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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.09.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-09-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980922017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898092201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898092201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-09
- Tag1898-09-22
- Monat1898-09
- Jahr1898
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Reklamen unter dem RrdactionSstrich (4g«» spalten) 50/H, vor den Famitieanachrichtei (6 gespalten) 40/^. Größere Schriften laut unserem PceiS- ve^eichniß. Tabellarischer und Ziffern,«» nach höherem Tarif. Extra »Veilage» (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefürderung ^l SO.—, mit Postbesörderuug .ckl 70.—. Annahmefchluß für Anzeigen: Abrnd-Au-gabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgab«: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eia« halbe Stunde früher. Anreißen sind stets an df« Expeditia» zu richten. Druck «nd Verlag von <k. Polz in Leipzig. 92. Jahrgang. Parteipolitisches aus Preußen. L2 Mit der Veröffentlichung de» nationalliberalen Auf rufs hat der LandtagSwahlkampf in Preußen begonnen. Bisher konnte man höchstens von Borpostengefechten reden, gleich nach Einsichtnahme in die Kundgebung der liberalen Mittelpartei aber rief die „Germania": „Auf zum Kampfe gegen die Nationalliberalen!" und die klerikale Agitation setzt den« entsprechend ein. Es ist ehrenvoll für unsere Partei genossen in Preußen, daß sich der KriegSruf der Ultra montanen gegen sie richtet; ob auch gegen die Conservative» grundsätzliche Gegnerschaft proclamirt werden wird, steht tahin. Centrumsblätter haben wiederholt verkündet, man dürfe die conservative Fraktion im Abgeordnetenhause nicht anwachsen lassen, aber daS will wenig besagen, denn schon jetzt ist diese Partei bekanntlich stark genug, um — die Willfährigkeit der Regierung vorausgesetzt, — mit dem Centrum auf dem schul- und kirchenpolilischen Gebiet das Windthorst'sche Programm zu verwirklichen. Zeigt der noch ausstehende conservative Wahlaufruf nach Lieser Richtung Entgegenkommen, dann wird die national liberale Partei die einzige bleiben, deren ernste Bekämpfung der UltramontaniSmuS für nöthig hält. Aber auch in diesem Falle wird die Ausgabe einer gesammtliberalen Wahlparole von Seiten der liberalen Mittelpartei als eine selbst mörderische Tborhcit vermieden werden. Ihre Auffassung vom Staat, die mit der „Opposition um jeden Preis" un vereinbar ist, verbietet de» Nationalliberalen ein Bündniß mit der Partei Richter'S, und ihre wirthschaftSpolitischen An schauungen müssen ihr ein grundsätzliches Zusammengehen mit den Herren Rickert und Barth unthunlich erscheinen lassen. Es kommt hinzu, daß ein Bündniß mit dem Freisinn gleichzeitig ein solches mit der Socialdemokratie wäre. Wenn auch in einer Reihe von Wahlkreisen die Socialdemokraten sich für Neutralität entschieden haben, so ist die Allianz doch angekündigt und mehrfach ist die Wahlenthaltung von den Anhängern der Unisturzpartei nur beschlossen worden, weil den Freisinnigen ohnehin der Sieg gewiß sei. Anderswo wird die Unterstützung eine eifrige sein. Co in Hannover. Dort richtet sich das Bündniß gegen die Nationalliberalen, und die „Kreuzzeitung", welche die für die Bildung einer Wahlarmee der „gesammten Linken" schwärmende „Nationalzeitung" wegen der hannoverischen Constellation verspottet, ist dazu insofern berechtigt, als daS letztgenannte Blatt seinerseits sich noch immer zur national liberalen Presse rechnet. Die „Linke" existirt nicht und wird auch deshalb noch nicht entstehen, weil in der Provinz Hannover der Bund der Landwirthe, richtiger seine dortige Leitung, mit dem Ruf nach particulargesetzlicher Be- lämpsung der Socialdemokratie in den Wahlkampf zu ziehen Miene macht. Sind die Nationalliberalen dafür nicht zu haben, so sind sie noch weniger für ein directeS Bündniß mit der Umsturzpartei. Die Machenschaft der Herren Hahn und Schoof ist übrigens ungefährlich. Der hannoverische Land- wirth weiß recht gut, daß es diesen Herren nicht um Umsturzgesetze, sondern lediglich um Befriedigung jene» grimmigen Hasses gegen die Nationalliberalen zu thun ist, der bei den Reickötagswahlen nicht davor zurückschreckle, Welfen und Socialdemokraten zu begünstigen, und der jetzt, bei den Landtagswablen, nach der Devise „Lieber freisinnig, als nationalliberal" bandelt. Schon die wirthschaftßpolitische Stellung der Freisinnigen wird die Treiberei der bündlerischen Führer zu Schanden machen. Hierin wird sich nichts ändern, wenn auch etwa» „frisches Blut" in den siechen Körper deS Fortschritte» ge pumpt werden sollte. Anstrengungen nach dieser Richtung werden, namentlich in Berlin, ernstlicher als je vorher gemacht. Als eine Probe, wie man über die „Alten" denkt, geben wir im Nachstehenden die Auslassungen eine» neu begründeten Berliner FreisinnsblatteS, dessen Herausgeber schon lange sich im Gegensätze zu Herrn Richter befindet. Wir lesen da folgende unchrerbietiae Sätze: „Leider sind die Parteivertretungen auS Menschen zusammen- gesetzt, die immer älter werden, immer weniger die wechjelnde Welt verstehen, die sie «mgiebt, und sehr geneigt sind, das Bekenntniß ihrer Jugend sür eine „ewige Wahrheit" zu halten. So kommt e» leicht, daß Parteien verknöchern, alt werden und wie Halbver steinerungen dem jungen Leben im Wege stehen. Wir kranken da an einem alten Uebel, dem Urmenschen-Respect vor dem Alter. Wahrlich, statt des von den Lonservativen so heiß begehrten Gesetzes, das das Wablsähigkeitsalter heraufsetzt, wäre ein Gesetz besser, da» die passive Wählbarkeit bei ca. 60 Jahren aushebt. Dann würden unsere Parteivertretungen nicht mehr von Mummelgreisen ge leitet sein, di» der nothwendigen Entwickelung des Volksleben» den Hemmschuh anlegen. Junge Kräfte brauchen wir überall an der Spitze mit jungen Gehirnen und modernen Begriffen statt der feierlichen alten Herren mit ihren vorsintfluthlichen Anschauungen.... Darum fort mit den Redensarten von Verdienst und Dankbarkeit. Es ist eine ganz falsche Dankbarkeit, verdiente Männer so lange auf ihren Ehrenposten zu erhalten, bi» sie ihre alten Verdienste durch neue Thorheiien au-gelöscht haben. Man gebe ihnen die Bürger krone mit al» Dank in ein ehrenvolle» AltenthellI Aber man ver jünge die politisch» Arme« nach dem Muster der militoirischen!" Um den Gedanken de» Aufhörens der passiven Wählbar keit mit dem 60. Lebensjahr innerpolitisch recht zu würdigen, muß man sich erinnern, daß Eugen Richter diese« Alter vor Kurzem überschritte» hat, und daß der „vorsinifluthliche" Herr, wie bei den letzten Landtagswahlen, auch diesmal leicht in die Lage kommen kann, sich von Berliner Wahlmännern gegen die Aussperrung aus dem Abgeordnetenhaus? bewahren zu lassen. Einen Erfolg hat die von der starken und namentlich einflußreichen Gruppe freisinniger Volksschullehrer unterstützte Agitation gegen die „Alten" bereits gehabt: Herr Ludolf Parisiu», seit Dutzenden von Jahren Abgeordneter, war entschlossen, wieder zu candidiren, hat sich aber plötzlich für zu beschäftigt befunden. ES ist dies die erste schwere Niederlage, die Richter in Berlin erleidet. Die Glaubwürdigkeit -es Herrn vr. Dusch. Der Unwille über die Taktlosigkeit des Herrn vr. Busch, der aus Gewinnsucht und Eitelkeit einer flagranten Verletzung der