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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.09.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-09-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980910010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898091001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898091001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-09
- Tag1898-09-10
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Er sieht offenbar in der Oeynhausener Rede weniger eine Gefahr als vielmehr ein Mittel zur Abwendung von Gefahren für die socialdemo kratische Verhetzung. Das waS angekündigt worden ist, wird nicht an den Reichstag als Vorschlag der Regierung ge langen, der „Vorwärts" macht sich aber bereit und fordert auch seine Partei auf, sich bereit zu machen, WaS immer an „lang wierigen Paragraphen" kommen möge, für DaS auSzugeben, was am 6. September in Aussicht gestellt worden ist. DaS socialistische Organ ist „aufrichtig dankbar" für die kaiserliche Rede, die „unverhüllt und unabgeschwächt zeigt, was den um die Besserung ihrer Arbeitsbedingungen kämpfenden Arbeitern bevorsteht", und die Zeit schafft zur Aufklärung deS Volkes über den allerneuesten CurS in der Socialpolitik. Mit anderen Worten: Die Bedrohung der einfachen Anreizung zum Streik mit Zuchthaus, die, wie die Socialdemokratie selbst weiß, nicht in dem Bundesrathsentwurfe steht, soll in den Augen der Arbeiter als die Etikette deS zu erwartenden Gesetz entwurfes erscheinen, und sie sei für den Arbeiter daS Charakteristische. DaS ist die Erschwerung einer brauchbaren Gesetzgebung auf dem Gebiete des Arbeiterschutzes, die wir und viele andere Preßorgane als eineFolge derOeynhausenerRede vorauSgesehen haben. Es wird nicht leicht halten, das neugeschaffene Hemmniß zu überwinden. Unmöglich ist dies aber nicht. Selbst die „Germania", die mit den entschiedenen Worten der „Na tionalzeitung" die Absicht zurückweist, die Aufforderung zum Streit zu bestrafen, findet eS nicht mehr zeitgemäß, einer ent schiedenen strafrechtlichen Hintanhaltung von Arbeitsstörungen entgegenzutreten. Sie schreibt: „Im deutschen Reichstage ist zweifellos eine Mehrheit dafür zu haben, daß jeglicher Terrorismus, der darauf hinausgeht, friedliche Arbeiter rur Nicderlegung der Arbeit zu zwingen, bestraft wird." Nun, die Mehrheit, von der die „Germania" spricht, war in den Jahren 1890 — 92 nicht vorhanden, und zwar deshalb nicht, weil das Centrum versagte. In dem Entwürfe des ArbeiterschutzgcsetzeS war Das zu haben, WaS da« führende klerikale Blatt jetzt nicht verweigern will; es erfolgte jedoch die Ablehnung, und zwar unter nichtigen Vorwänden. Wenn LaS Centrum jetzt an die Stelle jener früheren, von wahl politischen Erwägungen geleiteten Stellungnahme eine sachliche Beurtbeilung treten lassen will, wie es jenes Organ an kündigen zu wollen scheint, so wird eS nichts mehr zu sagen haben, daß Herr Richter die bestehenden Bestimmungen für ausreichend hält. Uebrigen» hat auch der volk-parte,leche Führer nicht den Muth, sich von dem gegenwärtigen Zu stande befriedigt zu erklären. Hier meint er, wenn der Rechtsschutz hier und dort sich nicht wirksam erweise, so l,rge dies nicht an dem Mangel au scharfen Paragraphen, sondern an der unzureichenden Promptheit von Polizei und Justiz. Verfolgung und Bestrafung ließen vielen Vergehen gegenüber zu lange auf sich warten, um den nöthigen Eindruck zu Gunsten der Friedensbewahrung zu erzielen; in England ser dies ander«. Diese Bemängelung