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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.09.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-09-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980910022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898091002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898091002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-09
- Tag1898-09-10
- Monat1898-09
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Reklamen unter dem Redaction-strich (4«»- spalten) 50 vor den Aamilirnnachrichtea l6gespalten) 40 Gröbere Schriften laut unserem Preis« verzeichnid- Tabellarischer und Zisfernjatz nach höherem Tarif. Kxtr«»Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung ^ll 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß fir Anzeigen: Abend-Au-gabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halb« Stunde früher. Anzeigen sind stet- an die Expeditis» zu richten. Druck und Verlag von E. Volz in Leipzig. 92. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 10. September. Zu der Ankündigung de- Gesetzes über den Schutz der Arbeitswilligen nimmt heute nun auch dir „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" das Wort. Sie schreibt: „Die Red», die der Kaiser am 18. Juni vorigen Jahre- aus dem Sparrnberge bei Bielefeld hielt, hat Veranlassung gegeben, daß vom Reich» amte des Innern Erhebungen angestellt und Umfragen bei den Verbündeten Regierungen gehalten wurden, in welcher Weise rin wirksamerer Schutz der Arbeiter gegen den Terro rismus der focialdemokratischen Partei erreicht werden könnte. Bekanntlich gelangten durch einen groben Vertrauensbruch Mittheilungen über jene Erhebungen in die Oefsentlichkeit. Seine Majestät derKaiserhat nun in seiner am letzten Dienstag zu Oeyn hausen gehaltenen Rede dem bereits in Bielefeld ausgesprochenen Gedanken erneuten Ausdruck gegeben. Wir sind überzeugt, daß ein starker gesetzlicher Schutz des arbeitswilligen Arbeiters gegen die planmäßige jocialdemokratische Verhetzung in allen einsichtsvollen Kreisen der Bevölkerung mit Freuden begrüßt werden würde. Auch meinen wir, daß die gejammte, noch nicht der Socialdemokratie ver fallene Arbeiterschaft ein strenges Schutzgesetz als eine große Wohl« that entgegennehmen würde. Im Uebrigen dürste die bisher an den Absichten der verbündeten Negierungen in der Presse geübte Kritik als sehr voreilig erscheinen. Ueber den Inhalt des Gesetzentwurfs läßt sich vernünftiger Weise erst reden, wenn er bekannt geworden ist." Damit ist mit ofsiciöser Kunstfertigkeit nichts gesagt, wo zu sagen nöthig gewesen wäre. Ein anderes ojsiciöses Organ, die „Bert. Pol. Nachr.", versucht der „Allgemeinen" den Rang im Nichtssagen abzulausen, nur sügt es noch einige Schellworte hinzu und spricht in geheimnißvoller Form des Längeren über politische „Brunnenvergiftung". Auf die berechtigte Frage: „Welches ist der Inhalt des angekündigten Gesetzes? Ist in ihm etwas über Zuchthausstrafe enthalten gegen Solche, die zum Streike nur anreizen?" — diese Frage lassen ;auch die „Berl. Pol. Nachr." unbeant wortet. Dagegen enthält ihre lange Auslassung eine kurze Notiz, die wichtig ist. Denn was die „Köln. Ztg." ebenso wie wir hervorgehoben hatte, daß eS nämlich nach den bisherigen Erfahrungen keineswegs sicher sei, daß die telegraphische Wiedergabe der Kaiserworte mit der Sorgfalt und Genauigkeit erfolgt ist, welche Aussprüchen von solcher Bedeutung nothwendig gewidmet werden muß —diese Mutb- maßung erklärt daS osficiöse Organ für berechtigt — das ist wohl der erste zaghafte Schritt zu einem hoffentlich bald er folgenden Dementi. Die gestern erwähnte Meldung der „Nat.