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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.09.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-09-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980921015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898092101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898092101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-09
- Tag1898-09-21
- Monat1898-09
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Morgen-Ausgabe riWM Tageblatt Anzeiger Druck und Berlag von E. Polz tu Leipzig Jahrgang Mittwoch den 21. September 1898. »neu« gewesen. »»yi» K7-Ü. »ttvu c»K.s/l.« « clc tlsric -nt 1°!v8özLÜ- Die Morgen-AuSgabe erscheint um '/,? Uhr, di« Abend-Au-gabe Wochentag» um b Uhr. >t sns-xel. Ne-action und Lrpe-itio«: IohanneSgafie 8. Die Erpcditiou ist Wochentag» ununterbrochen gröffnet von früh 8 bi» Abend» 7 UH«. Migerlich auf Frankreich als Gegner. Wie steht es dann mit dem gegenseitigen Kräfteverhältniß? Ein plötzlicher Handstreich gegen Tripolis mit Hilfe der italienischen Flotte erscheint da durch ausgeschlossen, daß Frankreich Bizerta an der tunesischen Nordküste zu einem außerordentlich starken Kriegshafen umge wandelt hat, so daß es von dort aus jedem italienischen Hand streiche vorbeugen kann. In Bezug auf Landtruppen ist Frank reich noch ungleich besser daran. . Wenn Frankreich aus nahe liegenden Gründen Algerien und Tunesien nie ganz von Truppen entblößen kann, so kann es doch jederzeit mittelst der Eisenbahn verbindungen binnen kurzer Frist etwa 30 000 Mann von den algerisch-tunesischen Besatzungstruppen an die tripolitanische Grenze-werfen. Wie schwer es aber ist, eine solche Truppen zahl von Europa aus nach Afrika herüberzubringen, hat Italien in dem Unglückstriege gegen Abessinien wahrnehmen müssen. Zudem sind gerade die afrikanischen Truppen .Frankreichs rowpu8-au mötier, d. h. abgehärtete, an afrikanische Stra pazen, Märsche und Kämpfe gewohnte Truppen, denen Italien nur -'in feinen Elitetruppen, den Bersaglieri, Gleichwerthiges cntgegenzustellen vermöchte. Ist denn aber Italien dazu in der Lage, seine besten Truppen aus dem Lande herauszuziehen? l Hier ist abermals ein Unter schied zwischen Frantreich,und Italien vorhanden, abermals ein Unterschied zu Ungunsten Italiens. Während in Frankreich, so zersplittert und zerrissen das Land sonst ist, für jede patriotische Unternehmung, wie es die Erwerbung einer neuen Kolonie ist, das Volt als Ganzes Umsteht, ist in Italien durch den langan dauernden wirtschaftlichen Niedergang eine so gedrückte Stim mung im Volke entstanden, daß hinter einem nationalen Unter nehme nicht ohne -Weiteres das ganze italienische Volk steht. Zudem hat das Unglück in Abessinien eine starke Abneigung gerade gegen coloniale Unternehmungen erregt. Frankreich würde also bei einem Vorgehen, gegen Tripolis von der Volksstimmung getragen sein, Italien aber nicht. Und gerade in romanischen Ländern ist die Volksstimmung ganz besonders zu berücksich tigen. So kann ein Freund Italiens der italienischen Regierung nur rathen, die tripolitanische Frage jetzt nicht aufs Tapet zu bringen, und die-Forderung des angesehenen italienischen Blattes „Stampa", Tripolis als Entschädigung für die in Kreta ge leisteten Dienste zu verlangen, nicht zu berücksichtigen. Italien muß erst seine.inncre Lage verbessern, «he es an große auswär tige Unternehmungen Herangehen kann. Es verliert zudem nichts beim Abwarten, ;da zur Zeit Frankreich seine Aufmerksamkeit mehr auf Marokko gerichtet hat, als auf Tripolis, so daß die Be- sorgniß, Frankreich könnte Italien in Tripolis ebenso zuvor kommen wie 1881 sn Tunis, gegenwärtig nicht begründet erscheint Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung V0.