man da« ChaoS diesseits und jenseits der Leitha. Komme man au» dem Dilemma nicht heraus, so bestehe Ungarn auf der Trennung de» Zollgebietes und es möge nunmehr daS handelspolitische Berbaltniß zwischen beiden Reichshälften auf Grundlage de» beiderseitigen selbst ständigen Zollgebietes durch einen Handelsvertrag geregelt werden, der die AuSgleichSvereinbarungen bis zum Ablauf der internationalen Handelsverträge (1903) in Geltung setzen solle. DaS wäre ein Schritt von unabsehbaren Folgen, und es läßt sich daher begreifen, daß Kaiser Franz Joseph daS entscheidende Wort zu sprechen zögert. Der Plan eines Schutz- und Trutzverbandes der englischen Gewerkschaften soll den demnächst zusammen» „O, gewiß, wenn er ein Freund von Ihnen ist" — der Kerl hatte Brant nie vorher gesehen — „aber es war kein falsches Spiel; ich habe ihn ganz ehrlich gewonnen." Brant half Antoine auf die Füße und in seinen Ueberzieher; dann brachte er ihn ohne eine Frage und ohne ein Wort des Vorwurfes nach Hause. Wenn der Bureauchef auch Er mahnungen kaum noch zugänglich war, war er doch noch soweit bei Sinnen, um den Werth dieses goldenen Schweigens würdigen zu können, und er gab sich Mühe, dem Ausdruck zu geben, als Brant ihn auf sein Zimmer gebracht und das Gas an gezündet hatte. „Sehr verbunden, George, alter Junge, für Das, was Du nicht gesagt hast; 'n Anderer hätte mir etwas vorgepredigt, und Moralpauken hab' ich nicht n'öthig." „Ich weiß das — gute Nacht!" sagte Brant und ließ seinen Freund in der Gesellschaft eines Anklägers zurück, der nicht so Kickst zur Ruhe zu bringen ist. Er selbst ging zurück zu der Redaction des „Plainsman". Der Redacteur warf einen letzten Blick auf die Correciur, als Brant eintrat. „Setzen Sie sich", sagte er, „in einer Minute bin ich fertig"; als sein Tisch dann leer war, drehte er seinen Stuhl herum, dem Besucher zu, und zog einen anderen für seine Füße heran. „Gott sei Dank, da wären wir wieder einmal fertig. Ist 'ne Quälerei, aber das gilt ja wohl von jedem Berufe unter der Sonne. Oder meinen Sie nicht?" „Ehrlich gesagt, nein. Ich bin wirklich verliebt in meinen Beruf. Hätte ich keine anderen Sorgen, ich glaube, ich könnte bi» ans Ende der Dinge Karten zeichnen." „DaS meinen Sie jetzt, weil die Quälerei besser ist als das Andere. So erzählen Sie mir doch davon." „DaS will ich, und zwar will ich mich kurz fassen. Sie wissen, was die Leute von George Brant aus Silverctte er zählen; darauf brauchen wir also nicht einzugehen. Nur das will ich Ihnen sagen, daß ich nicht schlechter war als andere Männer meiner Sorte. Ich meine damit, daß ich nie falsch ge spielt und nie auS eigenem Antriebe «inen Streit angefangen hab«." „Da» versteht sich von selbst. Wie geht » nun weiter?" „Nun, eines Tage» kam ich an» Ende. Sie können sich denken, daß ein solche» Leben schließlich jeden Mann anekeln muß, der etwas Besseres gekannt hat, und so ging es auch mir. So machte ich'» kurz, klappte da» Buch zu und fing ganz von Neuem an." „Und dann?" Leuilletsn. In der Gründung des Lebens. IOj Roman aus dem amerikanischen Westen. Von Theodor Eicke. Nachdruck »erboten. Forsyth blieb stehen, drehte sich um und legte seine Hände auf Brant's Schultern: „Sie sind ein großer