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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.09.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-09-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980912026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898091202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898091202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-09
- Tag1898-09-12
- Monat1898-09
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Innerlich über sich selbst, weil er eine Secunde daran gedacht hatte, einen anderen Grund für sein Warten anzugeben. „Ach so — ja — richtig; daran dachte ich nicht. Ich bin auf dem Wege zum Ball im Stadtcasino. Guten Abend — es ist die höchste Zeit. Du solltest auch einmal hingehen." . „Viel Vergnügen!" rief ihm Axel mechanisch nach. Das sogenannte Stadtcastno war eine Gesellschaft, die sich aus den Beamten, Industriellen und reieberen Kaufleuten der Stadt zusammensetzte und in die jeder Osficier der Garnison «intreten mußte, da der Oberst mit der Ävilbevölkerung ein geselliges Zusammenleben wünschte. Daneben bestand das Bür gercasino für die unteren Beamten, kleinen Kaufleute, Schul lehrer u. s. w. Als Axel nachher mit Hedwig der Trüxen'schen Wohnung zuschritt, sagte er plötzlich in sehr bestimmtem Tone: „Ich werde mich nach den Aufnahmebedingungen des Stadcasinos erkun digen, Hedwig. Du hast wirtlich gar nichts von Deinem Leben, und man will doch zuweilen mit Gebildeten verkehren!" Sie schwieg eine Weile und knöpfte an ihren Handschuhen. „Thue es lieber nicht, Axel, ich mache mir gar nichts daraus." „Das sehe ich gar nicht ein", meinte er mit einem gewissen Eigensinn in der Stimme, „früher bist Du doch ausgegangen, und mir selbst wird es Spaß machen; es ist sogar.meine Pflicht, unsere gesellschaftliche Stellung zu wahren." „Ach, Axel, ich habe wirklich gar keine Lust dazu. Sieh, ich bin des Abends so todtmüde!" „Die Vergnügungen sind immer Sonnabends, dann kannst Du am anderen Morgen ausschlafen!" Sie suchte rathlos nach einem anderen Vorwande, ihn von diesem Gedanken abzubringen. Den wahren Grund mochte sie ihm nicht sagen. Er war ein so guter Mensch und so harmlos in solchen Dingen; und sie wollte ihm die bittere Wahrheit er sparen. Sie wußte ganz genau, weshalb sie nie in jene Ge sellschaften gehen durfte. Hätte sie sich mit Blumenmalerei oder Holzbrennerei ihr Brod verdient, dann vielleicht — aber eine Eassirerin aus Kuglrr's Laden! „Es geht auch sonst nicht, Axel. Du bist doch noch nicht würdig genug, um mich zu chaperonniren." „Ach ja — das ist richtig; dann könnte man vielleicht Louise Driiren bitten!" „Drüxens geben fast nie hin!" , Nun, dann Frau Seefried — sie wird es gerne thun!" Hedwig seufzte leise und schritt schweigend neben ihm her. „Ich werde sie darum bitten", sagte Axel nach einer Weile. Es hatte begonnen zu schneien. Windstill war es, und die weißen Flocken schwebten sachte herunter. Nur im Lichtkreis der Gaslaternen oder eines erleuchteten Parterrefensters glitzerten ie hell auf. Die Erde jedoch, selbst die Trottoirsteine hielten noch die Wärme des vorhergehenden Thauwetters fest, und die ganze weiße herrliche Pracht, die der Himmel herabschiittete, zerschmolz bei der Berührung mit der Erde zu einem schlam migen, schmutzigen Brei. Sie mußten durch die Tweelstraße gehen, vorbei an dem Hause, wo der Vater früher mit ihnen ge lebt hatte. Es gab Hedwig jedes Mal einen Stich durchs Herz. Sie blickte hinauf. Die Fenster ihrer alten Wohnung lagen da, kein Licht schien hinter den Glasscheiben zu brennen. „Axel!" „Io, was denn?" „Ist es nicht wehmüthig, hier so vorbeizugehen und kein Recht mehr zu haben, einzutreten?" ' Nun blickte er auf und erkannte das Haus. „Ja, Hedwig! — Er war