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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.08.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-08-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980824010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898082401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898082401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-08
- Tag1898-08-24
- Monat1898-08
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Reklamen unter dem Redactionsstrich (-ge spalten) 50^, vor den Familienuachrichtea (6 gespalten) 40/H. Größere Schriften laut unserem Preis- ve^etchniß. Tabellarischer und Ztffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen.Ausgabe, ohne Postbesördersng W.—, mit Postbesörderung .<4 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen.Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polj in Leipzig. 92. Jahrgang. Die Getreidepreise und die Agitation. K Der Agrardemagogie schwindet der Boden unter den Füßen. Ihrer Weisheit erster und letzter Schluß war von Anbeginn: die Getreidepreise könnten nach Lage der Welt- production ohne staatliche Hebevorrichtungen unmöglich mehr steigen, die Landwirthschaft müsse also ohne den Antrag Kanitz und ähnliche Vorkehrungen zu Grunde gehen. Heute ist die Unrichtigkeit dieser Sätze so offenkundig, daß selbst die Presse des Bundes der Landwirthe es nicht mehr wagt, die Thatsachen, die ihr Dogma Lügen strafen, ganz und gar zu verheimlichen. Die »Deutsche TageSzeitg." giebt eine Auseinandersetzung des Agrarschriftstellers Professor Dr. Gustav Ruhland wieder, auS der hervorgeht, daß, wenn eine Gefahr für Deutschland vorhanden sei, sie nicht auswärtige Concurrenz in Getreide, sondern Theuerung, wenn nicht gar HungerSnoth heiße. Herr Ruhland schreibt: „Die derzeitige Situation des Weltmarktes für Getreide ist wieder einnial vortrefflich geeignet, unS einen Ausblick zu gewähren in jenen Abgrund, dem unsere weltwirthschaflliche Entwickelung entgegensteuert. Die alten Weizeuvorräthe der Welt sind nämlich heute so vollständig ausgebraucht, daß der beste Statistiker des internationalen Getreidehandels, Georg Broomhal in Liverpool, sie für den I. August auf nur 14 Millionen Quarters berechnet. Dabei muß nach der gleichen Autorität der tägliche Verbrauch an Weizen auf der Erde auf rund eine Million Quarters geschätzt werden. Die Welt war also am 1. August d. I. glücklich noch für etwa 14 Tage mit Weizen ver- proviantirt. Was wäre geschehen, wenn die Laune der Witterung die Weizenerute um etwa drei Wochen verzögert hätte? Und was wäre daraus geworden, wenn wir in diesem Jahre statt einer reichlichen Weizenernte zufällig eine Weizenernte wie 1890 oder auch wie 1896 haben würden und also damit rechnen müßten, daß bis zur nächsten Ernte uns der Weizen auf etwa vier bis sechs Wochen fehlt? Man kümmert sich gar nicht um diese Fragen und wiegt sich heute erst recht wieder iu den Schlummer mit der alten leeren Phrase von der Ueberproductiou in Getreide. Für die neuere (? Die Red.) Nationalökonomie scheint eben das Getreide eine Sache zu sein, sür die man nur soweit ein Interesse hat, als die Frage nach möglichst billigen Preisen für die unmittelbare Gegen- wart in Betracht kommt... Nach den Terminpreijrn der Welt- börsen für Getreide scheinen