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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.09.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-09-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980915013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898091501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898091501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-09
- Tag1898-09-15
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Wie eingehend sind die Bestimmungen über die Rechte und Pflichten des Verkäufers und des Käufers, während beim Dienst oder Arbeitsvertrag die Gesetze es dem Richter überlassen, „nach all gemeinen Rechtsgrundsätzen" sein Urtheil zu finden. Daß das «in Fehler ist, soll damit nicht gesagt sein. Im Gegenthril, da der Mangel gesetzlicher Bestimmungen eine Folge der Thatsache ist, daß sich unsere Juristen mit der rechtlichen Ausgestaltung des Arbeitsvertrages noch nicht genügend beschäftigt haben, so können alle Bethciligten nur froh sein, daß die Gewerbegerichte bei ihren Urtheilen nicht durch unangebrachte Rechtssätze ein geengt sind, sondern sich in der Lage befinden, aus dem frischen Borne des Lebens zu schöpfen, d. h. nach ihrem Ermessen zu urtheilen. Denn da die Findung der Urtheile nicht einseitig durch gelehrte Richter geschieht, sondern unter Mitwirkung von Männern auS dem Leben, so hat sich der Mangel gesetzlicher Vorschriften noch nicht empfindlich bemerkbar gemacht. Auch die juristischen Vorsitzenden der Gewerbegerichte scheinen unter dem von ihnen wohl hin und wieder beklagten Mangel an Vor schriften nicht sehr zu leiden, weil sonst wohl aus ihrer Mitte schon umfassendere Versuche der Klarlegung der ZweifelSpuncte gemacht worden wären. Bis jetzt ist ein solcher Versuch seit Jahresfrist nur erst angekündigt. Nachstehend seien einige Punkte erörtert, über welche besonders oft Zweifel auftauchen. Da ist zunächst die Frage der Bezahlung von Ueberstunden, wenn nichts vereinbart ist, solche aber in der eiligen Geschäftszeit üblich sind. Es ist wohl hier und da der Standpunkt vertreten, daß die Ueberstunden nicht bezahlt zu werden brauchen, wxil der festgesetzte Wochen- oder Monatslohn eine Vergütung für die gesammte, ungemessene Arbeitsleistung, soweit sie für den Be trieb erforderlich werde, enthalte. DaS Äewerbegericht Magde burg hat demgegenüber ausgesprochen, daß es in erster Linie auf die Usancen des Geschäftszweiges an dem betreffenden Orte ankomme, daß aber, wenn die Geschäftssitte bei den einzelnen Gewerbetreibenden verschieden sei, also keine feste Usance be steh«, der Grundsatz gelten müsse, daß Ueberstunden zu ver güten seien. Die zweite Frage ist: „Wie sind sie zu bezahlen?" Auch bei dieser Frage wird man zunächst erforschen müssen, ob ein allgemeines Herkommen in der Branche oder am Orte besteht. Ist das nicht der Fall, so muß man dem genannten Gewerbegerichte zustimmen, daß der Arbeiter nur den gleichen Lohn zu beanspruchen habe wie für di« regelmäßige Arbeitszeit. Speise und Trank, die der Arbeitgeber während der Ueber stunden dem Arbeiter liefert, giebt er nicht in der Absicht, dafür Ersatz zu fordern, sondern um die Arbeitskraft des Arbeiters sich ungeschmälert zu erhalten. Ein anderer häufiger Zweifelspunct ist die Zulässigkeit von Abzügen bei der Lohnzahlung. Das Gesetz schreibt bekanntlich vor, daß die Löhne baar auszuzahlen sind, und daß jede Ver fügung des Arbeiters über seinen demnächstigen Lohn, sei es durch Abtretung, Anweisung, Verpfändung oder ein anderes Rechtsgeschäft, ungiltig