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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.08.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-08-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980826021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898082602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898082602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-08
- Tag1898-08-26
- Monat1898-08
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Der herzliche und aufrichtige Antheil, den am Be ginne dieses Monats das holländische Volk an dem großen Schmerze genommen hat, der Deutschland betroffen hatte, macht es den Deutschen um so leichter, mit den freund schaftlichsten Empfindungen an den frohen Festen theilzu- uchmen, die das holländische Volk in diesen Wochen begeht. Jene aufrichtige Antheilnahme der Niederländer an dem Tode des großen Kanzlers bewies deutlich, welch' ein Um schwung sich in der öffentlichen Meinung in Holland binnen einem Menschenalter vollzogen hat. Nach dem Kriege von 1866 und noch mehr nach dem von 1870 wurde Bismarck den holländischen Kindern, den kleinen wie den großen, als der böse Nikolaus dargestellt, der die Kinder in den Sack steckt. Es herrschte in Holland eine geradezu krankhafte Furcht, von Deutschland annectirt zu werden. Aber als Jahr um Jahr verrann, ohne daß Deutschland irgend einen Schritt gelhan hätte, der der holländischen Besorgniß auch nur den leisesten Schein von Berechtigung gegeben hätte, begann allmählich ein Umschwung, der so weit ging, daß man, abgesehen von einzelnen Ausnahmen, nicht nur keine Besorgniß mehr vor dem großen Nachbarn hatte, sondern anerkannte, daß auch Holland dem Begründer des deutschen Reiches dankbar zu sein habe. So schrieb gelegentlich des 80. Geburtstages des Fürsten Bismarck der holländische General Roomöwinckel: „Die deutsche Flotte und die deutschen Colonien sind die Folgen der Gründung des deutschen Reiches. Für die Niederlande haben diese Flotte und diese Colonien eine große Bedeutung, denn sie bilden ein stets größer werdendes Gegengewicht gegen die willkür liche Gewaltthätigkeit Englands, der wir bis jetzt beinahe wehrlos auf Gnade und Ungnade überliefert waren. Das ist meines Erachtens der Standpunct, von dem unser Volk den genialen Gründer des deutschen Reiches beurtheilen muß". Bald nach dem 80. Geburtstage Bismarck's wurde die Stimmung in Holland gegen Deutschland noch herzlicher, weil man sah, daß Deutschland für die wackeren Boeren, die von den Niederländern mit Recht als Blut von ihrem Blute angesehen werden, die lebhaftesten Sympathien bekundete. Zn jener Zeit, in der man in Holland von der Annexion durch Deutschland so große Besorgniß hegte, schwärmte man dort von Frankreich. Man vergaß ganz, wie schwer die franzö sische Fremdherrschaft in den 20 Jahren von 1795—1815 ans den Niederlanden gelastet hatte, und daß die Zeit des ersten Napoleon den klaren Beweis geliefert hatte, daß nicht ein mächtiges Deutschland, sondern ein übermächtigesFrankreich eine Gefahr für die Unabhängigkeit der Niederlande darstellte. Je mehr aber die Sympathien für Deutschland zunahmen, desto mehr nahmen die für Frankreich ab. Besonders in den letzten Jahren ist ein sehr starker Rückgang der Hin neigung zu Frankreich zu verzeichnen gewesen. Einmal hat man voller Verachtung die Wahrnehmung gemacht, daß dieselben französischen Blätter, die zuerst für die Boeren eingetreten waren, sich dann von England hatten kaufen lassen und gegen die Boerenregierung hetzten. Zweitens hat die Dreysus-Angelegenheit gerade in den Niederlanden einen ganz besonders schlechten Eindruck ge macht. Man hat einsehen gelernt, daß die französische „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit" gerade im Munde der Franzosen nichts als eine hohle Phrase ist. Und da den niederdeutschen