Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.10.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-10-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981005023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898100502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898100502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-10
- Tag1898-10-05
- Monat1898-10
- Jahr1898
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
7464 LohnLenwgimg. * PnriS, 8. October. Gestern Abend wurde eine Ver sammlung der Baumaler und Holzlader abgebalten. Man beschloß einen Aus st and wegen ungenügender Löhne. Italien. * Na», 4. October. Dem vernehmen nach ist der Wiederzusammentritt de« Parlaments auf den 14. d. M festgesetzt. — Die Nachrichten über daS Befinden Les EjardinalS Macchi lauten besser. — Der lateinische Patriarch in Jerusalem, Piavi, ist hier eingrtroffea. Afrika. Der Sultan van Maravo * Tanger, 4. October. Die Zeitung .Chronica" hat dle vom 2. d. M. datirte Nachricht auS Sasfi erhalten, daß der Sultan ernstlich erkrankt sei. Saschoda * London, 5. October. (Telegramm.) Nach einer Meldung des .Daily Telegraph" auS Kairo soll Major Marchand erklärt baden, seine Expedition sei auf den ausdrücklichen Befehl der französischen Regierung auSgefübrt worden; er habe Faschoda im Juni erreicht. Das Blatt meldet ferner, General Hunter sei vor einigen Tagen nach Omdurmaun zurückgekehrt, nachdem er am Blauen Nile bis Sennaar aufwärts Posten errichtet habe. Krankheiten und Todesfälle mehrten sich unter den Truppen, die aus dem Sudan nack Kairo zurückgekehrt seien, sechs Soldaten seien am 4. d. Mts. gestorben. Transvaal auf der Wacht. * London, 5. Oktober. (Telegramm.) „DailyMail" meldet ausCapstadt: Der VolkSraad von Transvaal hat gestern beschlossen, die Bestimmunaen des MilitairgesetzeS, daS Transvaal und den Oranje-Freistaat verpflichtet, sich im Falle eines Angriffs von außen gegenseitig militairischen Beistand zu leisten, zeitweilig zur Anwendung zu bringen. General Foubert bemerkte bei seiner Befürwortung dieser Maßnahme, Niemand könne wissen, ob nicht schon in naher Zukunft beiden Republiken ernstere Tage bevor stünden. Die Eingeborenen im Norden Transvaal rüsten. wie das Blatt weiter meldet, mit aller Macht zum Kampfe. Alle Wege sind von bewaffneten Kasfern besetzt, da» ganze Gebiet ist Nachts von Wachtfeuern erhellt. Amerika. Nach dcm Kriege. * Madrid, 5. October. (Telegramm.) Der Minister rath ermächtigte den Marineminister, die vor Cuba befind lichen spanischen Kriegsschiffe an die spanisch-amerikanischen Republiken zu verkaufen, die ihn darum ersuchten. — Ein Madrider Blatt hatte dem General Merritt die Worte zu geschrieben, die Gereinigten Staaten müßten die Philippinen annectiren. Der Ministerpräsident Sagasta erklärte, er glaube nicht an eine derartige Bemerkung, die dem Friedens protokolle nickt entspreche. — Nach Cuba sind 15 Millionen Pesetas zur Zahlung der rückständigen Löhnung an die Freiwilligen gesandt worden.— Die vollständige Räumung Puerto RicoS wird spätestens am 12. d. M. beendet sein. Die Transportkosten für die Rückbeförderung in die Heimath werden 25 Millionen Pesetas betragen.