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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.08.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-08-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980831016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898083101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898083101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-08
- Tag1898-08-31
- Monat1898-08
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Größere Schriften laut unserem Preis- ve^eichniß. Tabellarischer und Ziss«njatz nach höherem Tarif. Ertra-Beilage» (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderuna SO.—, mit Postbeförderung 70.—. Auuahmeschluß fnr Anzeigen: Abrnd-Ausgabe: vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« 4Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je ein» halb« Stande früher. Anzeigen sind stets an Hs« Erhetzitisu zu richten. Druck »ud Verlag von E. Polz in Leipzig. Mittwoch den 31. August 1898. 92. Jahrgang. Laßt sich -er Frie-ensge-anke -es russischen Kaisers verwirklichen? B Seit der bekannten Kundgebung des deutschen Kaisers vom Februar 1890- ist die Welt wohl durch nichts derart überrascht worden, wie durch die Friedenskundgebung des russischen Kaisers^ Beide Kundgebungen haben äußerlich und innerlich etwas gemeinsam: äußerlich die Idee einer Conferenz, innerlich die Absicht, den Frieden unter den Völkern und in den Völkern herzustellcn. Edelmuth und Großartigkeit der Absicht ist das Gemeinsame; wird aber auch das gemeinsam sein, daß die Friedensidee vom August 1898 ebenso scheitert, wie die Kund gebung vom Februar 1890? Es ist sicher, ebenso wie es damals sicher war, daß die Conferenz zusammenkommt, denn keine Re gierung kann den Selbstherrscher der Reußen so vor den Kopf stoßen, daß sie sich seinem Vorschläge von vornherein versagt; wird aber daS Ergebniß der Conferenz ebenso im Sande ver laufen wie im Winter 1890? Will man bei einem Ereigniß Vorschau halten, wie es wohl wirken könnte, so ist es gut, Rückschau zu halten, wie ähnliche Ereignisse gewirkt haben. Da muß man dann an die Heilige Allianz denken, um so mehr, als es gerade ein Ahnherr des russischen Kaisers war, der diese Allianz ins Leben gerufen hat. Auch sie hatte den Zweck, nachdem ungeheure Kriege und furchtbare Kriegsrüstungen die Völker Europas geschwächt hatten, der Welt den Frieden zu sichern. Alle Mächte bis auf England traten der Allianz bei; was aber war das Ergebniß? Im Jahre 1815—16 wurde sie abgeschlossen, von 1821—1828 wllthet der griechisch-türkische Krieg, der von 1828—1830 durch den russisch-türkischen Krieg abgelöst wird. Aber auch den inneren Frieden vermochte die Heilig« Allianz den Völkern nicht zu verschaffen. Im Jahre 1820 brechen Unruhen in Sicilien aus, 1821 in Neapel und Piemont, 1823 und 1825 in Spanien und Portugal, 1830 in Frankreich und Belgien, 1830—1832 in Polen. Und als sich in den 20er Jahren die spanischen Colonien von dem Mutterlande trennten, zeigte sich die Ohnmacht der Heiligen Allianz vollends. Was war die Ursache dieser Ohnmacht? Daß die Allianz den statu» quo tn der ganzen Welt aufrecht zu erhalten be müht war. Die historische Entwickelung kann aber die Ver steinerung eines status yuo nicht anerkennen. Es ergeben sich für die Völker politische und wirthschaftliche Nothwendigkeiten, die ihnen aus Gründen der Selbsterhaltung eine Veränderung des bestehenden Zustandes anzustreben zur Pflicht macht. Diese Nothwendigkeiten lassen sich auch gar nicht voraus sehen und etwa fest legen. Wer hätte vor 50 Jahren sagen wollen, daß für Deutschland eine wirthschaftliche Einflußsphäre nothwendig