wir einer Baisse, ähnlich jener aus dem Jahre 1894, entgegrnzugehen, obwohl eine sachliche Ver- anlassung hierzu aus dem Verhältniß zwischen Production und Bedarf absolut nicht besteht. Doch das berührt ja die Börse be kanntlich wenig. Trotzdem bin ich der Ueberzeugung, daß sich auch unsere Weizenpreise im laufenden Erntejahre wesentlich bessern müssen und können. Nur darf alsdann die Initiative der Preisbewegung nicht in der Hand der Börsianer bleiben, sondern sie muß von Seiten der Landwirthe, von Seiten der Produ- renten ergriffen werden. Alle die Weizenbewegung von 1894 be lastenden Factoren kommen heute in Wegfall. Gleichzeitig begün stigen die ganz außerordentlich kleinen Waarenvorräthe in der Hand der Bäcker, Müller und Händler eine zielbewußte Zurückhaltung der Weizenbestände von Seiten der Landwirthe in hohem Maße. Der Händler und Müller muß kommen und Preise bieten, bei denen der Getreidebau»! bestehen kann. Und da nach den neuesten Berichten der ausgezeichnet unterrichteten amerikanischen Wochenschrift „Brad- streets" die nordamerikanischen Farmer des Westens sich in einer verhältnißmäßig recht günstigen Vermögenslage befinden, so wäre jetzt die Gelegenheit gegeben, durch die Initiative der Land- wirthe die Preisbildung der Terminbörsen zu umgehen und über flüssig zu machen." Also, die gegenwärtigen billigen Getreidepreise, die aber bekanntlich schon viel höher sind, als die in der Zeit, wo die Lehre von der Steigerungsunfäbigkeit auftrat, sind nach Professor Ruhland Börsenmache. DaS Verhältniß zwischen Production und Bedarf hingegen bedingt wesentlich bessere Preise, und das Wort von der Ueberproductiou in Getreide ist eine „alte leere Phrase". In voller Uebereinstimmung mit Ruhland befindet sich der Vorstand der pom- merschen Landwirthschaftlichen Hauptgenossen schaft. Was der Theoretiker vom Weizen sagt, bestätigen die pommerschen Praktiker für den Roggen. Die Menge des geernteten Roggens bleibt hinter den Erwartungen zurück, die Qualität ist sehr zufriedenstellend, der Import auS dem Aus land bewegt sich in mäßigen Grenzen, und die Lager sind kleiner, als je zuvor. Die Vorbedingungen für gute Inlandspreise sind also gegeben. Trotzdem sinken, wie schon häufig in den auf die inländische Ernte folgenden Monaten, die Preise. Die Marktnotirungen werden von Tag zu Tag herunter gesetzt. Roggen ist schwer verkäuflich. „Der einzelne Land- wirth", so fährt der Vorstand der Pommerschen Haupt genossenschaft fort, „gezwungen, seine Frucht schnell zu Geld zu machen, kann wenig Widerstand leisten. Er muß Preise binnehmen, die schon bis zu 35 aus die Tonne hinter den Sommerpreisen Zurückbleiben. Gemeinsamer Widerstand, ge meinsame genossenschaftliche Action ist erforderlich und ebenso dringend wie schleunigst geboten. Die Kornhäuser gehen ihrer Vollendung entgegen und können bald benutzt werden. Schon vorher aber, schon heute dürfte ein ausreichender Widerstand gegen die Baissebewegung mit Erfolg durchführbar sein, wenn möglichst alle Landwirthe ihr Getreide nur durch Vermittelung der Genossenschaften verwerthen lassen. Die Genossenschaften haben ihre geschäftlichen Einrichtungen für den Kornverkauf seit Jahresfrist wesentlich ausgebildet und vervollkommnet. Sie werden nicht nur durch die Haupt genossenschaft in Stettin über den Marktverkebr und die Preise