ist nrcht unbegründet, aber sie trifft unsere ganze Justiz, und eS läßt sich ihr eben deshalb nicht so rasch, als eS die FriedenSbewahrung auf dem Arbeitsgebiete erfordert, der Boden entziehen. Das Recht auf Arbeit muß gegen die Socialdemokratie und deren gutbezahlte Streikagitatoren alsbald und aus reichend geschützt werden. Läßt sich die öffentliche Meinung durch die raffinirte Ausbeutung einer zweckwidrigen Kund gebung — der „Vorwärts" giebt eine förmliche Gebrauchs anweisung zu der Oeynhausener Rede — beeinflussen, so würden die Parteien deS Reichstages gegen ihre Pflicht handeln, wenn man von ihnen das Gleiche sagen dürfte. Es würde ihnen um so leichter fallen, daS Richtige zu thun, al- sie sich bei dem Unrichtigen nicht aufzuhalten Haden werden. Die Bedrohung der bloßen Aufforderung zum Streik ist aussichtslos. Zwar giebt die „Kreuzzeitung" die Bemerkung einer officiösen ZeitungScorrespondenz, die die kaiserliche Rede als eine „erlösende That" Preist, ohne Vorbehalt, jedoch auch nicht als ihre eigene Meinung wieder. Aber selbst wenn die Conservativen und die Reichspartei auS taktischen Gründen einen Schritt gutheißen wollten, von dem sie vermuthen müssen, daß ibn der BundeSrath nicht thut, und gewiß wissen, daß ihn der Reichstag unterlassen wird, so hätte daS gar keine Bedeutung. Das nationalliberale Parteiorgan hält zur Abwehr des Mißbrauch- der CoalitionSfreiheit nur solche Mittel für zulässig, welche den berechtigten Genuß der CoalitionSfreiheit nicht beengen und nicht zu verbitternden Agitationen nutzlos die Handhabe bieten. Also: Keine Be strafung der bloßen Anreizung zum Streik mit Zuchthaus oder mit Gefängniß. Der Zufall wollte eS, daß an demselben Tage, an dem der Kaiser sprach, auf dem Delegirteutag deS Innung«- verbände« deutscher Baumeister rin Maurer meister, Herr Simon, sich im entgegengesetzten Sinne zu der Sache äußerte. Er erklärte, er halte eS, vielleicht im Gegensätze zur Versammlung, für daS gute Recht der Arbeiter, nach einer Verbesserung ihrer Lage zu streben und dabei auch den Streik als Kampfmittel zu benutzen. Entschieden müsse er sich aber dagegen wenden, daß dies im Interesse einer politischen Partei und in der bewußten Ab sicht, die Arbeitgeber zu schädigen, geschehe. Man sollte ver suchen, sich auf den Standpunkt zu stellen, daß der Arbeiter auch eia maßgebender wirthschaftlicher Factor sei und sich möglichst mit ihm zu einigen suchen und berechtigte Forde rungen erfüllen. Einzelnen Forderungen aber, wie z. B. die, eine Controle der Bauten durch die Arbeiter einzu führen, müsse man in festgeschloffener Einigkeit entgegentreten. Ebenso die dahingehenden, andere als Verbands-Mitglieder nicht einzustellen, oder außerhalb Stehende zu entlassen. DaS ist etwa- ganz anderes al« die Androhung von Zucht haus gegen Jeden, der zum Streik auffordert, er möge sein, wer er will, und heißen, wie er will. Daß der von Herrn Simon vorausgesehene Widerspruch gegen seine Auffassung von der principiellen Zulässigkeit der Streiks in der Ver sammlung erhoben worden ist, geht aus den Berichten nicht hervor. Dagegen beschloß der Delegirteutag einstimmig die sofortige Gründung eines ganz Deutschland umfassenden Arbeitgeberbundes für das Baugewerbe, um im Gebrauch des CoalitiouSrechtS der Organisation der Arbeiter die Spitze bieten zu können. Dieser Bund, dem wir daS beste Gedeihen wünschen, kommt vielleicht öfters in die Lage, einen Theil seiner Mit glieder behufs Beseitigung unerträglicher ArbeitSzustände zur zeitweiligen Einstellung des