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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.09.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-09-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189809189
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18980918
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18980918
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-09
- Tag1898-09-18
- Monat1898-09
- Jahr1898
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.09.1898
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Reclamrn unter dem Redactionsstrich (Lao spalten) 50^, vor den Famtlteanachrichten (K gespaltou) 404- Größere Schriften laut unserem Pruts« verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung ^l 60.—, mit Postbeförderung >» 70.—. Ännahmeschluß für Auznzea: Abrad-AuSgab«: vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je ein« halb« Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz iu Leipzig. Sonntag den 18. September 1898. 92. Jahrgang. Aus der Woche. Die unglückliche Kaiserin Elisabeth ruht neben ihrem vnglücklicheren Sohne in der Kapuzinergruft, die fremden Theilnehmer an der Beisetzung sind von Wien abgereist und haben den Dulder Franz Josef mit seinem Schmerz allein gelassen. Die Welt wird anfangen, wieder auf Anderes zu blicken, als aus die ermordete Kaiserin, aber sie sollte sich hüten, von ihrem Rechte des Vergessens so eilig Ge brauch zu machen wie nach früheren anarchistischen Unthaten, und sie sollte vor Allem durch Gemeinsamkeit der in dem Worte „Gewalt" inbegriffenen Ziele von Anarchismus und Socialdemokratie im Auge behalten. Die Männer des „großen" und deS Einzelkladderadatsch sind gleichwrrthig und dir Ersteren haben auch bei dem letzten blutigen Anlaß kein Glück mit dem Bemühen gehabt, einen Trennungsstrich zwischen sich und den aus praktischen Gründen verleugneten Mitstrebenden zu ziehen. Mag der „Vorwärts" noch so viel von dem Eollectivismus der Socialdemokraten und dem Indivi dualismus der Anarchisten reden: Blut ist Blut und Zer störung ist Zerstörung, Beides ist Beider Programm. DaS Gefühl der Zusammengehörigkeit hat sich auck bei dein besten Willen im Angesichte des Genfer Verbrechens nicht unterdrücken lassen. Wenn die „Sächs. Arbeiterztg." die sonnenklare Schuld des verhafteten und geständigen Anarchisten bezweifelt, was Anderes kann sie leiten, als das Bewußtsein, daß die Socialdemokratie mitverantwortlich für die anarchistischen Thuten ist? „Waö du beschlossen im Geist — das führ' ich aus, das thu' ich", mit diesen Worten aus einem Gedichte Heine's ist das Verhältniß der Anarchisten zur Socialdemokratie gekennzeichnet. Man hat dessen auch nicht immer ein Hehl. Zu Beginn des Jahr zehntes erklärte Singer im Reichstag, der Anarchismus sei eine Weltanschauung wie eine andere auch, und auf dem inter nationalen Pariser Socialisten-Congreß von 1889 gab der Socialrevolutionair Duc-Quercy der Wahrheit die Ehre, indem er verkündete: „Zwischen Anarchisten und Socialisten bestehen überhaupt nur spitzfindige Unterschiede." Das ist nur zu richtig und das Ausfindigmachen spitzfindiger Unterschiede mag den Gelehrten überlassen bleiben. Gegenüber der Aufgabe, den Staat und die Gesellschaft zu erhalten, sind sie bedeutungslos. Fürst Bismarck hat die innere Zusammengehörigkeit beider Flügel der Socialrevolutionäre nie verkannt und er hat ins besondere Lei der bekannten Beschwerde über die Duldung von umstürzlerischen Anschlägen gegen Deutschland auf schweizerischm Boden zwischen Anarchisten und Socialisten nicht unterschieden. Die Schweizer Staatsmänner haben sich wohl in