orientirt, sie verständige» sich jetzt auch täglich unter einander durch Telegraph und Telephon über die vor- zunebmenden Verkäufe. Sie haben zahlreiche Verbindungen mit Mühlen, Proviantämtern rc. angeknüpft. Die Genossen schaften können aber nur dann mit Erfolg im Interesse der Landwirthe thätig sein, wenn ihnen von der Mehrzahl der Getreideproducenten der Verkauf vertrauensvoll übertragen wird. Benutzen wir den uns durch die Gesetzgebung ermög lichten genossenschaftlichen Zusammenschluß, dann muß es uns auch gelingen, für unsere Produkte einen den Erzeugungs kosten entsprechenden Preis zu erhalten." Für die Herren Hahn und Genossen ist dieser Ausruf Wermuth. Nichts von Staatshilfe, im Gegentheil Hinweis auf die Gesetzgebung, die die Selbsthilfe gefördert hat, nicht einmal die Mahnung, dem Bund der Landwirthe beizutreten und auf die „Deutsche TageSztg." zu abonniren. Die von den Pommern wie von Herrn Ruhland ausgesprochene Be hauptung, daß ein künstlicher Preisdruck in der Zeit nach der deutschen Ernte wahrzunehmen sei, entspricht den Thatsachen. Ueber die „Technik" dieser Händlermachenschaft vermögen wir keine Auskunft zu geben. Eines aber steht fest, das veutsche Reich hat, und zwar nicht auf Anregung des Bundes der Landwirthe, gethan, was es sür seinen Theil zur Hintan haltung künstlicher Preisbildung thun konnte: der börsen mäßige Terminhandel in Getreide ist verboten. Ein Weiteres zu thun, ist unmöglich, und Rußland ver langt ja ebenso wenig wie die pommersche Haupt genossenschaft staatliche Eingriffe, sie appelliren beide über einstimmend an die Initiative der Landwirthe. Dieser Aufforderung ist der beste Erfolg zu wünschen und er wird auch, da die Marktlage den Producenten entschieden günstig, nicht auSbleiben. Da« Wort von der alten leeren Phrase von der Ueberproduction in Getreide soll aber festgelegt werden. Mit ihm haben die Bundesagitatoren zahllose Bauern politisch vergiftet und wirthschaftlich muth- und energielos gemacht und Viele an den Rand der Verzweiflung gebracht. Und zwar als kalt berechnende Jrreführer nicht als daS Opfer eines eigenen JrrthumS. WaS nämlich Ruhland heute sagt, hat er schon vor Jahren ausgesprochen und zwar unter Umständen, die es ausgeschlossen erscheinen lassen, daß jene Worte einem Ausbeuter der Agrarnoth entgehen konnten. Im Jahre 1893 wies Ruhland darauf hin, wie rasch der gefürchteten Concurrenz Ungarns auf dem deutschen Ge- treidemarkt ein Ziel gesetzt worden war, und bemerkte er von der Entwickelung der „jungen Länder", wie Nord amerika und Argentinien, sie werde der ungarischen bald nachfolgen. In den Agrarstaaten laute die Parole: „Wir wollen auch unsere Industrie haben!" Also Schutzzoll, um Fabriken groß zu ziehen. Di« Folge sei das Anwachsen der nichtgetreidebauenden Bevölkerung und die Minderung der AuSfuhrmöglichkeit. Daß diese Entwickelung in der Tbat unausbleiblich ist und hierbei so rasch vor sich geht, zeigen ein paar Zahlen. Gegen Ende der siebziger Jahre betrug die »ordamerikanische Weizen- Production 9,16 Bushel auf den Kopf der Bevölkerung, schon im Jahre 1893 war sie auf 8,3 zurückgegangen und der heimische Bedarf betrug 5,5 Bushel auf den Kopf — der Ueberschuß war also bereits ein geringer. Dies von Amerika. In Argentinien und Indien sind die ProductionSkosten so ge stiegen, daß der Reiz zur