-Ztg", die „aus amtlichen Kreisen eines größeren Bundesstaates" stammen soll und erklärte, daß der vom Kaiser angekündigte Gesetzentwurf überhaupt noch nicht an die Bundesfürsten gelangt sei, zieht den Vorhang gänzlich zu. Wir haben die Resolution mitgetheilt, welche dieThkilnetzmer Ser Arbeitsnachweis - Konferenz in Leipzig faßten und die dahin ging, daß der Arbeitsnachweis von den Arbeitgebern allein zu organisiren und zu handhaben ist. In der Debatte trat allein der Vertreter des Arbeitsnachweises der Schuhmacher Berlins für eine beschränkte Betheiligung der Arbeitnehmer ein; er fand jedoch keine Unterstützung in «der Versammlung. Man erklärte allgemein, die Erfahrung hätte gelehrt, daß ein er sprießliches Zusammenarbeiten mit den durch socialdemokratische Agitationen verhetzten Arbeitnehmern nicht zu ermöglichen sei. Die an der Konferenz betheiligten großen industriellen Verbände, der Bund der Industriellen, der Centralverband deutscher In dustrieller und der Gesammtoerband deutscher Metallindustrteller erklärten sich für die Einrichtung von Arbeitsnachweisen, die allein in der Hand der Arbeitgeber wären. Mit diesem Beschluß hat also der Kampf der Macht gegen die Macht in aller Form begonnen. Den Terrorismus, den socialdemokratische Arbeit nehmer auf die Arbeitgeber auszuüben versuchen, beantworten die Arbeitgeber jetzt ihrerseits mit einer terroristischen Maßregel, die nicht allein die socialdemokratische, sondern die gesammte Ar beiterschaft trifft. Der sociale Friedensschluß ist damit auf unab sehbare Zeit verschoben, der Classenkampf verschärft. Wenn der socialdemokratislchen Verhetzung energisch entgegengetreten wird, so ist das nur zu billigen. Ob man aber mit dem social- autokratischcn Standpunct, der in der Leipziger Arbeitsnachweis- Conferenz zu Tage getreten ist, gute Früchte zeitigen wird, ist zu bezweifeln. Der Stand der Arbeitnehmer ist doch nun einmal eine wirthschaftliche Macht geworden, man kann sie nicht durch einen Conserenzbeschluß aus der Welt schaffen. Hoffentlich kommt der oben angeführte Beschluß nicht zur Ausführung. Eine einsichtige Socialpolitik verlangt es und die Zeitströmung weist gebieterisch darauf hin, daß Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf den Gebieten, die beide in gleicher Weise angehen, auch in gleicher Weise theilnehmen müssen, obligatorische Einigungs ämter und gemischte Arbeitsnachweise zu schaffen, liegt im dringendsten Interesse der Gesammtheit, die nicht wie Drauf gänger von links und rechts denken darf „^prSs nous Ic- ciSIux«;". Nur eine liberale Socialpolitik, deren Wahlspruch das „suuna cuigue" ist, kann uns gesündere Zu stände schaffen. Eine Ltrcikstatistik für das Reich fehlt noch; sie ist erst in ver Vorbereitung begriffen. Man muß daher rur Zeit noch auf die Veröffentlichungen der Generalcommission der socialdemokratiscken Gewerkschaften zurückgreife». Diese lassen seit dem Jahre 1892 ein enorme- Anschwellen der Streiks erkennen. Im Jahre 1892 wurden 73 Streiks mit 3022 betheiligten Arbeitern verzeichnet; im Jahre 1893 kam es bereits zu 1.16 Streiks, an welchen 9356 Arbeiter betheiligt waren. Da- folgende Jahr batte 131 Streiks mit 7328 Betheiligten zu verzeichnen. Eine starke Steigerung wie- das Jahr 1895 auf, in welchem es zu 204 Ausständen mit 14 032 betheiligten Arbeitern kam. Einen ungeheuren Sprung