sei. Durch diese Bestimmung ist die Freiheit des Arbeiter» oder Beamten, über seinen verdienten Lohn im Vorau» zu verfügen, aufgehoben. Dies war der Grund, warum «in Bauunternehmer den Lohn eines Gesellen doppelt zahlen mußte. Er hatte den Lohn seinem Polir richtig gegeben, um ihn an die Arbeiter zu vertheilen. Der Polir zog einem Gesellen 10,50 mit dess»n ausdrücklicher Genehmigung ab, um diesen Betrag einem Schankwirthe, bei dem der Geselle Speisen und Getränke entnommen hatte, auSzuhändigen. Das Gewerbegericht in Königsberg verurtheilte, als der Geselle auf Zahlung seines rückständigen Lohnes von 10,50 klagt«, den Bauunternehmer, da di» Löhne baa.r auszuzahlen seien. Abzüge darf der Arbeitgeber aber dann machen, wenn der Arbeiter sein Schuldner geworden ist, sei es dadurch, daß er die Arbeiten ungehörig auSgeführt, daß er die ihm gegebenen Ge rächt oder Materialien vorsätzlich oder fahrlässig beschädigt hat oder daß er ohne triftigen Grund die Arbeit einstellt. Diese Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers vermindert von selbst, sowie sie entstehen, die Lohnforderung des Arbeiters. Dieselbe beschränkt sich auf den Restbetrag, und dieser ist, wie sonst, baar auszuzahlen. Das Recht, den Lohn auch wegen geschehenen Ver lassens der Arbeit innezubehalten, wird allerdings selten praktisch geübt werden können, weil der Arbeiter erst den Lohn erheben und nachher die Arbeit verlassen wird. Stellt er aber seine Arbeit z. B. am Mittwoch ein und ist der Sonnabend der Löhnungstag, so kann ihm der Arbeitgeber auf Grund des 8 124 d der Gewerbeordnung für drei Tage den ortsüblichen Tagelohn, wie er für jede Krankencasse festgesetzt ist, innehalten. Der Arbeitgeber verliert dadurch den Anspruch auf Fortsetzung der Arbeit und auf Ersatz etwaigen höheren Schadens. Das gleiche Recht auf den ortsüblichen Tagelohn haben auch die Arbeiter, Gesellen u. s. w. im Falle ihrer rechtswidrig ge schehenen Entlassung. Im Voraus den Lohn innezubehalten, um sich zu sichern, daß der Arbeiter nicht rechtswidrig die Arbeit im Stiche lassen werde, ist nur zulässig, wenn dieses besonders ausbedungen ist. Es darf zum Zweck solcher Sicherung bei den einzelnen Lohn zahlungen nicht mehr als ein Viertel des fälligen Lohnes und im Ganzen nicht mehr als der durchschnittliche Wochenlohn innebehalten werden. Mancher Arbeitgeber ist, wenn der Ar beiter gekündigt hat, in Versuchung, am nächsten Löhnungstage den Lohn innezubehalten, weil er fürchtet, daß der Arbeiter nicht wiederkomme. Er ist hierzu nicht berechtigt, wenn es nicht vor her ausgemacht ist, und selbst dann darf er nur den vierten Theil innebehalten. Liegt der Fall vor, daß der Arbeiter schon vor dem Löhnungstage die Arbeit rechtswidrig aufgirbt, so ist der Arbeitgeber nicht darauf beschränkt, nur ein Viertel des Lohnes zurückzuhalten. — Ist der Arbeiter inzwischen schon bei einem anderen Meister oder Fabrikanten in Arbeit getreten, so kann der durch den Vertragsbruch geschädigte bisherige Arbeitgeber den Lohn nicht mehr mit Beschlag belegen lassen, selbst dann nicht, wenn seine Forderung gerichtlich festgestellt sein sollte. Ueber die Zeit der Lohnzahlung sei noch bemerkt, daß einem z. B. nach einer am Mittwoch erfolgten vierzehntägigen Kün digung austretenden Arbeiter oder Gesellen der Lohn auch bei seinem Austritte am Mittwoch zu zahlen ist, und nicht erst an dem in dem Geschäfte üblichen Zahlungstage, z. D. dem Sonn abende. Es ist unbillig, zu verlangen, daß der Arbeiter, welcher vielleicht inzwischen an einer anderen