Vergrößerung der angebauteu Flächen sich minderte und zum Theil ganz schwand. Das Alles war den Berufsagitätoren bekannt. Sie baben dennoch ihr Handwerk fortgesetzt und noch im vorigen Jahre die Aussperrung fremden Getreides verlangt und selbst noch in diesem Jahre, in Hannover und anderwärts, den Antrag Kanitz als Heilmittel gegen die im Uebrigen unheilbare Krankheit des Niederganges der Preise empfohlen. Und wer weiß, ob sie außerhalb deS sichtbaren Kreises der Preßthätiz- keit nicht fortfahren, an der alten Unwahrheit festzuhalten, auf daß der Bauer nicht erkenne, wie mau ihn mißbraucht. Deutsches Reich. — Leipzig, 23. August. Die „SächsischeArbeiter- Zeitung", die eine Betheiligung der Socialdemokratie an den preußischen Landtagswahlen von Anfang an auf das Entschiedenste befürwortet und gefordert hat, wendet sich gegen die jüngsten Auslassungen des „Genossen" Paul Singer im „Vorwärts", die in diesem Augenblick, wo Ein- müthigkeit in erster Linie Noth thue, um den Hamburger Be schluß unter möglichst günstigen Bedingungen durchzuführen, taktisch wenig angebracht seien. Es sei befremdlich,'daß „Ge nosse" Singer jetzt die Sache so darstelle, als ob man in Hamburg nur deshalb die Betheiligung beschlossen habe, weil man an die Erlangung von Landtagsmandaten aus eigener Kraft geglaubt habe. Das widerlaufe schnurstracks den That sachen, denn als Parole sei die Verhinderung einer junkerlichen Majorität ausgegeben. Die Majorität habe in Hamburg der Mandaterlangung nicht das entscheidende Gewicht beigelegt. Wenn Singer den Freisinn ohne Weiteres in den reactionairen Topf werfe, so vergesse er, daß man dann folgerichtig auch bei den Reichstagsstichwahlen keine Unterschiede hätte machen tonnen. Ebenso wenig gehe es an, die Existenz des preußischen Landtags zu ignoriren, wie das politische Schwergewicht Deutschlands im Reichstage liege; übe doch das preußische Vereins- und Ver sammlungsrecht auch seine Wirkung auf das Reich aus. Nach, wie vor müsse in erster Linie die junkerliche Majorität ver nichtet, in zweiter Linie die Erlangung socialdemokratischer Mandate angestrebt werden. Je nach dem Ausfall der Wahl-, Männerwahlen werd« es sich entscheiden, ob man für den Freisinn oder konsequent socialdemokratisch zu stimmen hätte. Für den Freisinn läge ein Zwang, für den Socialdemokraten zu stimmen, in dem Gegensatz seiner materiellen Interessen zu denen des Junkerthums, ganz wie bei den Reichstagswahlen. (Bei letzteren kommt aber noch das „manus mLnuur luvat" hinzu.) * Berlin, 23. August. Die „Berl. Pol. Nachr." schreiben: „Der Umstand, daß der Deutsche Fischereirath sich in seiner dies- Eine proceßreform unter August -em Starken. Von Hermann Pilz. Nachdruck verboten. Wir leben jetzt in einer Zeit der Proceßreformen. Civil- und Strafproceß werden erneuert, ergänzt, wohl auch dürr gewordene Zweige mit der großen Äesetzgebungsscheere abgeschnitten. Wenn ein Gesetz, wie unsere Proceßordnungen, Jahre hindurch seinen Mann gestellt und sich bewährt hat und dann einer Reformation an Haupt- und Gliedern unterworfen wird, da geht es nicht ohne Gewaltsamkeiten ab und es fällt unter der Scheere mit dem dürren Gezweig wohl hin und wieder auch ein grünes Zweiglein, das man nur ungern fallen sieht. Das war aber zu allen Zeiten so. Kopfschütteln hat's bei jeder Re form gegeben! Auch