—, mit Postbesörderuug 70.—. Schritt stillschweigend das Floß aufwärts treideln. Die Treidel stege finden sich zu beiden Seiten des Flusses, sie müssen stets in Stand gehalten werden, und wo ein Quercanal oder ein Neben flüßchen den Steg unterbricht, da ist eine Brücke, d. h. es liegt ein Balken im Wasser, mit Ketten befestigt, über den die Treidler hinwegbalanciren. Di« Treidelzeit ist keineswegs leicht: um sie zu überstehen, gehört ebenso viel Ausdauer wie Stumpf sinn. Irr Königsberg wird das Floß mit Hütte und Allem, was darauf ist, verkauft, die Dschimken nehmen ihr Geld und ihre Lischtcn, das sind bastene Tornister, besichtigen noch die Herrlichkeiten der Krönungsstadt, kaufen sich Knöpfe, ihren Stolz und ihre Freude, Tabak und Fusel und treten dann zu Fuß die Heimreise an; eine Eisenbahnfahrt würde der geringe Ver dienst nicht vertragen. Es ist ein idyllisches Dasein, das diese harmlosen, einfältigen und treuherzigen Leute führen, idyllisch, aber nach unserem Geschmack, die wir zu dem Stumpfsinn des Diogenes noch nicht gediehen, öde und inhaltlos. Für Königs bergs Handel aber sind die Dschimken von größter Bedeutung, da sie den Holztransport aus Rußland so billig gestalten, wie es sonst Niemand vermag. Natürlich verkehren auf diesem Wasserwege auch andere Schiffstypen, nicht nur der primitive des Flosses. Es sind da Dampfer und sogenannte Reisekähne, große Kähne, die mittels Segel oder bei widrigem Winde durch Treideln fortbewegt werden. Sie führen meistens Getreide aus Rußland nach Königsberg. Obwohl nun der Große Friedrichs-Graben durch Moorland führt, darf man diese Gegend nicht für unbelebt halten. Neben dem Canal ist ein« Chaussee aufgeschüttet und der feste Untergrund, den sie bietet, hat zahlreiche Menschen zur Ansiedelung veranlaßt. Gehöft reiht sich an Gehöft, so weit das Auge schauen kann, und der ganze Friedrichs-Graben er scheint wie eine durch ein endloses Dorf führende Wasserdorf- straße. Die Bewohner sind die echten und eigentlichen Wasser litauer. Hinter ihrem Häuschen ist stets ein Stück mühsam dem Moore abgerungener Acker, eigentlich nur «in Garten, aber was er liefert, muß dem Grundstiicksbewohner seinen Leben»- unterhalt bieten. Es sind meistens nur Kartoffeln und weniges Getreide, dann Sonnenblumen, dessen Kerne dem Litauer schmack haft erscheinen, vor Allem aber die neuerdings auch in der Politik erwähnten — Zwiebeln in großen Mengen und vor züglicher Güte. Mit ihren Kähnen, die gerade groß genug sind, um einige Scheffel Zwiebeln und Kartoffeln nebst vielleicht zwei Personen zu fassen — Seelenverkäufer nennt man bezeichnend diese Verkehrsmittel — kommen sie allwöchentlich nach Labiau zu Markte. Da entfaltet sich denn ein buntes Bild. Schon am Abend vor dem Markte treffen die Leute in dieser „Sce"-Stabt ein und dann reiht sich Kahn an Kahn in solcher Fülle, daß man von Ufer zu Ufer über sie weg gelangen kann. Entweder übernachten die Marktgänger in ihren Kähnen oder sie suchen Unterkunft in den Materialgeschäften, die ihnen gern ein Stroh lager