Betriebes aufzufordern; daS wird ihm unverwehrt sein. Deutsches Reich. * Berlin, 9. September. Die bereits angekündigten beiden ersten Lieferungen deS sechsten Bandes deSBiSmarck-Iahr- bucheS von Horst Kohl sind nunmehr erschienen. Sie enthalten eine Fülle hochinteressanten Materials, darunter den Briefwechsel zwischen Bismarck und Graf Bernstorff, aus dem wir «ine bemerkenswerthe Probe bereits mitgetheilt haben, ferner u. A. einen Briefwechsel zwischen dem Prinzen Friedrich Karl und Bismarck, Briefe von Niebuhr und von Savigny an Bismarck, zwei Zeitungsartikel Bismarck's aus dem Jahre 1848, ein Schreiben Bismarck's an König Friedrich Wilhelm IV. auS demselben Jahre. Von großem Interesse ist auch ein Brief Bismarck's an den Oberpräst- denten von Senfft-Pilsach auS dem Jahre 1863, der die auch jetzt noch viel erörterte Frage deS Verhaltens der Be amten bei den Wahlen behandelt. Wir lassen ihn im Wortlaut folgen: „Berehrtester Freund, Sie werden auS den amtlich«» Mit- thrilungen d«S Staats-Ministerium« und der Herren Ressort- Minister im Allgemeinen entnommen haben, in welchem Maße wir auf die Führung und die Controle der Beamten in den Provinzen durch die Herren Oberpräsidenten zähle». Ich erlaube mir, Sie vertraulich auf einen Unterschied in den Anforderungen aufmerksam zu machen, welche die i Regierung an einzelne Kategorien der Beamten stellt. Wir erwarten von allen, welche im Dienste des Königs stehn, daß sie sich bei den Wahlen und außerhalb derselben der Parteinahme gegen die von Seiner Majestät eingesetzte Regierung enthalten, und werden einen jeden Beamten al- Gegner der Regierung betrachten und behandeln, welcher seinen oppositionellen Ueber- zeugungen einen äußerlich erkennbaren und irgendwie praktisch wirksamen Ausdruck giebt. Anders verhält eS sich aber mit den Beamten politischer Kategorie, auf deren Unterstützung jede Re gierung angewiesen ist, und welche eben deshalb amovibel sind. Von diesen fordern wir die active Mitwirkung, und namentlich bei den Wahlen bestimmte, öffentlich erkennbare Einflußnahme im Sinne der Regierung. Insbesondere ist dies von Seiten der Landräthe notbwendig. Einer derselben in meiner Heimathgegend, der mir persönlich nahe befreundet ist, hat mir, in der besten Absicht und mit den besten Gesinnungen, die Meinung ausgesprochen, daß er al- Landrath sich in einer neutralen Unabhängigkeit glaube halten zu sollen. Solchen Ausfassungen bitte ich Sie mit aller Entschiedenheit entgegenzutretrn, und wenn es mein eigner Bruder wäre, der darnach handelte, so erwarte ich von Ihrer Freundschaft und von Ihrem Pflichtgefühle, daß Sie sich nicht ab halten lassen, die ungesäumte Anzeige mit dem Anträge auf Stellung zur Disposition an das Ministerium zu richten. Wir können nur mit Landräthen, die durch ihre Thätigkeit die volle und entschiedene Parteinahme für die Regierung an den Tag legen, die uns vom Könige gestellte Ausgabe lösen, und di« Interessen, welche aus dem Spiele stehen, sind zu groß, um für irgend welche persönliche Rück- sichtnahme Raum zu lassen. Wir müssen daher Ihnen selbst und persönlich die Verantwortung für das Verhalten der Landräthe der Provinz zuschiebeu, da Sie uns bereit finden werden, auf jeden von Ihnen beantragten Wechsel in den Persönlichkeiten einzugehen." * Berlin, 9. September. Wie bereit« mitgetheilt worden, ist dem Staatssecretair des ReichspostamlS, General lieutenant z. D. v. Podbielski, der Charakter als Wirk licher Gebeimer Rath mit dem Prädicat „Excellenz" unter Beilegung der Anciennetät vom 