Arbeitsstätte Arbeit ge funden, oder solche gar außerhalb sucht, am Zahlungstage zurückkehrt. Schließlich sei noch erwähnt, daß die Meinung mancher Arbeiter und auch mancher Arbeitgeber, haß innerhalb der ersten vierzehn Tage jeder Theil das Recht habe, täglich vom Vertrage zuriickzutreten, eine irrige ist. Beiden Theilen steht vielmehr nur jeden Tag das Recht einer vierzehntägigen Kündigung zu, wenn nicht in der Arbeitsordnung eine andere Frist festgesetzt, oder vielleicht bestimmt ist, daß eine Kündigung überhaupt nicht statt findet. Einen Arbeiter, der rechtswidrig die Arbeit verlassen hat und der von einem anderen Arbeitgeber ohne Kenntniß des Sachverhaltes angenommen ist, muß letzterer sofort entlassen, wenn ihn der dienstberechtigte Arbeitgeber noch innerhalb der Zeit, für welche er auf die Dienste Anspruch hat, spätestens jedoch nach vierzehn Tagen, von dem Vertragsbruch« in Kenntniß setzt. Einen Uebelstand hat übrigens der Mangel gesetzlicher Vor schriften zur Folge, nämlich daß di« Betheiligten über ihre gegen seitigen Rechte und Pflichten oft im Unklaren sind, weil feste Rechtssätze fehlen. Denn man trifft auf entgegengesetzte Ent scheidungen der verschiedenen Gewerbegerichte in wichtig«» Fra gen. Es dürfte jetzt, nach achtjährigem Bestehen der Gewerbe gerichte, an der Zeit sein, den ersten Schritt zu einer gesetzlichen Festlegung vorläufig allerdings nur derjenigen Rechtssätze vor zunehmen, welche sich in den bisherigen Entscheidungen der Ge werbegerichte als gemeinsame oder doch stark vorherrschende Rechtsüberzeugung der Betheiligten herausgestellt haben. ZUM Genfer Attentate. Provenienzen und Consequenzen der That. Nach Allem, was in glaubwürdiger Weise über das Be tragen deS Mörders in der Untersuchungshaft gemeldet worden ist, thut er der deutschcn Socialdemokratie nicht den Gefallen, sich als außergewöhnlich excentrisch zu geben, geschweige denn als verrückt zu erscheinen. Luccheni ist jedenfalls^ körper lich und geistig noch gefestigter, als der Mörder Carnot'S, Caserio, gewesen, an dessen Zurechnungsfähigkeit aber auch kein ernsthafter Zweifel entstehen konnte. Nichts destoweniger weiß, wie schon berichtet, der „Vorwärts" den kalten Mordbuben von Genf zu einem Irr sinnigen zu stempeln. Die Heranziehung der Theorie Lom- broso's — gegen die sich der Mörder selbst verwahrt — kann aber nicht mehr Eindruck machen, als die Ver tuschung der Thatsache, daß das deutsche Socialisten- gesetz einem politischen Mordversuch gefolgt ist. Und auch nach Ablauf desselben hat die deutsche, wie überhaupt die internationale Svcialdemvkratie es nicht unterlassen, den Fürstenmord zu glorificiren. Es geschieht das noch alljährlich in dem berüchtigten Blutkalender, den die deutsche Parteileitung herausgiebt, und auf dem internationalen Socialistencongreß zu Brüssel hat ein Strick mit der Etiquette: „Die beste Cravatte König Leopold'-" paradiit. An den Gedanken deS Blutvergießens gewöhnt die Social demokratie ihre Anhänger gerade so wie der Anarchismus. Daß sie mehr die Mafsenschlächtere, ins Auge faßt, als den Einzrlmord, ist eben nur ein quantitativer Unterschied. In einer offenbar befreundeten Presse wird berichtet, Luccheni habe sich zwar in einem Hauptort der italienischen Socialdemokratie längere Zeit aufgehalten, aber dort könne er den Mordgedanken, den er verwirklichte, un möglich eingesogen haben. Selbst dies angenommen, jedenfalls hat ihn die socialdemokratische Propaganda so empfänglich für die Lehren der Propaganda derThat gemacht, daß er in sehr kurzer Zeit ein