sei? Heute aber ist sie nothwendig. Und derartige Nothwendig keiten können so zwingend werden, daß ein Volk sich auch nicht mit dem Urtheilsspruch eines allgemeinen Schiedsgerichts ab finden lassen kann, sondern daß es versuchen müßte, auch gegen den Willen des Schiedsgerichtes seine Ziele zu erreichen. Damit aber ist der Augenblick des Krieges gegeben. Neben den Nothwendigkeiten spielen auch die Stimmungen in einem Volke eine Rolle. Diese Stimmungen drängen auf Ziele hin, deren Erreichung für die Existenz des Volkes gar nicht erforderlich zu sein braucht, ja für das Volk zum Schaden ausschlagen könnte, die aber doch angestrebt werden, weil sie dem Empfinden, sei es des ganzen Volkes, sei es einflußreicher Kreise desselben entsprechen. Ein« solche Stimmung und Strömung ist z. B. die panslawistische, der letzthin bei der Palackyfeier in Prag ein so beredter Ausdruck gegeben wurde. Einer der Haupt redner und Hauptlehrer war der russische General Komarow. Und diese Thatsache zwingt denn doch zu der Erwägung, daß der russische Kaiser schon eine schwere Arbeit haben wird, um auch nur in seinem eigenen Lande den Boden für die Friedens saat, die er ausstreuen will, tragfähig zu machen. Und nun noch ein Drittes. Es ist möglich, daß ein Staat im geraden Gegensätze zu den mit der Entwickelung vorwärts schreitenden Bedürfnissen gesunder Staaten abstirbt und zerfällt. Es wird hier absichtlich vermieden, auf Staaten hinzuweisen, bei denen die Rückentwickelung möglich ist. Ein Nichtstaat kann aber in Europa nicht mitten unter den Staaten bestehen bleiben, und es tritt dann an die anderen Staaten die Frage der Austheilung heran. Und auch in diesem Falle ist die Lösung widerstreitender Interessen durch ein Schiedsgericht nahezu un möglich. So muß denn gesagt werden, daß der Vorschlag des Zaren zwar hocherfreulich ist, und daß er verdient, auf das Ernst hafteste geprüft zu werden, aber er würde statt des Nutzens nur Schaden bringen, wenn man sich dadurch in Sicherheit ein wiegen lassen wollte. In dieser Hinsicht kann man es beinahe ein Glück nennen, daß aus Frankreich nicht allein, sondern auch aus England Stimmen sich vernehmen lassen, deren kriegerischer Ton die Möglichkeit, daß die Wachsamkeit der europäischen Staatslenker sich einschläfern lassen könnte, vernichtet. Eng lische Blätter erklären, daß England fortfahren müßte, gegen jede Bedrohung seiner Handelsinteressen gerüstet zu sein, und französische Blätter melden dasselbe in Bezug auf das Verhält- niß zwischen Frankreich und Deutschland. Dieser letztere Um stand wird gewiß nicht verhindern, daß Deutschland der Idee des Congresses zustimmt, aber er wird verhindern, daß die deutsche Regierung die Absicht einer mäßigen Verstärkung des Heeres fallen läßt. Zur Abrüstungsfrage lagen bis gestern Abend noch folgende Meldungen vor: * London, 30. August. (Telegramm.) Der russische Ab rüst u n g S v o r s ch l a g steht fortgesetzt im Vordergründe der öffentlichen Discussion. Verschiedene Blatter drücken ihre Ansicht dahin au-, daß Rußland als Beweis seiner Aufrichtigkeit und seiner Friedensliebe mit der Abrüstung beginnen müsse; die übrigen Mächte würden dann sicher folgen. Der „Standard" sagt, wenn die russische Regierung angesichts Europas feierlich verspreche, keine neuen Kriegs- schiffe zu bauen, dürfte England einwilligen, vom Bau neuer Schisse abzustehen. „Daily News" erfährt, die Conferenz werde voraussichtlich in Kopenhagen tagen. Der Berliner Correspondent des „Daily Telegraph" erfährt, Deutschland werde die Ein- ladung des Zaren zur Conferenz sicher annehmen; Kaiser Wilhelm habe bereits dem Zaren brieflich seine Theilnahme für seinen