— Die cubani scheu Aufständischen werden am 10. d. M. einen neuen Prä sidenten der Republik wählen. kichem Mißtrauen vorrubrugeu. Mögen die vorthrile, die daS deutsch-englische Abkommen für Deutschland bietet, nicht so problematischer Natur sriu, wie vielfach besorgt wird : sie könnten so groß sein wie sie wollen, so würden sie doch nie den Schaden ausgleichen können, der angerichtet würde, wenn daö Verhältniß zwischen Deutschland und Rußland, wie «» bis zu dem denkwürdigen 18. März 1890 bestand und wie rS nach vierjähriger Unterbrechung wieder angrbahnt wurde, nnheilbar zerstört würde, wie rS der Fall sein müßte, wenn Deutschland die englischen Interessen in Ostasien wahr nehmen wollte. Deutsches Reich. * Berlin, 4. October. Zum Antritt der Orient reise wird daS Kaiserpaac Berlin am 12. October ver lassen. Am folgenden Tage Nachmittags 6 Uhr findet die Ein schiffung inVenedig statt. Die Seereise nach dem Bosporus dauert nahezu vier Tage. Am Montag, 17. October, wird das Kaiserpaar Vormittags 11 Uhr in Konstantinopel eintceffen. Hier ist ein fünftägiger Aufenthalt in Aussicht genommen. Die Abreise wird am Nachmittag des 22. October stattfinden. Die Landung in Haifa erfolgt am 25. October. Am 29. October, Mittags 1 Uhr, trifft daS Kaiserpaar im Zeltlager vor Jeru salem ein. Nachmittags 3H Uhr erfolgt zu Pferde der Einzug. Vom Jaffathor geht das Kaiscrpaar zu Fuß nach der Grabes- kirche. Die Abfahrt von Jerusalem wird für den 5. November beabsichtigt. Ueber die Vorbereitungen in Beirut und Da maskus zum Empfange des Kaiserpaares wird der „Köln. Wolksztg." berichtet: Der Gouverneur von Beirut ließ die Empfangsalons auf dem Serail neu tapeziren, obwohl der Kaiser sich dort kaum hinbegeben wird. In Beirut- dürste sich der Aufenthalt der Majestäten auf kaum einen Tag beschränken. Das Landen findet um 11 Uhr Vormittags statt, und dann werden voraussichtlich die deutschen Anstalten besucht; indeß ist dies noch unbestimmt. Die Verwaltung der Eisenbahn über den Libanon nach Damaskus ist eifrig beschäftigt, die Salon wagen herzustellen. Die Majestäten und ihre Begleitung werden in zwei Zügen reisen. In Damaskus wird das Militairserail Zum Empfange der Herrschaften hergcrichtet; das Toilette zimmer der Kaiserin ist völlig mit weißer Seide, selbst der Plafond, bekleidet. Der Eindruck, den dieses Zimmer macht, ist geradezu wunderbar. Man hat eigens einen großen Speisesaal gebaut für etwa 200 Personen, der auch echt orientalisch ge schmückt wird. Schließlich sei noch erwähnt, daß der Vali von Beirut bekannt gab, daß jede Profanation irgend welcher Re ligion durch Wort oder Schrift mit 5 türk. Psd. (80 <?/k) oder 30 Tagen Gefängniß geahndet wird. * Berlin, 4. October. (vr. Lcyds wird vom Kaiser empfangen.) Eine unter anderen Umständen ziemlich belanglose Meldung, der man heute jedoch politische Bedeutung nicht absprechen kann, bringt der „Loc.-Anz." in folgender Form: „Der Gesandte der Transvaal-Republik, vr Leyds, trifft heute hier ein, um sein Beglaubigungsschreiben zu überreichen. Oo. Leyds wird zu diesem Zwecke vom Kaiser in Audienz empfangen werden. Bekanntlich war 0r. Leyds bereits vor einigen Wochen hierher gekommen, um sich in seiner neuen Eigenschaft als Vertreter der Boerenrepublik dem Kaiser vorzustellen, er konnte aber damals nicht empfangen werden, da der Monarch von Berlin abwesend war. Staatssecretair v. Bülow, der, wie gemeldet, inzwischen die Geschäfte des Aus wärtigen Amtes wieder übernommen hat, dürfte der Antritts- Audienz beim Kaiser beiwohnen." * Berlin, 4. October. Die Anarchistenconferenz. Die italienische Einladung zur Theilnahme an einer die Abwehr der anarchistischen Gefahr bezweckenden Con- serenz ist nach einem Telegramm der «Münch. Allg. Ztq." hier eingetroffen. Bei den engen freundschaftlichen Be ziehungen zu Italien, so heißt eS in dem Telegramm weiter, versteht es sich von selbst, daß diese Aufforderung bier die wohlwollendste Aufnahme findet. Bestimmte Vorschläge in Bezug auf Ort, Zeit und Programm der Conferenz sind noch nicht bekannt. A Berlin, 4. October. Sogleich nach dem Erlaß des Handwerksorganisationsgesetzes wurde darauf aufmerksam gemacht, daß Jahre vergehen würden, ehe die in dem Gesetze gegebene Organisation tatsächlich würde functio- niren können. Es