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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.10.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-10-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981001028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898100102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898100102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-10
- Tag1898-10-01
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Reclamen unter dem RedactionSstrich (4ne> spalten) üO/H, vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40^,. Größere Schriften laut unserem PreiS- verzeichniß. Tabellarischer und Zisfernfatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderunx 60.—, mit Poslbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richte». Druck u»d Verlag von E. Polz in Leipzig, S2. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 1. October. Daß auf eine im Reichstage an die Regierung gerichteteInterpellation bezüglich der zur Bekämpfung Vcr anarchistischen Gefahren geplanten Maßnahmen eine die Interpellanten befriedigende Antwort nicht würde ertheilt werden können, haben wir unlängst betont und mit dem Hinweise auf die Nothwendigkeit unverbrüchlichen Schweigens über die gemachten Vorschläge begründet. Leider scheint man aber ein solches unverbrüchliches Schweigen auch allen Gerückten zegenüber, die über den Stand der Conferenzsrage wie die Pilze servorschießen, für nöthig zu kalten. Bekanntlich hat dieser Tage die römische „Italic" auf das Bestimmteste versichert, alle europäischen Cabinette mit Ausnahme des fran zösischen hätten sich mit dem Vorschläge der Einberufung .incr internationalen Conferenz einverstanden erklärt, und keine vfficiöse Stimme hat sich gegen diese Meldung erhoben. Heute aber schreibt die Berliner „Post": „Durch die deutsche Presse gehen Nachrichten, daß die italienische Regierung die Anregung zu einer Conferenz gegeben habe, welche im Namen der europäischen Staaten Maßregeln zum Schutze gegen die Anarchisten ergreifen solle. In der That ist ein solcher Antrag an die einzelnen Höfe, auch nach Berlin, gelangt. Die Verhand lungen darüber schweben noch. Alles, was jedoch bisher von der deutschen und der ausländischen Presse über die einzelnen Details dieser Verhandlungen geschrieben worden ist, gehört aus schließlich in das Reich der Erfindung. Deutscherseits wäre es gänzlich verfehlt, schon jetzt mit Vorschlägen nach dieser Richtung hin in den Vordergrund zu treten, weil man sich damit unnütz vor zeitig die Hände binden würde. Allerdings dürste die Reichs- regierung von vornherein Italien keinen Zweifel darüber gelassen haben, daß sie einem jeden praktischen Vor- schlage zur Abwendung der Anarchistengesahr, der die Zu stimmung der übrigen Großmächte erhalten sollte, sich gern an schließen würde. Vorläufig aber hat die Sache, wie gesagt, »och einen weiten Weg bis zu ihrer Durchführung zurückzulegen. Die heutige Meldung der „Magd. Ztg." aus Rom, die Conferenz werde Anfang November einberufen, ist unrichtig; es steht auch heute noch nicht fsst, ob überhaupt eine Conferenz zusammen, tritt, oder ob im Wege diplomatischer Verhandlungen von Cabinet zu Cabinet eine Einigung erzielt werden wird." Wer hat nun Reckt, die „Italie", deren Meldungen be kanntlich der römische Correspwndent der „Kreuzztg." bestätigt hat, oder die „Post"? Ist bas Zustandekommen der Con serenz gesichert oder nickt? Darüber, so meine» wir, könnte die erwartungsvolle