Vor schlag ausgedrückt. (Mgdb. Zt.) * Paris, 30. August. (Telegramm.) Alle Blätter kritisiren den russischen Abrüstungsvorschlag, wobei sie die sogenannte „elsaß-lothringische Frage" in den Vorder- gründ stellen. Die meisten zeigen sich enttäuscht und rneinen, es sei nicht der Mühe werth gewesen, nach Petersburg zu gehen, um zu diesem Ergebniß zu gelangen. „Matin" äußert sich beinahe aggressiv gegen den Zaren, pricht von einer Drohung, die mehr denn alles Andere den Krieg entfesseln könne, von einer Falle, die Frankreich gestellt werde von der phantastischen Philanthropie eines großmüthigen Souverains, und räth, den Zaren nicht zu beglückwünschen, denn ein Werk werde erfolglos bleiben. Dieses sei ein wahres Unglück. Die französische Regierung war augenscheinlich vom Plane des Zaren nicht verständigt, da gleich nach dem Bekanntwerden des Vorschlages eilige Zusammenkünfte zwischen dem Minister des Aeußern, dem Ministerpräsidenten und dem Staatsoberhaupt tattsanden. „Libre Parole" behauptet, die Elsaß- Lothringer hätten mit schmerzlicher Bewegung den Vor- chlag des Zaren vernommen und ein Mitglied ihres Directions- comitös nach Paris gesandt, um Nachrichten über die Ab sichten der französischen Regierung einzuziehen. Der Herzog von Broglie, vom „Gaulois" ausgesragt, glaubt, Rußland habe ich vor der Veröffentlichung mit Frankreich ins Einvernehmen ge- setzt. Wenn nicht, so sei das mindestens höchst sonderbar. „Libre Parole" meint, der russische Vorschlag sei eigentlich deutsches Erzeugniß unter russischer Fabrikmarke, um Frankreich annehmbarer zu erscheinen. Aus allen Blättern geht hervor, daß die französische Annahme des russischen Antrages von der oouäitio sms qua uou, der Rückerstattung Elsaß-Loth- ringens, abhänge. * Paris, 30. August. (Telegramm.) DerDeputirte Mirman hat die Regierung davon verständigt, daß er bei dem Wieder zusammentritte der Kammern eine Interpellation über die Kundgebung des Kaisers von Rußland einbringen werde, um der Negierung Gelegenheit zu osficiellen Erklärungeu zu geben. PreHstimmen zur Abrüstuugsfrage. Wir lassen im Nachstehenden noch einige Urt keile leitender deutscher Blätter folgen, welche alle die dem Unternehmen des Zaren entgegenstehenden Schwierig keiten andeuten. Selbst aus der enthusiastischen Begrüßung, welche die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung', wohl osficiöS, der Anregung deS befreundeten Monarchen widme«, klingt am Ende etwa- SkepticiSmuS heraus. In dem „Weltfrieden' überschriebenen Leitartikel deS Berliner Blattes heißt eS: Die Einladung des Zaren zu dem Abrüstungscongresse findet in Deutschland die warme aufrichtige Zustimmung, deren sie als ein die Welt überstrahlendes Evangelium echter Friedens- liebe bei unserm Kaiser und beim deutschen Volke von vornherein gewiß sein konnte. An dem Tage, wo der Zar das Denkmal des allen Russen unvergeßlichen Zaren-Bcfreiers enthüllte, umflocht er das eigene Haupt mit dem Lorbeere des Friedenszaren und setzte sich ein unvergängliches Denkmal. Nirgends kann diese That edler Menschenliebe freudiger ge- würdigt werden, als in unserem Baterlande, das, nach ruhmvollen Kriegen geeint, die Wahrung Les Friedens stets allen anderen Zielen vorangestellt und die großen militairischen Macht mittel niemals anders als zur Verhütung gewaltsamer Verwicklungen ausgeboten hat. Wenn jetzt aus dem Munde deS besreundeten Herrschers der Rus an die Welt «geht, diesen fast ein Menschen alter hindurch behaupteten Zustand der Waffenruhe aus-? Neue durch mehr Sicherheit verbürgende und weniger Opfer fordernde Grundlagen zu stärken, so wird Las starke, fried liebende deutsche Reich die dargebotene Hand