gewähren, um sich ihre Kundschaft zu sichern. Dicht am Flusse und an der Ordensburg ist ein solcher Aus schank, der mit der Ordensburg entstand und ein Privilegium besaß. Dort herrscht der größte Trubel, und e» ist ein an ziehendes Bild, das sich von ihm aus meiner Kinderzeit in mir bewahrt hat. Da zogen sie denn Abends ein, diese Wasserlltauer, bekleidet mit schweren, plumpen Wasserstiefeln, blauen, selbst gefertigten Ltineugewäodern und gewöhnlich auch noch mit der litauischen Kapuze — so ein Ding, ähnlich wie es wohl Guten berg getragen hat, und nicht aus Pelz, sondern aus blauem Tuch mit rothem Futter. Die Kapuze kann bei Regenwetter entweder ganz über den Kopf gezogen werden, so daß nur ein Ausschnitt für Augen, Nase und Mund frei bleibt oder sie wird nur in den Nacken gezogen und dann tritt in schmucker Weise das Futter nach außen. Bei schlechtem Wetter tragen die Litauer auch noch den berühmten weißgegerbten Schafpelz, an dem kein Tuch ist, weil er sonst nicht gewendet werden könnte. Im Sommer nämlich wird die Wolle nach außen getragen, im Winter aber der Pelz so „umgekrempelt", daß die Wolle nach innen liegt und das weiße Leder außen. Diese Dinger sind in der That ein Universalrock, sie kühlen im Sommer und wärmen im Winter. Was der Litauer zuerst im Laden fordert — ab gesehen von dem unvermeidlichen Branntwein — das ist Schnupftabak für seine bastene Dose, deren Stelle auch ein Kuhhuf vertritt, dann Salz, Pfeffer und Essig, um sich seine Mahlzeit zu bereiten. Für den Essig reicht er seine mitgebrachte Schüssel dar, dann greift er in die Tasche und holt sich einen rohen Fisch, mit Vorliebe einen Aal, heraus, zerstückelt ihn in der Schüssel, streut Salz und Pf«ffer darüber und das Mittag essen ist fertig. Grobes, schwarzes, gesäuertes, vortreffliches Brod, wie es nur in Ostpreußen zu finden ist, und Zwiebeln Würzen die Mahlzeit. Vielleicht aber hat der Litauer auch noch einen besonderen Leckerbissen bei sich, den „Fuppkegieler". Fuppke heißt Täschchen und gielen bedeutet schielen, hervorlugen. Was da aus der Tasche hervorlugt, das ist ein A Elle langer Roggenkloß, steinhart und mehr Mordwaffe als Genußmittel, aber dem Litauer schmeckt's und er zermalmt das Ding mit einem Eifer, der einer besseren Sache würdig wäre. Auf dem Jahrmarkt in Labiau kann man auch die zarten Beziehungen der Litauer zum weiblichen Geschlecht oft genug beobachten. Nun mag man ja diesem Völkchen allerhand Böses nachsagen, ein» muß man ihm lassen, seine „bessere Hälfte" kann sich in Ehren sehen lassen. Selten wird man in niederen Volks kreisen so viel hübsche weibliche Erscheinungen finden wie dort. Kleine Hände und Füße, eine graziöse Haltung des Körpers und regelmäßige Gesichtszüge, verschönt durch ein Paar blitzender, schelmischer, blauer Augen, zeichnen die litauischen Schönen aus. Dazu kommt, daß ihre einfache, selbstgefertigte Kleidung — meistens aus selbstgefertigtem rothen Leincnstoff — nicht die ungestalte Form hat, wie andere Volkstrachten, so z. B. die der Wenden; sie paßt sich vielmehr den Körperformen an und trägt damit viel dazu bei, deren Eleganz und Anmuth zu offenbaren. Ein weißes oder buntes („Blitz-blau-Donner- grünes") Kopftuch vervollkommnet die Kleidung, an der nichts besonderes Auffälliges ist — als etwa ihre gefällige Schlichtbeit. Die Litauerin müßte nun keine echte Eva- tochter sein, wenn sie sich nicht ihrer liebenswürdigen