Welt aufgeklärt werden, ohne daß ein Nachtheil zu befürchten wäre. Die einander widersprechen den Gerüchte können nur dazu dienen, die Anarchisten mit der Zuversicht zu erfüllen, daß die Besckäftigung der Mächte mit anderen Dingen den Conferenzvorschlag bereits wieder in Vergessenheit gebracht habe, und ihren Muth zu stärken. Man spürt dies deutlich an der Sprache, welcke die anarchistische Presse führt. So ist in dem anarchistischen Blatte „Neues Leben" von angeb lichen Petitionen die Rede, die in Berlin in Bezug auf den Erlaß gesetzgeberischer Maßnahmen gegen den Anarchismus in Umlauf gesetzt würden. Ein Anarchist F. Sy bemerkt hierzu: „Ich persönlich bin der Ueberzeugung, daß solche Gest^oer- schärsungen nur dazu da sind, um den jetzt noch ruhig dahinlebenden Menschen erst recht zu beunruhigen, und es könnte die Möglichkeit vorhanden sein, daß dadurch der gereizte Mensch sich auch einmal zu etwas nicht Gewolltem hinreißen lassen könnte." Das ist, wenn auch in verschleierter Form, eine Androhung von Gewalttbaten. Und solche Androhungen und Anreizungen werden sich in demselben Maße mehren, in dem widerspruchs volle Gerüchte über den Stand der Conferenzfrage die Ver- muthung zu bestätigen scheinen, daß die Angelegenheit im Versumpfen sei und nur noch sensationslüsternen Reportern Stoff zu Erfindungen liefere. Die irreführende Unterschrift unter dem Wahlaufruf der preussische» Deutsch - Eonservattvcu (die Vorstände der confervativen Fractioncn des preußischen Land tages) bat in der freiconservativen Partei offenbar einige Verstimmung erregt. Das geht deutlich aus dem Umstande hervor, daß die „Post" ihre Besprechung des Wahlaufrufs der Deutsch-Conservativen mit einer Erklärung jener Unterschrift beginnt. Das genannte Blatt schreibt: „Der conscrvative Wahlaufruf ist als derjenige der konserva tiven Parteien des Landtages bezeichnet. Diese Bezeichnung hat ihren Grund darin, daß die deutsch-conservative Partei nicht nur im Abgeordnetenhaus,sondern auch im Herrenhause zu einer Fraction zusammengetretcn ist." In unmittelbarem Anschluß hieran betont die „Post", daß der freiconservative Wahl aufruf Anfang nächster Woche werde veröffentlicht werden. Die Heranziehung der confervativen Fraction des Herren hauses zur Unterzeichnung eines Wahlaufrufes für das Abgeordnetenhaus widerspricht ebenso dem Herkommen, wie sie befremdlich erscheint; denn das Herrenhaus bat mit der Wahl zum preußischen Landtage seiner Natur nach nicht das Geringste zu thun. Die Mißstimmung über das von den Deutsch-Conservativen beoabachtete Ver fahren kommt ferner einigermaßen in der Kritik zum Aus druck, welcke die „Post" dem die Volksschule betreffenden Satze des Wahlaufrufs der Deutsch-Conservativen zu Theil werden läßt. Insbesondere tritt die „Post" der Auffassung entgegen, daß die Versuche, eine organische Reform der Sck"l- unterhaltungSpflicht ohne allgemeines Schulgesetz herbei- zuführen, bisher mißlungen seien: „Versuche dieser Art sind bisher nicht unternommen worden; selbst die Anregungen, welche zur gesetzlichen Regelung der Schulunterballungs pflicht mehrfach im Landtage gegeben worden sind, scheiterten regelmäßig an dem grundsätzlichen Widerspruche, welchen Conscrvative und Centrum dem Versuche einer selbst ständigen, einer gesetzlichen Ordnung der SchulunterhaltungS- pflicht entgegensetzten." Die „Post" kündigt sodann an, daß in der nächsten Legislaturperiode voraussichtlich der erste praktische Versuch, die Schulunterhaltungspflicht organisch