ist gekommen, wie vorausgesagt, indessen ist die Sachlage gegenwärtig doch schon eine solche, daß mit ziem licher Sicherheit auf einen Beginn der Thätigkeit der Handwerks kammern im nächsten Jahre gerechnet werden darf. Bis zum verflossenen I. October haben die sogenannten privilegirten Innungen sich entscheiden müssen, ob sie Zwangsinnungen werden oder freie Innungen bleiben wollen. Es ist ver schiedentlich berichtet worden, daß auch privilegirte Innungen sich nicht den Zwangsbestimmungen des Gesetzes haben unter werfen wollen. Sie und alle übrigen, welche die ZZ 100 ff. der Gewerbeordnung als für sich maßgebend nicht anerkennen wollen, werden nunmehr bis zum 1. April 1899 ihre Statuten den Bestimmungen des Handwerksorganisationsgesetzes betreffs der freien Innungen anpassen müssen; denn bekanntlich hat das Gesetz auch hierfür Neuerungen eingeführt. Die höheren Ver waltungsbehörden bilden in dieser Beziehung die AufsichtSinstanz und hacken die Defuguiß, nöthigensallS die Aenderungen mit rechtsverbindlicher Kraft zu verfügen oder die Innung zu schließen. Man darf danach also an nehmen, daß da« Jnnungswesen bi« zum Frühjahr 1899 vollständig den neuen Bestimmungen gemäß geregelt sein wird. Inzwischen sind die Vorbereitungen für die Errichtung der Handwerkskammern schon vielfach eingeleitet und weiter gefördert. Die schwierigste Arbeit werden demnächst die Wahlen zu den Kammern verursachen. Eine Einheitlichkeit bei den Wahlen durch ganz Deutschland ist schon wegen der Verschieden artigkeit des für die Wahl in Betracht kommenden Unterbaues in den einzelnen Gegenden ausgeschlossen. Im klebrigen dürfte sich auch der Bundesrath noch einmal mit dem Handwerksorgani- ationsgesetz zu befassen haben, da bisher nur rin Theil desselben durch kaiserliche Verordnung in Kraft gesetzt ist, über den Zeit punkt der Geltung des übrigen also noch vom Bundesrathe Be schluß gefaßt werden müßte. — Eine Bestätigung der telegraphischen Meldung über die neuesten Unruhen in Südafrika lag bis beute nicht vor, indessen ist eS schon möglich, daß sich unter den Damara- stämmen in Folge einer neueren Steuer eine so starke Unzu friedenheit entwickelt bat, daß eS zu ernsten Zusammenstößen mit den Leutscken Truppen gekommen ist. Eine anscheinend officiösc Mittheilung deS „Hamb. Corresp." scheint darauf vorzubereiten, daß demnächst eine Bestätigung der Meldungen kommen wird. — Der CultuSminister hat anläßlich eines SpecialfalleS die Entscheidung getroffen, daß auch die Wiedereröffnung einer wegen ansteckender Augenkrankheit geschlossenen Sckule durch den Landrath nur nach Anhörung des beamteten Arztes zu erfolgen hat. — Der Minister deS Innern hat die Beschäftigung aus ländischer polnischer Arbeiter im landwirthschaft- licken Verriebe über den 15. November hinaus bis zum 1. December gestattet. — Dem General-Secretair deS Alldeutschen Ver bandes vr. xlril. Lehr zu Charlotteuburg ist der Rothe Adlervrden 4. Classe verliehen worden. — Der Erzbischof von Posen v. StablrwSki ist hier eingetroffen. * Clbiug, 3. October. In Bezug auf daS Rittergut Kabinen, daS vom Landrath a. D. und LandtagSabgeord- neten Birkner dem Kaiser testamentarisch vermacht und vom Kaiser auf Wunsch des Herr» Birkner sckon jetzt in Besitz genommen ist, schreibt der „Graud. Gesell.": Im Zusammenhänge mit dem Vermächtniß stand eS, daß Herr Laudratb Etzdorf gestern zum Kaiser nach Rvminlen befohlen wurde. Wie verlautet, ist das 7000 Morgen große Ritter gut Kabinen für den Prinzen Adalbert bestimmt. Kabinen liegt an der Hasiküste. Der sehr sorgfältig gepflegte Park, dessen Betreten dem Publicum stets durch die Familie Birkner gestaltet wurde, übt eine große Anziehungskraft aus die Elbinger und aus alle Touristen aus, welche