doch ein großartiger Mann, unser Vater. Komm nur!" mahnte er, denn sie blieb einen Augenblick stehen, und er sah Thränen in ihren Augen, „komm, Hedwig. Du glaubst gar nicht, welche Sehnsucht ich oft habe, nur noch ein einziges Mal mit Vater sprechen zu können." Sie nickte mit dem Kopfe. „Axel, ich kann noch nicht wieder tanzen, noch nicht, weißt Du — vielleicht im nächsten Winter, laß uns dieses Jahr noch ruhig leben." „Nun gut! Es muß ja nicht sein!" Sie war dankbar, daß er so leicht auf seinen Plan verzichtete, und gelogen hatte sie wahrlich nicht. Das stimmte sie heiter, so daß Axel glücklich war, sie so aufgeräumt und lustig während deS ganzen Abends zu sehen, wie sic es bei ihrem stillen, beschei denen Wesen sein konnte. Sie macht« sogar einige kleine Witze über ihre Erfahrungen als Eassirerin. Trüxen war sehr nett und zeigte den Geschwistern viel Zuneigung. Trotz seines etwas barschen, polternden Wesens wußte er es doch Anderen in seinem Hause behaglich zu machen. Wenn er sich nicht durch Klugheitsrücksichten beengt fühlt«, war er der offene, biedere, gute Kerl, der Alles hervorsprudelte, was ihm durch den Kopf ging. „Kinders", meinte er, „nächstens müht Ihr uns auch mal zu einem Glas Bier und Buterbrod einladen. Uexhus könnte als fünftes Rad am Wagen mit kommen. Ansprüche an irgend etwas Weibliches macht er ja nicht!" Axel war sehr damit einverstanden und versprach sogar, für frischen Hummer zu sorgen, und auf «in halbes Pfund Caviar sollte es auch nicht ankommen. Er wußte, daß dies Trllxen's Lieblingsdelicatessen waren. Der Letztere sah ihn dankbar an. „Ach, Caviar und frischen Hummer", meinte er, und warf seiner besseren Hälfte einen sentimentalen Blick zu, „seit ich verheirathet bin, ist es damit aus. Man bekommt wohl hier und da so etwas bei Diners, aber das ist nicht das Wahre, man genießt es nicht. Früher, als Junggeselle ließ ich mir den Caviar immer vom Burschen holen, und dann legte ich mich lang aufs Sopha, die gute Cigarre war schon vorher abgeschnitten und bereit gelegt, und beim Rauchen nachher schlief man ganz sachte ein. Wenn ich jetzt nur ein Mittagsschläfchen machen will — ist nicht — da schreien die Jungen oder eine Ordonnanz kommt, oder die Trina will den Schlüssel zum Feller haben —." Louise antwortete nichts. Sie saß da mit gekniffenem Ge sicht, obgleich sie recht gut wissen konnte, daß es nicht bös gemeint war und auch wußte, wie anspruchslos und sparsam ihr Mann war. Ihr fehlte das Talent, mit einem Scherz auf solche mehr neckischen Jeremiaden zu antworten. Sie nahm Alles persönlich, was den Major nur noch mehr reizte, so daß er dann jedes Mal sein Thema aufrollte über alle die Vortheile und Annehmlich keiten, die der Junggeselle aufgiebt und der Ehemann nicht hat. Später kam er auf die leidigen Geldsorgen zu sprechen und beneidete die Geschwister um ihr Leben. „Da ist doch Harmonie drin, gesunde Wirthschaft! UNser- ei-ns — nichts hat man — aber da muß natürlich ein groß artiger Regimentsball gegeben werden. Sect selbstverständlich! Ohne den gehts nicht. Der Scherz kostet mich mindestens mit Wagen und Louise's Toilette so 25—30 Mark. Eigentlich müßten wir Lotte noch mitnehmen." „Das würde doch mein Vater bezahlen", fiel Louis« ihm ins Wort. „Na ja, aber ich sage nur, «in Unsinzr bleibtS doch, dabei denkst Du daran, die beiden Fräulein von Lippsdorf einzu laden!" „Du weißt ganz gut, Ernst, daß von „müssen" keine Rede ist. Sie sind Schulfreundinnen von mir und haben wahrlich wenig genug vom Leben, denn sie existiren von dem bischen, was ihnen der Bruder geben kann!" „Sie sollen nur arbeiten", platzte Trüxen dazwischen. „Lassen wir das!" erwiderte seine Frau, „komm Hedwig, Du mußt unsere Jungens in ihren Betten sehen, sie sind reizend, wenn sie schlafen." tin. Vom