außerhalb des Rahmend eines allgemeinen Volksschul gesetzes zu regeln, gemacht werden dürste, und knüpft an diese Ankündigung folgenden Appell an die Wähler: „Es wird Sache der Wähler sein, dafür Sorge zu tragen, daß die confervativen Abgeordneten von dem doktrinären Standpunkte, auf den die konservative Fraktion in dieser Hinsicht sich in der letzten Legislaturperiode verritten hatte, sich frei machen und zu der gerade im konservativen Interesse dringend gebotenen Be seitigung der Mißstände auf dem Gebiete der Schulunterhaltungs- Pflicht mitwirken." Die Freiconservativen stehen demnach durchaus auf dem Standpuncte, den der Abgeordnete Baensch am 10. Mai d. I. im Abgeordnetenhause vertreten hat. Ein unehrliches Spiel wird im österreichischen RctchSrath gespielt. Es handelt sich für das Ministerium Thun, das, an Tschechen und Klerikal-Feudale verkauft, von einem Entgegen kommen gegen die Deutschen nichts wissen will, darum, die deutsche Opposition lahm zu legen und denAusgleick mit Ungarn auf alle Fälle, und zwar auf nichtparla mentarischem Wege, perfect zu machen. Der Wunsch der Regierung geht daher dahin, daß die Deutschen im Recchs- rath erneut mit ihrer Obstruction einsetzen. Tann würde sie sofort erklären: Der Ausgleich ist parlamentarisch nickt zu erlangen, folglich sehen wir uns, — die Schuld fällt auf die Deutschen — gezwungen, denselben auf Grund des H 14 im Wege der Nothverordnung durch die Krone herbei- zusühren. Das Parlament kann nach Hause gehen, die Regierung braucht eS nickt weiter. Diesen Plan zu durch kreuzen, hält die deutsche Opposition jetzt für ihre dringendste Aufgabe und zwar aus dem Grunde, weil sie in dem Aus- gleick eine enorme Uebervortheilung Oesterreichs durch Ungarn erblickt, der unbedingt vorgebeugt werden müsse. Die „Neue Freie Presse" schreibt darüber: Dieser Volksvertretung werden zweiundzwanzig Vorlagen über den Ausgleich mit Ungarn aus den Tisch gelegt, Vorlagen, mit denen mehr als vierzig Millionen neuer Steuern gefordert werden, welche die 'ärmsten Volksclassen belasten, Vorlagen, durch welche das Noteninstitut des Reiches aus einer finanziellen in eine politische Institution umgewaudelt werden soll, lediglich zu dem Zweck, damit der ungarische Negierungseinfluß dort herrsche und der österreichische Credit für ungarische Zwecke dienst bar gemacht werde, Vorlagen, welche die Einnahmen des öster reichischen Budgets um dreieinhalb Millionen zu Gunsten Ungarns verkürzen, Vorlagen, durch die der ungarische Bei trag zur Schuld an die Bank herabgesetzt wird — mit Einem Wort Vorlagen, durch die in Allem und Jedem der bestehende Zustand zum Schaden Oesterreichs und zum Vortheil Ungarns abgeändert wird. Die deutsche Opposition hat daher mit Ausschluß der Schoenerer-Gruppe beschlossen, die Obstruction vorüber gehend fallen zu lassen, die Verhandlung des Ausgleichs zu ermöglichen und dafür zu sorgen, baß derselbe bis zum 15. October, von welchem Tage an Ungarn freie Hand hätte, nicht fertig wird. Man gMlM, eS bedürfe dazu nur. einer ganz mittelmäßigen Gründlichkeit und Ausführlichkeit in der parlamentarischen Behandlung der zweiundzwanzig Vor lagen. Gelingt der Plan, so steht die österreichische Regierung am Ende des JahreS wieder ohne Ausgleich vor der Krone und dann ist sie genvthigt, von dem ungarischen Ministerium ein neues Provisorium zu erbitten oder, wenn das nicht zu erlangen ist, Ungarn sein Verhältniß zu Oester reich selbstständig regeln zu lassen. Fraglich bleibt nur, ob die Schoenerer-Gruppe