nationalen Interessen sich schuldig macht, hat die Frage nach der Zuverlässigkeit seiner Veröffentlichung in die zweite Linie treten lassen. Letztere Frage kann erschöpfend nur in der gelehrten Fachpresse beantwortet werden, und es wird hoffentlich nicht allzu lange dauern, bis berufene Hände das Secirmefser historischer Kritik an Busch's Mittheilungen legen. Einzelheiten seiner Publication können aber auch in der Tages preis« schon jetzt kritisch geprüft werden, ja, sie müssen es, weil ihre schädlichen politischen Wirkungen dadurch wenigstens ab geschwächt werden. Hierhin gehört die Versicherung Busch's, Für st Bismarck habe 1866, unmittelbar vor dem Ausbruch des preußisch-österreichischen Krieges, mit Oesterreich zu sammen Frankreich angreifen wollen; er habe einen Friedensschluß mit Oesterreich auf einer dualistischen Basis im Auge gehabt, dergestalt, daß die Oesterreicher im Süden herrschten und den Oberbefehl über das siebente und achte Armee corps führten, Preußen dagegen im Norden das oberste Bundes- commando erhielte und das neunte und zehnte Corps comman- dirte; Gablentz hätte dem Kaiser Franz Joseph diesen Vorschlag mit folgender Begründung unterbreitet: die Franzosen seien schwach im Vergleich zu uns. Es gäbe zwar keinen gerechten Grund zum Kriege, aber wir könnten den anderen Mächten sagen, daß Frankreich auch ungerecht handelte, als es das Elsaß nahm, von woher es seitdem fortgesetzt Süddeutschland bedrohte. Wenn wir den Deutschen das Elsaß Wiedergaben und Straßburg zur Bundesfestung machten, würden sie den Dualismus an nehmen. Franz Joseph sei anscheinend dem Vorschläge Bis- marck's geneigt gewesen, sein Ministerium aber hätte ihn ab gelehnt. — War es in der That möglich, daß Bismarck in der gedachten Art den Dualismus verewigen wollte? Nach Allem, was er in seinen berühmten Frankfurter Denkschriften und in späteren Jahren über das Verhältniß Preußens zu Oesterreich theoretisch ausgeführt hat, erscheint das nicht minder ausgeschlossen als nach der praktischen Politik, die er von Beginn des Jahres 1866 an geführt hat. Wir vergegen wärtigen uns im Anschluß an die Biographie Kaiser Wilhelm's I. von Erich Marcks in aller Kürze die cha rakteristischen Züge der Bismarck'schen Politik. Am 28. Februar 1866 war der preußische Ministerrath, den Herrscher voran, bis auf den Kronprinzen und den Finanzminister einstimmig für den Krieg gegen Oesterreich, nur abzuwarten beschloß Wilhelm noch. Der März steigerte unter unfreundlichem Schriftenwechsel der beiden Mächte die Spannung; am 27. entschied sich der Ministerrath für militairische Maßregeln, Bismarck drängte auf deren schleunigen Vollzug durch den König. Schon seit Mitte März unterhandelte man mit dem italienischen Abgesandten Govone, am 8. April schloß man ab, am 9. brachte Savigny am Bundestage den preußischen Antrag auf Berufung eines deutschen Parlamentes ein — eine Kette scharfer und weit reichender Handlungen. Trotzdem begann König Wilhelm gerade im April wieder sich zurückzuziehen, die drei ersten April wochen sind von Abrüstungsverhandlungen mit dem Kaiserhofe angefüllt. Bismarck sah Alles von Neuem in Frage gestellt; die Zeugnisse seiner zornigen Erregung hierüber sind zahlreich. Duncker und Roon gegenüber sprach Bismarck von seinem Rücktritt, setzte aber gleichzeitig Alles daran, den König zu gewinnen; am 22. April schrieb er dem König: es widerstrebe ihm, den Landesherrn zum Kriege unbescheiden zu drängen, er könne da weniger rathen als beten, aber es sei doch nur ein Aufschub, in Wien die Feindschaft gegen Preußen der oberste Staatszweck. Endlich brachten di« Rüstungen Italiens die österreichischen wieder in Fluß und mit der Abrüstung war es vorbei. Eine