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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.10.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-10-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981006014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898100601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898100601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-10
- Tag1898-10-06
- Monat1898-10
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Die Borgen-Ausgabe erscheint um '/,? Uhr» die Abcud-Ausgabe Wochentags um b Uhr. Redaclion und Erpedition: JohanneSgaffe 8. Die Spedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet vou früh 8 bi- Abend» 7 Uhr. Filialen: Otto Klemm'- Sortim. (Alfred Hahn), Universitätssrraßc 3 (Paulnn^-). Louis Lösche, Katharinenstr. 14, pari, und Köiig-pla- 7. DezugS-Prei^ I» der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Bororten errichteten BuS- oabestellen ab geholt: vierteljährlich ^l4.S0, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« Lau- 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertestährlich 6.—. Directe tägliche Kreuzbandienduug in» Ausland: monatlich 7.SO. 597. Morgen-Ausgabe. WWM TagelllM Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes und Molizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Donnerstag den 6. October 1898. Artrejgen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reckamen unter dem Redactionsstrich («ge spalten) KO/H, vor den Familiennachrichtei (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- vr^eichuiß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Eytra-Beilage» (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eia« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an de« vr-evittau zu richten. Druck und Berlag von E. Polz in Leipzig 92. Jahrgang. Oesterreich vor fünfzig Jahren und heute. Zum 6. October. SS Am 6. Oktober sind 50 Jahre vergangen, seitdem in Wien ein furchtbarer blutiger Aufstand ausbrach. Die Um stände, die diesem Aufstande vorausgingen und ihn begleiteten, weisen mit den gegenwärtigen Verhältnissen in Oesterreich so viel Verwandtschaft auf, daß es sich verlohnt, kurz darauf ein zugehen. Einige Monate vor dem Wiener Aufstande war in Prag rin furchtbarer Aufruhr ausgebrochen, der sich gegen die Deutschen richtete. Die österreichische Regierung war den Tschechen nach Möglichkeit entgegengekommen, aber diese verlangten nichts Ge ringeres als die Herstellung eines selbstständigen Königreichs Böhmen. Nachdem der Aufstand der Tschechen niedergeworfen war, ging die österreichische Regierung auf das Glimpflichste mit den Aufrührern um. Denn sie sah ihre Hauptstütze in den Tschechen, an deren Spitze, beiläufig bemerkt, ein Graf Thun stand, und in den Klerikalen. Die Hinneigung der österreichischen Regierung zu den deutschfeindlichen und den rückschrittlichen Elementen in Verbindung mit der Sympathie der liberalen Elemente mit den Ungarn führten den Wiener Aufstand vom 6. Oktober 1.848 herbei. Drei Wochen später wurde dieser Aufstand mit Hilfe slawischer Regimenter um so leichter nieder geworfen, als die Ungarn die Wiener Aufständischen schnöde im Stich gelassen hatten. Den deutschen Empörern wurde es nicht so gut wie einige Monate vorher den tschechischen Aufrührern. Eine sehr erhebliche Zahl von Revolutionairen wurde erschossen, eine noch größere Zahl zu schwerer Kerkerhaft verurtheilt. Wie damals, so streben heute diese Tschechen die Selbst ständigkeit eines böhmischen Staates an, und wie damals, so sind sie auch heute bereit, die gewaltsamsten Mittel nicht zu ver schmähen, um zu diesem Ziele zu gelangen. Wenn sie sich vor läufig noch friedlich