Musteranarchist geworden ist — eine neue Bestätigung der alten Erfahrung, daß der Socialismus eS ist, welcher dem Anarchismus gewöhnlich bas Halbfabrikat zur raschen Fertigstellung der Mord- und Brandgesellen liefert. Die Consequenzen werden zur gelegenen Zeit gezogen werden. Einstweilen handelt eS sich darnm, durch internationale Polizeimaßreyeln den revolu tionären Mördern nach Thunlichkeit Einhalt zu thun. Die Forderung, daß alle notorischen Anarchisten und der anarchistischen Gesinnung Verdächtigen, die sich im AuSlande aufhalten, in den Heimathstaat abgeschoben werden müssen, ist wieder erhoben und wird diesmal von der Schweiz und von England nicht mit schönen Neben über daS Asylrecht abgethan werden können. Nnr eine krankhafte Doctrin kann in der Bande, die die Caserio und Luccheni hervorbringt, etwas Besseres und Schutz- bedürftigeres sehen, als in einer Gesellschaft bestrafter Falzschmünzer oder Einbrecher, die kein Staat mit der Ausweisung verschont, wenn er ihre Vergangenheit kennt. Luccheni aber war den Schweizer Behörden als Anarchist bekannt. Es ist thöricht, mit dem Hinweise auf die Er mordung deS gut bewachten Zaren Alexander II. den Ver zicht auf weitere Vorbeugungsmaßnahmen zu begründen. Ebenso gut könnte man au» der Thatsache, daß alltäglich Verbrechen begangen werden, di« Ueberslüssigkeit der Polizei überhaupt herleiten. Es ist schon au« principiellen Gründen nöthig, daß jeder Staat nur diejenigen Anarchisten in seiner Mitte duldet, dir er dulden muß, also die eigenen Staatsangehörigen. Denn dem Auswurf der Menschheit darf nirgends freiwillig eine Stätte geboten werden, er soll sich auSgestoßen fühlen. So weit wir die nichtradicale deutsche Presse übersehen, besteht auch Einmüthigkeit in dem Verlangen nach internatio nalem Schutz gegen Unthaten wie die Genfer. Eine Ausnahme macht die „Germania". Für diese Fromme ist auch die Er mordung der Kaiserin Elisabeth ein Vehikel zum Ziele, zu der unbeschränkten Herrschaft der Kirche. Da» ultramontane Blatt rechnet offenbar auf die Vergeßlichkeit feiner Leser, wenn es dir „ Lehren des Christenthum«", wie der Ultramontanismus sie versteht, als einziges Mittel zur Rettung der Gesellschaft anpreist. Das Scheusal Caserio war bekanntlich sehr fromm, von bigotten katholischen Eltern und dergleichen Lehrern au- geistlichem Stande erzogen worden. Vom kork und seiner Gewinnung. Skizze von Anton Lrucker. Nachdruck vkrdotrn. Vorbei ist der Lärm und das Getümmel, der Jammer und der Schrecken des Krieges. Die Friedenspräliminarien sind unterzeichnet, Spanien, das „schöne Land des Weins und der Gesänge", darf wieder aufathmen und an etwas Anderes denken, als an Waffen und Munition und Kriegsanleihen. In ihre Rechte treten die Werke des Friedens wieder: Industrie, Handel. Gewerbe, Kunst und Literatur werden die Wunden bald zum Vernarben bringen, die der Krieg, der unglückliche, aber rühm liche, geschlagen hat. Unter den wichtigsten Industriezweigen der pyrenäischen Halbinsel ist die Kortgewinnung der wichtigsten einer. Fragen wir uns zuerst: was ist Kork? Kork ist sozusagen das Verbandmittel, welches die Pflanzen anwenden, um bei erhaltenen Wunden die darunter liegenden Schichten vor zu großer Wasserverdunstung und ferneren Beschädigungen von außen her zu bewahren und die Wunden selbst zu schließen und zu vernarben. Unter dem Mikroskop besehen, macht sich das Korkgewebe sehr hübsch. Es besteht, wie man sehr deutlich erkennen kann, aus prismatischen, mehr öder weniger tafel förmigen Zellen, welche, wie von Menschenhand geordnet, mit