Vorzüge vollkommen bewußt wäre, und sie ist auch keineswegs abgeneigt, diese Reize bewundern und genießen zu lassen. ES erübrigt noch, eines fremden Bestandtheiles in der Be völkerung Wasserlitauens zu erwähnen, nämlich der Zigeuner. Sie haben ihre eigenen Dörfer am Haffe, z. B. Agilla. Da Hausen sie, das ist ihr Standquartier. Ihre Be schäftigung ist der Pferdehandel und sie besitzen in ihm eine Routine, der ohne Gleichen dasteht, und das will in Ostpreußen, dem Lande der Pferdezucht nicht nur, sondern auch des geriebenen Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittag« 10 Uhr. Marge o«Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bet den Filialen und Annahmestellen je ein» halb« Stunde früher. Anzeige» sind stet» an v« Expedit«»» zu richten. Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Pekitzeile LO Pfg. Reklamen unter dem Redactionsstrich (»ge spalten) bO-4, vor den Familieniiachrichtr, (6 gespalten) 40-H. Größere Schriften laut unserem Preis- ve^eichniß. Tabellarischer und Ziffernfatz nach höherem Tarif. Aus Wajserttlauen. Bon vr. Hans Wagner. Nachdruck verboten. (Schluß.) Der große Friedrich hat dies«s Land erst dem Verkehr er schlossen, indem er System in das Wassergeäder des großen Moosbruches brachte: er schuf den „G r o ß e n G r i ed r i ch s - Graben". Wer von der Drehbrücke aus, die hinter Labiau diesen Canal überbrückt, die Wasserstraße hinabsieht, erhält den Eindruck, als habe er ein holländisches Landschaftsbild vor sich. Der Canal vermittelt den Flußverkehr zwischen Rußland und dem Getreidehafen Königsberg. So wimmelt es jeder Zeit von Schiffskörpern verschiedenster Art auf dem Canal, und neben den einheimischen Flußschiffen machen besonders die seltsamen Repräsentanten des russischen Handels sich bemerkbar. Es sind die „Dschimken", hochgewachsenc, schlanke Männer mit hellblauen Augen und strohigem, straffem Haar, bekleidet mit groben, grauen, selbstgewebten und gefertigten, weiten Leinenkitteln und ebensolchen Beinkleidern, die an der Wade durch die Riemen der Sandalen zusammengeschnürt werden. Das Leben dieser über aus anspruchslosen und persönlich demüthigen Leute, deren slawischer Typus unverkennbar ist, ist sehr monoton. Es sind russische Staatsangehörige. Meistens flößen sie russisches Holz den Memel hinab aus dem Gebiete des oberen Memelflusses. Die Hölzer sind mit Bast — einem großen Exportartikel der russischen Lindenwälder — oder mit Tannenzweigen zu schma len, aber sehr langen Flößen zusammen gebunden, am End« ist ein primitives Steuer angebracht, um einigermaßen Richtung halten zu können, und in d«r Mitte oder vorn erhebt sich ein Mast, an dessen Spitze ein langes Tau befestigt ist, an dem dort, wo kein Gefälle ist, der Holzstoß gegen den Strom fortgezogen wird. Es ist ein stumfsinniges Dasein, das der Dschimke führt. Auf dem Floß ist seine zweite Heimath. AuS Stroh und Bret tern hat er sich da eine Hütte zusammengeschlagen, ein Bund Stroh, oder, wenn eS hoch kommt, ein Schafffell ist seine Bett statt, und ein Dreifuß neben der Hütte sein Heerd, auf dem er sich sein« Kartoffeln kocht oder Roggenklöße, und wenn es hoch kommt, auch noch ein Stück Speck und einen Hering bereitet. Und während das Floß wie eine Schlange langsam und leise sich thalwärt» bewegt, sitzen seine Bewohner um ihren Heerd, lassen die Schnapsflasche kreisen und singen zum Klang der Ziehharmo nika ihre