Aussprache des Königs mit Bismarck fand statt — „Otto ist darüber fast gesund geworden", jubelte Roon am 25. April. Nunmehr gingen die Dinge gleichmäßiger vorwärts. Anfang Mai begann Preußen mobil zu machen; noch immer versuchte der König es mit Vermittelungen, die er sicherlich ernsthaft gemeint hat und auf di« Bismarck notgedrungen ein ging, ohne wohl noch an die Möglichkeit ihres Gelingens zu glauben oder diese zu fürchten. Sie scheiterten an der Ablehnung Oesterreichs, desgleichen ein Congreß, den Napoleon vorschlug. — Angesichts dieses Verlaufs der Begebenheiten erscheint der Gedanke, Bismarck habe im Juni 1866 den Dualismus zwischen Preußen und Oesterreich verewigen wollen, geradezu absurd. Einen glaubwürdigeren Eindruck scheint die „Köln. Volks zeitung" von der Begründung gehabt zu haben, die Bismarck zu Herr», vr. Busch als ausreichend zu einem kriege rischen Vorgehen gegen Frankreich erklärte: das führende Centrumsorgan verlangt, daß von einer mit der Ge heimgeschichte jener Jahre vertrauten autoritativen Seite ein bündiges Dementi erfolge; geschehe das nicht, so werde man in Frankreich daraus den Schluß ziehen, daß Bismarck schon im Jahre 1866 entschlossen gewesen sei, unter allen Umständen über Frankreich herzufallen, und werde daraus weitere Folgerungen bezüglich der Politik des Jahres 1870 herleiten, denen entgegen zu treten man kaum in der Lage sein dürfte, so lange der Mit- theilung Busch's der Boden nicht entzogen sei. Wir haben schon einmal die Erfahrung gemacht, daß ein Dementi von der Beschaffenheit, wie die „Köln. Volksztg." es wünscht, die beabsichtigte Wirkung durchaus nicht zu erzielen vermochte. Oder hat die „Köln. Volksztg." vergessen, daß die Lüge von der „Fälschung" der Emser Depesche in Frankreich nicht minder als in den Reihen der deutschen Socialdemokraten u. s. w. lustig weiter colportirt wird, obwohl der frühere Reichs kanzler Graf von Caprivi in der Reichstagssitzung vom 23. No vember 1892 dem schändlichen Gebühren mit Aktenstücken zu Leibe ging? Gerade darin liegt ja das Unverantwortliche der Veröffentlichung des Herrn vr. Busch, daß im Ausland ver kehrte Meinungen sich unausrottbar festsetzen, mögen sie auch noch so oft und noch so klar widerlegt werden. Die Legende, daß Frankreich 1870 „überfallen" sei, hat jetzt Herr vr. Busch auf das Ausgiebigste genährt. In Wahrheit hätte schon 1866 ei» Krieg Preußens gegen Frankreich keineswegs den Charakter eines Ueberfalles gehabt. Zum Beweise hierfür erinnern wir an jenen denkwürdigen Brief, den Napoleon am 11. Juni 1866 seinem Minister des Auswärtigen Drouyn de Lhuys schrieb und den Letzterer am 13. Juni im gesetzgebenden Körper verlas. In diesem Briefe wird auseinandergefetzt, was Napoleon beantragt hätte, wenn seine Friedensconferenz zu Stande gekommen wäre. Da hieß es in dem Briefe wörtlich: „Wir können nur dann an die Erweiterung unserer Grenzen denken, wenn die Karte Europas ausschließlich zum Vortheile einer Großmacht ver ändert würde und wenn die Grenzprovinzen in freier Ab stimmung ihre Einverleibung in Frankreich fordern sollten". — Das war, meint Oncken mit Recht, der sehr deutliche Ausdruck des Wunsches, es möchte ein großer Staatenumsturz dem Kaiser die Gelegenheit bieten, durch eine einfache Volksabstimmung ohne Schwertstreich die Rheinlande für Frankreich zu erlangen. Deutsches Reich. 