ihrem größeren Durchmesser der Oberfläche des Pflanzentheils parallel aufgeschichtet sind. Dem Auge des Beobachters bietet sich also ein äußerst zartes, zierliches Netz dar, dessen einzelne Maschen untereinander in lückenlosem Verbände stehen. Die Zellchen, aus denen das Korkgewebe besteht, haben mäßig dicke Oberhaut und enthalten im abgestorbenen Zustande nur Luft, sind aber für Gase und ganz besonders für Wasser im höchsten Grade undurchlässig. Das Korkgewcbe für sich bildet auf der Oberfläche des verwundeten Pflanzentheiles eine Schicht, die sogenannte Korkschicht, welch« bei den verschiedenen Pflanzen von verschiedener Dicke ist. Diese Korkschicht hat auch eine interessante EntstehungS- weise. Sie bildet sich aus einem Gewebe, dem Korkrrzeuger oder Phellogen, durch Zelltheilung in der Weise, daß nach jeder Thei- lung einer Korkmutterzell«, die eine Tochterzrlle sozusagen zu einer Mumie einschrumpft und die neue Korkzelle bildet, wäh rend die andere ihr Leben und ihre ursprüngliche Beschaffenheit beibehält und die erwähnte Theilung ihrerseits fortsetzt. Die Elasticität und Dehnbarkeit des so entstandenen Kork» beruht einzig und allein auf der außerordentlich leichten Verschiebbar keit der Zellen zu einander und zwar in tangentialer Richtung zum Stammumfange. Fast alle Pflanzen bilden ihren Kork in dieser Weise. Kork als solcher ist also schon sehr verbreitet und man würde ihn überall gewinnen können, wenn er nur in gewünschter Dicke überall vorkäme, wa» ab«r eben nicht der Fall ist. Schon beim gewöhnlichen Feldahorn (^oer oampestrL), mehr noch bei der > Ulme (Iljmus oaiupestris) findet sich eine ziemlich reichliche I Korkbildung vor, aber leider zerreißt der gebildete Kork beim! Dickerwerden der Schicht und wird auf diese Weise unbrauchbar. Erst die eigentliche Korkeiche (Huereus suber) liefert wirklich brauchbaren Kork, und zwar in dicken, homogenen Platten. Der Kork, welcher in den Handel kommt, stammt zumeist von dieser Eichenart her, welche nicht nur in Spanien, sondern auch bis tief ins Marokkanische hinein, in Nordafrika, weniger schon in Italien und Frankreich, und selten auch in Griechenland vorkommt. In Spanien sind es namentlich die Provinzen Estremadura und Bizcaya, die durch ihre Korkgewinnung wichtig sind. Die Korkeiche war schon den alten Römern bekannt, und auch die Idee, die elastischen Eigenschaften ihrer Rinde praktisch zu verwrrthen, ist ihnen gekommen, jedoch hat der Kork nur eine ganz unwesentliche und gewiß äußerst mangelhafte Ver- werthung gefunden. Erst das erfinderische Genie des durstigen Pater Kellermeisters der Abtei vom Haute-Villiers, Dom PSrignon, der zuerst den Kork zu Pfropfen verarbeitete, brachte diesen Industriezweig, und zwar zuerst im Lande des Weins und der Gesänge, zur Aufnahme. Aus jener Zeit, um 1700 ungefähr, datirt die Korkgewinnung in Spanien. Heutzutage freilich hat sich die technische Verwendung desselben und somit dir Herstellung von Korkartikeln weit über Spaniens Grenzen hinaus verbreitet. Frankreich, Algier, Dalmatien, Istrien. England treiben Korkindustrie. In Deutschland besitzen Bremen. Sachsen, Thüringen, Baden und Hessen große Korkfabriken. Spanien jedoch liefert auch heute noch das beste Rohmaterial. Gewöhnlich beginnt man mit der Korkausnutzung an 15jährigen Bäumen und kann dann in geeigneten Zeiträumen von 8—10 Jahren 100—150 Jahre lang von einem und dem selben Baume schälen. Die Ruhezeit hängt ab vom jedesmaligen Standort des Baumes. I« schattiger derselbe ist, desto länger dauert die Bildung der