aber machte daS Jahr 1896, in welchem bei 483 Streik- 128 808 Arbeiter betheiligt Warrn. Die hohe Zahl der Betheiligten erklärt sich durch den Umfang des in dieses Jahr fallenden Hamburger Hafenarbeiter-Streiks. Der Zahl der Betheiligten nach geringer, der Zahl der Streiks nach aber nock weit höher stellen sich die Ziffern für daS Jahr 1897. Im Verlause desselben kam eS nämlich zu nicht weniger al- 578 Arbeiterausständen, an welchen 62 119 Personen betheiligt waren. Der „Vorwärts" selbst betont das „gewaltige Anschwellen der Angriff-streikS", d. h. der jenigen Ausstände, welche nicht auf Lohndrücker«! oder der gleichen zurückzuführen sind, sondern von den Arbeitern auS- gehen und besonder- zur Einmischung der Socialdemokratie geeignet sind. Diese Streik- sind von 20 im Jahre 1892 aus 330 im Jahre 1897 gestiegen. Die Worte de- Kaiser- bei dem Empfang de- Vor standes de- westfälischen Bauernverein-: „Ich bin überzeugt, daß solch' ernste- Arbeiten, wie eS der Verein treibt, dem Bauernstände mehr nützt al- Phrase» und hohle Redensarten, mit denen man der Landwirtbschaft zu dienen glaubt", waren wenig schmeichelhaft für die Agita toren de« Bundes der Landwirthe. Man mußte daher ge spannt darauf sein, wie sich da- Organ de- Bundes damit absinden würde. Die „Deutsche Tageszeitung" behandelt die Worte des Kaisers mit der ihr eigenen humorvollen Dreistig keit. Sie legt einfach dem Kaiser unter, daß er die stille gesetzgeberische Arbeit für nützlicher erklärte als hohle Phrasen und Reden, und drückt zu dieser Wendung ihren vollen Bei fall aus: denn „auch sie habe immer betont, daß gesetz geberische Arbeiten viel besser und nothwendiger seien als da- Reden von der allein selig machenden Selbsthilfe" u. s. w. Die agrarischen Witze haben doch ein eigenartiges Parfum. Das Centralcomit6 zur Förderung katholischer Angelegen heiten in Berlin, in dem hauptsächlich die katholischen Verein« der RcichShauptstadt vertreten sind, bat einstimmig den Wunsch ausgesprochen, daß der proste Katholikentag bald, womöglich im Jahre 1900, tu Berlin slattsinden möchte. Der Vorsitzende wurde beauftragt, diesen Wunsch der in Vereinen organisirten Katholiken Berlins, dem Probste Neuber zu unterbreiten. Dazu bemerkt die „Germania": „Manche Gründe lassen es unzweifelhaft Wünschenswerth erscheinen, eine imposante Manifestation katholischen Lebens in der Kaiserstadt zu veranstalten. Es läßt sich aber auch nicht leugnen, daß sehr wichtige Erwägungen verschiedenster Art zu der Erkenntniß führen können, eS sei die Zeit für eine Versammlung der deutschen Katholiken in Berlin noch nicht gekommen. Diese Erwägungen haben den verstorbenen Herrn Prälaten vr. Iahnel bis zu seinem Lebensende bestimmt, entschieden gegen solche Pläne sich zu äußern, wie wir oft ans seinem Munde gehört haben. Die Berliner Katholiken dürfen zu seinem Nachfolger das Vertrauen haben, daß derselbe die hier in Betracht kommenden Umstände allseitig erwägt «nd daS Resultat feiner Beobachtungen dem hochw. Herrn Cardinal zur Entscheidung unter breitet." Die Abhaltung deS Katholikentages i» Berlin hieße dem evangelischen Bewußtsein einen Schlag in- Gesicht versetzen. Die Zeit, in der daS Centrum diesen Trumpf auSzuspielen sich vermessen darf, ist denn doch „noch nicht" gekommen und soll auch sobald nicht kommen. Was würde wohl das Centrum sagen, wenn der Evangelische Bund Crefeld oder eine andere strengkatholische Gebend al- Ort seiner Ver sammlung auswählte? Herr Prälat vr. Iahnel scheint doch «in feinere- Taktgefühl