eintönigen, melancholischen Weisen. Hin und wieder nur eilt einer von ihnen an» Steuer, um dem Floß «inen Ruck nach der gewünschten Richtung zu geben, oder er greift nach der laizgen Stange, um daS festgefahrene vom Ufer wieder frei zu machen. Alles Uebrige besorgt der Flußgott, der diese hölzernen Schätze langsam und bedächtig ihrem Bestimmungsort zutragt. Nuf. dort, wo es stromauf geht, also in der Deime, oder im Großen Friedrich-Canal harrt de« Dschimken anstrengende Arbeit, denn da muß er die Dienste des Stromes übernehmen. An der oben erwähnten langen Leine sind verschieden« Halftern angebracht, di« die Dschimken sich um Brust oder Schulter legen und mit denen sie in langsamen, genau abgemessenen Filialen: ktt» Klemm'» Sortim. (Alfred Hahn), Universität-strab« 8 (Paulinus), Louis Lösche, Katharinenstr. 14, part. und König-Platz L Politik gepriesen worden und vom Standpunkt Johann'-, des munteren Seifensieders, betrachtet, ist sie eö auch Ämtsvlatt des königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Volizei-Ämtes der Stadt Leipzig. Italien, Frankreich und Tripolis. B Vor einiger Zeit ist das letzte Wahrzeichen italienischen Einflusses in Tunis, die Eisenbahn von der Hauptstadt Tunis »nach dem Hafen oder Go'etta, in französische Hände über gegangen. Wer die Bahn kennen gelernt hat, weiß, daß die Italiener nicht stolz darauf zu sein brauchten, aber es ist trotz dem kein Wunder, daß die Veräußerung dieses letzten Stückes italienischer Herrlichkeit in Tunis in Italien schmerzlich be rührte. Und es ist noch weniger ein Wunder, daß in dem Augen blicks, wo das Ende des italienischen Einflusses in Tunis so sinnfällig vor Augen geführt wird, man in Italien an einen Er satz für die verlorene Einflußsphäre desto lebhafter denkt. Dieser Ersatz soll in der unter türkischer Herrschaft befindlichen, östlich an Tunesien grenzenden Landschaft Tripolis bestehen. Wo mit begründet man in Italien einen moralischen Anspruch auf dieses Land? Einmal damit, daß die italienische Colonie in Tripolis ihrem Einflüsse nach an erster Stelle steht, theils, weil Italien dort vortreffliche Schulinstitute geschaffen hat, theils, weil eine italienische Schifffahrtslinie, die „NnviFU-äone donorula Ituliunu" zwei Mal in der Woche einen regel mäßigen Verkehr zwischen Italien und Tripolitanien unterhält. Zum Zweiten erinnert man in Italien daran, daß Sicilien der Tripolis am nächsten liegende Theil eines europäischen Staates ist. Diese Gründe sind zutreffend/,aber sie trafen seiner Zeit noch viel mehr auf Tunesien zu. Denn in Tunis war das italienische Element ungleich stärker noch als in Tripolis vertreten. Hier hatte auch italienischer Einfluß ungleich mehr für die Cultur des Landes gethan, als er in Tripolis bisher thun konnte. Schließlich liegt Sicilien noch näher zu Tunesien, als es zu Tripolis liegt. Der Anspruch Italiens auf Tunis war also noch ungleich gerechtfertigter, als der auf Tripolitanien. Trotz dem ließ sich Italien den fetten Bissen entgehen, als Frankreich in den Jahren 1881 und 1882 unter nichtigen Vorwänden seine schwere Hand auf Tunesien legte und den festen Willen bekun dete, von diesem Lande nicht mehr zu lassen. Auf die Gegnerschaft Frankreichs —, darüber sollte man sich in Italien klar sein —, muß man aber rechnen, wenn man die Hand auf Tripolis legen will. Wenn Italien sagt, daß es «der Tripolis am nächsten liegende europäische Staat