gcberden, so thun sie es, weil sie hoffen, auf friedlichem Wege zu dem Ziele zu gelangen. Denn wie damals, so stützt sich auch heute die österreichische Regierung auf die Tschechen, trotz deren offenkundiger Absicht, den österreichischen Einheitsstaat zu zerstören. Wie damals bilden die zweite Stütze der Regierung die Klerikalen, denen die Befriedigung ihrer tschechischen und reactionairen Bestrebungen höher steht, als ihre deutsche Abstammung. Wie damals lassen die Ungarn die öster reichischen Liberalen im Stiche, obwohl sie es dem österreichischen Liberalismus zum guten Theile zu danken haben, wenn sic zu ihrer nationalen Selbstständigkeit gelangen konnten. Wie damals steht an der Spitze der Tschechenfreunde rin Mann deutscher Abstammung, ein Graf Thun. Wie damals stützt sich die Regierung auf Tschechen und Klerikale, um die ohnehin nicht allzu großen verfassungsmäßigen Freiheiten zu verkümmern. Denn die Verhandlungen des österreichischen Abgeordneten hauses haben deutlich dargethan, daß es der österreichischen Regie rung darum zu thun ist, des verfassungsmäßigen Regierens quitt zu werden. Graf Thun möchte am liebsten nicht nur den Ausgleich mit Ungarn auf Grund des berüchtigten 8 14 durch führen, sondern er möchte die Anwendung des 8 14 in diesem Falle als ein Präcedenz benutzen, um in Zukunft überhaupt möglichst mit dem 8 14 wirthschaften und so aller Rücksicht auf die Opposition der deutschen Parteien entrathen zu können. Bei diesem freundlichen Plane konnte er darauf rechnen, die Unter stützung der Slawen zu finden, denn den Jung-Tschechen gilt ihr sogenannter Liberalismus nichts, wenn ihnen nur die Mittel ge boten werden, auf den Deutschen herumzutreten. Und die so genannte liberale Regierung in Ungarn nahm keinen Anstand, ebenfalls den wohlersonnenen Plan zu unterstützen, denn ihr ist es wichtiger, daß Ungarn mit einer billigen Quote davonkommt, als daß in Oesterreich nach verfassungsmäßigen Grundsätzen regiert wird. So hatten und haben die Deutschen in Oesterreich Alles gegen sich: die österreichische Regierung, die ungarische Regierung und die slawisch-klerikale Allianz. Trotzdem ist es ihnen am letzten Freitag gelungen, wenigstens «inen vorläufigen Sieg zu erringen. Sie erlangten, wie gemeldet, eine kleine Mehrheit, die freilich bunt genug zusammengewürfelt war und deren dauernder Bestand keineswegs sicher ist. . Aber die Art dieser Mehrheit sollte auch der österreichischen Regierung zu denken geben. Es muß doch im Staate schon recht sonderbar aussehen, wenn der stock antisemitische Lueger mit den judenfreundlichen Deutsch fortschrittlern zusammengeht und wenn die vornehmen, großen- theils adligen Herren vom verfassungstreuen Großgrundbesitz Schulter an Schulter mit dem Socialdemokraten Daszinski und dessen Genossen kämpfen. Und auch die Erinnerung an die Zeit vor 50 Jahren sollte der österreichischen Regierung zu denken geben. Wie heute, so war auch damals der Deutsch-Oesterreicher und insbesondere der Wiener ein harmloser, leichtlebiger und gutherziger Mensch, dem man schon eine ganze Menge bieten konnte, «he er die Ge duld verlor. Bricht aber ein gutherziger Mensch, dem man schon eine ganze Menge bieten konnte, eh« er die Geduld verlor, einmal los, so ist er, und das ist psychologisch leicht erklärlich, viel ge fährlicher, als weniger gutmüthige Charaktere. Und so war auch der Aufstand in Wien im October 1848 blutiger und, wenn man so sagen darf, gehässiger, als der Berliner Aufstand vom 18. März. Die Erregung, in der sich die deutsch-österreichische Bevölkerung gegenwärtig befindet, ist nicht viel geringer, als sie vor 50 Jahren kurz vor dem Sturme war. Die österreichische Regierung fall sich wohl