1. Juli 1897, dem Tage seines Dienstantritts al» Staatssecretair, verliehen worden. ES ist bei uns hergebracht, daß die StaatSsecretaire im Reichsdicnst gleichzeitig mit der Ernennung zu diesem Posten auch den Titel als Wirkliche Geheime Räthe, womit das Prädicat „Excellenz" verbunden ist, erhalten. Die« war, wie die „Magdeb. Ztg." aussührt, bei Herrn v. Podbielski ver- muthlich deshalb nicht geschehen, weil er als Generallieutenant schon „Excellenz" war. Dabei hatte man aber wohl an eine Bestimmung deSpreußischenHofrang-Regleinents nicht ge dacht, der zufolge die activen Generallieulenants und die Wirk lichen Geheimen Räthe, sowie Erzbischöfe und Bischöfe gleichen Rang haben und unter sich nach dem Datum der Ernennung rangiren. Hinter ihnen rangiren erst die activen General- ! lieutenanlS, die als solche patentirt gewesen sind. Dana Neues aus üer Fahrradtechnik. Von W. Berdrow, Ingenieur. Nachdruck verbot«». Die Hauptbestrebungen der Fahrrad-Techniker, die das leichte Instrument des modernen Verkehrs in wenigen Jahren so weit gefördert haben, daß es fast reibungslos arbeitet und daß eine weitere Verbesserung im Sinne des leichten Laufes kaum noch durch constructive Aenderungen zu erreichen sein wird, sind nunmehr allenthalben bestrebt, die Kraft des Menschen be«m Bewegen der Fahrräder durch die eines Motors zu unterstützen. Von den eigentlichen Motorwagen, die viel zu schwer sind, als daß der vorübergehende Antrieb durch Menschenkraft bei ihnen überhaupt noch in Betracht kommen könnte, sehen wir dabei ganz ab und denken nur an die Bemühungen, auf ein- oder mehr sitzigen Zweirädern die Arbeit der Fahrer vorübergehend oder dauernd durch leiche Maschinen zu unterstützen. Diese Be mühungen aber sind in fast allen namhaften Fahrradfabriken Englands, Frankreichs und Amerikas und wenigstens in einem großen Theil der deutschen Fabriken so rege, daß man füglich sagen könnte, die Fortschritte der jüngsten Zeit in der Fahrrad technik concentriren sich fast ausschließlich auf diesen Punct. Dabei läßt sich nicht leugnen, daß die Erfolge den Be mühungen keineswegs entsprechen. Von den zahllosen Motorfahrrädern, die im Laufe der letzten Jahre er funden worden sind, hat sich nicht rin einziges stärker einzu bürgern vermocht, und es ist kaum zu erwarten, daß es den neuesten Konstruktionen bester ergehen wird. Fast durchweg werden die Fahrräder durch den Einbau wenn auch noch so kleinrr Antriebsmaschtnen mit ihren Urbertragungen, Heizstoff reservoirs odrr Akkumulatoren derart verunziert und, was noch schlimmer ist, mit einem tobten Gewichte beschwert, daß ein rechter Fortschritt in diesen Einrichtungen nicht zu erkennen ist. Unter den neueren Erfindungen dieser Gattung ist als eine der besten das Motorzweirad der französischen Werner Lo. zu er wähnen, dessen Gewicht durch die Hinzufügung eine- Zpferdigen Petroleummotors nebst Reservoir nur um 16 Kilogramm erhöht wird. Das bedeutet freilich für ein rinsitzes Fahrrad noch Immer eine Gewicht-Verdoppelung. Tin besonderer Vorzug dieser Con- struction ist es, daß das Hinterrad ganz wir gewöhnlich durch ein Ketten- und Kurbelgetriebe vom Fahrer selbst in Bewegung gesetzt wird, während der vorn am Steuerrohr befestigte Motor durch einen Schnurantrieb daS Vorderrad tn Umdrehung ver setzt. Das 2j Liter fastende Petroleumgefäß fitzt oben am Rahmen der Maschine und soll eine Fahrt von 120 Kilometern bis zur Neufüllung gestatten. Man kann also dieses Rad nach Belieben durch die Kurbel oder in schwierigem Gelände, bei Gegenwind