unsere Gegend berühren. Die Besitzung besteht zum großen Theile auS Wald. -k. Posen, 4. Oktober. Die Polen und die Land tags wählen. Die Polen wollen keinen Compromiß mit den Freisinnigen. Heute fand im Bazarsaale eine große pol nische Wähleroersammlung statt. Erschienen waren Anhänger der Hof- und der Volkspartei. Die Versammlung verlief — zum ersten Male nach langer Zeit — ganz ruhig. Es herrschte in beiden Lagern eine versöhnliche Stimmung. Bankdirector Wizekowski sagte, als Vorsitzender, die Polen müßten zur Ver söhnung schreiten. Derartige Zustände, wie bei den Reichs tagswahlen, dürften sich nicht wiederholen. Hierauf las er oie vom legalen Wahlcomitß ausgestellte Kandidatenliste vor. Darin wurden als Landtagscandidaten für Posen vorgeschlagen: Leo v. Czarlinski, Rechtsanwalt Chrzanowski und Or. v. Chla- powSti. Eine von einigen Wählern aufgestellte Gegenliste trug di: Namen: L. Frankiewicz, Martin Andrzyewski (Hofparteiler) und Aovocat Wolinski. Diese Liste fiel und die erste wurde unter stürmischem Beifall angenommen. Nunmehr gehen die Posener Polen bei den Landtagswahlen geschlossen vor. Uebrigens wurde der Vorschlag gemacht, mit den Freisinnigen kein Wahlcompromiß einzugehen. Ob er durchdringen wird, ist zwar noch nicht sicher, aber der Vorgang ist außerordentlich bezeichnend. Es ist zu hoffen und — nicht unwahrscheinlich, daß auch die hiesigen deutschen Parteien jetzt zu einer Einigung gelangen 'werden. (-) Nienburg, 5. October. (Telegramm.) Ersatz wahl im 7. hannöverschen Wahkreise. Bisher sind für Scheele (Welfe) 2157, für Brandt (Bund der Land- wirthe) 1635 und für Wi eh le (Socialdemokrat) 838 Stimmen abgegeben worden. ä Braunschweig, 4. October. Die welfischeLandeS- rechtSpartri in Braunschweig hat am Sonntag ihren Parteitag abgebalten; der Vorsitzende eröffnete ibn mit einer Ansprache, worin er Folgendes auSführte: «Die Gewalt- und Jnteressenpolitik BiSmarck'S hat die schärfste Verurtheilung erfahren durch das Frieden-manifest deSKaiserS von Rußland, welcher, wie wir, Reckt und Gerechtigkeit zur Grundlage alles Staats- und Privatleben- machen will." — Wie wirk v. Mühlhausen, 4. October. In einer in Langensalza abgehaltenen conservativen Wählerversammlung wurden die bisherigen LandtagSabgeordneten, der conservative Amt-arricht-rath Bode-Langensalza und der freiconsrrvativr Geh. Oberregirruugsratb v. Zrdlitz-Neukirch, al» Cand,baten für die bevorstehenden LaodtagSwahleu wieder aufgestellt. tck. Aettz, 4. October. Der bekannte svcialdemokratische Agitator Regierungsbaumeister a. D. Keßler hatte bier in einer Volksversammlung zur Feier des 18. März eine Rede gehalten, in der er sich der „Aufreizung zum Classenhaß" tchuldig machte. Die Strafkammer deS Naumburger Landgericht« vrrnrtheilte ihn deshalb gestern zu 1 Monat Gefängniß. Frankreich. Friedcnscongrctz. * Paris, 4. October. Der Botschafter der Vereinigten Staaten, Porter, stellte heute Nachmittag dem Präsidenten Faurc die amerikanischen Mitglieder der Friedenscommission vor. DaS Mitglied der Commission Day verlas eine Depesche M c. Kinley' S, datirt vom 30. September, die lautet: „In dem Augenblicke, da die Vertreter der Vereinigten Staaten und Spaniens in Paris zusammentrrten, um über 'den Frieden zu verhandeln, und die Vertreter der Vereinigten Staaten der herzlichen Gastfreundschaft der französischen Republik theilhaftig wcroen, habe ich die Ehre, Ihnen meine sehr freundschaftlichen persönlichen Grüße und Versicherungen der Dankbarkeit für Ihre wohlwollende Courtoisie gegenüber den Kommissaren de: Vereinigten Staaten zu entbieten." Day gab sodann der Dank barkeit über den den amerikanischen Kommissaren zu Theil ge wordenen Empfang Ausdruck. Präftoent Faure erwiderte, er