gern ergreifen. Die Schwierigkeiten, wie sie jeder große Cnltur- gedanke von der Entstehung bis zur Verwirklichung durchlaufen muß, sollen uns nur um so eifriger bemüht finden, das hochherzige Pro gramm des Zaren, soweit es an uns liegt, durchführen zu helfe». Aus dem redlichen Bestreben, die Widerstände gemeinsam zu überwinden, werden die beiden Kaisermächte für die wechselseitige» Beziehungen einen neuen Gewinn schöpfen, wäre es auch nur die unzweifelhafte Bekräftigung der werthvollen Ansicht, daß weder Rußland für Deutschland noch Deutschland für Rußland ein Hinderniß auf dem Wege bildet, der zum Weltfriedeo führen könnte." Die „Kölnische Zeitung" schreibt: Daß das russische Unternehmen eines der allerschwierigsten ist, die man sich nur denken kann, verhehlen wir uns nicht. So leicht es unseres Erachtens ist, zu einer grundsätzlichen Uebereinstimmung zu gelangen, so schwer wird die Aufgabe werden, sobald man zu den praktischen Einzelheiten übergeht. Bei dergroßenVerschieden- heit, die die Lebensbedingungen der einzelnen Staaten beherrscht, bei den durch geographische Lage und innere Volkskrast bedingten Unterschieden wird es sehr schwer fallen, einen richtigen Maßstab zu finden, der jedem Volke ein Proportionelles Maxi mum der Wehrkraft zutheilt. Man kann sich zurNoth noch denken, wie das in Bezug aus das Landheer erreicht werden soll, aber in welcher Weile will man die Seestreitkräfte derjenigen Staaten, die in erster Linie Seemächte sind, zu den Landheeren der anderen in das richtige Verhältniß bringen? Beides, Land- und Seeheer, sind ein un trennbarer Bestandtheil der nationalen Wehrkraft, und wenn dem einen Staate, der vorwiegend Landmacht ist, die Erhöhung seines Landheeres untersagt wird, wird der andere, der in erster Linie Seemacht, sich eine Einschränkung seiner Flotte gefallen lassen müssen. Welcher Art wird endlich die Controle sein? Tenn ohne eine wirksame Controle wäre man der Gutgläubigkeit jedes einzelnen Staates ausgeliefert, der vertragswidrig und zu Ungunsten Les Nachbars seine Streitkräfte vermehren könnte. Noch viele solcher Fragen werden austauchen, aber wenn wir heute auch nicht wissen, ob sie eine befriedigende Erledigung finden werden, so wird ihre Bcrathung doch das Gute haben, daß man dabei wird ersehen können, welchen Staaten es wirklich bei ihren Rüstungen nur um die Sicherheit des Landes zu thnn ist und welche weitergehende Absichten verfolge». Die „Nat.-Ztg." giebt folgenden Bedenken Ausdruck: Von einer Abstimmung aus dem Friedenscongreß, bei der die Mehrheit für das weitere Verhalten der Minderheit maßgebend wäre, könnte selbstverständlich keine Rede sein; schwerlich würde eine Großmacht in Fragen, die mit ihren Lcbensinteressen zusammen hängen können, eine derartige Verpflichtung im Voraus eingeben. Könnte es aber ausbleiben. Laß die Erörterung über die Größe der Streitmacht der einzelnen Länder zur Erörterung der politischen Absichten derselben führte, der Pläne, welche jede» einzelne verfolgt, der Gefahren, die es abwehren zu müssen glaub:? Man kann sich schwer vorstellen, wie eine Verhandlung über Lu- Möglichkeit einer Verminderung der Streitkräfte der einzelnen Länder nicht zu einer Verhandlung über die schwebenden internationalen Fragen sich gestalten sollte Land- und Seestreitkräste sind für die verschiedenen Staaten, auch wenn man bei allen die gleiche friedliche Gesinnung und Selbst beschränkung vorausjetzt, je nach ihrer Lage und ihren inier- nationalen Interessen von sehr verschiedener Bedeutung; Königin Wilhelmina. (sine Skizze zum 18. Geburtstag (MündigteitStermin) der hokiindtschen Königin, 31. August. Bon C. van Vlieten. Nachdruck