oder Ermüdung durch die Maschine antreiben und kann endlich auch die letztere nebst dem Reservoir zeitweilig ganz entfernen. Die weit schwereren ein- oder zweisitzigen Motor räder der Humber Eo., da» Pope Manufacturing Co. und anderer Firmen werden schon ihres unschönen Au-sehenS wegen sich vorläufig wenig Freunde erwerben. Ueberhaupt scheint für den Antrieb so leichter Fahrzeuge der richtige Motor noch nicht erfunden zu sein, vielleicht daß der neuerdings vervollkommnete und von einer italienischen Firma bereits für den Antrieb von Fahrrädern benutzte Acetylenmotor einen Fortschritt auf dieser Bahn bedeutet. Immerhin erwähnenswerth, wenn auch vor läufig mehr als gute Idee denn als praktische Ausführung ist eine Erfindung von Vallöe, die lebendige Kraft des Rades beim Bergabfahren aufzuspeichrrn, um sie später beim Bergauffahren mit Hilfe eines Druckluftmotors wieder in Arbeit umzusetzen. Es wird durch eine beim Bergabfahren gegen das Vorderrad gepreßte Rolle eine kleine Luftpumpe in Thätigkeit gesetzt, die in einem Sammelbassin Druckluft genug aufspeichert, um mit Hilfe eines kleinen Motors den Radfahrer zu unterstützen, wenn es bergauf geht. Die Idee ist zweifellos gut und könnte auch beim Fahren unter den Antrieb starken Windes von Nutzen sein, doch ist uns von der praktischen Ausführung des Patentes bis jetzt nichts bekannt geworden. Eine besondere Elaste der Motorfahrräder stellen die elek trischen Mehrsitzer vor, bei denen die Kraft der Fahrer durch einen kräftigen, von einer Sammlerbatterie gespeisten Elektromotor wirksam unterstützt wird, und mit denen infolge dessen besonders auf der Rennbahn eine ungeheure Geschwindig keit erzielt werden kann. Leider belasten die Akkumulatoren die Maschine in so hohem Grade, daß man ihrer nicht mehr mit führen kann, als man in geladenem Zustande für eine ganz kurze Fahrtdauer bedarf. Nach der Erschöpfung der Batterie aber ist das elektrische Fahrrad seine» schweren Gewichtes wegen unbehilflicher als jedes motorlose Rad. Die elektrischen Mehr sitzer werden deshalb nur auf der Rennbahn zu vorübergehenden Schrittmacherdiensten benutzt. Seit der schon vor mehreren Jahren von den MStropole Fahr radwerken in Paris auSgeführten Construction eine» ketten- losen Fahrrads, bei dem die Kraftübertragung von der Kurbel auf die Hinterradachse durch zwei Paar konischer Zahn räder geschah, haben die Erfindungen kettenloser Fahrräder einander auch in Deutschland überstürzt. Meisten» ahmen diese Constructioncn mehr oder weniger treu diejenige de» französischen MStropole-Rades nach, bedeutenden Eingang in die Praxis haben sie alle nicht gefunden, und das Fahrrad mit der alten seit 15 Jahren eingeführten Kette beherrscht den Verkehr nach wir vor. Zahnräder können eben nur bei außerordentlich exacter Bearbeitung es der Kette an Reibung»«rsparniß gleich thun, den geräuschlosen Gang der letzteren errrichen sie fast nie, und schließlich bergen die Fahrräder mit Zahnradübertragung stets dir Gefahr, daß bei dem immerhin möglichen Bruch eine» Zahnes während der Tour oder auf der Reis« da» ganz« Rad un brauchbar wird, während bei dem allerdings auch hin und wieder vorkommenden Zerreißen der Kette der Fehler entweder unter- weg» oder in der nächsten Dorfschmüd« sich wieder gut machen läßt. Auch sonst beschränken sich die wichtigeren Neuerungen im Fahrradbau auf eonstructtve verbesserunaen de» Kurbellager» al» de« meist beanspruchten Gliedes im Fahrradmechanismu». auf eine möglichst vollkommen« Abdichtung der Kurbellager gegen da» Eindringen