Narr, Brant, wenn Sie's wissen wollen. Zum Teufel, Mann, haben Sie mir denn nicht eben das Leben gerettet?" „Das ist gleich; Sie wären ja nicht dort gewesen, wenn ich Sie nicht mitgenommen hätte." „Allerdings nicht, aber was soll das? Seien Sie doch kein Narr, Brant! Ich habe es gewußt oder wenigstens geahnt, von Anfang an; und Sie wissen ja am besten, ob das für mich einen Unterschied gemacht hat. Ich bin durchaus willens, Sie für das zu nehmen, was Sie sind, und scheere mich den Teufel darum, was Sie gewesen sind. Das geht mich nicht» an — und Andere ebenso wenig." „Glauben Sie? Die Welt denkt anders." „Die Welt ist eine unverschämte Klatschbase", sagte der Redacteur und ging weiter. „Kommen Sie herauf in meinen Taubenschlag und erzählen Sie mir Alles; mit der Arbeit warte ich so lange." „Nein, das sollen Sie nicht; aber ich komme später wirder, wenn's Ihnen recht ist. Ich gesteh's offen, ich bin bis an den Hals in Sorgen, und außer Ahnen habe ich keine Seele in Denver, mit der ich mich aussprechen kann." „Gut denn, so kommen Sie und schütten Sie mir Ihr Herz aus. Ich erwarte Sie um die Zeit, wenn die Formen in die Maschinen gehen." Das war ein gutes Wort, und Brant ging fort mit einem warmen Gefühl im Herzen. Hohe Ideale und kraftvolle Ent schlüsse sind viel werih, aber ein Korn menschlichen Mitgefühls schlägt tiefere Wurzel und trägt bessere Früchte. Für den Augenblick fühlte Brant sich mit allen Menschen m Frieden; und statt zurückzukehren auf die Such« nach Harding, wie er beabsich tigt hatte, ging er in der entgegengesetzten Richtung, um nach seinem Bureau zu gelangen und zu arbeiten, bis die Zeit kam, wo er Forsyth wieder aufsuchen konnte. Aber an der nächsten Ecke traf er Jarvis, den Reporter, wodurch er von diesem Ent schluss« abgelenkt wurde. XVI. „Sieh' da, Brant", sagte der Reporter, „bei Forsyth ge wesen?" „Ja." „Dann wissen Sie also Bescheid, natürlich. Was sagen Sie dazu?" „Ich weiß bis jetzt kaum, was ich dazu sagen soll", erwiderte Brant, der keine Lust hatte, mit Jarvis näher darauf einzu gehen. „Sie sind doch sicher, daß die Kerle von mir und nicht von irgend einem Anderen sprachen?" „Ich bin sicher, daß Sie von einem Manne Namens Brant sprachen, der bei Mrs. Seeley wohnt. Das genügt doch?" „Allerdings; nun, dann werden wir später jedenfalls mehr davon erfahren. Gehen Sie hinauf?" „Noch nicht; kommen Sie mit, wollen «inen hinter die Binde gießen!" „Ich trinke nichts", sagte Brant. „Nanu! Seit wann denn nicht?" „Auf den Tag kommt's nicht an. Seitdem ich aufgehört habe." „Na, ich wette, da» ist nicht länger her als gestern. Dann kommen Sie wenigsten» mit und rauchen Sie 'ne Tigarre." „Gewiß, wenn Sie durstig genug sind, allein zu trinfen." „Ich bin durstig genug, denKerl zu beneiden, der sich in einem Fasse Rheinwein ertränkt hat", erwiderte Jarvi», indem er Brant unterfaßte und auf das nächste Restaurant zusteuerte. „Der Durst wird noch ihr Ruin sein, Jarvis, wenn Sie sich nicht mäßigen", wagte Brant zu bemerken. „Machen Sie sich darum nur keine schlaflosen Nächte; ich weiß ganz genau, wann ich trinken darf und wann nicht." „Die Redensart kenne ich", sagte Brant, „die habe ich schon öfters gehört. Da» erste „wann" ist, so