Korkschicht. Das Product der ersten und zweiten Schälung ist weich, aber wenig elastisch; erst die dritte Schälung liefert eine Rinde, aus welcher gute Pfropfen geschnitten werden können. Ganz alte Bäume erzeugen eine harte, brüchige und daher ziemlich werthlose Rinde, welche weniger zu Stöpseln, als vielmehr zu Camptulikon, Linoleum und den sogenannten Korksteinen verarbeitet wird; die Kohle dieser Rinde wird auch al» schwarzer Farbstoff und als Polir- mittel verwandt. Zur Abschälung des Korkes vom Stamm des Baumes selbst macht man mit einem scharfen Messer von etwa 12 Zoll Länge rings um den Stamm in wagerechter Richtung laufende, etwa 3—4 Fuß von einander entfernte, parallele Horizontaleinschnitte, wobei man sich ganz besonders hüten muß, nicht die unter der Korksubstanz liegende Bastschicht oder den Korkerzeuger, das Phellogen, zu verletzen oder gar mit zu durchschneiden, weil diese Verletzung seines säftezuführenden Theiles den Baum zum Ab sterben bringen würde. Diese Kreisschnitte werden nun mit gleicher Vorsicht durch Läng»schnitte, welche etwa »inen Fuß von einander entfernt geführt werden, verbunden, und die so entstandenen Rindenscgmente behutsam von der Bastschicht ab gelöst. Bäume, die nicht geschält werden, werfen ihre Korkrinde doch von Zeit zu Zeit freiwillig ab und werden nicht so alt wir jene, die man künstlich schält. Die spontan abgestoßene Rinde ist leider sehr unegal, rissig, brüchig und zu Pfropfen völlig unbrauchbar. Die abgeschälten Rindenstücke werden zunächst genau auf ihre Qualität geprüft und danach sortirt. Stücke von geringerer Güte werden gleich hier ausgeschieden und später hauptsächlich zur Herstellung von Schwimmern zu Fischernetzen und Angeln benutzt und kommen unter der Bezeichnung „Fischerkork" in den Handel. Die sortirten guten Platten werden zunächst auf Haufen geschichtet, mit Steinen beladen und so an der Luft getrocknet, welche gar bald die Feuchtigkeit auf der Bast- oder Innenseite entführt. Lufttrocken, wie sie sind, werden die Rindenstücke nun gekocht, d. h. etwa fünf bis sechs Minuten der unmittelbaren Einwirkung siedenden Wassers ausgesetzt, welches sich in eigens dazu her gestellten großen, eingemauerten Kesseln über Coacsgluth be findet. Mit langgestielten eisernen Zangen hält man die Platten dicht über die wallende Oberfläche des Wassers, da, wo der Dampf fast uncondensirt entweicht und am heißesten iß. Durch diese Behandlung wird die Rinde weicher und zarter und läßt sich aus dem gekrümmten, natürlichen Zustande leicht flach ausbiegen, ohne gleichzeitig zu reißen. Hierauf werden die Platten geschabt, wobei man mit einem scharfen, dreieckigen sogenannten Schabeisen — wie die Metzger es zur Reinigung ihrer Klötze gebrauchen — die an der rauhen Außenfläche be findlichen holzigen Theile abkratzt, was bei der durch das vorher gegangene Aufsieden erweichten Rinde sehr leicht zu bewerk stelligen ist. Sodann hält man die einzelnen geglätteten Stücke, und zwar sehr behutsam, über rauchlos glimmende Holzkohlen- gluth, theils um sie etwas zu bräunen und ihnen an der Ober fläche ein zarteres, satteres Aussehen zu geben, theil- freilich auch, um vorhandene kleine Spaltungen und Risse durch Zu sammentrocknen geschickt zu verdecken. Dieses Brennen wird bei den geringeren Sorten natürlich in stärkerem Maße aus geführt, um dazu noch die äußeren Holztheile, welche hier der schlechteren Qualität des Materials wegen der Abschabearbeit nicht werth und wegen seiner Brüchigkeit auch nicht fähig waren, zu zerstören. Endlich werden noch die Ränder