von Staub und da» Autfließen von Oel und auf mehr oder weniger sinnreich«, aber größtentheil» zweck lose Abäntxrungen der Bremleonstruction. Noch immer sucht man da» Kurbellager durch Annäherung der beiden Kugelreihen, in denen e» recht» und link» läuft, an einander möglichst zu verschmälern, um den einseitigen Druck der Kette gleichmäßig auf beide Kugelreihen zu übertragen. Aus demselben Grunde sind neuerdings eigenartige Formen der Kurbeln und des Ketten rades ausgebildet, um das letztere durch eine glockenförmige Ausbäuchung seiner Nabe mit dem Umfang zwischen die Kugel lager anstatt außerhalb derselben zu verlegen. Dem ost gehegten Wunsche der Radfahrer, das Ueber- tragungsverhältniß zwischen Kurbel und Hinterrad oder die sogenannte Uebersehung während der Fahrt ändern zu können, um in der Ebene und bei günstigem Winde schnell, bergauf und bei Gegenwind langsam fahren zu können, kommen jetzt Dutzend« von veränderlichen Uebersetzungen entgegen, während es ihrer auf der Berliner Fahrradausstellung des vorigen Jahres erst eine oder zwei gab. Sie sind so ziemlich alle gleich complicirt, verhältnißmäßig kostspielig und wahrscheinlich auch ziemlich empfindlich, so daß ihre Dauerhaftigkeit bei starkem Gebrauch wohl noch in Frage steht. Verfasser zieht ihnen allen die einfache und erprobte Uebersetzungsveränderung vor, die darin besteht, daß man während der Tour von dem zeitweiligen Kettenrade den Kranz abnimmt und durch einen mitgefllhrten Reservekranz kleineren Umfanges ersetzt, sobald andauernder Gegenwind oder bergiges Terrain das Fahren mit der gewohnten Uebersetzung erschwert. Die nöthige Umänderung nebst der Verkürzung der Kette um einige Glieder läßt sich auch auf der Landstraße im Laufe von 20—30 Minuten ausführen. Von den gewerblichen Zwecken, denen das Fahrrad neuer dings dienstbar gemacht worden ist, wollen wir nur seine B e - Nutzung im Dien st e der Feuerwehr anführen. Ein amerikanisches Feuerwehrrad wurde schon im vorigen Jahre construirt und mehrfach ausgeführt, und zwar nicht nur als Unterstützung der gewöhnlichen Feuerwehrzüge, sondern als selbstständiger Löschtrain. Mit einer Rotationspumpe und Schlauchleitung ausgerüstet, konnte das vierräderige und für vier Mann bestimmte Gefährt sehr schnell an Ort und Stelle sein und mit kleineren Bränden ganz wohl ohne Unterstützung fertig werden. Die Einrichtung war derart, daß das Kurbel getriebe beim Stillstand des Rades auch zum Antrieb der Rotationspump« benutzt werden konnte. Abgesehen von der Ausrüstung einzelner Mannschaften mit einsitzigen Fahrrädern für den Aufklärungsdienst in der Feuerwehr zur schnellen Benachrichtigung u. s. w. (wie in Leipzig), ist neuerdings beispielsweise für die Breslauer Feuerwehr von den dortigen Aurora-Fahrradwerken ein Feuerwehrrad für drei Mann gebaut worden, das trotz dieser hohen Belastung und einer ziemlich schweren Ausrüstung zur ersten Hilfeleistung sich auf sehr schlechtem Pflaster und bei schnellster Fahrt sehr gut bewährt haben soll. Einen wirklichen Fortschritt In der Fahrradtechnik soll nach den ausführlichen Untersuchungen von Thusius in Nürnberg der sogenannte Luftpuffer-Rahmen der Firma Jansen L To. in Chemnitz bedeuten, der infolge seiner Vorzüge bereits von mehreren Firmen für den Bau ihrer Fahrräder acceptirt worden ist. Der zur Ueberwindung der Bodenunebenheiten beim modernen Fahrrad unerläßliche Pneumatikreifen erfüllt seinen Zweck bei kleineren Hindernissen von 1—2 em Höhe, bei geringeren Unebenheiten der Chaussee, auf mäßig gutem Pflaster