verboten. Wenn Königin Wilhelmina am 31. August aufwacht, so ist sie nicht mehr unter der Vormundschaft der Mutter stehend« königliche Backfisch, sondern eine regierende Königin. Damit hat ein Idyll sein Ende erreicht, an d«m nicht nur di« Holländer ihre patriotische Freude hatten, sondern das überall mit auf richtiger menschlicher Theilnahme beobachtet wurde. „Die Jugend einer Königin" — so könnte man dies Idyll vielleicht nennen, auf dessen liebliche Irische der Thron glücklicher Weise keinen Schatten geworfen hat. Königin Emma, die deutsche Fürstentochter, der die Er ziehung der letzten Oranierin oblag, darf «in Muster von Klug heit und Gewissenhaftigkeit genannt w«rd«n. Sie hat das Ziel, das sie sich gesetzt hat, vollständig erreicht und irbrrgiebt jetzt dem holländischen Volke eine an Geist und Leib gesunde und blühende Königin. Sie hat — vielleicht manchmal unter Ueberwindung ihres Mutterherzens — zur richtigen Zeit di« erforderliche Strenge d«r Zucht walten lassen und dabei doch ein so mildes und liebevolles Regiment geführt, daß ihre Tochter wi« di« holländische Nation sie gleicherweise lieben und verehren. Ihr erstes Augenmerk war darauf gerichtet, da» Kind, auf dem die Hoffnung des Hause» Oranien beruhte, kräftig und gesund zu erhalten. Königin Wilhelmina wurde daher in Allem, was den Körper stärken und widerstandsfähig machen kann, von Jugend aus fleißig geübt, und da dies« Methode trefflich bei ihr anschlug, so ist eS nur natürlich, daß sie, herangewachsen, ihre körperlichen Kräfte zu benutzen und zu entwickeln strebt«. So wurde Jung-Wilhelmina eine eifrige „spart - vornan". Sie reitet mit Leidenschaft und ausgezeichnet. Die Ställe in Schloß Loo sind geradezu großartig, die Königin kennt da alle Pferde mit Namen und bringt ihnen »ft selbst etwas Gutes. Früher war ein kleiner scheckiger Pony, Namens „Grusella", ihr Liebling; jetzt aber bevorzugt sie besonder- «in mächtiges Thier, das ihr der Kaiser von Oesterreich zum Geschenk gemacht hat. Das Radfahren wollte man der künftigen Souverainin in An betracht seiner Gefahren nicht erlauben; da aber Wilhelmina keineswegs willen» war, auf den modernsten der Sporte zu verzichten, so lernte sie heimlich Radfahren und überraschte ihre Mutt« und den gestrengen VormundSrakh mit dem kuit NLoowpU. Gstfttzem tzetretbt sie auch den Velosport mit Eifer. Gern sitzt sie auch selbst hoch droben auf dem Kutschüocke und lenkt mit ihrer zarten Mädchenhand das feurige Viergespann vor dem Wagen. Dabei aber benutzt sie nie «in geschlossenes Gefährt, sondern fährt auch bei Regen, Schnee oder Kälte stets in einer offenen Kalesche. Ein« besondere Meisterschaft legt die Königin in dem holländischen Nationalsport, im Schlittschuh laufen, an den Tag. Oft legt sie auf den meilenweit das eben« Land durchschneidenden Canälen lange Strecken zurück. Wenn die Soldaten ihre üblichen Eiswettläufe abhalten, so ist es Königin Wilhelmina, die selbst der ganzen Festlichkeit präsidirt und den Siegern eigenhändig ihre Belohnungen überreicht. Mit der körperlichen Ausbildung hielt die geistige gleichen Schritt. Die junge Königin erhielt eine sehr sorgfältige Er ziehung. Mit gleicher Fertigkeit spricht sie Holländisch, ihre Muttersprache, und Deutsch, die Sprache ihrer Mutter, Fran zösisch und Englisch. Auch beherrscht sie das Italienische und das Russische, letzteres vielleicht mit Rücksicht darauf, daß von ihrer Großmutter, einer russischen Großfürstin, her russisches Blut in ihren Adern fließt. Mit einer Menge „männlicher" Disciplinen mußte sich die künftige Herrscherin beschäftigen: mit Rechts- und Verwaltungswesen, Verfassungsgeschichte und Nationalökonomie. Reisen