FrettaA?Nach««lttag a« bderwachte er alle ihre Schritte, konnte aber keine Gelegenheit finden, fie »u treffen. Schließlich -osttrte er sich am frühen Morgen in »er Um gebung des Hotels Branrtvage. Kurz vor LV, Uhr sach mittags sah er, das; der Kammerdiener der Kaiserin das Hotel verlieh »nd sich nach de« Landnngsfteg am Quai Montblanc begab. Hieraus schlotz Lnccheni, dah die Kaiserin sich auf einen Dampfer begeben wolle. Er stellte sich nnnmcvr gegenüber dem Hotel de la Paix auf, indem er sich hinter einem Ser längs des Quais stehenden Bäume versteckte «nd wartete, die Feile im rechte» Rockärmel verborgen haltend. Rach wenige» Augenblicke» kam die Kaiserin mit ihrer Hofdame a». Was »u» folgte, wurde schon berichtet. * Vern, 11. Teptember. Die „Tribüne de Gentzve" veröffentlicht eine Unterredung mit dem Mitgliedc der Handelskammer in Elermont-Fcrrant Kaufmann Tetsset. Letzterer begleitete einige Personen, welche nm 1 Uhr 40 Mi«, mit dem Dampfer „Genßve", einem der schönsten der DampfschiffSgesrllschaft, abretsen wollten. Er wechselte ans Deck einige Worte mit dem Capital« Roux, als eine Dame, welche vou einer anderen mit Mühe unter stützt wurde, etnherkam. Teisset nahm die Dame, ohne zu wisse!«, wer fie sei, in seine Arme, brachte sie aus Teck und lagerte fie auf eine Bank. Die Kranke öffnete die Augen «nd warf -em ihr Helfenden eine«« dankerfüllten Blick zu. Teisset verlieh darauf das Schiff und kehrte in das Hotel Vcaurivage zurück. Kurze Zeit daraus stürzte einKntschrr herein mit dem Rufe.„Der Dampfer kehrt zurück, es ist ein Unglück geschehen!" Teisset benachrichtigte sodann den vr. Golah, sich nach dem Landungsplätze zu begeben, da seine Hilfe erforderlich sei. Inzwischen hatte der Capita«« Roux der Kaiserin, welche nnr von eine? Ehrendame und einem Diener begleitet war, alle mögliche Sorge zn Thcil werden lassen. Ein Lootse schnitt das Kleid der Kaiserin ans nnd entdeckte einen Centi- meter oberhalb der linken Brnst eine kleine Wunde, ans welcher zwei oder drei Tropfen Blut hcrvorqnollen. Einen Augenblick später schien die Kaiserin das Bewutztsein wicderzngrwinnrn. DteHosdame fragte: Leid euStek worauf die Antwort erfolgte: Nein! Ter Capital» Nonr un ser Diener Ser Kaiserin liehe» schnell eine Tragbahre aus zwei Andern nnd vier Sammetktsscn Herstellen. Airs diese legte «na» die Kaiserin, welche von Nonx, Teisset nnd Leute» der Schiffsmannschaft nach dem Hotel Beau rivage gebracht wurde. Teisset nahm darauf die Kaiserin in seine Arme und brachte sie in die im ersten Stock gelegene Räumlichkeit zurück, welche fie soeben erst verlasse» hatte. vr. Galay, unterstützt von Teisset, Ser Hofdame und einer im Hotel zu fällig anwesenden Krankenpflegerin nahm der Kaiserin Sie Schuhe ab uns schnitt schnell Sie Kleidung auf. Dann leitete man die künstliche Athmnng ein nnd rieb mit Kölner Wasser nnd Weinessig ein. Alles blieb unnütz, vr. Golay lieh ^nen College«, den vr. Mayer Herbeiruse», welcher auf das Ersuchen Ser Hofdame sofort erschien. Die Aerztc machte» einen kleinen Einschnitt am rechte« Handgelenk; der ToS war kurz zuvor eingetreten. Ein Pfarrvcrweser des StaöttheilS war herbeigecilt u»S hatte der Kaiserin Sie letzte Lcln na ertheilt. Alles Menschen mögliche war geschehe». Teisset glaubt, die Kaiserin habe den letzte«« Athemzug gethan, als er sic auf das Bett nieder legte. Sobald der Eintritt des Todes fcstgcstcllt war, knieten alle Anwesenden nieder, um zu beten. * Wien, 11. September. (Ausführlich.) Tie„N.Fr.Pr." meldet aus Genf: Tie Gräfin Sztarah, die Hofdame Ser Kaiserin, die Augenzeugin »er schrecklichen That war, gab einem Berichterstatter Ser „R. Fr. Pr." folgen»« Tar- stellnug: „Wir wäre» Freitag Mittag in Genf angelangt und im Hotel Vcaurivage abgesttegen. Die Kaiserin