werde ein Telegramm an den Präsidenten Mc. Kinley senden, in dem er auf die engen Bande der Freundschaft Hinweisen werde, di« seit so langer Zeit die beiden Republiken verknüpften. Präsident Faure fügte hinzu, wie der Name Lafayette den Amerikanern theuer sei, so stehe der Name Washington in Frankreich stets in Achtung. DrehfnS-Affairc. * Rom, 4. October. Nach der „Jtalie" wird in wohl unterrichteten Kreisen die Nachricht, du Paty de Clam sei nach Rom gekommen, für falsch erklärt. * Parts, 5. October. Frau Zola stellt die Rückkehr ihres Gatten nach Paris in Abrede. * Loudon, 2. October. Während der „Observer" heute über Esterhazy schweigt, bringt der „Sunday Special" eine interessante Ergänzung zu dem, waS man schon über Estcrhazy'S Londoner Erlebnisse weiß. Dieses Blatt spricht von einem Syndikate, das Esterhazy's Enthüllungen geschäft lich verwerthen wollte und sich zu diesem Zwecke an ver schiedene Londoner Morgenblätter wandte. Ein Blatt bot 1000 Pfunv Sterling für einen Artikel, der die Wahrdeit über den Fall DreysuS enthüllen sollte. Diese Summe war aber nicht groß genug, und das Syndikat stellte darum die Bedingung, den Artikel auch in anderen Blättern veröffentlichen zu dürfen. Dies wurde nicht zugestanden, und darum versuchte das Syndikat, ander-wo ein besseres Resultat zu erzielen. „In der Zwischenzeit", schreibt der „Sunday Special" weiter, „erfuhr Vie „Libre Parole", daß daS Syndikat gegründet war, und schickte ein zuverlässiges (!) Mitglied ihrer Revaction auS, um Esterhazy zu finden und um jeden Preis sein Stillschweigen zu erkaufen. Seine Nachforsch ungen waren erfolglos. Als das Syndikat fand, daß eö Ester hazy nicht in Fleet Street (wo die großen Morgenblätter gedruckt werben) verwerthen konnte, beschloß eS, sich an die Besitzer eines Sonntagsblattes (des „Observer") zu wenden, und hiermit hatte eS Erfolg. Es wurde abgemacht, daß eine besondere Unterredung mit Major Esterhazy stattfinden solle, und das Kaufgeld sollte in Form eines Checks eingehändigt werden. Inzwischen hatte Monsieur de B., der Abgesandte der «Libre Parole", herauSgefunden, wo Esterhazy wohnte, und sprach bei ihm vor. Er versprach dem Major, er würde in den nächsten Tagen eine große Summe Geldes erhalten, und telegraphirte sofort nach Paris um (Lasse. Dem Syndikate war bis dahin von dem Besuche des Herrn von der „Libre Parole" nichts bekannt. Abmachungen für die Unterredung wurden getroffen, als zur großen Ueberraschung des Syndikats Esterhazy sich absolut weigerte, zu gestatten, daß eine Information irgend welcher Art über seine Nolle in der DreyfuS-Tragödie in einer Zeitung ver öffentlicht würde. Eines der Mitglieder des Syndikats war, als es sah, daß eö seinen Antheil an der erwarteten Beute nicht empfing, darüber so aufgebracht, daß r« sich zum Major wendete und sagte, eS würde um jeden Preis Alles veröffent lichen, WaS eS von Esterhazy'» eigenen Lippen gehört habe. Darüber allarmirt, rief der Letztere auS: «Aber wa« ich Ihnen sagte, das sagte ich vertraulich zu einem Freunde!" „Bah!" erwiderte der Andere, „Sie sagten eS einem Journalisten." Sofort nahm der tapfere Major die Haltung eines Boxer» ein, während sein ehemaliger Freund auf ein Sopha zurücksiel und einen Stubl vor sich hielt, um sich vor dem wüthenden Esterhazy zu schützen". DaS Uebrige ist bekannt. (Frkf. Ztg.) Zocialdemokratischer Parteitag. m. I--cb. Stuttgart, 4. October. In der heutigen Sitzung ist eine Resolution von Bebel eingelaufen, die folgenden Wortlaut hat: „Der Parteitag möge erklären: Die im Laufe des letzten JadreS seitens der ungarischen und italienischen Regierung gegen di« An hänger der Socialdemvkratie und anderer oppositioneller Richtungen verübten Verfolgungen fordern durch idre