Holländern, deren Ja Ja und deren Nein Nein bedeutet, nichts so verhaßt ist, als der Geist des Scheins und der Lügenhaftigkeit, so hat sich deS nieder ländischen Volkes ein gründlicher Widerwillen gegen Frank reich bemächtigt. So hat man in Holland sich von der unnatürlichen Vor liebe für französisches Wesen losgesagt und sich dem deut schen Nachbar wieder zugewendet. Diese Zuneigung wird von deutscher Seite auf das Herzlichste erwidert. Nicht, daß man sich deutscherseits etwa besondere politische Vortheile von einem guten Verhältnisse zu Holland verspräche. Aber man schätzt in Deutschland aufrichtig dieses kleine Volk, das es ver standen hat, sich seine Eigenart, seinen wirthschaftlichen Wohl stand, sein politisches Ansehen und seinen colonialen Besitz zu erhalten. Man vergleicht unwillkürlich dieses Volk mit dem so viel größeren Spanien, das eben Dank Mißwirtschaft und Raubbau des wesentlichen Theiles seines Colonialbesitzes ver lustig gegangen ist. Und da ein gesundes Volk naturgemäß für ein anderes gesundes Volk Sympathie empfinden muß, so erfreut man sich in Deutschland herzlich an dem sicheren, gleichmäßigen Gedeihen des stammverwandten Nachbarstaates. Aufrichtigen Herzens spricht das deutsche Volk den Wunsch aus, daß dieses Gedeihen auch unter der Regierung der Königin Wilhelmina seinen Fortgang nehmen möge. Und möge die junge Königin daran denken, daß in dem holländischen Nationalliede ihr großer Ahnherr sagt: Wilhelmus von Nassauen Bin ich von deutschem Blut, dann wird das deutsche Volk zu seinem Theile dafür sorgen, daß sie jeder Zeit für sich und für ihre Nachkommen die weiteren stolzen Worte ihres Ahnherrn singen und sagen kann: Ein Prinze von Oranien Bin ich, frei, unverwehrt. Politische Tagesschau. * Leipzig, 26. August. Zu dem Streit der Tocialdemokratie über die Bethei- ligung an den preußischen Lanvtagswahlen gesellt sich jetzt ein solcher über die Tagesordnung des bevorstehenden garter Parteitages. Die /radicale „Sachs. Arbeiter-Ztg." in Dresden, die mit Vor liebe die anderen Parteiblätter anrempelt und besonders auf den „Vorwärts" schlecht zu sprechen ist, hat nämlich in der vom Partei vorstand veröffentlichten vorläufigen Tagesordnung eine „große Lücke" entdeckt. Es fehle der Punct: „Unsere Taktik". Die Erörterung dieses Punctes sei nothwendig wegen der Haltung, die von den „Genossen" Auer, Heine, Schippel, Bernstein und vr. Conrad Schmidt einzelnen Fragen gegenüber (Kanonensrage, Handels- und Zollpolitik, Verelendungstheorie rc.) eingenommen hätten. Es empfehle sich daher als besonderen Punct noch auf die Tages ordnung zu setzen: „Unsere Stellung zur Socialresorm und zum kapitalistischen Staat". Die Partei müsse aus der Periode der taktischen Schwankungen herauskommen; auch dürfe man sich nicht verhehlen, daß die taktischen Meinungsverschiedenheiten sich zu prin« cipiellen Meinungsverschiedenheiten entwickelt Hütten. Es müsse ent schieden werden, ob socialistijche Revolution oder Social reform, und da werde die Entscheidung wohl nach links fallen. Daß die „Sächsische Arbeiterzeitung" dabei den obenerwähnten „Genossen" Auer, Heine, Schippel, Bernstein und Schmidt unter stellt, sie bekämpften nicht den Capitalisten-Staat, sondern die jeweilige Regierung, sie blieben nur in der Opposition, so lange man sie von sich stoße, würden aber über den Stock springen, wenn man ihnen die Hand reiche, charakterisirt der „Vorwärts" als die „Unver frorenheit des echten Tintenfaß-Politikers". Zugleich bezeichnet es der „Vorwärts" als „bösartigen Unsinn", wenn die „Sächs. Arbeiter zeitung" von der Taktik des Abg. Heine sagt, er wolle LaS Prole tariat aus der Stellung, in der es um die Weltherrschaft kämpfe, in die Stellung des Bettlers bringen, der die Hand küsse, die ihm ein Almosen reiche. Der „Vorw." ist übrigens der Meinung, daß der Parteitag