sei, so macht Frankreich seine Rechte "-als direct angrenzender afrikanischer Nachbar von Tripolitanien geltend. Frankreich hat auch schon seine Vorbereitungen getroffen, indem es die an Tunesien an grenzenden tripolitanischen Stämme für sich zu gewinnen sucht. In dem Augenblicke also, in dem Italien seine Absichten auf Tripolis kund giebt, oder cruszuführen versucht, trifft es un Pferdeschachers, viel sagen. Wenn Jemand einen alten „ab gerackerten" Gaul hat, der kaum noch den Weg zum Roßschlächter zu finden vermag, und er wünscht aus ihm einen stattlichen „Araber" zu machen — wenigstens auf Stunden, bis der Kauf vollzogen ist —, der gebe ihn dem Zigeuner in die Hände. Er macht, wenn man will, aus einem Schimmel einen Rappen, giebt ihm ein Lebenselexir, daß seine Nüstern schwellen und daß seine krummen Beine wieder zu tänzeln beginnen, und stutzt ihn so zu, daß noch fast ein Schlachtroß aus dem Klepper wird. Bei dem Geschäft ist Geld zu verdienen, und der Zigeuner verdient es reichlich. Er ist auch keineswegs der zerlumpte Zigeuner der Pußta, den wir von Bildern her kennen, nein, er liebt es, seine Wohlhabenheit zur Schau zu tragen und hat ein stolzes Ge bühren, d. h. n a ch dem Geschäft. Im Uebrigen wird man gut thun, diesem Völkchen so weit als möglich aus dem Wege zu gehen, gegenüber dem Leben und dem Eigenthum Anderer hat es echte und rechte Zigeunerbegriffe. Di« Pferde, mit denen diese Zigeuner handeln wollen, holen sie sich aus ganz Ostpreußen oder auch aus Polen zusammen. Wenn sie aber an einem einsamen Gehöft auftauchen, dann bergen dessen Bewohner eiligst ihre Habe und athmen erleichtert auf, wenn die schwarze Horde wieder verschwunden ist. In dem Heimathsdorf aber der Zigeuner hält ihr Fürst strenge Ordnung, und wehe Dem, der sich seinem Scepter nicht willig fügt. Die „Hauptstadt" dieses Wasserlitauen ist Labiau, es hat Wohl 3000 Einwohner und ist eins von den Städtchen, von denen man sagt, „wenn man zu dem einen Thore hineinfährt, so ist die Deichsel schon zum anderen hinaus". Die Stamm bevölkerung ist deutsch und hat sich im 13. Jahrhundert an der Ordensburg angesiedelt, die ihr Schutz gegen das heidnische Litauen bot. Berühmt ist dieses Städtchen wegen seiner Stinte, jener fingerlangen Fischchen, die zur Thranbereitung verwandt werden, dann durch seine Schuhmacher. Fast der dritte Mann ist nämlich dort Schuhmacher und bereist mit seiner Waare die Jahrmärkte. Sonst ist das Städtchen friedlich und still, es sei denn, daß di« „Landsche", die Burschen vom Lande, 'mal auf „Freischaft" in die Stadt kommen und sich mit den städtischen Jünglingen um der begehrten Weiblichkeit halber raufen. Halt — fast hätte ich das Labiauer Schützenfest zu erwähnen vergessen! Es ist in der That sehenswürdig. Da herrscht ein Trubel auf dem großen Schützenplatze! Laubhütten sind aufgeschlagen, in denen die einzelnen Familien die ganzen^acht Tage, die das Fest dauern muß, wohnen. Da geht es denn hoch her, und es ist zugleich so idyllisch und gemllthlich, daß auch der Fremde noch lange an diese schöne, eigenartige Labiauer Schützenzeit zurück denkt. Und der Labiauer selbst hat das ganze Jahr hindurch erst recht an das verflossene Schützenfest zu denken, erstens, wenn er seine gesprengte Caffe allmählich wieder in Ordnung bringt und dann, wenn er alle die Dinge bespricht, die da passirt sein sollen. Es ist ja auch zugleich dieses Fest die Hoffnung