diesen Tagen der „Wohlgemuth- Asfaire" oft und in mehr für Bismarck als für sie schmeichelhafter Weise erinnert. Wenn nicht, so kommen die „Hamb. Nachr." ihrem Gedächtnisse zu Hilfe. Die Beleuchtung jenes Verhaltens durch das Licht des Genfer Mordes erweckt auch bei der Demokratie und dem Ultramontanismus in Deutschland unbehagliche Gefühle. Für daS famose Lied „ES gelingt nichts mehr" gab der Fall Wohlgemuth den Stoff zur ersten Strophe her, und Eugen Richter bot er die Handhabe, sich im Reichstage als ein dem Fürsten Bismarck sogar in der auswärtigen Politik Feuilleton. Auf einsamen Pfaden. „Zwischen Frankreich und dem Böhmer Wald . . ." In der Schule lernen wir: Vom Fichtelgebirge nach Nord westen erstreckt sich der Thüringer Wald, nach Südwesten der Fränkische Jura, nach Nordosten das Erzgebirge und nach Süd osten der Böhmer Wald. Das Erzgebirge und der Thüringer Wald sind uns von Jugend auf vertraute Gebiete, auch der Fränkische Jura steht uns nicht zu fern, dagegen ist der Böhmer Wald ein Fleckchen Erde, an das wir nur mit einem geheimen Schauer denken. Das große, mächtige Gebirge, das sich in seinen Ausläufern, als Vorgebirge der Bayrische Wald, bis zur dunkelgrünen Donau erstreckt, dort, wo das bayerische Venedig seine schmucken Häuser in ihren Fluthen widerspiegelt, erinnert uns an Karl Moor und seine Spießgesellen, und der Mangel größerer Städte, den die Landkarte aufweist, gießt über das Bild des Unwirthlichen des Urwaldes romantischen Räuber zauber. Wie herrlich muß es sich da in jenem Dickicht wandern zwischen den moosigen Felsblöcken und himmelragenden Tannen, den stürzenden Gießbächen hinauf zu den Gipfeln des Osser, Arber und Rachel. Kein menschlicher Laut wird unsere Ruhe stören, kein Zeitungspapier am Wege uns an die Cultur und eine Butterbemme erinnern, höchstens gellt in unser Ohr der Schrei des Adlers, und der Duft von Erd- und Himbeeren zieht durch unsere Nase. Kein Weg und kein Steg umher, unser Führer die liebe Sonne, deren Strahlen aber nur selten durch die Wipfel der Edeltannen zu uns dringen, und der Compaß, unsere Nahrung Schwarzbrod und das frische Wasser den murmelnden Quelle, unser Bett, wenn es nicht anders sein kann, das weiche Moos, das vielleicht seit tausend Jahren kein Mensch betrat! In solcher Waldeinsamkeit gesunden die Nerven de» Kopfes und des anderen sterblichen Leibes, in dieser Müßigkeit des Geistes und des Körpers holen wir uns wieder Kraft für die Arbeit des Alltagslebens und stellen das elf Monat« ge störte Gleichgewicht auf wiederum angeblich elf Monate her. Dort in den böhmischen Wäldern stört keine näselnde Familie die stille Andacht, tritt uns kein Modebergfex mit dünnen, nackten Knien mit seinen nägelbeschlagenen Schuhen auf die Hühner augen, wie etwa im Grand Hotel de llEurope in Salzburg, keine duftig gekleidete Schöne wird das Panorama, wie auf dem Rigi furchtbar reizend finden, und Babies und Ammen aller Art können am Zeller oder Wolfgangste ihre Meinungen aus tauschen, hier werden sie uns nicht stören. Kein Königsschloß kündet von der Verschwendungssucht jugendlicher Herrscher, höchsten» werden wir im Westen, ganz in der Ferne, «inen überlegenes Genie aufzuspiclen. Vielleicht findet der Herr jetzt selbst, daß der erste Kanzler, dem außer dem Anhören von freisinnigen Parlamentsrednern so mancherlei Arbeit oblag, nicht so unrecht daran that, den Reichstag zu ver lassen, sobald der freisinnige Führer fein Licht leuchten zu lassen begann. Die Gerichtssitten sind ja in den verschiedenen Ländern verschieden, aber nicht nur in Deutschland wird man die Art, mit der ein Genfer Gerichtsbeamter einen österreichischen