wollte, wie im vorigen Fahre, Genf besichtigen, unternahm Spaziergänge am See nnd besuchte den Park nnd die Villa des Barans Rothschild. Sonnabend wollte« wir mit dem Dampfer über Territet nach Canx znrückkehren. Die Kaiserin zog immer die Fahrt mit dem Dampfer vor, während die Herren des Gefolges die Eisenbahn benutzten. Gegen 2 Uhr sollte der Dampfer abgehen. Die Kaiserin war sehr heiter und bei bester Laune und ausgezeichnetem Wohlbefinden. L« IV, Uhr verliehen wir das Hotel und gingen nach dem Landungsplätze. Wir schritte» ruhig ans Sem Bürgersteige des Lnai Montblanc au dem Tee dahin, Sa sah ich, wie ein Mann mit raschen Schritten seewärts an uns herankam, sich der Kaiserin näherte und rasch einen Baum, der zwischen ihm und der Kaiserin stand, pafstrte. An der Nähe der Kaiserin schien er zu straucheln nnd machte eine Bewegung mit der Hand, ich meinte, um sich aufrecht zu halten, dann lief er Wetter. Die Kaiserin hatte eine Bewegung nach rückwärts gemacht nnd sank zusammen. Ich fing fie in meinen Armen auf. „IstMajestät nicht wohll" fragte ich. Die Kaiserin antwortete: „Ich weih nicht." „Tas ist wohl vom Schreck", erwiderte ich und fügte hinzu: „Wollen doch Majestät meinen Arm nehmen!" Die Kaiserin meinte: „Danke, nein!" Ich versuchte dennoch, fie zu stütze», aber es war kaum nöthig. Wir bestiegen nun das Schiff. Dort angelangt, fragte mich die Kaiserin: „Bin ich blatzl" „Ja wohl Majestät, das ist die Anfregung." Da sank »teKatsertn neuerlich zusammen und verlor dasvewntztsetn. Ich und einige Damen aus dem S«Ässe labten die Kranke. Ich hielt das Unwohlsein für eine«« vorübergehenden Nervenanfall, an ein Attentat dachte ich nicht. Der Vorgang ans »em Bürgersteige des Quais hatte sich nämlich sehr rasch abgespielt; ich habe keine Waffe in »en Händen des Mörders gesehen. AIS wir »ie Kleider der Kaiserin lüfteten, um ihr Luft zu »erschaffen, bemerkten wir keine vlutspuren. Sie la« zu sich, erhob sich alsdann und sagte mit klarer Stimme: „Was ist denn geschehens" Das waren ihre letzten Worte. Daraus sank sie zurück. Leichenbltsse be deckte ihr Antlitz, »er Athem wurde schwer, dann ging er in Röchet« über. Das Schiff war abgcdampft. Ich bat den Capital«, »urückzufahren. Val» langten wir in »cm Hafen wieder an. Die Kaiserin, die vollkommen bcwnhtlos war, wnrde nach einem Zimmer »es Hotel gebracht, wo sie nach wenigen Minuten den Geist ausgab. Sie starb, ohne erfahren zu haben, »ah sie das Opfer eines Anschlag» geworden sei. Anch ich erfuhr es erst, nachdem die Kaiserin todt und entkleidet war Sie hatw nnr wenig Blut verloren." * Wien, 12. September. (Telegram«».) Mehrere Genfer Kutscher erzählen, sie hätten in den letzte» Tagen verdächtig aussehende Individuen in der Nähe des Hotels Veaurivage gesehen; an« Freitage seien der Kaiserin drei Männer auf Schritt und Tritt gefolgt. Es verlautet hier, »ast die französische Regierung schon vor einigen Wochen von hier und von anderer Sette nnterrichtet worden sei, das; die Anarchisten einen Anschlag vorbereiteten, man habe aber nicht gewußt, gegen wen. Tie französische Regierung hat, wie üblich, den russischen Hof davon verständigt nnd anch für die Sicherheit des Presidenten Fanre Vorsorge getroffen. * Genf, 12. September. (Telegramm.) Tas „Journal de Gendve" giebt folgende Einzelheiten über die Mord waffe. Sie wurde in der« Flure eines HanseS der Rue des Alpes durch einen Hausmeister gesunden, der «staubte, ein Arbeiter habe sie beim Nmznge verloren. Ans diesem Grunde machte er keine Anzeige davon. Die Waffe ist eine dreikantige Feile mit eine« plumpen, walzen förmigen Holzgrtffe. Die gesammte Länge beträgt 16,:tt) em, die Klinge allein ist s,»o em lang. Dieselbe hat nicht die geringste Vlutspnr. Die Spitze ist abge brochen, wahrscheinlich