aller töchterreichen Familien! — Jetzt allerdings, seitdem Labiau seine Eisenbahn hat, ist es Weltstadt und da wird wohl auch all mählich der Weltton einziehen — und die Ungemüthlichkeit. Ob wohl der Philosoph des Städtchens, der flügellahme Kranich noch lebt? gemeinen war man aus Andeutungen aus England beschränkt. Da auch von verschiedenen Seiten selbst betont wurde, daß man von dem Inhalte nicht» wisse, so mußten natürlich die Erörterungen recht dürftig ausfallen. An amtlicher Stelle würde man es lieber sehen, wenn das ganze Abkommen sofort veröffentlicht werden könnte; da durch käme das Auswärtige Amt in die Lage, sich gegen Ein wendungen an der Hand der getroffenen Bestimmungen leicht ver- theidigen zu können. Jetzt müsse man schweigen: denn auf Wunsch Englands hat man sich zur Geheimhaltung ver pflichtet. Diese Geheimhaltung muß natürlich den Verdacht be stärken, daß die Abmachung recht angreifbare Seiten enthält und darum so lange geheim gehalten werden soll, bis sie zur vollendeten Thatsache geworden ist. Beiläufig muß aber darauf hingewiesen werden, daß das Abkommen nicht so geheim geblieben ist, wie bis her behauptet wurde. Allerdings ist der Wortlaut des Vertrage» noch ganz an den amtlichen Stellen in Berlin und London ver borgen, aber der Hauptinhalt ist weiteren Kreisen dadurch bekannt geworden, daß nahe betheiligte Personen in Berlin, Lissabon und London zu Rathe gezogen wurden, deren Interessen dabei ins Spiel kamen und die zu den besten Kennern der dortigen Verhältnisse gehören. Diese sprechen die Ueberzengung aus, daß ihre Rechte nicht gewahrt sind und sie künftig den Schutz ihrer Interessen bei England werden suchen müssen. Darum wird es kaum lange aus- bleiben, daß ihre Einsprüche bekannt werden. Von amtlicher deutscher Seite wird darauf hingewiesen, daß das Reich nicht im Stande ge- wesen sei, in irgend einer Form zu Gunsten Portugals einzugreifen; insbesondere habe das Vorkaufsrecht Englands ein unüberwindliches Hinderniß für uns gebildet. Ein Zusammengehen mit England sei aber geradezu geboten gewesen, weil man so gewisse Vortheile für das Reich habe erreichen können, die sich sonst nicht dargeboten hätten. Erwähnt mag noch werden, daß Deutschland formell seinen Standpunkt nicht verläßt, den es 1896 in dein Weißbuche ein genommen hat. Die Delagoabai wird nicht politisch an England übergehen, sondern nur wirthschastlich, darum scheint der sbatuL quo dort erhalten zu werden. Sonach ist das Abkommen das Werk einer ganz realen Politik." Diese Auslassung ist gut gemischt: halb kritisch, halb officiöS. Wir halten unS an den letzteren Theil und be merken, daß es ein heilloser Schwindel ist, zu sagen, die Regierung bliebe auf ihrem Standpunct von 1896, da die Delagoabai nicht politisch, sondern „nur" wirthschastlich an England übergebe. Denn gerade die Erhaltung des wirth- schaftlichen statu» quo hat Herr v. Marschall im ge dachten Jahre als unentbehrlich für Deutschland bezeichnet und er hat insbesondere auch auf die Eisenbahnen hin gewiesen, die in die Wirthschaft und nicht in die Politik ge hören. Die Andeutung, daß die Wirthschastspvlitik einen Gegensatz zu „realer" Politik bilde, ist eine sehr glück liche Erfindung, wenn man „ideale" Wirthschastspvlitik getrieben, d. h. wirthschastlich Interessen von uner meßlichem Umfang preisgegeben hat. Leider ist das Abkommen aber auch politischer Natur. Es ruinirt unser