Grausamkeit und Gemein- heit die Entrüstung aller rechtlich Denkenden heraus. Die so genannten Rechtsnormen, die hierbei gegen die unglücklichen Opfer in Anwendung kamen — die brutale Pvlizeigewalt in Ungarn, die Farce der Militairgerichte in Italien — qualificiren die beiden Staaten als Halbbarbarstaaten und ihre herrschenden Classen, unter deren Betsallsgeheul die Gewaltacte vollzogen wurden, al- bar jeden Menschlichkeitsgesühls, wofür auch der in jeder Beziehung entsetzliche Zustand der unteren Volksschichten in Ungarn und io Italien spricht, der daS arbeitende Volk zur Massenflucht aus einem Vaterlande nölhigt, das nur Elend und Noth, grausame Unter- drückung und Ausbeutung in den scheußlichsten Formen für sie übrig hat, und die hatbverthierte» Messerstecher und Attentäter wie Lucchent erzeugt. Diese Zustände sind rin abschreckendes Beispiel für ein jede- Kulturland; denn sie zeigen, was eine raubgierige und »nterdrückungSsllchtige Aristokratie und Bourgeoisie auS einem fleißigen Volke und einem sruchtbaren Lande zu machen vermögen. Der Parteitag Lenuncirt dieseZustände der Aufmerksamkeit aller ehrlichen Leute." — Es ist wieder eine Reihe von Begrüßungen eingeaaiigeu, u. A. aus Ungarn. Auf Antrag der MandatprüfungScommission werden die 246Mandate der 215 Delegirten (die 196 Wahlkreise vertreten) für gütig erklärt. Ohne Mandat sind 37 „Genossen" (Fraktion, Partrivo» stand rc.) anwesend. Die Commission beantragt jedoch die U ngil- zaubert hatten, auf einem Balcon sitzen, der sich über den Fenstern des Kaffee-ZimmerS befand. Sic hatte die Arme auf das Balcon--Geländer gelegt und sah mit nachdenklichen, träume rischen Blicken hinaus auf die See. Der laue Wind spielte in ihrem weichen, dunklen Haar, und Haltung und GcsichtsauSdruck zeigten, wie tief in Gedanken sie verloren war. Ich würde viel darum gegeben Haden, in ihrer Gesellschaft sitzen zu können; es lag ein so zarter weiblicher Schmelz auf ihrem Gesicht, der unendlich ansprechend war. Es wäre mir eine Wonne gewesen, ihre Stimme,zu hören, ihr Auge auf mein Gesicht gerichtet zu sehen und zu ihr über mich sprechen zu können. Eine Landratte würde eS anzufangen gewußt haben, mit ihr bekannt zu werden, ich aber war zu schüchtern, auch nur daran zu denken, daß eine Vorstellung am Ende zu erlanden wäre, wenn ich mich darum bemühte. Ganz jämmerlich suhlt man seine gesellschaftlichen Mängel, nachdem man lange Zeit auf See war. Es giebt nichts Undeholfeneres unter Damen, als «inen Seemann, der eben von einer längeren Reise zurückgekehrt ist. Er, der mit Kaltblütigkeit ein Schiff im Sturm beherrscht und in der dünnen Speiche eines Rades so vieler Menschen Loben in seiner festen Hand hält, wird selten eine Tasse Thee auch nur einen Meter weiter zu reichen vermögen, ohne dieselbe über da- Kleid einer Dame auszuschüttcn, oder über den Teppich zu stol- pern und h-inzuschlagen. Da kann «S nicht Wunder nehmen, wenn Seeleute beim weiblichen Geschlechte nicht beliebt sind. Die Lieblings-Erzählungen unter Seeleuten, wenn sie einmal lachen wollen, behandeln in der Regel ihre Verlegenheiten und Ung«- schicklichkeiten Damen gegenüber. Ich fragte Transom, den ich hinter seiner Glatthür sitzen sah, um den Namen der Dame. „Wissen Sie, Transom", sagte ich, „ich meine die Dame mit den braunen Augen und rothrn Wangen, die engelhafte Schönheit. Ihr Gefährte ist ein hübscher Mann mit braunem Bart." . » „Ach, ich weiß schon, wen Sie meinen", «nkgegnete Transom mußte aber schließlich, nach einigem Nachdenken, den Namen doch erst im Fremdenbuch suchen. Da stand derselbe verzeichnet mit: Miß Franklin. „Wer ist ihr Begleiter?" „Capitain Lucius Franklin." „Ah! Wohl Bruder und Schwester?" „Höchst wahrscheinlich. Er ist zu jung, um