der Rindenstücke mit scharfen Mestern beschnitten und brstutzt, was ebenfalls nur geschieht, um die Waare dem Auge des Käufers gefälliger zu machen. Diese Bearbeitung erfahren jedoch nur die besten Sorten. Die einzelnen, in angegebener Weise zugerichteten Platten haben dann eine Durchschnittslänge von etwa 1 m, eine Breite von etwa 30 am und eine Maximaldicke von un gefähr 5 am. Behufs Versendung werden sie mit starken, trockenen Hanfseilen in Ballen von 50—60 Kilo zusammen geschnürt. Wa» nun die praktisch« vernxrthung d<» also präparirten Materials betrifft, so wird auch heute noch der Koick haupt sächlich zu Stöpseln verarbeitet. Die Pfropfen wurden früher sämmtlich mit der Hand geschnitzt. Man bediente sich dabei scharfer Messer und dämpfte die Platten vorher gehörig durch, wodurch sie erweicht und leicht schneidbar werden. Ein Arbeiter schnitt bei lOstündiger Arbeitszeit pro Tag bis 1200 Pfropfen für Weinflaschen. Je mehr sich aber das Bedürfniß nach Kork pfropfen vergrößerte, desto nothwendiger wurden Maschinen, um dasselbe zu decken; beschäftigte doch schließlich New Aork allein 4000 Mann mit Psropfenschnciden, und doch litt man bitteren Mangel an Stöpseln. So wurden dann Korkschneide maschinen erfunden, mit denen man heutzutage in 10 Stunden 25000 Pfropfen fertig geschnitten und nach ihrer Größe sortirt, Herstellen kann. Auf diesen Maschinen wird die Korkplatte durch 800—1000 Mal in der Minute rotirende kreisförmige Messer in kerzenartig runde Stäbe von der gewünschten Dicke zer schnitten. Diese Stäbe werden mit einem, nach Art einer Bandsäge über zwei Scheiben gelegten scharfen Stahlband in der bestimmten Länge zerschnitten. Eine weitere Vorrichtung besorgt das Sortiren der fertigen Pfropfen, von denen die besten für Champagner- und Mineralwafferflaschen verwendet werden. Kocht man die Korke in Paraffin, so werden die Poren verschlossen und chemische Stoffe wirken dann weniger zer störend auf die Korksubstanz ein. Will man den Pfropfen durchbohren, so benutzt man eine Rundfeile, indem man zuerst ein Loch durch den Pfropfen sticht und dieses ausfeilt, oder man greift zu dem sogenannten Korkbohrer, einem an einem Ende geschärften Messingrohr, durch dessen anderes mit einem Ringe versehenes Ende man einen Stab steckt, um mit Hilfe dieses Hebels di« Röhre drückend und drehend durch den Pfropfen zu treiben. Doch nicht nur zu Flaschenverschlüffen allein wird der Kork verwandt. In Spanien z. B. wird die Korkrinde auch zu Fußböden, zu kühlenden und doch leichten Dachdeckungen, zu Sesseln u. s. w. benutzt, auch zu dicken Korksohlen an Haus und Arbeitsschuhen. Eine Zeit lang stand auch die Kunst der Korkschnitzerei, namentlich zu Anfang der fünfziger Jahre unseres Jahrhunderts — auch Wohl früher schon — in großem Flor. Schwimmgürtel, Korkjacken, Hutfutter, Rettungsböte, Ueberzüge von Dampfröhrenleitungen, Mühlsteine zum Ent- schälen von Hülsen- und Spelzenfrüchten, Amboßunterlagen Kofferdämme auf Panzerschiffen u. A. m. werden aus Kork hergestellt oder doch wenigstens wird Kork dabei verwendet. Die physikalischen Eigenschaften de» Korks, vor allen Dingen seine enorme Leichtigkeit, seine Elasticität und Undurchlässigkeit für Gase und Flüssigkeiten und seine große Dauerhaftigkeit und Widerstandsfähigkeit gegen äußere Einflüsse haben ihm mit Recht eine bedeutend« technische Wichtigkeit verschafft. Noch heute steht er in dieser Art ohne Concurrenz da; keine andere Substanz, selbst Kautschuk nicht, vermag ihn zu ersetzen.
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