hüten, mit der Verfassung, die noch der letzte Schutz des Deutschthums gegen die Vergewaltigung der Tschechen und der Klerikalen ist, Fangball zu spielen. Oesterreich hat viele Jahrzehnte gebraucht, um die Wunden, die ihm der October 1848 schlug, zu verwinden. Ob rs sich von einem ähn lichen Ereigniß überhaupt noch erholen könnte, ist sehr die Frage. Neue Manner in Japan. Ueber das neue japanische Ministerium und einige seiner Mitglieder macht die feit Kurzem in Berlin er scheinende vortreffliche Monatsschrift „Ostasien" einige inter essante Mittheilungen, denen wir Folgendes entnehmen: Das neue japanische Cabinet besteht im Gegensatz zu allen bisherigen Cahinetten nicht vorwiegend aus engeren Landsleuten, sondern aus politischen Parteimännern. Sonst be faßen immer die beiden Provinzen Choshu und Satsuma den Vorrang in der Regierung. Diesmal aber gaben di« parla mentarischen Hauptparteien den Ausschlag, und eine Folge dieses Wechsels ist das Ueberwiegen von Ministern mit bürger lichem Namen. Die adligen Mitglieder des Cabinets, Graf Okuma, Graf Jtogaki, Marquis Saigo und Vicomte Katsura, sind schon wiederholt Minister gewesen und darum in Europa wohlbekannte Personen. Dagegen nehmen ihre bürgerlichen Amtsgenossen zum ersten Male Ministersessel ein, und deshalb wollen wir in wenigen Strichen ihre bisherige, Laufbahn kenn zeichnen: Masami Oishi, Minister für Landwirthschaft und Handel, betrat vor etwa 15 Jahren in der Tracht eines Jnrikisha-Ziehers die Halle Jbumuraro zu Tokio und hielt dort «ine so feurige Happi-Ensetsu (Blusenrede), daß man ihn später sogar im Verdacht hatte, er wolle Dynamit in Uokohama an kaufen. Er wurde auch verhaftet und in Untersuchung genommen, aber wegen mangelnden Beweises freigesprochrn. Dann arbeitete Oishi mit dem (inzwischen verstorbenen) Grafen Goto, der damals als Verkehrsminister zurückgetreten war, eifrig an der Gründung der l i b e r a l e n P a r t e i „Daido-Danketsu". Dabei wurde er als Chefredacteur ihres Organes „Seiron" wegen Preßvergehens abermals verhaftet und eingesperrt. Nach seiner Freilassung ging Oishi mit Tatsumi Baba, einem innigen Freunde des Präsidenten Grant, auf einige Zeit nach Nordamerika. Nach Japan zurllckgekehrt, wurde er zum Ministerresident für Korea ernannt. Hier erdreistete er sich aber, wegen Verbotes der Getreideausfuhr bei einer Theuerung den König in heftigster Weise zur Rede zu stellen und in der Audienz sogar eine Brille aufzubehalten (einer der gröbsten Ver stöße gegen die koreanische Hofsitte), so daß er abberufen werden mußte. Später wurde Oishi im Cabinet Matsukata Viceminister deS Noshomusho (Ministeriums für Landwirthschaft und Handel) und heute ist der ehemalige demokratische Volksredner sogar Noshomu-Daistn. Masahisa Matfuda, der neue Finanzminister, kam bald nach dem Jahre 1868 mit (dem jetzigen Marquis) Oyama nach Europa, um hier das Heerwesen kennen zu lernen. Er reiste viel umher und studirte besonders in Frankreich und der Schweiz. Nach seiner Rückkehr gründete er mit MarquiS Soinji, dem nach maligen Berliner Gesandten, die „Toyo-Jiyu-Schimb-un" („Oest- liche Freie Zeitung") und wanderte wegenihresheftigen! liberalen Tones für einige Zeit ins Gr- fängniß. Matsuda wurde ein bedeutendes Mitglied der Jiynto und bekleidet jetzt überhaupt zum ersten Male eine amt liche Stellung. Der Verkehrsminister UuzoHayashi war ehemals Vice gouverneur der Provinz Wakamatsu. Als General Saigo im Jahre 1876 in Satsuma auf Kiushiu sich empörte, plante Hayashi, in seiner Heimath Tosa auf Shikoku 800 Shizoku (Ritter) zu sammeln und damit die Stadt Osaka zu erobern. Gleichzeitig zettelte Graf Mutsu (als Minister des Auswärtigen in Europa später sehr bekannt