den Plan der übrigen deutschen Par teien durch Wiederaufnahme der Obstruction nicht vereitelt. Einem Mitarbeiter der „France Militaire" hat der französische Marineminister Lockroy in Bezug auf den DrcyfuS-Haudct eine Auskunft über die Ansichten des CabinetS Brisson gegeben, die in bezeichnender Weise die Nachricht des „Matin" illustrirt, daß der Cassationshof sich wahrscheinlich nickt für die Revision aussprechen werde. Lockroy sagte: „Weder Brisson, noch irgend einer meiner College«, noch ich sind im Grundsatz für die Revision. Die Regierung arbeitet keineswegs auf die Revision hin, sie entledigt sich einfach der Sache, um die Arme frei zu bekommen. Die Herren Cavaignac und Zurlinden haben uns ein großes Vergnügen bereitet, als sie erklärten, die Revision sei ungesetzlich und unmöglich; das sind für uns in der That zwei Bürgschaften mehr dafür, daß die vom Gesetz vorgesehene Commission des Justiz ministeriums derselben Ans! )t sein wird wie die beiden ehemaligen Kriegsminister. Selbst gesetzt den immerhin mögltchen Fall, die Ansicht der Commission würde vom Justizminister nicht berücksichtigt und daS Revisionsgesuch würde vor den Cafsationshof gebracht (ein Fall, der in zwischen bekanntlich eingetreten ist), so sind wir, der Ministerrath, doch jetzt moralisch sicher, das; der oberste Gerichtshof die Revision für un gesetzlich erklären wird. Nachdem er sein Urthei', gegen das es keine Berufung giebt, gesprochen, wird die Regierung, die dann allen Parteien gegenüber freie Hand hat, der Entscheidung der richterlichen Gewalt Achtung zu verschaffen wissen; dafür verbürge ich mich. Mit einem Wort, der Dreyfus-Handel kann mit einer wilden Bestie verglichen werden, die sich an der Kehle der ausübenden Gewalt festzubeißen sucht, um alle ihre Bewegungen zu lähmen. Herr Brisson hat sie durch sein Vorgehen gezwungen, loSzulasscn, und hetzt sie jetzt auf die richterliche Gewalt. Während nun diese Bestie ihre Zähne an der richterlichen Gewalt versucht, die sie, wir sind dessen sicher, zäh finden wird wie Leder, nimmt die ausübende Ge walt einen Knüttel und zerschlägt ihr daö Rückgrat. Auch die Erzählung, daß Brisson Alles gethan habe, um die Verfolgung Picqart's zu verhindern, ist freie Er findung. Der Beweis, wie falsch das ist, liegt in der Thar sache, daß der Befehl, gegen Picquart vorzugehen, eine der ersten Amtshandlungen des neuen Kriegs ministers Ckanoine war. Und dieses Vorgehen ist nicht ohne Willen des Ministerpräsidenten be schlossen worden." Wenn diese Aeußerungeu des Marine ministers richtig wiedergegcben sind, so würde es sich auch bei dem vielgepriesenen Schritte Brisson's, dem obersten Ge richtshof des Landes die Entscheidung anheimzugeben, nur um eine Comödie handeln, über deren Ausgang man sich voraus vergewissert hätte. Gegen die Mitthcilungen der „France Militäre" scheint aber doch die Gründlichkeit zu sprechen, mit welcher der CassationShof vorgeht. Es ver lautet, derselbe werde nicht verfehlen, eine Anzahl Zeugen vorzuladen, ja, wie uns telegraphisch aus Paris gemeldet wird, erklärte ein Mitglied des CaffationShofs einem Mit- Hegenüber, der CassationShof werde behufs genauester Prüfung der Revisionsfrage ver langen, daßDreyfusnachFrankreich zurückgebracht und hier verhört werde. Uebrigens berichtet der „Figaro" auS Cayenne, Dreyfus wisse durchaus nichts von den Vor gängen in Frankreich, selbst seinen Wächtern sei es verboten, Zeitungen zu lesen. Sehr merkwürdig ist das Verhalten Schwedens gegen über dem