eventuell unter der Entscheidung nach „links" den möglichst häufigen Gebrauch des die „Sächs. Arbeiterztg." be rauschenden Wortes „socialrevolutionär" nicht verstehen werde. Der von dem Dresdner Blatt zur Schau getragene Radi kalismus bestehe zu mindestens neun Zehnteln aus der steten Wieder holung dieses Wortes. Diese Erörterungen in den führenden Blättern der Social demokratie zeigen wieder einmal, wie schroff sich in der Partei die Ansichten über die Wege gegenüberstehen, die zu, dem Ziele, Beseitigung der jetzigen Gesellschaftsordnung, führen sollen. Der diplomatischen Richtung steht die proletarische gegenüber, jene will ganz gemächlich die Stufen binanklettern, die zu dem vermeintlichen Paradiese des Socialterrorismus führen sollen, diese will mit einem Sprunge hinein. Es ist zweifellos, daß die erste Richtung, die Bourgeois-Socialdemokratie, der Zahl nach die größere Wucht hat. Sie ist bequemer veranlagt und gönnt ihren Anhängern vor dem Betreten des weitab im Dunkel liegenden Zukunftsstaates mit seiner bänglichen Ungewißbeit doch noch die Gelegenheit, zu verschnaufen und in aller Behaglichkeit von dem Tische dieser verhaßten Gesellschaftsordnung noch einige Delicatessen zu genießen, die auf der Tafel des Communis- mus zu finden man doch nicht ganz sicher ist. Ebenso zweifellos, wie diese Richtung quantitativ die größeren ist, da ihr die ganze große Zahl der Mitläufer anzugliedern ist, ebenso zweifellos ist es, daß die andere rein communistische Richtung der Faustpolitiker und eigentlichen Proletarier qualitativ obenauf ist. Denn die Geschichte lehrt, daß im Falle des „Kladderadatsches" die radicale Gruppe mit ven ihr zugehörenden niedrigen Elementen stets die Führung übernimmt. So lange sich also die sanfteren Socialdemokraten nicht zu einer reinlichen Scheidung ent schieden haben — und daß sie dazu den Muth haben werden, können wir nicht glauben — so lange muß man annehmen, daß das rohe eigentliche Proletariat die Politik der Socialdemokratie bestimmen wird. Daher werden die Auseinandersetzungen auf dem Stuttgarter Parteitage zwar recht interessant werden, aber daß sie der realpolitischen Richtung in der Socialdemokralie den Sieg bringen werden, darf man kaum erwarten. Bei der Verhaftung des holländischen Pianisten Siveking in Ischl, welche wieder einmal zeigt, wie sehr die katholische Anmaßung im Wachsen begriffen ist, und über die wir an anderer Stelle Weiteres mittheilen, ist, wie die „Köln. Ztg." zutreffend hervorhebt, das Betrübende, daß die Staats gewalt sich ohne Zaudern in den Dienst eines fanatischen Geistlichen stellt, der seine Religion oder richtiger sich be leidigt glaubt, wo es sich doch nur um Nichtbeachtung einer Sitte handelt, die der Andersgläubige unter keinen Umständen anzuerkennen braucht. Würde die österreichische Regierung es ebenso für Religionslästerung halten, wenn ein Kathol k einer mohamedanischen Procession die den Gläubigen vvc- geschriebenen Ehrenbezeigungen nicht erwiese? WaS das Vorgehen der Polizei aber noch ganz besonders charakterisirt, ist der Umstand, daß es sich hier nicht um einen ganz gewöhnlichen Alltagsmenschen handelt, sondern um einen hervorragenden Künstler, den alle Welt kennt, für den sich der Ortsbürgermeister persönlich verbürgt, um einen Künstler, der seine Kunst in den Dienst der Barmherzigkeit stellt mir für die Armen in großmüthigster Weise eintritt, wie eS die katholische Kirche nicht besser thun kann. Wenn man auw das Auftreten des Geistlichen nicht entschuldbar, aber doch begreiflich finden mag — denn der Fanatismus wächst in der katholischen Geistlichkeit im umgekehrten Derhältniß zur Würde und Bildung —, das Benehmen der Behörde kann man, zumal in einem Orte wie Ischl, wo der Fremdenverkehr die verschiedensten Nationen unv Bekenntnisse zusammen führt, nur unbegreiflich und unentschuldbar finden. Man