in Folge der Erschütterung beim Falle, als »er Mörder fie fortwarf. Die Obdiretion der Leiche. * Genf, 11. September. Kaiser Franz Josef über mittelte dem Gesandten Graf Kuefstetu telegraphisch die Genehmigung zur Obduktion der Leiche der Kaiserin Elisabeth. Die Operation w««rde alsdann von den Aerzten Goffe, Auguste Reverdtn und Megerand, welche vom Ge richte bestellt waren, «nd autzerdcm von den Tocioren Gotay und Mayer vorgenommen. Die Aerzte erklärten, der Tod sei einer dreieckige» Wunde zuznschreiben, welche eine innere Blutung zur Folge hatte. Man nahm die Wunde, welche ganz klein und kanm wahrnehmbar ist, photographisch auf. Die Aerzte versicherten, die Kaiserin habe nicht gelitten; ihr Aussehen ist völlig nnverändert. * Gens. 11. September. Um 2 Uhr Nachmittags be gann die Oeffnnng der Leiche der Kaiserii« Elisabeth, wie sie hier vorgeschrieben ist, nachdem der Kaiser, wie schon gemeldet worden ist, die Erlaubnis; hierzu gegeben und zngeitimmt hatte» das; ganz nach den hier geltenden Gesetzen verfahren werde. Die Leichenöffnung hatte das überraschende Ergebnist, »atz die Waffe 8,5 em tief etngedrnngen ist und das Herz ganz durchbohrt hat, so das; die Spitze auf der anderen Seite des Herzens herausgetreten ist. Es ist den Aerzte» des halb ein Räthsel, datz die Kaiserin noch 60 bis 80 Schritte bis znn« Dampfer hat gehen können, nnd sic schreiben dies ihrer ganz besonderen Energie und Willenskraft zn. Die Wunde ist Nein und hat nur 4 mm Querschnitt. Der Mörder Luccheni. * Rom, 1k. September. Nachforschungen in den Re- crutirnngSltsten haben thatsächlich auf die Spur des Namens Louis Luccheni geführt; dieser ist als unsicherer Heerespsltchtiger der JahreSclasse 187:), erster Kategorie, durch den Arrondissementsrath von Borgo Sandonntno in die Litten eingerciht worden. In der Liste der Unsicheren dieses Arrondissements ist Louis Lnccheni angegeben als Sohn eines unbekannten VaterS und der Louise Lnccheni nnd als am 2L./4.1872 in Parts geboren. Die Liste trägt folgende Anmerkung des Nnterpräfectcn: Lnccheni hält sich höchstwahrscheinlich in der Schweiz auf, doch weist man nicht, in welchem Kanton. Aus derselben Liste geht hervor, datz Luccheni am 22. 8. 04 als Arrestant von Triest anlangte, als mtlttairdtensttanglich erkannt, in die erste Kategorie eingerciht und am folgenden Tage dem Mtlitatrgericht als Unsicherer überwiesen wurde; dann ist er in das Arrondissement Parma gebracht worden, nm seiner Militairpflicht bei einem Truppcntheile zn ge nüge», dessen nähere Bezeichnung noch unbekannt und Gegenstand von Nachforschungen des KriegSminiftcriumö ist. * Lausanne, 11. September. Der Mörder Lnccheni arbeitete hier in Lansanne als Stetnhaner nnd gab an« 18. August seine LegitimationSpapiere ab. An diesem Tage trug er Lieder anarchistischen Inhalts bei sich, auf deren Blätter er seinen Namen geschrieben hatte. Am 5. September verlangte er seine Papiere zurück. Gestern Abend wurden mehrere Verhaftungen unter den Freunden nnd Bekannten Lnccheni'S vorgenommen nnd etwa 10 Individuen verhaftet. Die Untersuchung wird mit gröhtem Eifer geführt. * Genf, 11.September. Luccheni trug bet dem Verhör einen empörenden CyniSmns zur Schau, er erklärte, datz er schon seit seinem dreizehnten Lebensjahre Anarchist sei, und sagte unter Anderem: „Wenn alle Anarchisten ihre Pflicht thnn würden, wie ich die meine gethan habe, dann würde die bürgerliche Gesellschaft schnell verschwunden sein." Er be merkte »och, er wisse kehr wohl, datz ei« vereinzelter Mord zu nicht» führen könne» aber er habe et« Vetsptel ge geben. * Wien, 12. September. (Privattelegramm.) Die „Reue Freie Presse^ bringt nachfolgende Beschreibung des Mörders Luccheni. Er ist untersetzt, von mtttel- grotzrr Gestalt, sehr kräftig und gelenkig. Sein