zu haben al- daS ungeberdige Central- comits zur Förderung katholischer Angelegenheiten. Von den trostlosen Zuständen in Literia und speciell von den Unannehmlichkeiten, die eine deutsche Firma daselbst durchzumachen hatte, giebt die nachstehende Zuschrift Kunde, welche der „Hamburger Corresp." veröffentlicht: „Ein deutscher (Hamburger) Kaufmann H. batte 1897 in Liberia neben seinem kaufmännischen Geschäft im südlichsten Settle ment des Lande- eine Kaffee- und Cacaofarm gegründet. DaS Land bat er, da er gesetzlich nichts kaufen kann, liberia nischen Besitzern auf 25 Jahre abgepachtet mit der Be dingung, bei weiterer Verpachtung den Vorzug zu baben. Nun ist aber der ungünstige Umstand der, daß die Liberianer in ihrem eigenen Lande nicht- zu sagen baben, da eS ihnen thatfächlich nickt gehört. Und so haben, als im October 1897 mit der Pflanzung begonnen wurde, denn auch gleich dir wilden Grebo überall angefangen, die Kaffeebäume herauszureißen. Der Geschädigte verlangte nun Ersatz von der liberianischen Regierung mit der Bemerkung, daß ei eventuell auch sich durch Ueberlassung größerer Landstreckcu bezahlen ließe. Daher stammt die Notiz englischer Blätter Deutschland habe Ansprüche auf Land bei der liberianischen Negierung erhoben. Im Laufe der Verhandlungen kam die „Nixe" zur Unterstützung deS Deutschen, hatte aber keinen ausreichenden Erfolg. Es wurde eine Schadcn- ersatzsumme von 20 000 festgestellt, sie ist aber bis beule noch nicht bezahlt. Das Gefühl unzureichenden Schutzes batten die Deutschen auch, als dieser Tage der „Lotbar Bohlen" bei Cap Palmas strandete und die Liberianer sich beeilten, das Schiff nach Kräften auSzusteblen. Ter Agent telegraphirte um Unterstützung durch ein Kriegsschiff nach Kamerun, der Commandant des „Habicht", der zur Zeit dort weilte, am 3. Juni nach Berlin, batte aber am 12. Juni noch keine Antwort. Darüber wurde bitter geklagt. Frank reich Hal keine einzige Firma, keinen Centime Geld in Liberia und unterhält doch in Monrovia einen Ministerresidenten. Deutschland liefert 90 Proc. des Handelskapitals, 90 Proc. der auswärtigen Firmen in Liberia sind deutsch, und doch hat das Reich noch nicht einmal einen Beruf Sconsul dort." „Die Revision ist der Krieg." Dies Thema variiren, um der Revision des TreysnS-raccsfeS den Boden zu entziehen, die Esterhazyblätter seit dem Selbstmord Henry s in allen Tonarten. Also man will die Revision nicht, weil man den Krieg nicht will, weil man ihn fürchtet. Die- Ein- geständniß ist neu und ist eigentlich da- für uns erfreulichste Ergebniß des ganzen Drehfus-Scanvals. Man war immer in Deutschland der Auffassung, daß der Chauvinismus in Frankreich — und die GeneralstabSpresse ist ja chauvinistisch genug — mit Tag und Nacht wachem Blick auf eine Ge legenheit, mit dem Räuber Elsaß-LvthringenS abzurecknen, geradezu lauere. Und nun? Die Revision des DreyfuS- processeS, die Erörterung der „ K a i s e r b r i e f e " in öffentlicher Gerichtssitzung, daS wäre doch der Funke ins Pulverfaß, der unfehlbar zünden würde. Jetzt hält man ihn ängstlich von der feuergefährlichen Masse fern, denn man sieht ein Unglück darin, mit Deutschland in Krieg zu gerathen, wahrscheinlich weil man des russischen Bundesgenossen nicht völlig sicher ist. Thörichte Sorge! Man braucht den Kriegspopanz nicht weiter durch die Straßen von Pari- zu schleppen, es giebt keinen Krieg auch wenn der „besonders geheime" DreysuS - Dossier hundert Briefe des deutschen Kaisers enthielte. Hat man solche, so sind sie selbstverständ lich gefälscht wie der famose Henry-Brief, und eS hätte gar nickt erst der osficiösen Versicherung der „Köln. Ztg." und anderer Blätter bedurft, daß die blödsinnige Meldung der römischen „Tribuna", der deutsche Botschafter in Paris habe erklär, er werde seine Pässe verlangen, wenn von den Kaiser briefen Gebrauch gemacht werde, eben purer Blödsinn fei. Zum Nebenfluß kommt auck noch die officiöse „Agence HavaS" mit folgender, die bereits todte Ente nochmal-todt- schlagender Note: * Part-, 9. September. „Um den angeblichen auswärtigen Blättern entlehnten Behauptungen ein für allemal ein Ende zu machen, sind wir zu der Erklärung ermächtigt, daß von keiner fremden Regierung irgend welche Mittheilung oder irgend welcher Schritt hinsichtlich der Dreysus-Nngelegenheit bei der französischen Regierung gemacht worden ist." So liegen die Dinge, und so fällt auch für den Kriegs minister Zurlinden jeder Grund zur Demission und zur Ver- Feirilletsn. Henny Hurrah! 9j - Roman von Ernst Clausen. Natdruck vrriotkn. Er nahm seinen Hut und verließ ohne Gruß das Zimmer. — Es war ihm nicht möglich, zu bleiben; er fühlte, daß er vor Wuth ersticken würde. — Für Das, was er durchgetämpft, für das Aufgeben seines Berufes als Künstler hatten ja diese Men schen kein Verständniß; doch für die Noth, die seine Schwester in jene Stellung zwang, hätten sie Verständniß haben können! Diese Frau konnte an nicht Anderes denken, als an gesellschaft liche und Standes-Rücksichten. — Es fehlte nicht viel, so hätte er der Tante ins Gesicht gesagt: Eure eigene Tochter an einen reichen Mann zu verschachern, dazu seid Ihr nicht zu vornehm! Mit diesen Gedanken stürmte er die Treppe hinunter. „Ein unerhörtes Benehmen", sagte Frau von Dressing, als Axel gegangen. „Man sieht, wie bei solcher Weltanschauung die Sitten verwildern. Aber Du natürlich, Du stehst dabei und löstest Alle- gehen, wie es will. Mein Gott, wenn ich denke, daß eine unserer Töchter oh, «S ist unglaublich! Wahrlich, Henny ist wohl daran." „Das wollen wir erst einmal abwarten, zum Donnerwetter!" brauste hier der Oberst auf, und seine Frau merkte wieder, daß es bester sei, die- Thema nicht zu berühren. Sobald Henny'» Name nur genannt wurde, trat er, der Vater, in die Opposition. Dem alten Herrn war Manche- erst in der letzten Zeit klar geworden, woran er vor Hrnny'S Hochzeit nicht gedacht hatte. ES gab Stellen in ihren Briefen, bei denen ihm die Röthe in» Gesicht zu treten drohte, nicht die Röthe des Zorne», sondern die der Scham. — Dasselbe Gefühl empfand er, wenn Karl schrieb, daß Henny doch zu nett sei; sie habe ihm wieder «inen Hundertmarkschein geschickt. — Auch die Weihnachtskiste, welche aus New Aork angekommen war, hatte dem Oberst keine rechte Freude gemacht; e» waren neben anderen Dingen zu viele ausgesucht praktische Sachen darin, die nur materiellen Bedürfnissen entsprachen. Wenn sie nicht zugleich ihrem alten Vater «in Bild von sich in einem von ihr selbst gemalten Rahmen gesandt hätte, so würde er froh ge wesen sein, die Kiste zurückschicken zu können. — Hinter dem Cabinetbild stand mit deutlicher Schrift: „Von Deiner alten Henny Hurrah!" Axel schritt in Gedanken die Bäckerstraße hinunter; es war »eiß und drückend. — Auf der Holzbriicke. über dem kleinen Fluß blieb er stehen, nahm den Hut ab und trocknete sich den Schweiß von der Stirn. Unter ihm gurgelte das träge Wasser an den moosigen Brückenpfeilern. — Er war so müde und gleichgiltig; und, sich auf das Geländer lehnend, schaute er lange Zeit hin