kann deshalb der „Neuen Freien Presse" darin nur beipflichten, wenn sie in dem Vorfall einen Gradmesser für den öffent lichen Geist in Oesterreich und namentlich für daS im bestän digen Sinken begriffene Ansehen des StaatSarundgesetzes sieht, ves Staatsgrundgesetzes, das den Staatsbürgern Religions freiheit gewährleistet und daö Staatskirchenthum aufhebt. Dahin ist eS in Oesterreich gekommen, weil systematisch die Achtung vor dem Staatsgrundgesetze untergraben worden ist, weil die Praxis sich ausgebildet hat, jedem Gesetze und jeder Auslegung eines Gesetzes vor diesem, das die Grundlage aller Gesetze sein soll, den Vorrang einzuräumen. Wäre das nicht der Fall, wäre nicht die Rücksicht auf mächtige und einflußreiche Parteien stärker als die Autorität des Gesetzes, dann wäre Vieles anders in Oesterreich, und man würde auch nicht vom Staatsstreich und dem Umsturz der ganzen Verfassung sprechen, als ob dies nicht Eidbruch, Verbrechen und die Zerstörung jeglichen Vertrauens in die StaatSgrund- lagen bedeuten würde. Die Radicalen in England haben soeben den bisher konservativ vertretenen Wahlkreis Southport erobert, was auch außerhalb Englands Beachtung verdient, weil der Sieg sich ausschließlich als eine an der auswärtigen Politik der englischen Regierung gerichtete Kritik darstellt. Für diese Auffassung sprechen verschiedene Gründe: einmal faßt die gesammte englische Presse das Ereigniß in dieser Weise auf, zweitens nimmt der radicale Sieger gerade den von dem bis herigen UnterstaatSsecretair des Auswärtigen vertretenen Sitz ein, drittens bewegt zur Zeit keine Frage der inneren Politik die Gemüther. Daß ein von Chamberlain zu Gunsten des unionistischen Bewerbers geschriebener Brief völlig wirkungs los blieb, spricht dafür, daß auch dieser nationale „HervS" an Beliebtheit stark eingebüßt hat und mit für das Miß geschick der englischen auswärtigen Politik verantwortlich gc- macht wird. Im Uebrigen ist es ein Zeichen für die geringe politische Reife der Volksmassen, wenn sie den Unwillen über die auswärtige Politik der Regierung dadurch Ausdruck geben, daß sie einen Radicalen wählen. Denn die radicale Partei hat zusammen mit ihrem Herrn und Meister Gladstone, als sie am Ruder war, die auswärtige Politik derartig verfahren, daß es auch geschickteren Männern als denen, die jetzt an der Spitze stehen, kaum gelingen würde, eine dem englischen Ehr geiz genügende Politik zu treiben. Die englische Regierung mag sich über die ständigen Wahlmißerfolge mit dem Tröste hinweghelfen, daß das gegenwärtige Parlament noch mehr Fettilleton. In der Brandung des Lebens. 18s Roman aus dem amerikanischen Weste«. Von Theodor Eicke. Nachdruck verbot«». XXVI. Der dritte Tag von Brant's Haft brach an, und fester wie je stand sein Entschluß, von dem einmal betretenen Pfade nicht abzuweichen. Alle Versuche seiner Freunde sollten ihn nicht wankend machen. Als der Schließer in vorgerückter Morgenstunde den Richter, Langford zu ihm in die Zelle ließ, wurde cs ihm sofort klar, daß er heute an einer Stelle, angegriffen werden würde, wo seine Dertheidigung am schwächsten war. Aber er war doch groß- müthig genug, den Richter für Alles, was er zu sagen haben mochte, den Weg zu bahnen. „Guten Morgen, Richter Langford", rief er, den Besucher so gut empfangend, als es sein beschränktes Logis erlaubte; „ich hatte kaum erwartet. Sie hier zu sehen^ um so mehr bin ich erfreut." Der Richter stellte seinen Stock in die Ecke und setzte sich auf die Bettkante. „Das läßt nicht darauf schließen, daß Sie eine besonders gute Meinung von mir hatten", erwiderte er gut gelaunt. „Bei unserem letzten Zusammensein — in Ihrem Bureau, wissen Sie — sagte ich Ihnen, daß Sie mir Verpflichtungen auferlegt hätten, die ich gern entgelten würde. Seitdem haben Sie diese Schuld noch vergrößert, und ich möchte jetzt Alles thun, um