ausgezeichnet, indem er durch seine elastische Masse so zusagen die Unebenheiten de» Wege» ausfüllt und e» dem Fahrer I erspart, unter Verlust von Arbeitskraft und Aufwendung be trächtlicher Erschütterungen gleichsam über die genannten Hinder nisse hinwegzusteigen oder mit dem Rade in sie hineinzusinken. Dagegen versagt die federnde Wirkung des Gummischlauches sofort, wenn es sich um Hindernisse wie größere Steine, Bord schwellen, Baumwurzeln oder sehr unebenes Pflaster handelt, deren Höhe die Pneumatikstärke übertrifft. Das Eindrücken des elastischen Gummireifens nützt alsdann sehr wenig, und die Erschütterung nebst der Gefahr eines Rahmenbruches ist fast ebenso groß, als wenn das Rad ohne Pneumatik liefe. Für diese Hindernisse bietet der Luftpuffer-Rahmen ein einfaches und äußerst wirksames Gegenmittel. Es ist das Hintere Rahmen dreieck in der Weise elastisch geformt, daß die horizontale Hinter radgabel am Kurbellager durch ein Charnier drehbar gemacht und in das obere Ende der vertikalen Gabel ein federnder, mit gepreßter Luft gefüllter Puffer eingeschaltet ist. Während also der viereckige Rahmen mit dem Vorderrade, Sattel und Kurbel sein« bisherige starre Form beibehält, wird die elastische Kraft des Hinterradpneumatiks durch den darüber befindlichen Puffer aufs Nachdrücklichste unterstützt, und das Passiren selbst größerer Steine, Bordschwellen, hoher Wurzeln und dergleichen mit sehr geringer Erschütterung und ohne Gefahr für den Rahmen möglich gemacht. Unter den neuerfundenen Zubehörtheilen der Fahrräder sollen wenigstens die sogenannten Radläufer- glocken und die A c e t y l e n l a t e r n e n als die wichtigsten dieser Erfindungen erwähnt werden. Die Radläuferglocken, deren Schlagmechanismus dadurch in Bewegung gesetzt wird, daß eine Rolle durch einen leichten Druck gegen das in Bewegung befindliche Vorderrad in ungemein schnelle Rotationen verseht wird, haben bei ihrem ersten Auftauchen durch ihr schrilles gellendes Geläut gewiß manchem Spaziergänger, dem das Straßenbild ohnehin schon lebhaft und geräuschvoll genug war, eine leise oder laute Verwünschung abgelockt. Wer aber selbst häufiger in der Lage ist, seinen Weg zu Rade durch das Straßen leben einer Großstadt hindurch zu suchen, der weiß, daß bei dem ohrenbetäubenden Lärm des Verkehrs das gellendste Glockenzeichen zuweilen nur gerade hinreichend ist, um sich einen, wenn auch noch so schmalen Durchgang durch das Gewirr der Wagen und Fußgänger zu verschaffen. — In der Verbesserung der anfänglich primitiven Oellamprn für Fahrräder haben die neuer dings in den Handel gebrachten Acetylenlaternen wenigstens in ihren besseren Formen einen unendlichen Fortschritt hervor gebracht. Man hat anfangs von der Explosionsgefahr des Acetylens gerade bei ihrer Verwendung als Fahrradlaterne schlimme Folgen befürchtet, doch giebt es heute, wie Verfasser aus Erfahrung versichern kann, durchaus explosionssicherc, einfach construirt« und dabei verhältnißmäßig billige Acetylcnlampen, auf deren Zuverlässigkeit man bei sachgemäßer, sorgfältiger Behandlung unbedingt bauen kann. Welche Annehmlichkeit es aber ist, bei nächtlicher Fahrt in fremden Gegenden da» blendend weiße, über 100 m weit strahlende und unmittelbar vor dem Rade die ganze Wegbreite bis zu 10 m erhellende Licht einer sturm- und erschütterungssicheren Laterne vor sich zu haben, kann jeder Radfahrer beurthrilen, der einmal einen ähnlichen Wey unter entgegengesetzten Umständen zurückgelegt hat.
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