unter, bi» ihm Jemand auf die Schulter klopft«. Es war Graf Uexhu», der, erhitzt und bestaubt, in Reitstiefeln hinter ihm stand und ihm die Hand reichte. „'n Tag, Sternfeld! — Armer Kerl, ich weiß schon! Aber beißen Sie nur die Zähne aufeinander. Wer weiß! Ein paar Jahre halten Sie eS schon aus; kommt Zeit, kommt Rath! Ich sprach gestern Ihr Fräulein Schwester, es ist eine dumme Ge schichte, und man muß erst alle seine Vorurtheile in den Sack stecken, ehe man auf den richtigen Gedanken kommt; aber es war ja wohl nicht zu vermeiden. Ich fürchte, Sie werden da noch manche bittere Pille schlucken wüsten." Axel fühlte sich wohlthuend berührt durch die Art, wie der kürzlich zum Hauptmann ernannte lange Graf sprach. „Nun, man wird sich schon daran gewöhnen. Im Grunde (bin ich froh, die Sorge um unsere Zukunft vorläufig los zu sein!" „Recht so!" Uexhu» nickte und die Hekmspitze nickte zustim mend mit. „Helfen kann ich Ihnen ja auch nicht, Sternfekd; aber sonst bleibt Alles beim Alten zwischen unS! Vergessen Sie das nicht!" „Ich danke Ihnen, Herr Graf. Das heißt, eigentlich wundere ich mich über Ihre Auffassung", fügte er ironisch lächelnd hinzu. „Ihre Cousine, meine Tante, faßt die Sache anders auf." „Ah, kommen Sie von dort? Kann ich mir denken. Sie hat gewiß wieder Standesrücksichten und gesellschaftliche Pflichten auf Waffertrense geritten, und dabei gehen ihr leicht di« Pferde durch. — Ich will Ihnen ganz offen meine Ansicht sagen: Ich finde da» Alles auch sehr bedauerlich, und e» wäre besser, wenn es nicht nöthig wäre! Aber dafür können Sie persönlich nicht», sondern die menschliche Gesellschaft und der Staat sind daran schuld und noch manche» Andere. Seit hundert Jahren läßt der selbe seine Beamten für sich arbeiten, und giebt ihnen immer gerade so viel, daß dieselben, so lange sie leben, nicht zu ver- hungern brauchen. — Die Folge davon ist, daß diese Beamten versuchen, den Beruf zum Geschäft zu machen, daß sie Bankiers- töchter heirathen und sonstige Spekulationen anstellen. Wenn man da» so sagt, klingt es sehr sonderbar, und es ist ja auch nur der trocken« Verstand, der solche» spricht, da» Herz schleppt ge treulich die ganze oder einen Theil der erblichen Belastung von Berufstreu« und idealer Auffassung derselben weiter, und der Staat kann dafür seinem Schöpfer danken." Er schritt neben Axel her und tippte zuweilen mit der Hand an di« Helmblende, wenn ihn Soldaten grüßten. — „Haben Sie schon «ine Wohnung?" fragte er dann. „Nein, noch nicht! Es eilt nicht so sehr. Ich muß doch noch einmal nach München." „Schön. — Wenn Sie nichts Besseres finden, so wüßte ich eine kleine nette Wohnung in der Corlstraße. Das Haus ge hört dem Schuster Knüller; der alt« verrückte Kerl giebt sie billig her, wenn er weiß, daß Sie dieselbe haben wollen." „Ich danke Ihnen, Herr Graf! Sie haben mir wieder frischen Muth gemacht." „Also, auf Wiedersehen! Adieu, Sternfeld!" Armer Kerl! dachte Uexhus. Es ist ein Blödsinn, daß er Mit der Schwester hier in der Stadt bleibt, aber man soll es ihm nicht noch schwerer machen. Gut, daß er die schlechten Witze nicht gehört hat, welche darüber heute schon im Casernen- hof gerissen wurden. — Und die Leute haben ganz recht! Früher hat man mit dieser Hedwig Sternfeld getanzt und sie „gnädiges Fräulein" genannt und übermorgen giebt sie Einem auf ein« Mark achtundzwanzig Pfennig« heraus, und wenn Einer will, kann er sogar mit ihr einen Witz riskiren. Es ist eben der Fehler, daß Kinder auS solchen Familien die moralische Ver pflichtung