bei der, durch welche die sächsische „Proceß- und Gerichtsordnung" im Jahre 1724 erläutert und verbessert werden sollte. Auch sie erregte Kopfschütteln, daß der Puder aus den Perrücken flog, und man sprach damals wie heute von „Verschlimmbesserungen". Bei einem Antiquar auf der Leipziger Messe habe ich um einen kleinen Obolus den stattlichen, in Schweinsleder gebundenen Folianten erstanden, der auf seiner ersten Seite mit gewichtigen Lettern den Titel trägt: „Des Aller-Durchlauchtigsten, Groß mächtigsten Fürsten und Herrn, Herrn Friedrich Augusti, Königs in Pohlen, Groß-Hertzog in Litthauen, Reußen, Preußen, Ma- zovien, Samogitien, Kyavien, Vollhynien, Podolien, Podlachien. Lieffland, Smolenscien, Severien, und Zschernicovien rc., Hertzogs zu Sachßen, Jülich, Cleve, Berg, Engern und West phalen, des Heiligen Röm. Reichs Ertz-MarschallS und Chur fürstens, Landgrafens in Thüringen, Markgrafens zu Meißen, auch Ober- und Nieder-Lausitz, Burggrafens zu Magdeburg, Gefürsteten GrafenS zu Henneberg, GrafenS zu der Mark, Ravensberg und Barby, Herrns zu Ravenstein rc. Erläuterung und Verbessrung der bißherigen Proceß- und Gerichtsordnung, Nebst einem Anhänge von dem Proceffu Summario, Executivo, Cambiali und Possessorio, auch beigefügten, unterschiedenen Mandaten und Ordnungen. Mit allergnädigsten Privilegio, in keinerlei) Format nachzudrucken. Dresden, gedruckt mit Kraüß- und Harpeterischen Schrifften, 1724." Die ältere Proceßordnung, um deren Reform eS sich hier handelt, stammte auS dem Jahre 1622 und war unter der Re gierung Johann Georg'S I. zu Stande gekommen. Es war die Zeit deS dreißigjährigen Krieges, eine Zeit der Wirren und Kämpfe nach außen und innen, in welcher sie sich Geltung ver schaffen sollte. Daß e« damit nicht weit her gewesen ist, daß man über den Kopf der Proceßordnung hinweg in Sachsen Recht sprach und Willkür da« oberste Gesetzwar, läßt das Mandat durchblicken, welches „Ihre Königl. Majestät m Pohlen" zur Publikation der erläuterten Proceß- und Gerichtsordnung in Dresden am 10. Januar 1724 erließ. E« fügt zu wissen: „Daß, wie Unsere LandeS-väterliche Sorgfalt jederzeit dahin gerichtet gewesen, damit die unnöthigen Weitläufftigkeiten derer Processe möglichst vermieden, denen, bey dem Justiz-Wesen eingerifsenen grossen Mißbräuchen nachdrücklich gesteuert und dargegen einem jeden zu seinem Recht« auff» schleunigste verholffen werden möchte." Es wurde eine besondere Commission zur Revision des Gesetzes bestellt, welche prüfen sollte, wie Alles „in eine bessere Ordnung und Gewißheit zu bringen sehn möchte". Diese Com mission gab nun ausführliche Erläuterungen zu der Proceß- Ordnung Johann Gcorg's, so daß die neue Proceßordnung den Namen „erläuterte Proceßordnung" in der Geschichte des säch sischen Proceffes führt. Es war damals eine besondere Gabe juristischen Scharf sinnes, aus einer Gesetzesstelle das Gegentheil von dem heraus- zuinterpretiren, was ein Anderer hineininterpretirt hatte. Er schien doch im Jahre 1739 in Frankfurt und Leipzig ein Buch von Albanus de Spinetto, welches in damaligem Geschmacke den verschnörkelten Titel führt: „Politische Schnupf-Tobacs-Dose vor die wächserne Nase der Justitz, in sich fassend juristische Streit- Fragen in Handel und Wandel von denen Kauf- und Mieth- oder Pacht- auch anderen Contracten", in welchem dieser