geworden) eine Verschwörung in der Provinz Kii, südlich von Osaka, an. Beide wollten sich ver binden, von Osaka auf Kyoto losgehen, sich dort der Person des Kaisers bemächtigen und dann dem kaiserlichen Heere, das sich auf 'dem Marsche gegen Saigo befand, in den Rücken fallen. So sollte der Kaiser gezwungen werden, Frieden zu schließen und als Bedingung eine konstitutionelle Re gierung «inzuführen. Mutsu selbst befand sich am kaiserlichen Hofe und sandte heimlich eine Depesche nach Kii, die aber oufgefangen wurde und trotz ihres anscheinend harmlosen Inhalts zur Entdeckung der Verschwörung führte. Mutsu und Hayashi wurden darauf zu lebensläng lichem Gefängniß verurtheilt und erst nach mehr als zehn Jahren begnadigt. Im Jahre 1890 wählte die Provinz Tosa ihren Landsmann Hayashi zum ersten Male in den Reichs tag, wo er zu den bedeutendsten Mitgliedern der Jiyuto zählte. Der Justizminister Gitetsu Ohigashi gedachte schon im Jahre 1856, als der Premierminister des Shogunats, Naosuke Ji, wegen Abschlusses eines Vertrages mit Nordamerika ermordet wurde, ein« politische Roll« zu spielen. Er machte «ine Eingabe an die Regierung, in der er sich wahrscheinlich als Staatsretter anbot; und als er damit keinen Erfolg hatte, versuchte er, das Harakiri (Bauchaufschlitzen) an sich vorzu nehmen, wurde aber daran verhindert. Im Jahre 1871 reiste er mit Fürst Jwakura in Europa umher. Späterhin galt er beim Aufstand des Saigo als Verdächtiger. Seit 1890 jedesmal von der Provinz Omi in den Reichstag erwählt, wurde Ohigashi einer der Führer der Shimpoto. Vor seinem Antritt als Mi nister war er Director der Omi-Tetsudo-Kaisha (Omi-Eisen bahngesellschaft). Unterrichtsminister ist Herr N u k i o O s ak i, mit 38 Jahren der Jüngste im Cabinet. Mer konnte dies ahnen, als er vor 20 Jahren von der polytechnischen Hochschule in Tokio wegen — Unfähigkeit ausgeschlossen wurde! Der hoff nungsvolle Jüngling wurde aber gleich Chefredacteur der „Nii- gata-Shimbun" und mit 23 Jahren Cabinetssecretair. Im Jahre 1881 trat Osaki mit Graf Okuma aus der Regierung aus und wurde ein eifriges Mitglied der Kaishinto. Wie früher die „Niigata-Shimbun", so redigirte er jetzt hintereinander die „Hochi-Shimbun", „Choya-Shimbun" und „Mimbo-Shimbun" nicht zum Besten, indem seine sonst sehr tüchtige Feder sich mehr nach den persönlichen Launen des Schreibers, als nach den Be dürfnissen der Leser richtet«. Als Osaki 1886 gegen die Er neuerung der Verträge mit dem Ausland, die Graf Jnouye ab schließen sollte, in heftigster Weise zu Felde zog, wurde er aus Tokio auf drei Jahre ausgewiesen, mit dem Befehl, die Stadt binnen 24 Stunden zu verlassen. Nun führt« er ein Stückchen aus, worüber ganz Japan lachte. Er ging zu dem ihm persönlich befreundeten Minister Graf Goto und bat ihn, ihm seine Kutsche zur Verfügung zu stellen. Der Minister gewährte ihm die Bitte, und Osaki verließ das Ministerium in der Kutsche, gefolgt von zwei Schutzleuten, die auf ihn aufpassen sollten, und spielte so den ganzen Tag Minister; denn damals hatten auch jedem Minister stets zwei Schutzleute zu folgen. Nach diesem lustigen Abschied verbrachte er die Zeit seiner Verbannung in Amerika. Unter dem Cabinet Matsukata im vorigen Jahre wurde Osaki Chef des Secretariats im Ministerium des Auswärtigen. Von den Anschauungen des neuen Unterrichtsministers sei er wähnt, daß er den Geschichtsunterricht mit der Gegenwart be ginnen und rückwärts die Vergangenheit aufrollen lassen will, wie es ähnlich auch der regierende deutsche Kaiser Wilhelm II. gewünscht hat. Wie man sieht, haben alle fünf Minister eine mehr oder minder bewegte Vergangenheit hinter sich, und vielfach schon sehr ernste Erfahrungen gemacht. Deutsches Reich. 