Berichterstatter förmlich nöthigte, sich den Mörder anzusehen und psychologisch zu analysireu, etwas befremdend befinden. Es ist der Eindruck nicht abzuweisen, daß er an dem ihm zur Behandlung übergebenen Unmenschen vor Allem das Interesse eines juristischen Gourmets nimmt, und dergleichen enthält man der Ocffentlichkeit doch besser vor. In Sachen der Delagoabay sagen die Officiösen, nachdem der Alldeutsche Verband seine Meinung kundgegcben, ihr Sprüchlein zum zweiten Male her. Neu in dem Schul- meistervortraae ist nur die Theorie, daß man die Regie rung in der Wahrnehmung deutscher Interessen bindere, wenn man ihr „kein Vertrauen" entgegenbringe und sich so auslasse, wie der Alldeutsche Verband undeine Reihe von Zeitungen zu der Delagoa-Sache sich haben vernehmen lassen. Die Herren verdrehen da mit mehr Ungcnirtbeit als Geist ein Bismarck'sckes Wort in sein Gegentheil. Der erste Kanzler bat sich wiederholt beklagt, daß ihm die Opposition seine Stellung bei auswärtigen Verhandlungen verderbe; so z. B. bekam dies in einer colonialen Angelegenheit Herr I)r. Bamberger zu hören. Nur lag die Sache umgekehrt wie jetzt. Die Gegner der Bismarck'schen Politik wehrten sich mit Händen und Füßen gegen deutsche Vortheile und bezeichneten mit Vorliebe deutsche Ansprüche als ungerecht fertigt. DaS machte sich der Widerpart natürlich zu Nutze. Die heute geübte Kritik hingegen geht von den Grundsätzen des Festhaltens deutscher Rechte und der Wahrung deutscher Interessen aus. Sie verstärkt also die Position der deutschen Unterhändler, die sie in die Lage versetzt, dem andern Theile zu erklären, auf Das und Jenes könnten sie sich mit Rücksicht aus die öffentliche Meinung in der Heimath nicht einlassen. Das „Mißtrauen" fördert also unsere Regierung — wenn sie gefördert sein will. Es soll sogar schon vorgekommen sein, daß englische und andere Diplomaten sich einen öffentlichen Widerstand gegen fremdländische Forderungen bestellt haben. So ruchlos kann natürlich die deutsche Regierung nicht sein, aber die Abkanzelung von Leuten, die ihre patriotische Befürchtung äußern, sollte sie bleiben lassen, so lange sie nichts zu sagen weiß, als daß Deutschland in der Delogoa-Sache keine Wahl habe zwischen Nachgeben und Kriegsübren, mit anderen Worten, daß unsere Diplomatie seit l895, wo sie in London an einer andern Auffassung festhielt, bankerott geworden sei. Die „Köln. VolkSztg." schreibt: „Die Frage, ob Deutschland ein Agrar« oder ein Industrie- staat sein bezw. werden solle, können wir daher unsererseits nur mit dem Satze beantworten: Weder das Eine, noch das Andere. In Deutschland soll vielmehr Raum für beide Erwerbsarten bestehe», und die Wirthschaftspolitik muß darauf gerichtet sein, daß keine die andere überwuchere. In der ungünstigeren Lage befindet sich derzeit ohne Zweifel die Landwirthschaft; dies wird nicht nur von der Regierung, sondern auch von vielen einsichtigen Groß griechischen Bau erspähen können, ein Denkmal, das sich der teutscheste Fürst Ludwig der Erste von Bayern setzte, indem er einen Marmorsaal Walhalla nannte und bei seinen Lebzeiten die Büsten großer Männer darin anbringen ließ, während er nach seinem Tode inmitten dieser illustren Gesellschaft sich in Marmor und in Lebensgröße wiederfand, es kostete ihm ja auch sein Geld .... Das sogenannte Dampfroß jagt dahin. Die Oberpfalz mit ihren Kirchthürmen, die wie Zwiebeln aussehen, und ihren Bahn hofsrestaurationen, in denen der Neuling mit Vergnügen mäßiges Bier theuer bezahlt, fliegt vorbei. Dann kommt ein dreistündiger Aufenthalt in einem Städtchen, dem der stolze Schwan seinen Namen lieh, in dessen