Ansehen, unsere Vertrauenswürdigkeit in Trans vaal und damit unter den Nichtcngländern ganz Südafrikas. Aber auch die Hingabe von Zanzibar und Witu ist als Real- Das deutsch-englische Abkommen. K „Was nicht in den Acten stehl, daS existirt nicht." So lange es nicht in einem „Weißbuch" dem Reichstag notisicirt ist, daß wir den Engländern zu unserem Schaden — gefällig gewesen sind, so lange ist eS nicht wahr, und wenn es noti- ficirt und auch für die Officiösen wahr ist, nun, dann wird man uns eine schöne Rede über Deutschlands überseeische Größe halten und die Gutmüthigen werden sich in dem nationalen Ruhm spiegeln, wie der Franzose, der sich nach Bismarck gern Fünfundzwanzig aufzählen läßt, wenn man ihm nur dabei vorliest, daß die französische Nation die freieste der Welt ist. Die Böswilligen, die „wilden Chauvinisten", die den nationalen Stolz anderswo als im Ohre tragen, die müssen sich bescheiden und daS selbst dann, wenn Herr Rhode» oder Herr Iameson eine Tabatiöre mit der Bitte um Vergeben und Vergessen geschenkt erhalten sollte. Und wenn sie nicht still sind, wird sie die Colonialgesellschaft mit dem un widerstehlichen Argument zur Ruhe bringen: wenn sie, die diplomirte Wächterin deutscher colonialer Interessen, zufrieden sei, so könnten die Winkel-Colonialfreunde in der Presse und im Alldeutschen Verband die Fünfundzwanzig erst recht hin nehmen. Bis dahin schließt sich die Colonialgesellschast den braven Blättern an, die nicht neugierig sind und sich einst weilen dabei beruhigen, daß der — Uebergang der Delagoa bai in englische Verwaltung gewiß ist. Inzwischen aber mehrt sich nachgerade die Zahl der unartigen Kinder. Die „Kreuzzeitung" schreibt, nachdem sie Einiges über vor eilige Urtheile hat verlauten lassen. Folgendes: „Gewisser Besorgnisse aber vermögen wir auch uns so lange nicht zu erwehren, als über die Zugeständnisse Englands nichts verlautet." Wenn die „Magdeb. Ztg." ihrerseits meint, wir hätten kein Recht, unS einer Verständigung Englands mit Portugal über die Delagoabai zu widersetzen, und keine andere Macht würde sich einem etwaigen Protest gegen deren Abtretung angcschlossen haben, so müssen wir doch fragen: „Wozu dann überhaupt ein Abkommen, wenn es so stände?" Die „Kreuzztg." hätte die weitere Frage auf werfen können, ob Deutschland denn nicht ohne eine andere Macht Manns genug gewesen wäre, sich nicht die Butter vom Brode und das Brod selbst wegnehmen zu lassen. Doch wollte sich das Blatt vielleicht nicht einer Ueberhebung schuldig machen, die in der BiSmarck'schen Zeit die Freunde des Volkes der Dichter und der Denker so unangenehm über raschte. Schließlich ist aber auch die „Kreuzztg." unbescheiden genug, eine amtliche Aufklärung als „dringend" nothwendig zu bezeichnen. Sie wird noch lange zu warten haben. Der „Boss. Ztg." wird nämlich geschrieben: „Die bisherigen Ausführungen der Zeitungen zu dem deutsch englischen Abkommen über die Delagoabai kennzeichnen sich dadurch, Laß nur wenig Bestimmtes daraus berichtet worden ist; im AU- Vez«gS-PE tu her hauptexpedition oder de» ft» AtM» deiirk m,d de» Vororte» «rrichtrtrn Aos- vabestellen ab geholt: vierteljährliche 4ckH vei zweimaliger täglicher Zustellung tu» Hau» b.bO. Durch dir Post bezöge» für »«utschland und O«strrrrich: viertrsiShrltch " —. Directe tägliche Kreuzbandsendung in» Ausland: monatlich 7.S0.
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