Abrüstungsvorschlag des Zaren. Eine officrelle Antwort der Stockholmer Regierung ist noch nicht erfolgt, aber das vfficiöse Blatt „Nija Dagligt Allehanda" äußerte kürzlich, man müsse in Schweden an der Aufrichtigkeit deö russischen Vorschlages zweifeln, weil die von der Peters burger Regierung beschlossene Reorganisation der finländi- schen Armee den Zweck zu verfolgen scheine, an der schwedischen Grenze eine große Armee zu concentriren, waö eine große Gefahr für Skandinavien wäre. Seine Theil- nahme an der AhrüstungSconferenz müsse Schweden von der Bedingung abhängig machen, daß Rußland die geplante Ver mehrung seiner Truppen an der schwedischen Grenze aufgebe und die coustitutionellen Rechte FinlandS respectire. Diese Auslassung hat natürlich in Rußland heftige Erbitterung gegen Schweden hervorgerufen. Die „Moskowskija Wjedomosti" warnen Schweden davor, die Geschäfte der finländischen Separatisten zu besorgen, wodurch es nur sich selbst großen Schaden zufügen könne. Einen eigen- thümlickcn Beitrag zum Abrüstungsvorschlage liefert die aus R o m gemeldete Erklärung des italienischen Marinemiuisters Palumbo, daß für den Ausbau der Flotte Ferrillrtsn. Dem Glücke miedergegebeu. 4j Novelle von C. Gerhard. Nachdruck vcrdoten. „Ich habe nur zu danken", erwiderte er, „eine Frau versteht ja so viel besser, Trost zu bringen als ein rauher Mannesmund! Doch nun kommen Sie, verlassen Sie dieses dumpfe Zimmer; ich will alles Nöthige anordnen, und wenn Sie erlauben, begleite ich Sie dann." Elsa bettete darauf das eingeschlummerte Kind und flößte dem Verwundeten von dem mitgebrachten Wein ein, während Egon seine Anweisungen traf; dann hob er die leichte Gestalt auf das schöne, weiße Roß, er selbst bestieg seinen Rappen, und die Beiden ritten durch den schweigenden Wald. Der Graf fühlte sich in einer seltsam erregten Stimmung; er konnte seine Augen von der schlanken Reiterin neben sich kaum trennen. Sicher und graciös saß sie im Sattel, unter dem kleinen Reithütchen wallten die Locken wie goldenes Gespinnst hervor; zuweilen trieb der Wind ihm eines dieser seidenweichen Haare ins Gesicht, und dann war es ihm, als müßten jene schim mernden Fäden ein Band schlingen zwischen ihr und ihm. Fiel dann aber sein Blick auf daS junge Gesicht mit den leuchtenden Kinderaugen, dann bezwang er sich, damit kein verrätherisches Wort seinen Lippen entschlüpfte. So langten sie an der Villa des Freiherrn an. Dieser selbst war mit dem Neffen, der heute noch abreisen wollte, auf die Jaojd gegangen; so blieb Egon mit Elsa, die sich schnell umge kleidet hatte, allein. Zuerst zeigte sie ihm ihre neuesten Zeich nungen; dann Lat er sie, zu singen. Unbefangen setzte sie sich an den Flügel, und bald entströmten ihrer Kehle die süßesten Melodien. Sie hatte eine silberklare Stimme und die weichen Töne drangen Egon ins Herz. Nachdem sie alle Lieder, die er sich aus gebeten, gesungen, sagte sie: „Und nun hören Sie Onkels Lieb- lingslied!" Nach einigen volltönenden Accorden begann sie: „Freudvoll und leidvoll, gedankenvoll sein." Wie ein Stich durchfuhren Egon die bekannten Klänge, Todtenblässe überzog s<in Antlitz, halb unbewußt legte er seine Hand auf Elsa'- schlanke Finger und bat mit erstickter Stimme: „O, nicht dieses Lied, Elsa, ich ertrage es nicht!" Erschreckt blickte sie in sein entstelltes Gesicht. „Sie werden meine Gefühle verstehen, Elsa, wenn ich Ihnen sage, daß ich jenes Lied, ach, nur zu oft von den Lippen der Frau hörte, die ich liebte und die mich verrieth. Kommen