Gesicht ist gebräunt. Er hat eine« braunen Schmuerbart. Rach Art der italienischen Arbeiter trägt er ein blauwollues Hemd und einen dunkle» Anzug. * Wien, 11. September. Wie verschiedene Blätter melden, ist der Name Luccheni der Wiener Polizei völlig fremd. Im Verzetchiiitz, das das Mtniftcrinm des Innern über die Anarchisten führt, kommt dieser Name nicht vor. Vinsargung und Ueberführnng der Leiche. * Genf, ll. September. Nach der Obduction der Leiche erfolgte die Einbalsamirung. DieEinsargung, bei welcher der BundeSrath sich vertreten lassen wird, wird am Mittwoch Bormittag 7 Uhr stattfinden. Bis dahin ruht die Leiche auf dem Todtenbett. * Genf, 11. September. Die sterblichen Ueberrcste der Kaiserin Elisabeth werden von den Aerzten, die die Ob duction vorgenommen haben und von einem hiesigen Beamten nach Wien geleitet werden. Heute Abend 6 Uhr war die Umwandlung des Todtengemache« in eine Capelle beendet. Palmen und andere Pflanzen schmücken dieselbe. Eine Anzahl Kerzen verbreiten ihr Licht; eia Betpult ist aufgestellt. Fortwährend ist eine zahllose Menge um das Hotel geschaart, deren tiefe Bewegung noch immer wächst. * Genf, 12. September. (Telegramm.) Gegen 5 Uhr begann man mit der Herstellung des Trauerschmucks in dem von der Kaiserin bewohnt gewesenen Zimmer. Dasselbe ist vollständig mit schwarzem, mit silbernen Sternen geziertem Stoffe behangen. Der Katafalk befindet sich in der Mitte des Zimmers, umgeben von einer großen Anzahl Kerzen, ihm zur Seite liegen Rosenkränze und sieben Kerzen. In dem anstoßenden Toilettenzimmer sind zahl reiche Kränze niedergelegt, so von der Bevölkerung und von fremdländischen Officieren, die den Manöver» beiwohnen. In dem Gemache an der anderen Seite rubt die Leiche der Kaiserin, zu der kein Fremder hineingelassen wird. Der Sarg wirb voraussichtlich am Montag auf dem Kata falk aufgebahrt werden. Die Einbalsamirung begann um 4 Uhr und war kurz vor 5 Uhr beendet. Bevor die Aerzte sich entfernten, legten sie die Leiche in den Bleisarg. Die Kaiserin ist in Weiß gekleidet und in ein Leichentuch gehüllt. Die Leiche ist sehr gut er halten. Die Aerzte photographirten die Wunde, haben sich aber verpflichtet, die Aufnahme dem General- procurator zu übergeben, der sie vernichten wird, damit kein Mißbrauch damit getrieben werden kann. Die Aerzte wollten auch das Gesicht der Kaiserin photographiren, dem wider setzte sich aber ausdrücklich der österreichische Gesandte. Barmherzige Schwestern, die zur Leichenwache vom Bischöfe von Freiburg gesandt wurden, trafen am Sonnabend Abend ein. * Wien, 11. September. Nach den bisher getroffenen Dispositionen wird die Einholung der Leiche der Kaiserin am 15. d. M. erfolgen; am 16. findet die Äufbah-ung und am 17. die Beisetzung statt. * Wien, 11. September. Heute Abend um 11 Uhr gebt ein Hofsonderzug nach Genf ab und wird am 15. d. M. 10 Uhr Abends mit den sterblichen Ueberresten der Kaiserin hier wieder eintreffen. Die Einbalsamirung der Leiche erfolgt in Genf. Die Leiche wird in einen Metallsarg gebettet; dieser wird in einen zweiten Sarg gestellt, welcher verlöthet wird. Vor« der Landesgrenze an wird der Trauer zug bei jeder Ortschaft mit den« Geläute der Kirchenglocken empfangen werden. Der Cindruck auf den Kaiser. * Wien, 11. September. Die Schreckensnachricht wnrde zuerst dem ersten Generaladjutanten des Kaisers Grafen Paar gemeldet und zwar um 4Vs Uhr von der Hofdame Gräfin Sztaray aus dem Gefolge der Kaiserin. Zugleich batte der Minister des Aeußeren Graf GoluchowSki dieselbe Nachricht von der österreichisch-ungarischen Gesandt schaft in Bern erkalten. Graf Paar fuhr nach Schönbrunn, um dem Kaiser die Nachricht mitzutheilen. Der Eindruck aus den Kaiser war niederschmetternd; er versank in dumpfes