0. H. Berlin, 5. October. (Dir bei Schichau für China gebauten Torpedofahrzeuge.) Von den bei Schichau für die chinesische Regierung gebauten Torpedo fahrzeugen „Hai-Ching", „Hai-Hoha", „Hai-Lung" und „Hai- Nju" liegen bereits drei in Pillau zu Abnahmeproben. Eines davon hat im September 35,07 Seemeilen gelaufen, hat also an Schnelligkeit unser in England gebautes und jetzt auf dem Wege nach Kiel befindliches D-Boot 10 weitaus an Schnelligkeit übertroffen. Die bei Schichau gebauten Fahr zeuge sind 59 m lang, 6,2 m breit, haben 1,5 m Tiefgang und 250 Tonnen Deplacement. Der Rumpf ist aus Nickelstahl, die zwei dreifachen Expansionsmaschinen haben vier Wasser rohrkessel, System Thornycroft, und sollen 6500 Pferdestärken entwickeln. Unsere ü-Boote haben nur 250—500 Tonnen Deplacement, die Maschinen entwickeln 2000—5500 Pferde kräfte; die Chinesen haben also das vorzüglichste Material. Eine andere Frage ist freilich, ob sie diese Torpedo fahrzeuge genügend leiten und ausnützen können. Der spanisch-amerikanische Krieg hat ja gezeigt, daß die besten Torpedoboote in den Händen unerfahrener Officiere und un ausgebildeter Mannschaften ganz werthlos sind. Es braucht wohl auch nicht weiter betont zu werden, daß die Armirung der bei Schichau gebauten chinesischen Fahrzeuge eine ganz vor-, ziigliche ist, sie besteht aus sechs 4,7-Centimeter-Schnellfeuer- kanonen, von denen je zwei bei dem vorderen Thurm, mittschiffs und achtern ausgestellt sind. Die Torpedoarmirung besteht aus zwei Torpedorohren, die Besatzung ist auf 34 Mann berechnet. Berlin, 5. October. Die Conservativen, das CentrumunddieschlesischenWahlen. Die „Kreuzztg." verspottet die Liberalen, die vor 5 Jahren das Centrum als die „schwarze Reaction" perhorreScirt hätten und die sich jetzt bei den LandtagSwahleu hilfesuchend an das Centruin an schmiegten. Der Verlauf der Wablbewegung in Schlesien sollte die „Kreuzztg." an das bekannte Sprichwort von dem GlaShause gemahnen. Die Conservativen sind eS, die im Wahlkreise Schweidnitz-Striegau ein Landtagsmaudat der Centrumspartei überantworten, trotzdem dieser Wahlkreis nur etwa 37 Procent katholischer Bevölkerung besitzt. Nock eigenartiger, und zwar gerade im Vergleich zu dem früher von liberaler Seite beobachteten Vorgehen, muß die spottende Bemerkung der „Kreuzztg." berühren, wenn man die Ver hältnisse in BreSlau ins Auge faßt. Als im Jahre 1888 das Centrum in Breslau bei den Landtagswablen die Ent scheidung zwischen den Cartellparteien und den Fortschrittlern in der Hand hatte, wurde von den Centrumsieuten bei den Fortschrittlern dahin gewirkt, daß sie ein Mandat an daS Centrum ablassen möchten; alsdann würde das Centrum den Fortschrittlern die beiden anderen Mandate verschaffen. Die katholischen und die jüdischen Wablmänner der Fortschritts partei waren geneigt, auf dieses Conipromiß einzugeben, die evangelischen Wahlmänner aber erklärten, daß sie lieber alle drei Mandate an die Cartellparteien verlieren als gestatten würden, daß ein CentrumSmann in Breslau zum Landtags abgeordneten gewählt würde. Die Meinung der evangelischen Wahlmänner drang durch und die Folge war, daß die drei Mandate den Cartellparteien zufielen. Und wie verhalten sich die Breslauer Conservativen? Sie geben schon vor den Wahlmännerwahlen ein Mandat dem Centrum preis, um nur die beiden anderen Mandate mit Hilfe deS Centrums zu erlangen. Wer also schmiegt sich an das Centrum an: die Conservativen oder die Liberalen? DaS Vorgehen der Conservativen in Breslau ist um so verwerflicher, als die Macht deS KlerikalismuS naturgemäß gesteigert werken muß, wenn in der Residenz des mächtigsten katholischen Bischoss in Preußen ein CentrumSmann in die