ihr Vater zu sein. Uebrigens finde ich sie auch sehr schön, aber Du lieber Gott, unsereins muß dem Geschäft nacbgehen, und hat Andere« zu thun, als sich die Gesichter seiner Gäste viel anzusehen." „Haben Sie ihren Taufnamen erfahren?" „Erfahren gerade nicht, aber ich glaube, daß sie Louise heißt. Ich kann mich irren, mir ist aber so, als hätte er sie Lulu ge nannt, als sie hierher kamen und Zimmer verlangten." Ich hätte gern noch mehr Fragen gestellt, z. B. wie lange sie schon im Hotel waren, woher sie kamen, wa« der Mann für eine Stellung bekleidete u. s. w., aber ich dachte, ich könnte mich, ohne einen bestimmten Grund für meine Neugier zu haben, doch leicht lächerlich machen. Außerdem mußte ich auch befürchten, meinen Freund in seinen geschäftlichen Angelegenheiten zu stören und mich ihm dadurch lästig zu machen; so dankte ich ihm also nur für seine Auskunft und ging meiner Wege. — Ich brachte den Abend im Rauchzimmer zu, meine Füße auf einen Stuhl gelegt und schläfrig an meiner Pfeife ziehend. Da« viele Umherlaufen hatte mich sehr müde gemacht. Drei junge Leute, di« einander fremd waren, al« sie ein traten, hatten schnell Bekanntschaft gemacht und sich zusammen an einen Tisch gesetzt. Sie rauchten und sprachen über geschäft liche Dinge, denn ich hörte sie über Procente debattiren. Dorau« ersah ich, daß sie Handlungireisende waren, und au» ihrer schlechten Sprach«, ihrem lauten Lachen und Wesen und lächer lichen Prahlereien erkannte ich, daß sie sehr gewöhnliche Leute sein mußten. ' Sie sprachen so laut, al« ob sie wünschten, daß ich ihnen zu hören und «ink-hohe Meinung von ihnen bekommen sollte. So schüchtern war ich nun aber doch nicht, daß ich solchen Menschen nicht meine Verachtung gezeigt hätte. Ich rückt« geräuschvoll mit meinem Stuhl so herum, daß ich ihnen den Rücken kehrte und hoffte, sie würden meinen Wink verstehen und leiser mit einander sprechen. Ob si« bemerkt hatten, wa« ich ihnen andeuten wollte, weiß ich nicht, jedenfalls standen sie aber zu meinem großen Vergnügen bald auf, leerten ihre Gläser, zündeten sich neue Cigarren an und betrachteten sich wohlgefällig im Spiegel. Dabei sprachen sie lang und ireit davon, wie die Mädchen ihnen dtffen Nach mittag nachgelaufen seien, ihnen Stelldichein« förmlich aufge- drangen hätten und nun wohl schvn lange auf sie warten würden. Darauf verließen di« Narren lachend da» Local, gewiß ganz über zeugt. daß si« mir ungeheuer imponirt hätten, denn all ihr läppischer Gerede war doch eigentlich nur für mich bestimmt ge wesen. Die Affen! — Einer war scheußlicher wie der Andere, — der Eine hatte sogar eine gebrochene Nase. Da der ganze Raum mit dem Rauch ihrer schlechten Cigarren angefüllt war, hatte ich nach ihr«m Weggang nicht« Eiligere« zu thun, al- da- Fenster aufzureitzen. Ich setzte mich an dasselbe, um frische Luft zu athmen, und war froh, wieder allein zu sein, al« die Thür sich öffnete und der mir jetzt al« Capitain Franklin bekannte Herr eintrat. „Das haben Sie recht gemacht", rief er, „ich sah Sie eben von draußen, wi« Sie das Fenster öffneten, hier ist ja eine Luft wie 'm Kielraum eines Schiffe-, welches Guano geladen hat." Er sprach etwas durch die Nase. Dies war mir nicht aus gefallen, al« er mich auf den Dünen anredete; «r sah heiß und ermüdet auS, wie ein Mann, der den ganzen Tag angestrengt ge arbeitet hat. Sich «inen Armstuhl holend und seine Beine aus einen anderen Stuhl legend, setzte er sich neben mich, danach rief er einen Kellner. „Trinken Sie etwas?" fragte er mich, als der Kellner kam. Ich bestellte mir «in Glas Grog. „Und mir dringen Sie, — doch Sie werden sich nicht Alles merken, — «» ist besser, ich schreibe «s Ihnen auf", sagte er, zog Papier und Bleistift herau«,- schrieb