Schweigen. Sämmtliche hier weilende Erz herzöge erschienen in Schönbrunn, wo der Kaiser übernachtet. In der Bevölkerung herrscht allgemeine Trauer und tiefe Bestürzung. Die Theater-Vorstellungen wurden abgesagt. * Wien, 11. September. Die „Neue Freie Presse" er fährt: Der Kaiser zuckte bei der Schreckensnachricht, welche Generaladjutant Graf Paar ihm mittheilte, zusammen und mußte sich auf einen Sessel niederlassen. Er stöhnte ans und sagte: „Mir bleibt doch gar nichts erspart auf dieser Welt." — Wie das „Fremdenblatt" meldet, sagte der Kaiser nach dem Eintreffen der Schreckens nachricht zn dem Oberst-Hofmeister Prinzen von und zu Liechtenstein: „Es ist nicht zu fassen, wie ein Mensch Hand anlegen konnte an diese Frau, die in ihrem Leben Niemand ei« Leide« und «ur Gut»« gethan hat." * Wir«, 11. September. Kaiser Franz Josef hat Schönbrunn bisher nicht verlassen. Uebereinstimmende Mel dungen stellen die absolute Grundlosigkeit der eine kurze Zeit lang verbreitet gewesenen Gerüchte von einer angeblichen Erschütterung der Gesundheit deS Kaisers fest. Der gesammte Hofstaat äußert die größte Bewunderung über die heroische Fassung, mit welcher Kaiser Franz Josef, ungeachtet deS unsäglichen Schmerzes, die furchtbare Schicksals fügung trägt. * Wien, 11. September. Hier waren heute Vormittag schlimme Gerüchte über das Befinden deS Kaisers ver breitet. Dieselben sind jedoch unwahr. Die Nachrichten über die heroische Selb st beherrsch un g des Kaisers bei Empfang der Schreckenskunde werden bestätigt. Später jedoch verfiel der Kaiser in einen Weinkrampf und schluchzte, indem er den Namen der Kaiserin wiederholt, von Schmerz überwältigt, auSrief. In der Nacht schlief der Kaiser einige Stunden, erwachte jedoch um 2 Uhr. Am Vormittag äußerte der Kaiser auf die Frage nach seinem Befinden: „Ich fühle mich verbältnißmäßiz wohl, doch fürckte ich eine später folgende Abspannung." Die Leiche der verewigten Kaiserin wird in 8 Tagen nach Wien gebracht werden. Viele Gebäude weisen Trauer fahnen auf. * Wien, 12.September.(Telegramm.) Die Blätter, die auch heute zumeist mit Trauerrand erschienen, geben dem tiefen Schmerze um den Verlust der unvergleichlichen Kaiserin in bewegten Worten Ausdruck und stimmen alle in der Bewunderung der erhabenen Seelengröße, der eisernen Willenskraft und Selbstbeherrschung, sowie der bewunderungswürdigen Ergebenheit deS Kaisers über ein, der gestern die Anordnungen bezüglich der Ueberführung der Leiche der Kaiserin, sowie des Beerdigungsceremoniells persönlich getroffen und auch die Absage der ungarische» Manöver verfügt habe. Alle Blätter stellen den un erschütterlichen Gesundheitszustand des Kaisers fest und entwerfen ergreifende Schilderungen, insbesondere von der Begegnung des Monarchen init der Erzherzogin Marie Valerie; Vater und Tochter hätten einander minutenlang schluchzend in den Armen gelegen. Der Trauerschmuck Wiens, der gestern wegen des Sonntags anfangs nur langsamere Fortschritte machte, beginnt nun mehr einen wahrhaft großartigen Charakter anzunehmen. Die Vorkehrungen der Schweizer Polizei. * Genf, 11. September. Daß Justiz- und Polizei departement weist darauf hin, daß ihm keine Anzeige über den beabsichtigten Aufenthalt der Kaiserin Elisabeth in Genf, sowie auf einem Dampfschiffe zugegangen sei. * Genf, 11. September. Der Chef des Justiz- und Polizeidepartements des Cantvns Vaud Viricux erklär«, daß die Regierung des Cantons seit der Ankunft der Kaiserin in Caux in der letzten Woche obne Wissen derselben einige SicherheitSbeamte in deren Nähe postirt hatte. Aber als die Kaiserin dies bemerkte, habe sic gebeten, man solle sie durchaus allein lassen, was dann auch ge schehen sei. Das ganze Gefolge der Kaiserin ist aus Caux bier eingetroffen. Morgen wird das gesammte übrige