Sie, ich will Ihnen von der unglückseligsten Zeit meines Lebens erzählen, die jetzt noch ihren Schatten auf mich wirft. Dann werden Sie den Sonderling begreifen." Er legte ihren Arm in den seinen und führte sie in eine nahe Laube des Gartens. Ruhelos vor ihr auf- und niedergehend, erzählte er ihr: „Es ist schon lange her, als ich sie kennen lernte, die meines Lebens Verderben wurde. Sie war Wittwe und schön wie ein Engel, — ich jung und leidenschaftlich, bekannte ihr bald meine Liebe und sie gestand mir, daß sie dieselbe erwidere. Ja, Elsa", rief er spöttisch, „sie versicherte mich ihrer Liebe mit den heiligsten Eiden, und doch dauerte es nicht lange, als sie mich verrieth, verrieth, weil sie einen reicheren Freier fand. So hatte ich meines Herzens treuestes, wärmstes Fühlen verschwendet an eine Unwürdige, die Glanz und Pracht über ein Herz stellte. O, Elsa, Elsa, Sie können nicht ermessen, welche Qualen ich durchlitt. Nach dem Tage ihres Verrathes hate ich «in Duell, bei dem ich schwer verwundet wurde, — hier dieser sfiife Arm ist noch Zeuge davon. Die Verwundung und noch mehr die grenzen lose Erregung warfen mich auf ein langes Krankenlager. Meine gute Mutter pflegte mich mit hingebendster Aufopferung, aber als ich körperlich genas, war ich um Jahre gealtert. Und da, gleich sam zum Hohne, starb mein Vetter, der Majoratsherr, mir fielen seine reichen Besitzthümer zu. Was ich mir vorher so heiß er sehnt, um ihr Leden zu schmücken, — jetzt hatte ich es, aber keine Freud« darüber kam in mein verdüstertes Gemüth. Ich quittirte den Dienst und unfähig, die altbekannten Gesichter Wieder zusehen, verließ ich die Heimath, um weite Reisen zu machen. Meine Mutter mußte ich leider vorher zu Grab« tragen; sie starb freilich in dem frohen Wahne, mich zufrieden zürückzulaflen. Daraus irrte ich umher, zerfallen mit der Welt und mir, und bin so der düstere Geselle geworden, den Sie kennen, Elsa." Mit athemloser Spannung hatte sie ihm zugehört, keine Schattirung seines Gesichtes war ihr entgangen. „Jene Frau war «ine Wittwe?" fragte sie nun mit tonloser Stimme, „und sie lebte bei H.?" Ein langer Blick traf sic. „Ich sehe, Elsa, Sie haben das traurige Verhältniß errathen. Ja, so will ich es Ihnen denn sagen: sie war Ihre Mutter; vielleicht, daß ich sie zu scharf be- urtheiltc, vielleicht brachte sie auch dem zweiten Gatten mehr Liebe entgegen, als sie mir bieten konnte." „Wenigstens hat sie mit ihm sehr glücklich gelebt. Mein zweiter Vater liebte meine Mutter unbeschreiblich, er führte sie in das Land ihrer Sehnsucht, nach Italien, aber freilich konnte er sein Glück nur kurze Zeit genießen." „Nun haben Sie also, Elsa", begann er wieder, „rin Bild meines vergangenen Lebens. Sie werden jetzt auch begreifen, was ich empfand, als ich hörte. Sie seien die Tochter der einst so heiß Geliebten, jenes kleine, goldhaarige Mädchen, das so oft auf meinen Knien gesessen." Mit tiefer Zärtlichkeit ruhte sein Blick auf ihrem gesenkten Haupte. „Nach all' Diesem bin ich noch Thor genug, an ein zweites, höheres Glück zu glauben, wenigstens darauf zu hoffen. Doch lassen Sie uns abbrechen; ich sehe. Sie bedürfen jetzt der Ruhe und des Alleinseins." Er entfernte sich und ließ Elsa in tausend Qualen zurück. Also ihre Mutter hatte er geliebt, ihre schöne Mutter! Durch diese war er unglücklich geworden. Wie erklärte sich ihr jetzt sein ganzes Wesen, und wie tief bedauerte sie ihn! O, könnte sie ihn trösten! Doch nein, sie, die Tochter der Gehaßten, am