0. Dresden, 21. September. Von einzelnen Social politikern wird bekanntlich der Betheiligung der Arbeiter am Geschäftsgewinn ein besonderer Werth sür die Lösung der Arbeiterfrage beigelegt. Es ist daher nicht ohne Interesse, wie ein bekannter sächsischer Arbeit geber, der nationalliberale Landtagsabgeordnete Geh. Commerzienrath Niethammer, über die Gewinn betheiligung urtheilt. In einem kürzlich in Meißen ge haltenen und jetzt im Drucke erschienenen Vorträge sagt der erfahrene und bewährte Freund seiner zahlreichen Arbeiter: Wenn der Lohn des Arbeiters so fixirt ist, daß der Gewinn- antheil gewissermaßen ein Ueberverdienst ist, den der Arbeiter in die Sparbückse legt, so mag eS gehen. Wenn aber der Arbeiter mit seinem Lohne so gestellt ist, daß die Gewinn- betheiliaung einen Bestandtbeil seines zum Leben nothwen digen Lohnes ausmacht, dann treten Schwankungen ein, welche in die Verhältnisse eines Arbeiters absolut nicht hineinpassen. Es ist immer zu bedenken, daß der Arbeiter ein ganz hervorragendes Interesse daran hat, daß sein Lohn möglichst gleichmäßig ist, und daß er, da er einmal daran gewöhnt und darauf angewiesen ist, von der Hand in den Mund zu leben, in seinen häuslichen Verfügungen ge stört ist, wenn er einmal viel und einmal wenig verdient. Es ist selbstverständlich, daß bei der Gewinnbetheilizung Der jenige, welcher die Vortbeile eines rentablen Betriebes genießt, es auch in den Kauf nehmen muß, wenn der Betrieb nichts einbringt. Wie muß man fick aber die Sache denken, wenn der Betrieb vorübergehend oder gar dauernd ohne Gewinn arbeitet? — L2 Berlin. 21. September. Die polnischen Volks aufwiegler in Posen und Westpreußen haben sich gewöhnt, die Deutschen dieses Landes theils als Eindringlinge zu bezeichnen, deren Wirksamkeit für die Polen von Jahr zu äahr eine Last und für den Culturzustand des Landes gleichgiltig gewesen sei. Daß sie gerufen worden sind, um in die polnische Barbarei daS Licht der Gesittung zu tragen, wird verschwiegen. Wie man sich um das deutsche Element bemüht, wie man eS geradezu ins Land gelockt hat, darüber giebt sehr zur rechten Zeit eine Veröffentlichung in der „Zeitschrift der historischen Gesellschaft für die Provinz Polen" erbaulichen Aufschluß. Sie ist überschrieben „Reclameblätter zur Heranziehung deutscher Colonisten nach Polen im 17. und 18. Jahrhundert" und lautet: „Seit den dreißiger Jahren des 17. Jahrhunderts fand wieder eine Einwanderung deutscher Protestanten, bejouders aus Schlesien, nach Polen statt, die so stark war, Laß sie sogar eine Anzahl nicht unbedeutender neuer Städte ins Leben rief. Die neuen Colonisatoren schlossen sich an das Vorgehen der mittelalterlichen an. Nur wandte sich der Grundherr, der Colonisten heranziehen wollte, nicht mehr wie damals an einen Unternehmer (loaator), sondern er erließ öffentliche Ausrufe in Druck oder Schrift. Bisher sind indessen nur drei solcher Kundgebungen aufgefunden. Alle drei sind, obwohl von polnischen Grundherren ausgestellt, in deutscher Sprache versaßt, und von diesen iin 17. Jahr- hundert i» jedem einzelnen Exemplar eigenhändig unter« schrieben und untersiegelt, jedenfalls um zu den gemachten Zu« sagen Vertrauen einzuflößen. Jedes Blatt enthält naturgemäß eine mehr oder minder ausführlich begründete Empfehlung des mit Colonisten zu bevölkernden Ortes. Im 17. Jahrhundert wird be« sonders darauf Gewicht gelegt, daß der Ort Gelegenheit biete, den Goltesdieust nach der Auqsburgischen Consession abzuhalten; im 18. Jahrhundert treten dagegen die religiösen Motive zurück und die wirlhschastlichen in den Vordergrund. Die beiden ältesten Blätter werden jetzt im Posener Staatsarchiv verwahrt. Tas erste stammt Lismarck-portefeuMe. In dem dritten Bande des jetzt erschienenen Buches „Bis marck-Portefeuille" von Heinrich von Poschin- g e r (Verlag der Deutschen Verlagsanstalt, Leipzig) kommt der Verfasser auch auf das Verhältniß Jhering's zu Bismarck zu sprechen und führt nach der Darstellung eines Gesprächs zwischen ihm und Jhering aus: Ein Mal bemerkte Jhering: „Ich habe auS meiner