Straßen aber Gänse ein idyllisches Dasein fristen. Die drei Stunden vergehm zwischen Regensburger Jesuiten-, Carmeliter- und Communebier und hieraus schnaubt die Maschine den Bergen zu. Cham! Hand aufs Herz, wer hat schon von Cham gehört? Auf einer kleinen Anhöhe liegt dies liebliche Städtchen, um flossen von dem klaren, silberglänzenden Regen. Man sieht es dem schmucken, lebhaften Städtchen nicht an, welche traurigen Schicksale es durchzumachen hatte. Uralt ist sein« Geschichte. Gegründet als eine Veste gegen die Böhmen, war es oft ein Spielball bayerischer Herren und die Bürger von Cham mußten mit Gut und Blut die Launen und Liebschaften der Grafen und Fürsten bezahlen. Di« Kriege um die Meinung, welche die beste und mildeste Religion sei, sahen genug flammende Häuser, sterbende Männer und geschändete Frauen, und was die Hussiten übrig gelassen, das vernichteten die Schweden und Kaiserlichen und in diesem Jahrhundert des Feuers Gluth. Kaum ist es wieder mu erstanden. Wohlstand und Arbeitslust sind überall bemerkbar, neben den vielen katholischen Kirchen erhebt sich auch eine protestantische, alterthümliche Thore und Häuser vermischen sich mit modernen Bauten und geben dem Städtchen ein ein ladendes Aussehen. Und wenn die Sonne sich zurückgezogen hat, spenden zahlreiche Bogenlampen auf den Straßen elektrische» Ächt. Elektrisches Licht! Bei den großen Portionen, dem trefflichen billigen Bier denken wir noch gar nicht daran, daß wir am Fuße deS Böhmer Waldes sind, und da» elektrische Licht fällt unS in der nächsten Näh« unbegangener Urwälder gar nicht auf. Und wekter zieht uns die keuchende Maschine durch das herrliche Thal des Regen mit seinen dunkeln Bergen, seinen grünen Matten und freundlichen Häusern hinauf nach L a m. Ist das Niederbayern oder Tirol? Die freundlichen Häuser mit den flachen Dächern, mit den Galerien und grllmn Fenster läden sind doch sonst nur im Welschland heimisch? Nun sind wir wohl mitten drin im wilden Gebirge, das nur Pascher und Grenzjäger betreten, m dem mächtige Hirsche und wohl gar Wildsauen Hausen. Vor uns liegt der Osser mit seinen zwei Gipfeln, die Brüste der Mutter Gottes nennt sie das Volk, im Norden erhebt sich der brrite Sattel deS Hohen Bogen» und im gewerbetreibenden anerkannt. Dagegen tritt ein großer Theil des Grobgewerbes fast übermütbig auf, indem er von Ver größerung zu Vergrößerung schreitet: neue Werke wachsen wie Pilze ans der Erde, bestehende werden erweitert oder umgebaut, kurz, es ist ein Treiben, als könnten die „fetten" Jahre gar kein Ende nehmen. Eine Gründung jagt die andere; fast täglich beschließt ein neues großgewerbliches Unternehmen auf Actien die Erhöhung seines Grundkapitals, während die Vergrößerung großgewerblicher Betriebe im Privalbesitze mehr in der Stille sich vollzieht, ohne daß indessen ihre die Uebererzeugung fördernde Wirkung darum als weniger bedenklich erscheinen könnte. Diese Schilderung der gewerblichen Entwickelung ist über trieben, aber die Mahnung, die ihr entnommen werden kann, verdient Gehör. Zur Geschichte -es Rücktritts Lismarck's. Die Bismarck-Erinnerungen, welche Herr Moritz Busch gestern in London hat erscheinen lassen, liegen uns noch nicht vor. Im Berliner „Localanzeiger", in welchem Herr Busch ein paar Stunden nach Bismarck s Tode dessen Entlassungs gesuch veröffentlichte, werden einige der in der Londoner Publikation enthaltenen Schriftstücke wiedergegeben. Wir heben zunächst die folgende angebliche Antwort Bismarck's auf die Genehmigung des Entlassungsgesuchs hervor: „Ich danke Ew. Majestät respektvoll für die gnädigen Worte, womit Ew. Majestät meine Entlassung begleitet