Justitz- Nase immer je eine Prise ins rechte und linke Nasenloch verab reicht wird, d. h. es wird eine Gesctzesstelle, mit Aufwendung allen juristischen Scharfsinnes, auf zweierlei sich völlig widersprechende Weise ausgelegt. Diese Art der Auslegung hatte schon seit Jahren zu einer großen Rechtsunsicherheit im Lande geführt, Daher fügt August der Starke weiter zu wissen: „Und weiln hiernechst zu denen bißherigen Weitläufftigkeiten nicht wenig Anlaß gegeben, daß besagte Unsere vorige Proceß-Ordnung in vielen Puncten auff unterschiedene Arth angenommen und inter- pretiret worden, woraus die Dissensus Unserer Rechts-Collegio- rum, und, nebst der Verzögerung derer Sachen, eine grosse Un gewißheit und Ungleichheit im Sprechen entstanden: So haben Wir zwar solchen, so viel möglich gewesen, in dieser Unserer Erläuterung durch Erörterung und Entscheidung derer zweifel haften Fälle, abhelffen lassen; Befinden aber doch der Noth- durft, damit dergleichen in Zukunfft nicht so leichte und so häuffig wieder entstehen möchten, hiermit wohlbedächtig zu verordnen, daß über diese Unsere erläuterte Proceß-Ordnung, ohne Unsere Vorbewußt und Approbation, niemand zu schreiben, zu com- mentiren, und solche zu interpretiren, sich unterfangen solle. Ge stalt denn auch insonderheit Unsere Rechts-Collegia, beh vor kommenden Fällen, so in dieser Unserer Proceß-Ordnung nicht exprimiret, vor sich keine eigene Interpretation zu machen, sondern vielmehr jedesmahl deshalber ihren Bericht, nebst Anführung derer liationurn Öubitsnäi, und Beyfügung ihres unvorgreiff- lichen Gutachtens, an uns zu erstatten haben." Was frug der Starke, der Hufeisen zerbrach und silberne Teller zusammen rollte, danach, ob er die freie Entwickelung des Proceßrechtes damit hemmte? Wir sind natürlich hier nicht im Stande, auf alle Vorschriften und Erläuterungen dieser alten Proceß- und Gerichtsordnung einzugehen. Sie beschäftigt sich in 52 Titeln mit dem Richter amte, „denen Gerichts-Secretairen" u. s. w., den Advocaten und Procuratoren, der Citation, Kläger und Widerkläger, dem Versäumnißverfahren, den Einreden, der LitiS-Denunciatio, der Intervention, der LitiS-Contestatio, der Beweisführung, der UrtheilSfällung, den GerichtSkofien, der Einlegung von Rechtsmitteln und der Zwangsvollstreckung. Nur Einige« sei zur Charakterifirung hier hervorgehoben. Den Advocaten wird eingeschärft, daß sie sich für Vergleiche der Parteien verwenden sollen: „Nicht minder sollen die Ad- vocati und Procuratores, auch ihres Orths, was zu dergleichen gütlichen Hinlegung beförderlich, ihren Pflichten nach, möglichst beytragen, und denen Clienten, welche hierunter ebenfalls ihr eigenes Bestes zu bedenken, und von allem unnöthigen Gezänke abzustehen, auch sich dietzjaL« Christlich gegen einander aufzu führen, ermahnt werden, alle dienliche Vorstellung, wie sie nach ihrem eigenen Erkenntniß und Gewissen, die Sache ansehen, auf richtig thun, und die Güte keineswegs hindern, oder, bey ver spürten widrigen, oder anderen ungebührlichen Bezeigen, er warten, daß sie um 5 Thaler und höher bestrafet, oder auch, nach Befinden, in der Sache nicht weiter admittiret, auch wohl gar mit der kuspsrmionk, a praxi beleget werden." Nament lich sollen Richter und Advocaten bei Armensachen aus leicht ersichtlichen Gründen bemüht sein, einen Ausgleich