Ver ehrung für den Fürsten Bismarck nie ein Hehl gemacht, und würde mich freuen, wenn ich di« Gelegenheit erhielte, mich einmal öffentlich ganz aus vollem Herzen über ihn auszusprechen. Aber ich müßte die Gelegenheit erhalten; selber mag ich sie mir nicht machen. Ich habe in meiner Bcrufsstellung keinen An laß, mich über den Fürsten auszusprechen, und ich würde eine Anmaßung darin erblicken, es zu thun. Mir ziemt di« stille Be wunderung des Fürsten, die sich selber genug ist, und eben weil sie echt und wahr, scheue ich mich, ohne allen äußeren Anlaß über den Fürsten das Wort zu ergreifen; es käme mir vor, als wollte ich mich blähen und in seinem Glanze sonnen. Mir ist Bismarck «in Gegenstand des Kultus, den ich glauben würde zu profa- nirrn, wenn ich mich mit demselben an die Orffcntlichkeit drängte. — Ich möchte den bekannten Vers hereinziehen: „Es ist keine Liebe so heiß, als von der Niemand nicht weiß." Und wieder rin anderes Mal bemerkte Jhering mir gegenüber: „Ich kann nicht voraussttzen, daß Sie mich so weit kennen, um zu wissen, daß die Scheu, öffentlich Farbe zu bekennen, mir gänz lich fremd ist; ich habe bei jeder Gelegenheit in rückhaltlosester Weise meine Ueberzeugung ausgesprochen, obschon ich wußte, daß ich damit großen Anstoß erregen würde, und im letzten Jahre noch habe ich eine Schrift über den Besttzwillen publicirt, in der ich die herrschende formalistische Methode in unserer Jurisprudenz in schonungslosester Weise bekämpfte und dadurch Alle, welche sich dadurch getroffen fühlten, in Harnisch gebracht habe. An Muth habe ich im Leben eher zu viel als zu wenig gehabt; persönlich wäre es mir besser bekommen, wenn ich mit ihm etwas mehr Vorsicht verbunden hätte. Aber eine Eigenschaft habe ich da neben auch stets bewahrt: ich habe mich nie selber ausgestellt, mir nie selber ein künstliches Relief zu geben gesucht, und diese Eigen schaft habe ich auch in Bezug auf die Beachtung behauptet, deren der Fürst mich gewürdigt hat; ich habe nichts davon in die Oeffentlichkeit gebracht, weder die Notiz, daß ich seiner Zeit von ihm persönlich empfangen wurde, noch das Glückwunschschreiben, daS er aus Anlaß meines siebzigjährigen Geburtstages an mich richtete. Ich mag, wenn Sie mir den Ausdruck erlauben, mit dem Fürsten nicht krebsen, dazu steht er mir zu hoch, und daS stimmt auch nicht zu meiner Natur. Was ich dazu thun kann, wird geschehen, daß mein Name bei meinen Lebzeiten nie mit dem seinigen in Verbindung gebracht wird — geschieht eS nach meinem Tode, so werde ich gegen den Vorwurf der Eitelkeit ge schützt sein." Von den oben erwähnten Jhering'schen Aufzeichnungen über seinen dreistündigen Aufenthalt im Bismarck'schen Hause am 27. März 1885 ist nachstehendes Bruchstück veröffentlicht: Ich wurde am 27. März 1885 vom Fürsten Bismarck in Berlin empfangen; ich war als Decan der Juristen-Facultät (von Göttingen) beauftragt, ihm anläßlich seine- 70. Geburts tages unser Doctordiplom zu überreichen. Der Fürst lud mich zum Diner eia. Ich erlaubte mir, BiSmarck bei dieser Gelegenheit auf seine Studienzeit in Göttingen zu bringen und ihn nach seinen Leh rern zu fragen. Don letzteren, sagt« er, habe er wenig gehabt; sie hätten ihm kein Interesse für dir Jurisprudenz abzugewinnen vermocht, nur der Historiker Heeren hätte ihn angeregt. Mit der Arbeit sei es in Göttingen nicht viel geworden, insbesondere seien die Ferien, die der Student damals noch auf der Universität zuzu bringen Pflegte, von ihm und seinen Bekannten fast nur dem Kartenspiel und Trinken gewidmet gewesen. Es sei ein arges Leben gewesen, das er dort — bekanntlich als Corpsbursche — geführt habe. Mit den Pedellen scheint er in nähere Berührung gekommen zu sein als