haben, und ich bin hocherfreut über das Geschenk des Bildes, das mir ein ehrenvolles Andenken an die Zeit bleiben wird, während welcher Ew. Majestät mir erlaubten, meine Kräfte Ew. Majestät Dienst zu widmen. Ew. Majestät hat zu gleicher Zeit mir gnädigst die Würde eines Herzogs von Lauenburg verliehen. Ich habe mir respektvoll die Freiheit genommen, mündlich deni Geheimen Cabinets-Rath Lucanus die Gründe auseinanderzusetzen, welche es für mich schwierig machen, einen solchen Titel zu führen, und ihn zugleich gebeten, diesen zweiten Gnadenact nicht zu ver öffentlichen. Tie Erfüllung dieses Gesuchs war nicht möglich, da zur Zeit, als ich meine Bedenken darüber ausdrückte, die Publikation schon stattgefunden hatte, am 17. März. Ich erlaube mir jedoch, Ew. Majestät zu bitten, mir gnädigst zu erlauben, in Zukunft den Nanien und Titel zu führen, den ich bisher getragen habe. Ich bitte um die Erlaubniß, Ew. Majestät meinen ehr- erbietigsten Dank für die hohe, mir durch die militairische Beförderung gewährte Ehre zu Füßen zu legen, sobald ich im Stande sein werde, mich zu melden, woran ich im gegenwärtigen Augenblick durch Unwohlsein verhindert bin." Weiter werden folgende angebliche Notizen Bismarck's zu seinem Rücktritt mitgetheilt: „Der Vicepräsident des Staatsministeriums (v. Bötticher) erklärte, daß er und leine College» über meinen Rücktritt tiesbctrübt wären. Er habe bis dahin gehofft, daß die einzigen Meinungs verschiedenheiten zwischen Majestät und mir mit der heimischen inneren Politik verbunden seien und daß sich daher das von mir angedcutete Arrangement, nämlich, daß ich mich auf die Controle der äußerrn Angelegenheiten beschränken sollte, als be friedigende Lösung Herausstellen würde. Mein Rücktritt von allen meinen Aemlern schlösse unberechenbare Schwierigkeiten ein, und Südosten erscheint das dicht bewaldete charakteristische Massiv des Arber. Ein Blick in das liebliche Thal des weißen Regen belehrt uns, daß wir dem Urwald noch nicht zu nahe sind, Säge mühlen und Glasfabriken sind sonst dort nicht zu finden. Welch' herrliches Fleckchen Erde! Und nun hinauf nach dem unwirth lichen Osser. Die kleine Wallfahrtskirche Maria Hilf oben auf dem Berge zeigt uns in ihrer leuchtenden Weiße den geraden steilen Weg, der an zahlreichen Toidtenörettern, Bretter, auf denen die Todten gelegen und die, mit den Namen der Ver storbenen bezeichnet, zur Erinnerung an sie aufgestellt sind, vorüberführt. Da, welcher Schreck, ein leibhaftiger Salon tiroler!! Nägelbeschlagene Schuhe, Manchesterhosen, ein breiter Gürtel, ein Lodenhütchen und den großen Bergstock. Aus seiner Hinteren Hosentasche lugt der Griff des landesaewohnten Mesters und ein Revolver. Also muß es doch hier Räuber und Mörder geben. Unser Tiroler geht voraus. Eigentümlich, es giebt noch gar nichts zu klettern, wir wandern auf schönen, gut gepflegten Bergpromenadenwegen. Da stutzt unser Tiroler. Hinter einer mächtigen Buche tritt ein großer, starker Mann hervor. Er hat einen finsteren Bart und «inen starten Stock in der Hand. Un willkürlich greift unser Tiroler nach seiner Hinteren Tasche und faßt den Revolver. „Grüß Euch Gott", sagt der Mann freundlich uiÄ> lüftet seinen Hut. Beschämt schlägt sich unser Bergfex in die Büsche, wir haben ihn nie wieder gesehen. Welch' herr liches Wandern in dem schön gepflegten dichten Walde, und dann ench kleine, ganz kleine Kletterparti«, und wir sind auf dem Gipfel des Osser. Vor uns breitet sich ein« herrliche mittelalpine Landschaft. Wohl fehlen die Gletscher und Schneefelder, aber saftige Matten und grüne Thäler ringsum, eingerahmt von zackigen und zerklüfteten Höhen. Und