nach der Schweiz und Italien, nach Deutschland, Frankreich und England dienten dazu, ihre Welt- und Menschenkenntniß zu erweitern; daß sie diesen Zweck erreicht haben, beweisen zahlreiche Proben von Beobachtungsgabe und schneller Auffassung, die die junge Fürstin gerade auf diesen Reisen gegeben hat. Frühzeitig wurde Wilhelmina auch mit den Werken der Barmherzigkeit bekannt gemacht, die gerade an die Thätigkeit einer Königin so große Ansprüche stellen. Sie wurde daran gewöhnt, sich mit den Armen zu beschäftigen, persönlich mit ihnen in Berührung zu treten, ihre Verhältnisse zu prüfen und je nach ihrer Lage und ihren Bedürfnissen sie zu unterstützen. Der leitende Gedanke, der die Erziehung der Königin beherrscht hat, war der, sie zu einer Dienerin der Pflicht zu machen und es ihr tief einzuprägen, daß sie keine Anstrengung scheuen dürfe, wenn es eine Pflicht gelte. Es zeigte sich schon frühzeitig, daß Königin Wilhelmina ein gewecktes und begabtes Kind war und daß Anregung und Unterricht bei ihr auf sehr fruchtbaren Boden fiel. Es bestand aber gerade bei dieser systematischen wissenschaftlichen Erziehung die Gefahr, daß sie vorzeitig altklug würde und aufhörte, ein Kind zu sein. Die Königin-Regentin hat auch diese Gefahr mit großem Zartgefühle zu vermeiden und ihrer Tochter ganz den Geist, die Frisch«, die Bescheidenheit der Kindheit zu er halten gewußt. Sie umgab sie mit Gleichalterigen, mit denen sie, ein Kind unter Kindern, fröhlich und unbefangen spielte. Im Haag pflegte sie jeden Sonntag eine solch« Kindergesellschaft zu empfangen. Wie echt kindlich sie sich erhalten hat, beweist ein hübsches Dorkommniß au» der neueren Zeit, in der sie ihre Mutter bereits auf Besuchen in den verschiedenen Provinzen mitnahm, um sie mit Land und Leuten ihres Reiches bekannt zu machen. Dabei gab es natürlich Ceremonien, Empfänge u. dergl. m., die Wilhelmina zuweilen zu viel wurden. Auf einer dieser Reisen geschah es, daß man sie in den Räumen, die der Gouverneur zu ihrer Wohnung bestimmt hatte, vergeblich suchte. Während man nun auf sie fahndete, hörte ihre Mutter aus dem Kinderzimmer der Gouverneursfamilie einen großen Lärm, und indem sie ihm nachging, bot sich ihr ein eigen- thümliches Schauspiel. Sie sah da ihre Tochter, die Königin, sich auf Händen und Füßen durchs Zimmer bewegen, während die Kinder ihre Reise mit lautem Jubel begleiteten; auf ihrem Rücken aber saß eines der Kinder und trieb sie mit einer kleinen Peitsche an, indem es dazu rief: „Schneller, schneller, Majestät!" Bei alledem besaß Wilhelmina schon zeitig ein Gefühl für ihre königliche Würde und legte es bei den verschiedensten Ge legenheiten an den Tag. Daß man sie am Berliner Hofe so wenig als Souverainin ästimirte, daß man sie zugleich mit den prinzlichen Kindern frühzeitig zu Bette gehen hieß, das konnte sie unserem Hcrrscherpaare lange nicht vergessen. Bei einer anderen Gelegenheit war sie nahe daran, für ihre königliche Würde eine Revolution in ihrem friedsamen Reiche zu ent zünden. Sie war einmal, als sie aus irgend welchen Gründen Stubenarrest erhalten hatte, Uber diese Beeinträchtigung ihrer königlichen Würde so empört, daß sie ihr Volk in einer Prokla mation zur Befreiung seiner Fürstin aufrief und dies Schrift stück einem unter ihrem Fenster auf Wache stehenden Soldaten mit dem Befehle zuwarf, es sofort auf die Redaktion eines gewissen großen Blattes zu tragen. Der Kriegsmann befolgte diefe Weisung auch getreulich; der Redakteur aber, der den Zusammenhang bald mit großem Vergnügen durchschaute und es für richtiger hielt, das gefährliche Schriftstück nicht an die Welt zu geben, steckte das hochinteressante königliche