preußische Volks vertretung gewählt wird. Dem gegenüber muß cs geradezu humoristisch berühren, wenn die „Schlesische Zeitung" den Breslauer Nationalliberalen einen Vor wurf daraus macht, daß sie für die freisinnigen Candidaten eintreten. Es ist ja doch genug daran, daß die Breslauer Freiconscrvativeu sich mit der Geschichte ihrer Partei derart in Widerspruch setzen, daß sie für einen CentrumSmann eintreten. Sollen die Breslauer National liberalen sich diesem jeder Tradition ins Gesicht schlagenden Ansicht ansckließen? Außerdem denken die Breslauer National liberalen mit Recht daran, daß die Bildung einer conser vativen Mehrheit verhindert werden muß. Und wenn die Äuf den Pfaden der Laiserreise NI. Jerusalem. Von vr. H. von Hillrr-Sternberg. Slolttrua Der Seeweg von Beirut, wo wir unS nach Jaffa, der Hafen stadt Jerusalem», einschiffen, beträgt nur etwa 250 Kilometer und wird von einem guten Dampfschiffe bequem in 12 Stunden zurückgelegt. Aber diese Stunden dehnen sich unendlich und scheinen die dreifache Läng« zu haben; denn die Küste, an der wir in nur geringer Entfernung entlang dampfen, ist zumeist öde und reizls«. Ein großer Theil der Palästinareisenden wählt daher auch seit Eröffnung der Bahn von Damaskus nach El Muzerib den Landweg von dort über den See Genezareth und durch da» Jordanthal. Nach zweieinhalbstllndiger Fahrt ankern wir in Saida, dem alten Sidon der Phönizier, welche» von seiner früheren Pracht und Herrlichkeit nicht» behalten hat; dann geht es weiter über E» Sur, das alte Tyru», einen recht elenden Ort, der nur durch seine zahlreichen Palmen einigen Reiz erhält, unaufhaltsam gegen Süden, zur Rechten da» weite Meer, zur Linken den gelben Strand, über welchen da» Land zu den fernen blauen Bergen SaliläaS hinaufzieht. Dann steigen die steilen, weißen Klippen d«S alten Promontorium ulkum. jetzt RaS el Beyad, in die Höh«; anderthalb Stunden später fesseln unsere Blicke die starken Befestigungswerke von Akka, an denen alle Bemühungen Bona« parte's, die wehrhafte Stadt in seinen Besitz zu bringen, scheiterten. Hinter ihnen thut sich dann die weite Bucht gleichen Namens auf, südwestlich begrenzt von den gewaltigen Felsstürzen de» Berges Karmel, auf dem sich in wundervoller Lage das Stammkloster de- vom Grafen von LimogeS als Eremitenverein gegründeten Karmeliterorden» erhebt. Gegen Süden zu wird das Küstenbild eintönig; in weiter Ebene dehnt sich das Land gegen die Berge SamariaS hin und bietet dem Auge wenig Ab wechselung; aber die herrliche Vegetation der Wälder und Wiesen zeigt, daß wir ein fruchtbare» Gebiet vor un» haben, die Flurett der Landschaft Kanaan. Am späten Abend erreichten wir Jaffa, unser Nachtquartier. Die biblischen Erinnerungen drängen sich schon hier in reicher Fülle dem Geist« auf. Hier soll Noah seine Arche erbaut haben; hier stieg JonaS auf der Flucht vor dem Herrn auf das Schiff, welche» ihn direkt in den Bauch deS Walfische» ablieferte, und hier nahm Salomo das zum Tempelbau bestimmte Material in Empfang. Die vierstündige Bahnfahrt, welche uns am nächsten Tage nach Jerusalem bringt, führt zuerst bis Ramlrh durch eine schmucklose, aber noch leidlich fruchtbare Ebene, in welcher un ordentlich bebaute Felder mit ihren Ziehbrunnen und vereinzrlten Palmen mit Steinhalden oder mohammedanischen Friedhöfen abwechseln. Dazwischen weiden Heerden wie zu Lot'» und Abra ham'» Zeiten, und der reichlich bemessene Aufenthalt auf den einzelnen Stationen giebt un» Gelegenheit, über die übergroße Zahl von Bettlern und Krüppeln zu erstaunen, welche da» ver körperte Elend in seiner schauerlichsten Form sind und, obwohl zum großen Theile mit ekelerregendem Aussatze behaftet, zum Schrecken deS Reisenden