die Rechnung auszugleichen." . . Brant verbeugte sich, ohne etwas zu erwidern. Er glaubte zu wissen, was kommen würde, aber er wollte den Richter seinen eigenen Weg gehen lassen. „Nach dem Verhör am Sonnabend traf ich Ihren Freund Forsyth — übrigens ein wahrer Freund von Ihnen. Er er zählte mir, daß Sie ohne Nennung eines Grundes die Ver tretung Ihrer Sache durch einen Änwglt zurllckweisen. Das können wir unmöglich gestatten, und um es Ihnen unmöglich zu machen, bei Ihrem Entschlüsse zu beharren, habe ich mir heut« Morgen eine Licenz erwirkt zum Prakticiren an den Gerichts höfen Colorados, und zwar nur zu dem Zweck, Sie zu vrr- theidigen." „Zu welchem Zweck?" rief der Gefangene entsetzt. Theil- nahme und freundliche Worte hatte er erwartet, Ueberredung und ein Cautionsanerbieten, aber das nicht. „Sie zu vertheidigen, sagte ich. Und jetzt bin ich hier, um Sie zu bitten, frei und offen mit mir zu sprechen, wie der Client zu seinem Anwalt." „Aber, Richter Langford — mein verehrter Herr, das ist ja unmöglich — ganz unmöglich! Sie wissen ja nicht, was Sie vorhaben." „Ich denke doch, und ich bin willens und bereit, mein Bestes für Sie zu thun." „Aber ich sage Ihnen, das können Sie nicht", wiederholte Brants „Nur eine Frage lassen Sic mich an Sie richten. Haben Sie daran gedacht, daß Sie als mein Anwalt Ihren eigenen Sohn ins Kreuzverhör nehmen müssen?" „EOvitz." „Großer Gott — und das wollen Sie thun?" Brant war nahe daran, sich zu verrathen, doch er be zwang sich. „Aber Sie müssen «infchen, daß ich das nicht dulden kann", fuhr er ruhiger fort; „cs ist der Gipfel der Selbstlosigkeit, daß Sie es mir anbieten, aber ich kann eS nicht^ annehmen — wahrhaftig, ich kann es nicht." „Sie müssen, es ist mein Recht, darauf zu bestehen." „Und das meinige, es zurückzuweisen, so unfreundlich es auch erscheinen mag. Ich kann Ihnen meine Gründe nicht sagen, und Sie dürfen nicht danach fragen, aber ich will Ihnen etwas sagen, was ich noch keinem Anderen gesagt habe. Wenn ich Ihnen gestatten würde, Ihren Vorsatz auszuführen, Sie würden es mir nie verzeihen, so lange Sie leben." „Damit Häufen Sic nur Geheimniß auf Geheimniß", er widerte der Richter. „Seien Sie offen zu mir, Mr. Brant, was es Sie oder Andere auch kosten mag." Brant hatte keine Antwort darauf, und der Richter benutzte seinen Vortheil kräftig. „Lassen Sie uns alles Geheimnißvolle bei Seite setzen und versuchen, einander zu verstehen", fuhr er fort. „Sie haben das Verbrechen begangen" — Brant athmete auf bei diesen Worten — „und aus irgend einem Grunde — wirklichen oder eingebildeten — sind Sie entschlossen, keinen Versuch zu machen, sich zu retten oder sich von Anderen helfen zu lassen. Von rein egoistischem Standpunct« mag das ja vielleicht richtig sein — darüber will ich nicht sprechen — aber Sie müssen daran denken, daß kein Mensch nur für sich lebt oder stirbt. Sie sind auch Ihren Freunden etwas schuldig — Sie sind mir «twas schuldig, in sofern, als Sie auf der Suche nach meinem Sohn waren, als die That passirte." „Sie wissen also —" begann Brant. „Ja, das und noch mehr. Es ist an Ihnen, mir Alles zu erzählen." „Ich kann es nicht, und ich wiederhole, Sie wissen nicht, was Sie verlangen. Ich schätze Ihre Freundlichkeit höher, als ich sagen kann, aber ich darf es nicht dulden. Ich habe so schon Sünden genug zu verantworten, ohne eine neue hinzuzufügen, für die es kein Verzeihen giebt." Der Richter sah, daß die Zeit, seines Clienten Vertrauen zu gewinnen, noch nicht gekommen war, und er stand auf und knöpfte seinen Rock zu. „Sie sprechen immer noch in Räthseln, und so lange Sie das thun, kann Ihnen Keiner helfen. Ich will heute Morgen nicht weiter in Sie dringen, aber ich werde wiederkommen und immer wieder. Ich bin bereit und gern bereit, sofort für Sie einzutreten, sobald Sie es gestatten. Mehr kann ich doch nicht