herbeizu führen. Wer das Armenrecht haben will, muß nicht nur den Armen-Eid, sondern auch das lurarnentum Llalitias ablegen, dahingehend, „daß er eine gute und gerechte Sache habe, gewiß glaube, auch hierunter nichts aus Gefehrde, oder böser Neigung gethan oder fürgenommen, noch in Zukunfft bey währendem Pro cesse dergleichen thun oder fürnehmen wolle." Bei der Ladung ist zu beobachten, daß zwischen Zustellung der Klage und dem Termin „eine vollkommene Sächßische Frist von 45 Tagen liegt." Bei der Klageanbringung wird als Neu erung eingeführt, daß sie in geringen Sachen auch mündlich zu den Acten gegeben werden kann. Im achten Titel ist dargethan, „wie die Weibs-Personen vor Gericht handeln mögen." Denselben ist die Befugniß, vor Ge richt selbstständig zu handeln, genommen, aber es tritt insofern eine Aenderung ein, als im Uebrigen.zugebilligt werden soll, „daß die Weibes-Personen, . in Ehe-Sachen, ingleichen die Handels-Frauen in Sachen, so die Handlung betreffen, jedoch nur zur Pflegung der Güte" selbstständig auftreten dürfen. Beim Versäumnißverfahren ist der Beklagte schlechter gestellt als der Kläger. Dem Letzteren wird die sächsische Frist zur Nachholung des Versäumten eingeräumt, während beim Aus bleiben des Beklagten „nach Klägers vorhergehender Ungehor sams-Beschuldigung drauff sofort würklich erkannt wird." Zur Beschleunigung des Proceßverfahrens wird die Vorschrift nachdrücklich wieder eingeschärft, daß alle Einreden, die Anspruch auf Beachtung haben, im ersten Termin vorgebracht werden müssen. Aus der Begründung geht hervor, daß die Ver schleppung des Verfahrens schon damals ein beliebtes Mittel war, um Frist für den Beklagten zu gewinnen. Die Gidesmündigkeit wird auf daS 18. Lebensjahr, in Ehe- und Schwängerungssachen aber auf das 16. Lebensjahr festgesetzt. Auf einen Beweisbeschluß hin muß der Beweis innerhalb einer sächsischen Frist von 6 Wochen 3 Tagen übergeben werden. Ist der Beweis übergeben, so haben die Richter, bei 5 Thaler Strafe, binnen 8 Wochen Bcweistermin anzusetzen und die Ladungen dazu auszufertigen. Zeugen, die ungehorsamlich ausbleiben, werden mit 5 Thaler Strafe belegt. Bei jeder ferneren Citation wird die Strafe verdoppelt. Dasselbe gilt von ungerechtfertigter Zeugnißverweigerung im Termin. Der Beweitpflichtige muß Reise- und Zehrungskosten für die Zeugen, unseren „Antlage- vorschuß", entrichten. Adelige bekommen bei 4 Meilen Wege« und darunter sowohl bei der Hin- als Herreise 2 Thaler Reise kosten und pro Tag 2 Thaler Zehrung. Der bessere Mittelstand bekommt di« Hälfte. Die geringeren Stande« find, die „gemeinen Bürger«- und Bauersleuthe und dergleichen" haben auf die Meile 4 Groschen Reisekosten und auf jeden Tag 6 bi» 8 Groschen Zehrung zu beanspruchen. Wer den Aullagevorschuß nicht recht zeitig erlegt, was wohl auch schon damals geschehen sein mag, um Sachen hinauszuziehen, hat das Doppelte seines Betrages als Strafe zu erlegen! Um weiter dem „Verschleiss der Sachen" zu begegnen, be stimmt die erläuterte Proceßordnung, daß bei Bezugnahme auf ausländische Zeugen das juraiuentuua nmiitiao geleistet werden muß, und zwar nicht nur von der beweispflichtigen Partei, sondern auch von ihrem Advocaten. Weigert sich der Letztere dessen, so soll er auf ein Vierteljahr n praxi suspendirt werden. Beim Urkundenbeweis wird bestimmt, daß