weiter geht es in das gesegnete Böhmerland hinein. Kein Grenzstein, kein Grenzer ist zu erblicken, abrr der erste Mann, dem wir begegnen, ruft uns „Heil!" zu, und daS ist jetzt böhmischer, deutsch-böhmischer Gruß. Tief drunten sind die Wasser des Schwarzen Sees, hoch, gegen 300 m, baut sich am Nordende die Seewand auf. Welche Stille, welche Rühe! Ein reizender Pavillon ladet zum Rasten ein. Das Bauwerk ist schön, die Verpflegung — es giebt nur ein mattes Bier — traurig. Wohl erzählt uns die Legende, und sie soll sogar wahr sein, daß der Schwarze See rin« Unzahl von Forellen berge, daß solche von 15 Pfund nicht selten seien. Aber was nützt uns da gesprochene oder geschriebene Wort, wenn sich die Forellen nicht sehen lassen. Keine thut uns den Gefallen, ihren roth getupften Silberkib im Glanze der Sonne spielen zu lassen, und doch ist die Sage von den großen Forellen keine Sage, in Böhmisch- Eisenstein wurde sie zur Wahrheit. Das ganze herrlich« Land, gegen 24 000 Joch, gehört dem Fürsten von Hohenzollern, und die herrlichen Promenadrnwege, die Brücken und Stege, die uns dieses heimlich« Paradies erschließen, sind sein Werk, der dadurch auch für gewöhnlich« sterblich« Menschenkinder Freude an seinem obwohl er meine Verstimmung verstehe, könne er mich nur dringend bitten, ein Compromiß einzugehen. Ich erwiderte, der Ausweg, mich vom preußischen Dienst zurückzuziehen und mich aus die Stellung des Reichskanzlers zu beschränken, sei auf Eiawen- düngen seitens der Bundesregierungen und de- Reichstages ge stoßen. Man eracht« es für Wünschenswerth, daß der Kanzler eine amtliche Stellung habe, worin er die Abgabe des preußischen Votums controliren könne, und auch ich könne nicht «ine Stellung annehmen, worin ich verpflichtet sein würde, vom preußischen Minister Instructionen zu acceptiren, an deren Herstellung ich nicht theilgenommen; daher würde auch dieser Ausweg nicht frei von Schwierigkeiten fein. Der Finanz minister (von Scholz) erklärte, daß die Verordnung vom 8. September 1852 keineswegs über das, was nothwendtg sei, hinausginge und keine unübersteigbare Schwierigkeit bilden könne, und auch soweit die Schwierigkeiten in Sachen der aus wärtigen Angelegenheiten in Betracht kämen, könne er nur dem Staatsminister v. Bötticher zustimmen, daß ein Compromiß gesucht werden sollte. Ueberdies, wenn der Rücktritt nicht aus Gesundheits rücksichten, sondern aus politischen Gründen und von allen Aemtern stattsände, dann werde das Staatsministerium selbst zu erwägen haben, ob es nicht an diesem Schritt theilnehmen solle. Vielleicht würde dies dazu beitragen, das vrrhänguißvolle Ereigniß abzuwenden. Der Cuttus- (von Goßler) und der Jnstiz- minister (von Schelling) meinten, daß die in Bezug genommenen Differenzen allein einem Mißverständnisse zuzuschreiben seien, welches vielleicht für Seine Majestät aufgeklärt werden könnte. Der Kriegsminister (von Bronsart I.) fügte hinzu, daß Majestät seit langer Zeit kein einziges Wort fallen gelassen habe, LaS irgend welchen Bezug auf kriegerische Verwickelungen mit Rußland gehabt hätte. Der Minister der öffentlichen Bauten Maybach bezeichnete meinen Rücktritt als ein Unglück für die Sicherheit des Landes und den Frieden Europas, jeder mögliche Versuch, ihn abzuwenden, sollte gemacht werden. Unter diesen Umständen glaubte er, daß die Minister ihre Armter Seiner Majestät zur Verfügung stellen sollten, und er wenigsten» sei entschlossen, dies zu thun. Der Landwirthschastsminister (von Lucius) erklärte, daß, wenn ich überzeugt wäre, daß mein Rücktritt an höchster Stelle gewünscht würde, mir dieser Schritt nicht abgerathen werden könne. Aber