Per sonal, einige 20 Personen, mit Extrazug aus Wien hier erwartet. * Genf, 11. September. Der Staatsanwalt begab sich nach dem Hotel und legte den Aerzten Neverdin, Megevand und Golay mehrere Fragen vor. Die Anlegung von Siegeln erwies sich als unuöthig, da alle Papiere der Kaiserin in Caux sind. Die Geusdarmerie durchsucht die Strauchanlagen auf dem Platze, Schiffer sondiren das Wasser am Ufer, selbst die Rinnen der Alpenstraße wurden unter sucht, aber bisher war Alles vergeblich. * Genf, 11. September. Der Polizeicommissar Aubert hält sich im Hotel Beaurivage beständig zur Ver fügung des österreichisch - ungarischen Gesandten. Der Secretair des General-Prokurators der Eidgenossenschaft, Hodler, ist um 7 Uhr früh nach Bern abgereist. Ter Berner BundeSrath ist der Ansicht, daß die Iustizbehörden von Genf für die Führung der Untersuchung und Ab- urtheilung des Verbrechers zuständig sind. * Bern, 11. September. Der BundeSrath tagte heute von Vormittag 11 Uhr bis Nachmittag 1 Uhr, um Kenntniß zu nehmen von verschiedenen Berichten und Mittheilungen, die sich auf daS Genfer Attentat beziehen, und um weitere Maßnahmen zu ergreifen. * Wien, 11. September. Die „N. Fr. P." bemerkt: Die Kaiserin, deren Sorglosigkeit immer eine sehr weitgehende war, ist schon einmal in Gefahr gewesen, von einem Italiener ermordet zu werden. Bei der Eröffnung der Ausstellung in Triest, zu Beginn der 80er Jahre, hatte ein Irredentist eine Bombe in den „Du glaubst vielleicht, ich übertreibe, Axel", sagte der Major, nachdem die Damen das Zimmer verlassen hatten, „das ist aber nicht der Fall. Ich habe nie Geld zu den nöthigsten Ausgaben. Luise müßte einen Sommer in Landluft! Gar nicht daran zu 'denken. Sie ist ja sonst so vernünftig und arbeitet für zwei im Hause, die ganze Wäsche näht sie für die Kinder. Aber nun 'die Einladung an diese Lippsdorfs! In solchen Dingen hat sie einen Spleen, besonders wenn irgend eine Excellenz zufällig fragen sollte, wen wir denn zum Ball mitbrächten. — Ach Gott ja, wenn ich daran zurückdenke — vor vier Jahren nahmen wir Henry mit. War das schon ein Ulk, wie wir im Wagen zum Ball fuhren. Sie machte den jungen Seefried nach mit seiner affectirt quäksenden Stimme, und als wir an Uexhus vorbei fuhren, der zu Fuß nach dem Casino ging, schrie sie zum Wagen hinaus: „Herr Graf, Sie sind auf dem falschen Wege!" Du hättest nur sein Gesicht sehen sollen. Er blieb stehen und guckte sich die Häuser an. Ja, diese Henny, sie fehlt uns doch Allen, mehr als wir wissen. Die ganze Familie hat nur noch Sorgen masken und in allen Köpfen sitzt die Angst vor Zahlen, blauen Briefen und vor neuen Bekannten, die man einladen müßte. Na, sie hat's jetzt gut und thut auch ihr Möglichstes, um meinen Schwiegereltern —" Hier brach er ab, weil die Damen zurück kehrten. Nachdem Axel und Hedwig fortgeyangen waren, saß das Ehepaar noch einige Minuten im Sopha beisammen, weil Ernst seine Flasche Bier austrinken und seine Cigarre zu Eiche rauchen wollte. Plötzlich sagte er: „Donnerwetter, Luise, ich habe gar nicht daran gedacht! Wir hätten doch anstandshalber Hedwig zum Ball einladen müssen!" „Unmöglich." Seine Frau stand hastig auf. „Wieso unmöglich?" „Du weißt doch, wir haben nicht das Geld dazu!" „Aber Du wolltest die Lippsdorfs mitnehmen. Schließlich steht uns doch Hedwig näher!" „Das hatte ich längst aufgegeden. Nebenbei hat Hedwig gar kein Ballkleid, und wir würden sie nur in Verlegenheit bringen — es wäre beinahe grausam." Er sah sie stumm an, lange, so durchdringend, wie vielleicht nie vorher. „Na, Luise, wir wollen uns gegenseitig nichts vorlügen, es ist besser, wir gehen zu Bett. Ein Uebermaß von Consequenz habt Ihr Frauen ja nicht!" (Fortsetzung folgt-.
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