sich auf jeder Gasse Herumtreiben. Während die alte Fahrstraße hinter Ramleh direct über hügelige Gegend zu oen Höhen deS iudäischen Gebirge» aufsteigt, windet sich die Bahn weiter südlich in das Wadi es Sarar hinein und erreicht auf großem Umwege, an engen Nebenthälern vorbei, die Hochfläche, auf deren Hügeln die heilige Stadt erbaut ist. Man kann eS kaum begreifen, wie in diesem trostlosen Lande, dessen Steinwüste nur hier und da einer kümmerlichen Steppenflora Nahrung gewährt, eine Stadt entstehen konnte, welche, wenn auch die Schilderungen eine» Flaviu» Josephus übertrieben sein mögen, in ihrer Blüthezeit nach den billigsten Schätzungen doch mindestens 200 000 Einwohner zählte. Rings um uns zeigt sich nicht» als eine Steinwllste der traurigsten Art, gegen welche die ödesten Stellen de» Karstes noch üppig erscheinen. Und in dieser Landschaft, über welcher «in eigenartiger Ernst und die Großartigkeit des Todes sich auSzubreiten scheint, tauchen nun link» und rechts Steingebäude auf. Ein langgezogener Pfiff der Lokomotive; kreischend setzen sich die Bremsen in Bewegung, und in der nächsten Minute halten wir auf dem Bahnhof Jerusalem. Die Endstation liegt noch ziemlich entfernt von der Stadt, aber gerade diese» Stück Weg, welche!! durch das Hinnomthal an Montefiore» Judencolonie vorbei zum Jaffathore führt, ist nichts weniger denn angenehm. Nunmehr betreten wir durch das altersgraue Gemäuer dieses Thores das Innere der heiligen Stadt mit ihren engen, schmalen Steilschluchten vergleichbaren Gaffen, au» denen un» der moderige Kellerdunst, «in undefinir- bare» Gemengsel aller erdenklichen Gerüche, entgegenschlägt und über deren fragwürdige» Steinpflaster wir zu unserem Hotel hin- balanciren. Der erste Gang gilt, wie dort selbstverständlich, dem Besuche der heiligen Grabeskirche, des größten Heiligthums der christ lichen Welt. Ein Weg von wenigen Minuten führt uns durch enge Gassen zu einer Treppe, über die hinabsteigend wir auf den Vorplatz der Kirch« gelangen, dessen altersgraue Seiten gebäude auS den Zeiten der Kreuzzüge stammen, und in welchem uns zahlreiche Verkäufer ihre Maaren als Erinnerungszeichen anbieten. Durch das weitgeöffnete Hauptportal betreten wir das Kircheninnrre mit seinem Durcheinander von Capellen, Thoren und Pforten, Stiegen, Säulengängen und Chören. Alles dies einzeln zu beschreiben, würde uns hier zu weit führen, der Ge- sammteindruck ist ein ungemein ehrwürdiger. Ihren eigentlichen Charakter, der seinesgleichen in der ganzen Welt nicht findet, ver dankt die Grabeskirche dem Umstande, daß hier, wo daS Gebot des Sultans galt und noch gilt, seit Jahrhunderten die verschiedenen Confessionen der christlichen Welt wie zahlreiche Sekten »olou» nolvu8 in Eintracht leben müssen, von denen jede wieder ihre Separatheiligthümer in der Kirche errichtet hat, welche für diese eigentlich nur der gemeinsame umfassende Rahmen ist. Aller dings haben di« orientalischen Christen, welche lange Zeit im alleinigen Besitz des Gotteshauses waren, den inneren Ausbau desselben besonders stark beeinflußt, welcher Umstand namentlich an der im Mittelpunkte des Gebäudes stehenden Grabcapell« zum Ausdruck kommt, die mit ihrem Lichterschmuck, ihren Bildern der schwarzen Mutter Gottes auf goldenem Hintergründe und ihren Gittern den unverfälschten Stempel aller russischen Kirchen an sich trägt. Zwischen der innerlichen Ausschmückung blickt überall der kahl«, rohe Fels hervor, in welchem die Millionen und aber Millionen Küsse gläubiger Andacht ihre Eindrücke hinterlassen haben. Darüber ergießt sich der röthliche Schein der Ampeln, deren Strahlen durch den Weihrauchnebel dringen,
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