auf bei den Acten befindliche Urkunden einfach Bezug genommen werden kann. Wer dabei jedoch die Folia, wo sie in aotis anzutreffen, gar nicht oder falsch angiebt, soll um 5 Thaler gestraft werden. Die Strafen von 5 bis 10 Thalern spielen überhaupt bei dem Proceß- verfahren eine hervorragende Rolle und werden auch den Richtern aufgebrummt, die die einzelnen Proceßhandlungen nicht in den vorgeschriebenen Fristen erledigen. Im Uebrigen erkennt man-bei der Regelung des Beweisverfahrens in der erläuterten Proceß- ordnung unschwer einen Verwandten unserer heutigen Cioil- proceßordnung wieder. Dem Richter war es überlassen, ob er die Sache selbst ver abschieden, d. h. selbst das Urtheil fällen oder die Acten behufs rechtlichen Erkenntnisses an ein Dicasterium verschicken wollte. „Und weiln nicht minder biß anhero zu Verzögerung derer Processe mit Ursach gegeben, daß die Acta, wenn sie nach rechtlichem Erkänntniß verschicket worden, bei denen Dicasteriis offt lange liegen geblieben: So wollen wir Unsere Juristen — Facultäten und Schöppenstühle hierunter ihrer Schuldigkeit erinnert und zugleich verordnet haben, daß sie dir, aus Unseren Landen, bev ihnen einlauffenden Acta, und zwar in geringen und leichten Sachen, nicht über 3 Wochen, in wichtigen und weitläufftigcn aber, längstens nicht über 6 Wochen aufhalten." Als Rechtsmitel existirt die Leuterung und Oberleuterung. Ehe dieselbe für zulässig erklärt wird, kann der Partei und ihren, Advocaten wiederum das juramontum rnulitiue abgenommen werden. Ueber die Höhe der Schuldkosten ist schon damals ge klagt worden wie heute. Es wird daher zur Proceßordnung eine Taxordnung gegeben, „nachdem bisanhero fast allenthalben Beschwehrde geführet worden, daß sowohl die Gerichts- als Advocaten-Gebühren übermäßig angesetzet und von denen Par- theyen gefordert und eingetrieben würden". Auf Grund des rechtskräftigen Urtheils soll dann binnen 14 Tagen bei 5 Thaler Strafe „mit der Hülffe verfahren werden". Einzelne Gegenstände waren schon damals zunächst von der Pfändung ausgenommen. Es heißt in tz 5 des 39. Titels: „Anfänglich zwar zu der fahrenden Haab, und doch gleichwohl mit der Bescheidenheit, daß man alles Werkzeuges, so einer zu sein Kunst, Handthierung, oder täglichen Arbeit bedürfftig, auch derer Pferde, Ochsen, Schafe, des Samens und anders, was man zum Acker-Bau nothwendig haben muß, verschone, und dasselbe eher nicht angreiffe, es sey denn an andern fahrenden oder liegenden Gütern, oder auch aussenstehenden rich tigen Schulden, so viel nicht vorhanden, daß sich der Creditor daran erholen könnte." Heute geht dieser Schutz des armen Schuldners allerdings viel weiter. Privilegirte Gläubiger sind die Eheweiber, die wegen ihres Eingebrachten eine stillschweigende Verpfändung in ihrer Ehemänner Güter haben und vor allen Gläubigern befriedigt werden, die nicht ein älteres Pfandrecht aufweisen können. Die Proceßordnung schließt mit Vorschriften darüber, „wie des Schuld-Thurms halber wider den Schuldner zu procediren". Durch die ganze Proceß- und Gerichtsordnung zieht sich wie ein rother Faden das Bestreben, eine Beschleunigung des Ver fahrens herbeizuführen und eine Verbilligung desselben zu er zielen. Ob sie in dieser Hinsicht nicht auch uns noch vorbildlich sein könnte?.
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