auf jeden Fall würde das Ministerium dann zu erwägen haben, welche Schritte es zu er greifen habe." Deutsches Reich. * Leipzig, 17. September. Wir erhalten von Herrn Prof. vr. Hasse folgende Zuschrift: „Delagoa-Bertrag und Alldeutscher Verband. Die Antworten der „Leipziger Zeitung" vom 16. September aus meine Gegenfragen zwingen doch zu wenigen Worten der Erwiderung. Die Verweisung der „Leipziger Zeitung" auf einige thatsächlich oder angeblich (Kölnische Zeitung) nationalliberale Zeitungen ist recht unglücklich. Es handelte sich in München nicht um eine Kundgebung der nationalliberalen Partei, sondern um eine solche deS All deutschen Verbandes. Dieser ist von Parteientschließungen, auch Besitz schuf. Auch Böhmisch-Eisenstein, das kleine idyllische Städtchen, gehört zu seiner Herrschaft, das Städtchen mit den lieben, guten Menschen, die immerfort Heil wünschen, und der Kirche, die einem Rettig aufs Haar gleicht. Und wiederum schnallen wir das Ränzlein um und bergauf geht es zum großen Arber, 1458 w über dem Meeresspiegel. Schon senkt sich die Nacht hernieder, unsicher wird der Fuß, der Weg immer steiler. Da glänzt vor uns ein Lichtstrahl, er kommt aus der Schutzhütte. Halloh, hui joh! Es ist noch Platz auf d«r Matratze und Gier ist auch noch da. Bald trocknen die Durchschwitzten Kleider und die Wäsche am Herdfeuer und manch' fröhliches Lied entquillt den mehr oder weniger sangbegabten Kehlen. Die Aussicht vom großen Arber ist überwältigend. Wie plötzlich erstarrte dunkelgrüne Meereswogen thürmen sich die ^rrge des Waldes im Norden und Osten unter und vor uns auf, und im Süden und Westen blicken uns die weißrn Häuser der gesegneten Oberpfalz zwischen Bergen, Wäldern, Wiesen und Feldern zerstreut entgegen. Die Sonne steigt höher und höher, wir steigen durch das romantischeRiesbachthal mit seinen Wasser fällen nach Bodenmais hinab. Lustiges junges und altes Volk begegnet uns. Ein ganzes Mädchenpensionat mischt seine Hellen Stimmen in das Geläute der weidenden Kühe! Und das soll der Böhmer Wald mit seinem romantischen Räuberzauber sein? Oh, wie ist es doch noch gar nicht bekannt, dieses schöne Fleckchen Erd«, wie ist er doch verborgen, dieser echte deutsch« Wald mit seinen freundlichen Bewohnern! Nur wenige Besucher aus d«r Ferne sahen diese Berge, nur gering ist die Zahl der Tourist«», die aus nächster Nähe seine Wunder schauen. Noch viel zu wenig bekannt sind die Berge, die Deutschland und Böhmen scheiden, und die dennoch die deutschen Herzen einen. Und doch wird es immer besser, aber langsam. Schon haben sich am Fuß« der Berge, wie im lieb lichen Bodenmais, wo sich in dem kühlen Gewölbe der Brauerei so trefflich zechen läßt, kleine Sommerfrischen gebildet, aber es ist noch mehr Platz da, und im Walde wachsen Beeren in Hülle und Fülle für die kleinen Mäuler. Viel, unendlich viel thut der Waldverein, und schon ihm zu Danke sollten auch wir Mitteldeutsche einmal unsere Schritte nach Süden lenken. Jedes Stück Erde ist dort schön, ob man die Wanderung von Süden oder Norden beginnt, jede Stunde bringt uns Abwechselung und Lebenslust, ob wir nun in der Sommerfrische in Böhmen oder Bayern festsitzen oder den Stab in der Hand bergauf, bergab den Wald durchqueren. Immer und immer wieder erzählt da» Murmeln der Quellen, das Plätschern des Bache», da» Tosen des Wasserfalles, das Rauschen der Mpfel und der Gesang der Vögel von der Herrlichkeit der Natur, stimmt un» andächtig, so recht innerlich zufrieden, und dankbar hallt «» von den Bergen wider: „Wer hat Dich Du schöner Wald, aufgebaut so hoch da droben?" 6. L
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