Autograph schmunzelnd in seine Tasche. Kurz darauf kam denn auch aus dem Palais ein Bote mit der Bitte, die besagt« Proklamation vorläufig dem holländischen Volke noch vorzuenthalten. Es zeigt diese Anekdote in dem Charakter der Königin einen gewissen Zug zu leidenschaftlichen Aufwallungen, der auch sonst bei ihr hervorgetreten ist und von den Holländern dem „russischen Blute" in ihr zugeschrieben wird. Hier ein weiterer Beleg für diese Eigenthümlichkeit der Königin. Vor einigen Jahren geschah es, daß in einer ihrer Unterrichtsstunden der Professor, sei es im Feuer des Vortrages, sei es auch nur aus Zerstreuung, versehentlich einen neben der Königin liegenden goldenen Blei stift ergriff und ihn bei seiner Demonstration benutzte. Al» er den Bleistift wieder auf den Tisch legte, warf ihn die Königin zum nicht geringen Schrecken des Professor» heftig in »ine Ecke. Die Königin-Mutter, der der Vorgang gemeldet wurde, nahm sich die Tochter vor und veranlaßte sie. dem Lehrer beim Be ginne der nächsten Stunde ihr Bedauern über den Vorfall auszusprechen; den Bleistift aber schenkte sie dem Professor — sie wollte ihn nicht mehr benutzen. Wie man aus diesen Begebenheiten erkennt, ist Königin Wilhelmina eine sehr selbständige und energische Natur, doch wird dieser Zug durch die natürliche Liebenswürdigkeit ge mildert, durch die sie überall, wohin sie kommt, die Herzen ge winnt. Die der Holländer hat sie ganz und gar erobert; sie treiben mit ihrer jungen Königin beinahe einen Cultus und bringen Allem, was sie betrifft, das lebhafteste Interesse ent gegen. Die Königin ihrerseits ist eine große holländische Patriotin, die Holland für das schönste und vollkommenste Land der Welt hält und für seine glorreiche Vergangenheit be geistert ist. Als ihr die Geschichte der Befreiung der Niederlande von der spanischen Herrschaft vorgetragen wurde, äußerte si chren Unwillen gegen die einstigen Unterdrücker Hollands dura- die bestimmte Erklärung, daß sie den König von Spanien nicht empfangen werde. Ein andermal drückte sie (wie kürzlich schon erwähnt ward. D. Red.) ihren holländischen Patriotismus ihrer englischen Gouvernante gegenüber, die sie mit irgend etwa, geärgert hatte, auf die Weise aus, daß sie beim Kartenzeichnen Holland sehr groß und England sehr klein darstellte. Eine politische Anspielung hat sie mit dieser selbstherrlichen Um gestaltung der Karte von Europa wohl um so weniger machen wollen, als sie von aller Politik sorgfältig ferngehalten worden ist. Ihre Mutter hat besonderen Werth darauf gelegt, sie von allen Parteieinflüflen und Jntriguen zu isoliren, um ihr Ge legenheit zu geben, sich in Allem eine unbeeinflußte selbstständige Meinung zu bilden. Königin Wilhelmina muß entschieden eine sehr hübsche Dame genannt werden. Sie ist von mittlerer Größe, schlank und gut gewachsen, hat einen graziösen Gang und ist eine ein nehmende gesunde Erscheinung. Die Frische ihrer Hautfarbe, ihr schönes aschblondes Haar und ihre blauen Augen geben ihrem Gesichte ein anmuthiges Gepräge. So ist sie nicht nur als Königin, sondern auch als Frau der Gegenstand mancher Huldigungen, und es ist ihr ja schon so mancher deutsche und dänische, schwedische und englische Prinz als künftiger Gemahl angerichtet worden. Königin Wilhelmina aber hat mit der ganzen Selbstständigkeit und dem Freimuthe, die ihr eigen sind, erklärt, nur einem Manne, den sie wahrhaft liebe, ihre Hand reichen zu wollen. Möge das Geschick eS ihr vergönnen, diese Absicht zu ihrem Heile auszuführen und auch im Glanze de» Thrones sich ihre Frische, Wahrhaftigkeit und geistige Gesundheit zu bewahren!
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