mit seinen Lehrern. Eines derselben erinnerte er sich noch sehr genau und nannte ihn mit Namen. Von seinen Lehrern nannte er nur Hugo und den Privatdocenten Valett, bei dem er Pandekten gehört hatte; die übrigen schienen ihm entfallen zu sein. Mit Humor gedachte er noch des kalten Bades, das er nicht selten, wenn er des Nachts von der Kneipe in sein am Wall, neben der dort canalisirten Leine gelegenes Haus zurückgekehrt sei, in der Leine, um sich abzukühlen, genommen hat. Dieses HauS steht noch jetzt und ist zur Erinnerung an Bismarck mit einer Marmortafel versehen. Es ist ein Gartenhaus, aus einem einzigen Zimmer bestehend; Bismarck war also der einzige Be wohner desselben und mußte den Hausthorschlüffel stets mit sich führen; kein Hauswirth beaufsichtigte sein Kommen und Gehen, er war völlig unabhängig. Bei seiner Entfernung von Göttingen ward ihm eine Carcer strafe zudictirt, die er in Berlin, wohin er von dort ging, abzu büßen hatte. Bei dem großen Studentencommers, der am Vor abend der Bismarckfeier stattfand und an dem sich Deputationen von Studirenden aller deutschen Universitäten betheiligten, be nutzte der Rector der Universität Berlin, Professor Dernburg, diesen Umstand in launiger Weis«, um das Verhalten von Göttingen von einst und jetzt in «in grelles Licht zu setzen. „Damals", sagte er, „hat man Bismarck einen Haftbefehl nach geschickt und jetzt sendet man ihm den Ooctor zuns." Der Bericht Bismarck's über seine Berliner Studentenzeit berührte auch den berühmten Rechtsgelehrten Herrn v. Sa vigny. „Ich habe", sagte Bismarck, „ihn nur zwei Mal im Colleg gesehen, aber oft im Hause." Bismarck kam dann auch auf die Eitelkeit des Gelehrten zu sprechen und bediente sich hierbei eines ungemein drastischen Ausdrucks. Die Ueberreichung des Diploms fand nach Tisch beim Kaffee statr. Ich erbat mir die Erlaubniß, die Bismarck betreffenden Stellen vorzulesen. Als ich geendet hatte, sagte er lächelnd: „Da sehe ich einmal, was ich für 'n Mann bin." Als ich mich verabschiedete, nahm er noch einmal auf die ihm verliehene neue Würde Bezug, indem er scherzhaft zu mir sagte: „Ich kann Sie ja fortan als Herr College begrüßen!" Worauf ich erwiderte: „Ich bedaure nur, daß dies nicht auch meinerseits geschehen kann." Wenige Tage darauf nahm er Veranlassung, öffentlich der neuen Würde zu gedenken. Es geschah bei Gelegenheit des 60. Doctorjubiläums Rankc's, dem er als dem Altmeister der Gelehrtenzunft als „neucreirter Göttinger Doctor" seine Gratu lation abstattete. Später folgte auch ein specielles Dankschreiben an unsere Facultät. Die niederträchtigen Hetzereien in der Presse gegen Bismarck nach seiner Entlassung erfüllten Jhering „mit tiefster Betriibniß und äußerstem Ingrimm". Zur Jllustrirung der Bemerkung Jhering's, daß es ihm an Muth im Leben nicht gefehlt habe, und daß er an seinen Grund sätzen auch dann festhielt, wenn er dabei persönlichen Nachtheil erleiden konnte, theile ich aus den mir von ihm gemachten Mit theilungen noch nachstehenden charakteristischen Zug mit. Die Corps in Göttingen grollten Jhering, weil er nie ein Hehl daraus gemacht hakte, wie er über sie dachte. „Wie könnte auch", so theilte er mir mit, „ein Lehrer anders, als seine Mißbilligung darüber aussprechen, daß sie den Zweck des akademischen Stu diums gänzlich außer Acht setzen Es giebt unter ihnen Manche, die im ganzen Semester auch nicht ein einziges Mal die Vor lesung besuchen. Und dabei der Uebermuth, so zum Beispiel im Theater, wo sie die Vorstellung durch Rufe unterbrechen. Ein mal, wo dies in meiner Gegenwart im Theater geschah, habe ich die anwesende Polizei requirirt und die Unruhestifter ausweise»
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