wenigsten. Aber er wird eine Andere finden, die seiner würdiger ist! Das waren die Gedanken, mit denen sie sich unablässig zer marterte, bis sie plötzlich durch nahe Stimmen gestört wurde. Sie gehörten dem Grafen und Fräulein von Burgsdorf an. Wie ein Blitz durchfuhr es ihre Seele. Was sie lange geahnt, stand jetzt in deutlicher Klarheit vor ihr. Sicher liebte er Marie, mit der er so häufig plauderte! Elsa preßte die Hand aufs Herz und lauschte, angstvoll erwartend, daß er Marien sagen würde, daß sie ihm jenes zweite Glück schenken möge, von dem er gesprochen. Da tönte die klangvolle Männerstimme dicht neben ihr: „Gewiß, Marie, Sie sollen ganz zufrieden und glücklich sein; die Wohnung ist bereit, die Gebieterin zu empfangen." Verzweifelt barg die Lauscherin das blaffe Antlitz in den Händen; mit überzeugender Gewißheit erkannte sie erst jetzt, daß die Liebe zu Egon ihr ganzes Herz erfüllte, aber diese Ueber- zeugung kam mit tausend bitteren Schmerzen. „Cousinchen, hab' ich Dich endlich gesunden?" rief ihr des Vetters heitere Stimme entgegen. „Du siehst ja so blaß aus; sag', süße Elsa, schmerzt es Dich, daß ich nun scheiden muß?" Er schlang den Arm um ihre Taille und zog sie auf die Bank zurück, von der 'sie erschreckt aufgesprungen war. „Elsa", bat er dann, „laß mich nun endlich Gewißheit haben! Zu lange schon quälst Du mich. Sag', willst Du mein sein, meine süße, kleine Braut?" Fast ungestüm rang sie sich von ihm los. „Nein, Vetter Curt", antwortete sie fest, „das kann ich nicht. Dir gebührt ein ganzes Herz, und das vermag ich Dir nicht zu geben." „Elsa, es ist nicht möglich!" fuhr er auf, „Du scherzest! Ich bitte Dick, hast Du mich denn gar nicht lieb?" „Ich bin Dir gut, Curt, von Herzen gut, aber die Deine kann ich nie werden. Laß mich Deine Schwester sei«, wie bisher!" „So liebst Du einen Anderen? Mädchen, sprich!" „Laß mich, Curt", bat sie in erstickten Tönen, und sich von ihm losreißend, stürzte sie davon, ihn halb betäubt zurücklassend. Fassungslos eilte sie weiter, um nur allein zu sein mit ihrem Schmerz. Da lag der See verlockend vor ihr. Schnell löste sie den Kahn, ergriff das Ruder und fuhr weit hinaus. Dann saß sie, ohne sich zu regen, nicht achtend der verrinnenden Zeit, während sie nur den einzigen Gedanken hatte: „Ich liebe ihn und er liebt eine Andere." Sie bemerkte es nicht, wie allmählich ein Gewitter herauf zog, sie hörte nicht das dumpfe Rollen des Donners, sah nicht das Zucken der Blitze und fühlte nicht den kalten Wind, der den leichten Kahn in bedenkliche Schwankungen versetzte. Im Schlosse hatte man endlich ihr Verschwinden bemerkt; Curt war sehr verstört abgereist, da vermißte man Elsa. Egon war es zuerst, der nach ihr fragte, und als das Gewitter begann und er den Garten vergebens durchsuchte, ergriff ihn Todesangst. Er machte sich die bittersten Vorwürfe, ihr seine traurige Ge schichte erzählt zu haben, und sein« Aufregung steckte bald die Anderen an. Diener wurden ausgesandt, Elsa zu suchen, Fräulein von Burgsdorf, der Freiherr sogar eilten hinaus, Allen voran aber der Graf. Endlich fiel sein Blick auf den See und sein Auge erkannte in dem weit abgetriebenen Kahne eine weibliche Gestalt. Schnell entschlossen bestieg er einen anderen und ruderte durch Sturm und Unwetter, nur begleitet von einem Diener, dem schwankenden Schifflein zu. Schon war er ganz nahe, schon sah er das goldene Haar Elsa's im Schein der Blitze leuchten, — da erhob sich plötz-
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