sagen, nicht wahr?" Er streckte seine Hand aus und Brant ergriff sie dankbar. „Keiner könnte freundlicher sein als Sie, Richter, und einst, in dieser oder einer anderen Welt, werden Sie erkennen, daß ich nicht undankbar bin." Als der Richter die Zelle verlassen'hatte und der Schall seiner Fußtritte verklang, wagte Brant zu hoffen, daß er dem Angriffe mit Erfolg begegnet war. „Gott sei Dank, di« Prüfung ist vorüber", stöhnte «r und warf sich der Länge nach auf sein Bett. Inzwischen ging der Richter nachdenklich heim. In seiner Weise war er ebenso hartnäckig wie Brant; und da er einmal entschlossen war, in der Sache seine volle Pflicht zu thun, ließ er sich durch eine solche Kleinigkeit, wie die Weigerung seines Clienten, sich vertheidigen zu lassen, nicht vom Wege abbringen. Nach dem Lunch ging er wieder zur Stadt und suchte Forsyth auf der Redaction des „Plainsman" auf. Nachdem er dem Re- dacteur den Erfolg seines Besuches bei dem Gefangenen mitge- theilt hatte, sagte er: „Da er nicht reden will, Mr. Horsyth, so müssen wir ohne seine Hilfe unser Bestes thun. Fangen Sie doch einmal von vorn an und erzählen Sie mir Alles, was Sie von ihm wissen." Forsyth that das und unterdrückte nur solche vertrauliche Mittheilungen Brant's, die das Geheimniß seiner Liebe hätten verrathen können; aber er hätte auch das preisgegeben, wenn er geglaubt hätte, es könnte für die vorliegende Sache von Nutzen sein. Als er zu Ende war, zündete sich der Richter eine Cigarre an und stieß nachdenklich den Dampf von sich. „Noch mehr Geheimnisse", sagte er endlich. „Wer waren diese zwei Männer und was hatten sie vor? Warum sollte Je mand in Brant's Zimmer einbrechen, sich dabei betrinken und sich in sein Bett legen? Wer ist dieser John Brinton und was will er von Brant?" „Auf die letzte Frage weiß ich etwas zu antworten, auf die andere nicht", sagte Forsyth. „John Brinton ist der Bruder eines Mannes, der vor etwa einem Jahre in Taggets Gulch er mordet wurde. Er ist jetzt in Colorado, um den Mörder an den Galgen zu bringen, wenn er ihn finden kann, und vermuthlich nimmt er an, daß Brant ihm helfen kann." „Kann er das denn?" „Ich weiß es nicht; aber es ist nicht unwahrscheinlich. Brant war in den Ansiedelungen ein bekannter Mann." „Erzählen Sic mir doch, was Sie von seinem Leben dort wissen." „Ich weiß weiter nichts, als was ich Ihnen schon erzählt habe. Er war ein Bankhalter, aber jedenfalls nicht schlechter, als er sein mußte." „Jedenfalls muß er Freunde gehabt haben, die Alles von ihm wissen. Ich wünschte, Hobart wäre Lier; er würde uns wahrscheinlich erzählen können, was wir wissen wollen." „Wer ist Hobart?" fragte Forsyth. „Er ist Probirer auf der Grube Gentle Annie in Silvereite, und seine Frau ist zur Zeit bei uns." „Kennt er denn Brant?" „Sie waren zusammen auf der Universität und haben sich jetzt wieder getroffen. Mrs. Hobart telegraphirte ihrem Gatten am Sonnabend, er möge hierher kommen; doch der Director der Grube telegraphirte zurück, Hobart sei auf einer Tour und nicht zu erreichen." „Dann find wir also wieder auf uns selbst angewiesen. Ich will Ihnen sagen, was ich machen werde. Ich werde meine Re porter auf eine stille Jagd nach Brant's Bekannten in der unteren Welt von Denver schicken. Vielleicht können wir auf diese Weise etwas erfahren." „Thun Sie das; und ich will hingehen und nachdenken über das, was Sie mir erzählt haben. Halten Sie mich immer auf dem Laufenden und vergeffen Sie nicht, Brant bei jeder Ge legenheit zu bearbeiten." An diesem Abende passirten zwei Dinge, und ein drittes wurde bekannt. Dorothy erfuhr von ihrem Vater Alles, was er ihr erzählen konnte; die Reporter des „Plainsman" wurden zu einem Amateur-Detectiveorps; und etwas später drang eine Thatsache in di« Ocffentlichkeit, die Forsyth dem Richter eiligst
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