oft Sie daran denken; das Weite, wenn Sie gerade nicht drankommen können." Jarvi» ließ ein höhnische» Pfeifen hören. „Sie haben wirk lich Ihren Beruf verfehlt, alter Junge", sagte er scherzend. „Ihr Feld ist die Kanzel. Weshalb gehen Sie nicht zur Heilsarmee?" „Aus gewichtigen Gründen; aber das hat nichts mit Ihren schlechten Gewohnheiten zu thun." „Sie sind 'n unausstehlicher Moralprediger, da» sind Sie", rief Jarvis. „Ihre Theorie ist richtig, aber in der Praxi» geht'» nicht so. Man kann kein Reporter sein und nicht trinken." „Ohne etwa» von Ihrem Geschäft zu verstehen, wage ich da» zu bestreiten", entgegnete Brant. „Nach meiner Erfahrung kann Niemand in einer Sache da» Beste leisten, so lange er mit dem Teufel Durst aus vertrautem Fuße steht." „Ach, hören Sie auf — mir wird sonst schlecht! Ich wette 'ne Goldmine gegen ein schäbiges, kleines indianisches Pony, daß Sie Verderbtheit genug im Leibe haben, um meine einzige kleine Schwäche vollständig zu verdecken." Brant fühlte sich getroffen und schwieg. Etwas später jedoch, als sie zusammen am Schänktische standen, fühlte er sich wieder veranlaßt, zu reden, als er sah, wie Jarvis Msynth in seinen Whisky goß. „Das gelbe Zeug ist allein schon schlimm genug, alter Junge", meinte er, indem er gemächlich seine Cigarre anbrannte, „aber das Andere ist noch schlimmer; es wird Sie vor der Zeit zum Idioten machen." „So ist's recht; wenn Sie übrigens durchaus Einen bessern wollen, weshalb nehmen Sie nicht Ihren Eisenbahnfreund da in der Ecke vor? Gehen Sie hin und predigen Sie ihm 'n bischcn; derweil will ich 'mal sehen, ob ich nicht zum Schlüsse noch 'n Selbstmord oder so etwas aufstöbern kann." Brant drehte sich schnell um und sah etwas, das ihn plötzlich seine eigenen Sorgen ganz vergessen ließ. An einem der kleinen Tische in der Ecke des Raumes saßen zwei Männer und spielten Karten. Der Eine war für Brant einfach ein Gauner und der Andere war Harry Antoine — Antoine, der Tadellose, Selbst zufriedene, der Typus des Wohlerzogenen! Der Bureauchef hatte offenbar stark getrunken; sein Gesicht war aeröthet und seine Hände zitterten, während er die Karten vertheilte, aber er war doch nüchtern genug, um Brant zu erkennen, als dieser näher kam und ihn anredete. „Es ist wohl Zeit, daß Sic heimgehen, Harry", sagte er. „Nehmen Sie Ihren Ueberzieher, und dann gehe ich mit Ihnen." Dem Anderen wurde es unbehaglich, und er versuchte, sich friedlich aus der Affaire zu ziehen. i,Wir machen gerade 'n kleines Spiel — zum Vergnügen, wissen Sie, der Verlierer bezahlt das Getränk", sagte er. Brant ignorirte die friedfertige Einleitung und fragte Antoine, was er mit seinem Ueberzieher gemacht hatte. „Das ist ganz in Ordnung", erwiderte Antoine, indem er sich Mühe gab, die Eonsonanten nicht durcheinander zu werfen. „Brauche im Sommer keinen Ueberzieher. Lassen Sie uni heimgehen." Brant sah, daß der Mann auf dem anderen Stuhle «inen Ueberzieher trug und auf einem zweiten saß. „Wollen Sie sich die Mühe machen, mir meines Freundes Ueberzieher zu geben", sagte er, wobei er die listigen Augen de» Gauners mit einem Blick fixirt«, d«r die höflich« Bitt« zum Be fehl machte.
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