fühlen, für einander einzustehen. Wenn dieser Stern feld einfach sagte zu den Schwestern: Kinder, helft Euch durch, so gut es geht,^ ich kann meinen Beruf nicht aufgeben, so würde er es schon durchführen können! Aber so, wie es ist Graf Uexhus bemerkte trotz dieser ernsten Betrachtungen, daß ein vor ihm Front machender Soldat seiner Compagnie statt in fünfter in der vierten Garnitur steckte. — „Wie kommen Sie dazu, Müller?" „Herr Hauptmann, meine fünfte Garnitur ' „Ach was, die ist gerade gut genug. Weil Sie Ofsiciers- bursche sind, brauchen Sir darum keinen Staat zu machen. Die Garnitur wird beim Feldwebel abgegeben und nur des Sonn tags geholt, verstanden?" „Zu Befehl, Herr Hauptmann!" Das hatte Uexhus auf andere Gedanken gebracht, und er grübelte darüber nach, wie er e» fertig bringen könnte, dir Röcke fünfter Garnitur etwas auffrischen zu lassen. — Er fühlte sich riesig vergnügt, seit er Hauptmann geworden war, und seine Leute hatten heute auf dem Schießstand groß artig geschossen. Axel und Hedwig hatten die Wohnung im Hause des Schustrrs Knüller behaglich mit den Möbeln der Eltern ein gerichtet. Sie fühlten sich wohl und zufrieden, wenn sie des Mittags beim Essen oder nach eingenommenem Abendbrot» ge mächlich beisammen saßen. Dank ihrer Erziehung und des großen Vorraths von Gemüth, den ihnen das Elternhaus mit gegeben hatte, war besonders Axel geneigt, dies Leben als eine Art von Idylle zu betrachten. Das Gefühl, in einem festen Beruf mit sicherem Einkommen zu arbeiten und seine Pflicht als Mensch und Bruder nach besten Kräften zu erfüllen, machte ihn glücklich und zufrieden und ließ ihn vorläufig weniger sehnsüchtig an das Aufgegebene zurückdenken. — Das Lehrerkollegium, zu welchem er nun ge hörte, machte keine besonderen Ansprüche an ihn; sie waren fast Alle älter, und der akademisch gebildete Lehrer pflegt dem Zeichenlehrer mit einer Art von passivem Wohlwollen gegenüber zustehen, obgleich es zweifelhaft ist, ob die Jugend nicht besser gebildet würde, wenn sie zunächst scharf sehen und beobachten lernte, als abstract zu denken. Die Bildung liegt mehr im An schauen als im Wissen. Zudem war es Axel gelungen, ziemlich regelmäßig für die Seefried'sch« Tapetenfabrik mit Beifall aufgenommene Muster zu liefern, welch« einen recht erfreulichen Nebenverdienst brachten und zum größten Theil in der Brown'schen Filiale in New Uork begehrt wurden. — Die Geschwister hatten auf diese Weise fast mehr, als sie brauchten, und das macht Menschen, die der Noth ins Auge sehen müssen, zunächst so glücklich, daß dies Gefühl alles Ändere übertäubt. Hedwig's stilles, hausmütterliches Wesen erfüllte die Räume und umgab des Bruders Leben mit tausend kleinen Annehmlich keiten. Sie wußte, was si« ihm zu danken hatte, und bemühte sich, ihm gegenüber vollständig zufrieden und heiter zu erscheinen. Es gab da eine lange Reihe von Demllthigungen und von unangenehmen Dingen, nicht nur in der directen Ausübung ihres Berufes. — Die vier oder fünf anderen jungen Mädchen in der großen Papierhandlung und Buchbinderei von F. Kugler be handelten dir neue Cassirerin nickt gerade sehr liebevoll. Große nicht nur gesellschaftliche, sondern auch moralische Abstände trennten sie von Hedwig. Sie fühlten instinctiv, daß Fräulein Hedwig Sternfeld für ihre Witzchen und Klatschereien, für ihre Toilrttenfragen und Sonntagsvergnügungen, für ihre Herrenbekanntschaften und Scherze mit den Lcwenbesuchern absolut kein Verständniß und
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