ein ganzes Recept und la« dies«» mit großem Pathos dem Kellner vor. ES war ein wunderbare« Gemisch: eine halbe Pinte Rum, eine halbe Pinte Whitky, «in Gläschen Curaxao, «ine dünne kitronrnscheibe mit der Schale, ein Schub kalte« Wasser, ein Stückchen Eir und etwa« Zuck««. Der Kellner nahm das Papier mit einem äußerst erstaunten Gsstcht und verließ da» Zimmer. Capitain Franklin zog nun eine dicke hölzerne Pfeife und «inen Tabaksbeutel hervor, stopfte sich die Pfeife und fragte, indem er mich aufmerksam ansah: „Bin ich nicht heute Morgen zusammen mit Ihnen geschwommen?" „Ja", erwiderte ich. „Ich dachte zuerst, ich hätte Sie irgend wo ander» getroffen. Sie sind Seemann, nicht wahr?" „Allerding«, da» Lin ich." „Sind Sie schon im Hafen gewesen?" „Gewiß." „Haben Sie unter d«n Schiffen eine» gesehen, welche» Ihnen besonder» gefallen hat?" „v ja, an der Mole. Da liegt eine Brigg mit einem weißen Schifs»bild, da» ist ein hübsche« Schiff; selten sah ich rin schmucker au»seh«nde» Ding", sagte ich, sehr wohl ahnrnd, wa« kommen würde. „E> ist die .Nein« Luku", und ich bin ihr Capitain." „Ah, wirklich?" „Ja, und st« ist sogar mein Cigenthum." „Da gratulire ich, ich wüßte Einen, der an Ihrer Stelle sein möchte." „Das glaube ich", lachte er. „Du scheinst mir ein zufriedener Mensch", dachte ich, „eigent lich müßtest Du also auch ein guter Mensch sein, aber man kann sich täuschen." „Gestern Nacht hatte ich ein kleines Rencontre", sagte er, sich behaglich zurücklehnend, den Rauch seiner Pfeife in Ringen ausstoßend und augenscheinlich erfreut, einen Zuhörer gefunden zu haben, der sein nautisches Kauderwelsch verstehen konnte, „kommt da so ein erbärmlicher französischer Hücker windwärts von mir gerade auf mich tzv, als wenn er in mich rein rennen wollte. Ich schrie den Lemcn zu, sie sollten abhalten und mir vom Leibe bleiben, denn ich dachte nicht ander», al» sie würden mir in den Stern fahren, aber sie hörten nicht. Nach wenigen Minuten hatten sie meinen Segeln allen Wind abgefangen, und erst al« ihr Klüverbaum keine Kabellänge mehr entfernt war, warfen sie ihr Ruder herum und kamen mir so dicht läng»seit», daß die Brigg die Vorbram-Raa verlor. ES hing an einem Haar, daß sie mich in den Grund bohrten. Wahrhaftig, die Franzosen sind in ihrer Ungeschicklichkeit auf See eine wahre Plage und noch schlechtere Seeleute al« die Chinesen. Diese halben doch wenigstens die Einsicht, daß sie sich auf ihre Ge wässer beschränken und nicht geradezu gemeingefährlich werden; da» Franzosenvolk steckt aber seine Nase überall hin. Ein unge schlachter, schwerfälliger Kerl, mit einem Knebelbarte wie ein Gpließeisen, wahrscheinlich der Capitain, ries mir zu, die Rempelei wäre ganz allein meine Schuld. „WaS", schrie ich, „meine Schuld? Da« Donnerwetter soll Euch erschlagen!" Hätte ich Kanonen gehabt, dem schmutzigen Gesindel würde ich heim geleuchtet haben, ick war gerade in der Laune dazu." „Ist die „kleine Lulu" nach auiwärt» gefruchtet?" fragte ich. Er antwortete bejahend und forschte, zu welchem Schiff ich gehörte. Ich erwiderte, daß ich gegenwärtig ein freier Mann sei. „An welche Art von Schiffen sind sie gewöhnt?" erkundigte er sich. „An große Schiffe." „Sir lieben wohl kleine Schiffe nicht?" „Warum nicht? Kohlenschiffe gefallen mir allerding» nicht, aber da« Kommando über «in Fahrzeug wie die „kleine Lulu" würde ich ganz gern übernehmen. Im Ernst gesprochen, augen blicklich würde mir Aller recht sein, was sich mir bietet." Hier schien er die Absicht zu haben, da« Gespräch fallen zu lassen, ich glaub« aber nickt, daß er meinen Scherz, da« Tom« mando über seine Brigg übernehmen zu wollen, mißverstanden hatte. (Fortsetzung folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder