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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.10.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-10-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981010027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898101002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898101002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-10
- Tag1898-10-10
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VezugS-Prett MU GMW «.»» UMM L^M MA^ULZ WW ^MUPi^PkMlLkvn VHkr vkn LM» titzirk und den Lororlen errichtete» AuS- aabestellr» «hß«hplt: vierteljährlich^4.S0, Ms jweflqaliaer täglicher Zustellkka ifl» Hau» >tz b.öO. Durch die Püst bezogen für Teutfchland uttß OesteMch: bietteljSbrlich H Direkte tägliche Krr«zhttttbieN»>t«ig tu» Ausland: monatlich 7.5V. Die Morgen-AuSgabe eksch^Itt tt« ^/,'k Uh^ dtt Abend-A«»gab« Wochentag» »m b Uht. wdattio« vnd ErpeMo«» -shtmne-ßafte 8. Die Expedition ist Wochentag» »nunterbrochett Eröffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uh«. Filialen: btt» Klemm'» Lorti«. (Alfred Lniversität-strad» S (Paulinura), Laut» Lösche, Katherln«estr. 14, pari, «nd KSnig-platz 7« Abend-Ausgabe. UtiWM TlltsMM Anzeiger. AmtsöM des königlichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, des Aathes nnd Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. 515. Montag den 10. October 1898. AnzeigenPreis ßle 6 gespaltene PMzeile >0 Ag. Rtclacke« ttutet dem NSVactionSstrich (4ßv- spalten) SO-4» d»t den Familiennachrichtra (S gespalten) 4V 4. Größere Schrift« laut unserem Preis- »rrzeichnib. radeSartfcher und giffernsatz Nach höherem Laris. Vxträ-Verlagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörverun; ^l so.-, mit Postbesirdernng Al 70.-. Druck und Verla» von L. Volz in Leipzig. Änuahmeschluß für Än-eigen: Ab end'Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen »Au-gabe: Nachmittag» 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. 92. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 10. October. Der jedenfalls vom ganzen deutsche» Volke au» mehr als einem Grunde mit Freude begrüßten Nachricht, daß der Kaiser seine Reise «ach dem Orient abjukürzen und auf den Besuch Egyptens zu verzichten gedenke, um den Reich-tag in Person eröffnen zu können, wird in der »Köln. Zig." die folgende öfficiöse Begründung beizegeben: „Die auf den ersten Blick überraschend« Mittheilung, daß der Kaiser auf die Reise nach Egypten verzichtet, wird voraussicht lich vielfach besprochen werden, und e» ist sehr wahr scheinlich, daß man dem Entschlüsse unrichtige und mitunter nicht durchweg wohlwollende Beweggründe unterstellen wird. Zunächst möchten wir der naheliegenden Ver- muthung rntgegentreten, daß die wiederholten Minister sitzungen und die Sitzung des KronratheS damit in Zu sammenhang gebracht werden. Mr halten es für sicher, daß in diesen Berathungen keinerlei Abkürzung der Reise in Betracht gezogen worden ist. Auch die auswärtige Lage ist durchaus nicht danach angethan, solche Befürchtungen zu erregen, die sich gegen die Reise hätten geltend machen können. Am allerwenigsten sind aber die unfreundlichen Commentare, die ein Theil der auswärtigen Presse an die Reise knüpfte, von irgend welchem Gewickt gewesen. Da» rrgiebt sich schon rein äußerlich aus der Thatsache, daß diese Angriffe sich in erster Linie nicht gegen den Besuch Egyptens, son- dern gegen die nach wie vor beschlossene Fahrt nach Konstantinopel und dem heiligen Lande richteten. In Wirklichkeit ist der Entschluß Les Kaisers, der erst im allerletzten Augenblicke gefaßt wurde, auf die eigenste Initiative des Kaisers zurückzu führen, der sich zu einer so langen Abwesenheit von Deutsch land, wie sie durch die egyptische Reise bedingt worden wäre, doch nicht entschließen wollte. Insbesondere kam dabei dir Frage der Eröffnung desReichStagS in Betracht. Nicht nur sollen diesem wichtige Gesetzentwürfe vorgelcgt werden, sondern es handelt sich auch um di, erste Tagung des neu- gewählten Reichstags, auf dessen persönliche Begrüßung der Kaiser das größte Gewicht legt. Es ist bekannt, daß der Kaiser sehr gern den interessanten Abstecher nach Egypten gemacht hätte; wenn er trotzdem aus Pflichtgefühl daraus verzichtete, so kann ihm das Land für diese ernste Auffassung des Herrscherberufes nur dankbar sein. Wir heben mit Befriedigung hervor, daß nur diese und nicht andere Gründe für Len Verzicht auf die Reise maßgebend waren und daß insbesondere kein Grund vorliegt, aus ihm auf das Ent stehen neuer politischer Gefahren zu schließen." Die nachdrückliche Versicherung, daß weder die wieder holten Ministerialsitzungen, noch die Sitzung des Kronralhs im Zusammenhang mit dem Entschlüsse stehen, welcher der eigensten Initiative des Kaisers seine Entstehung ver danke, ist auch der „Nat.-Ztg.", den „Berl. N. N", der „Nat.-Lib. Corr.", der „Wes.-Ztg." und noch einer Reihe anderer Blätter gemacht worden. Daß diese Versicherung nicht auf Anregung des Kaisers selbst den Weg in die Presse gefunden hat, liegt auf der Hand; eS muß also einem oder einigen der Theil- nehmer an jenen Sitzungen am Herzen gelegen haben, der Welt kund zu thun, daß die Räthe deS Monarchen keine Veranlassung gehabt zu haben glauben, für eine Abkürzung der Orientreise einzutreten. Zweifellos hat der Feststeller dieser Thatsache keinen andern Zweck gehabt, als den, die Weisheit deS Kaisers und sein rege», opferwillige« Interesse an den Arbeiten des Reichstages in das rechte Licht zu rücken; er stellt aber nebenber den Räthen des Monarchen kein schmeichelbafteS Zeugniß au« und bestätigt daS Wort deS Fürsten Bismarck, an das wir bereits in unserer SonntagS-AuSgabe erinnerten: Wilhelm II. berathe seine Näthe, nicht diese ihn. Daß er in diesem Falle eines RatbeS ent behren mußte, ist sicherlich selbst für den Kaiser nicht erfreulich. EtwadreiWochen hatte derNeiseplanfürdenAbstecberdcsKaiser- paare- nach Egypten vorgesehen. Am lv. November sollte daS Kaiserpaar zu Schiff von Palästina nach Egypten aufbrechen; am 17. November hätte dann erst die Ankunft in Egypten slattsinden können, so daß mit einer Rückkehr des Kaisers erst etwa um den 15. Decemberzu rechnen gewesen wäre. Nunmehr kann derReichs- taz bereits in der dritten bis vierten Woche de» November zu- sammentreten und die parlamentarischen Arbeiten um ein Er hebliches fördern. ES kommt diesmal noch hinzu, daß auch der preußische Landtag eine neue Legislaturperiode mit einer arbeitsvollen Session beginnt. Wäre eS bei dem ursprüng lichen Reiseplane geblieben, so wäre wegen des Weihnachts festes eine Eröffnung durch den Kaiser auch nur im Januar thunlich gewesen. Unter der Concurrenz der Berathungen im Abgeordnetenhause hätte dann aber das Interesse für den Reichstag und dessen Arbeit erheblich gelitten. Und trotzdem wird hochofsiciös mit allem Nachvruck versichert, die Ansicht, daß die Abkürzung der Kaiserreise mit einer der Minister sitzungen oder der Sitzung des Kronraths im Zusammen hänge stehe, sei durchaus unbegründet! Zwei Seelen wohnen, ach, in ihrer Brust, in der Brust der Locialdemokrate» nämlich, wenn cs sich um die Anarchisten bandelt. Begeben die Anarchisten ein scheußliches Verbrechen, so rücken die Socialdemokraten weit von ihnen ab und betonen, daß sie die entschiedensten Gegner deS Anarchismus seien. Will man dann aber, um weitere Ver brechen zu verhüten, den Anarchisten auf den Leib rücken» so erwacht in den Socialdemokraten daS brüderliche Gefühl und sie wettern gegen die „Reaction". DaS kann man -sitzt wieder beobachten, wo daS Zustandekommen der Conserenz zur Beralhun^ von Abwehrmaßregeln gegen die Anarchisten gesichert erscheint. Die „Sachs. Arbeitcrztg." geräth darüber ganz aus dem Häuschen und klammert sich an die Hoffnung an, daß England, Belgien und die Schweiz „die Freibeiten und die sonstige Entwickelung deS Landes" nicht würden Preisgeben wollen. Es bat mit den Frei heiten eines Landes herzlich wenig zu schaffen, wenn es fremden Mvrdgesellen fürderhin kein Asylrecht mehr gewähren will. Die Hoffnungen, die daS socia- listische Blatt auf die erwähnten Länder richtet, dürften dann auch wenigstens in Bezug auf die Schweiz etwas ent täuscht werden. Die Schweiz ist ein Land, daS einen großen Theil seiner Einkünfte aus dem Fremdenverkehr zieht, und zwar nicht aus dem Verkehr von Socialisten nnd Anarchisten, sondern aus dem der „oberen Zehntausend". Diesen aber dürfte die Neigung, sich in der Schweiz auf- zuhalten, vergällt werden, wenn die Schweiz an gesichts der letzten Unthat sich weigern wollte, den Anarchisten daS Leben etwas unbequemer zu macken als bisher. Charakteristisch für die Begriffsverwirrung des socialistischen Organes ist es übrigens, daß eS die Regierung, die die Con- ferenz angeregt hat, die „italienische Canditenregierung" nennt. Also nicht die anarchistischen Mordgesellen sind Ban diten, sondern Diejenigen, die Schritte Vorschlägen, um dem Treiben dieser Mordgesellen ernstlich ein Ende zu bereiten! Offenbar ist die Palästinafahrt des deutschen Kaisers nickt nach dem Herzen des Papste», der von derselben eine Slärkung sowohl der im Orient zerstreuten protestantischen Elemente als des Prestiges deS protestantischen deutschen KaiserthumS befürchtet, die nach vaticaniscker Auffassung wieder eine Schwächung der Autorität des katholischen Frankreichs, des „Protektors" über die Katholiken des Orients, im Gefolge haben müßte. Deshalb hat Leo XIII. sich nicht damit begnügt, der französischen Republik zu bescheinigen, daß ihr traditionelles Protektorat thatsächlich auf Urkunden — freilich sehr alten Datums — sich gründet, er ist neuerdings nochmals auf die Sache zurückgekommcn, indem er, wie wir meldeten am Sonnabend, an eine Schaar französischer Pilger eine Allocution richtete, aus der man nichts Anderes herauszuhvren vermag, als die Aufforderung an die Katholiken Frankreichs, durch Fortsetzung und Mehrung ihrer Pilgerfahrten nach dem heiligen Lande die Spuren des protestantischen Kaisers zu verwischen. Auch die römische Presse betrachtet die Ansprache des Papstes mit ihrer abermaligen Bestätigung französischer Kirchenvorrechle und des katholischen Charakters der heiligen Einrichtungen in Palästina als plan mäßigen Gegenzug gegen die Palästinareise des Kaisers. Manche sehen darin einen Beweis voll ständigen Triumphes der franzosenfreundlichen Richtung des Cardinals Rampolla und ein Zeichen zunehmender Schwäche Leo's. Die „Ag. ital." sagt, daß die wieder holte Betonung des katholischen Charakters der heiligen Stätten offenbar ein Protest sei gegen den kaiserlichen Pro testantismus, den viele als Beweggrund der Reise Wil- helm's II. ansähen. Leo XIII. habe geglaubt, nochmals die Schutzherrschafl Frankreichs über die Katholiken deS Orients bestätigen zu sollen, ohne zu überlegen, daß der unausbleib liche Widerstand der anderen Nationen Europas einer der artige Ansprüche erhebenden Kirchenpolitik sichere Niederlage in Aussicht stelle. Bezeichnend war auch der Appell des Papstes an die christliche Demokratie. Wir geben den betreffen den, in der Sonntagsnummcr verstümmelten PassuS der päpstlichen Anrede hier wörtlich wieder: Wenn die Demokratie, sagt der Papst, christlich sein will, wird sie EuremVaterlandeeineZukunftdesFriedens, desGedeihens und des Glückes sichern. Wenn sie sich der Revolution und dem Socialismus hingicbt, wenn sie thörichte Ansprüche verfolgt, die die Grundsätze der Gesellschaft zerstören, wird die unmittelbare Wirkung für die Arbeiterklasse selbst Knechtschaft, Elend und Ver derben sein. Auch diese Parteinahme für die christliche Demokratie, die bisher in den päpstlichen Kundgebungen keinen Platz ge funden habe, bezeuge, so führt die „Äg. ital." aus, den Triumph des CardinalstaatssecretairS; seine Politik laufe auf die Unversöhnlichkeit gegenüber Italien hinaus und auf die völlige Niederwerfung vor Frankreich und der Gewinnung der Massen für die päpstlichen Interessen. Man kann heute schon von einer Sudaufrage sprechen. Englands Ansprüche auf das gesammte Nilthal treten mit solcher Bestimmtheit und Festigkeit auf und Frankreichs Interessen in Mittelafrika sind dadurch so bedroht, daß es einem Wunder gleichkommen müßte, wenn beide Concurrenten ohne ernste Reibungen sich aus ¬ einandersetzten. Daß England gewillt ist, rücksichtslos auf seinem Wege von Kairo bis zum Cap vor ¬ zugeben, erhellt, wenn man es nicht schon wüßte, mit aller Deutlichkeit aus dem gestern in London veröffentlichten Schriftwechsel der englischen und der französischen Regie rung über die Frage des oberen Nils. Daraus geht, nach englischer Darstellung, hervor, daß der franzö sische Minister des Aeußeren Hanotaux im Drcember 1897 durch den englischen Botschafter Monson die Mittheilung erhalten hat, England gebe nicht zu, daß eine andere europäische Macht das Recht habe, irgend einen Theil deS Nilthales zu besetzen. Am 9. September 1898 wies Lord Salisbury den Botschafter im Drahtwege an, dem französischen Minister des Aeußeren, Delcassö, mitzutheilen, daß alle bisher vom Khalisen be- herrschten Gebietstheile durch daSRecht derEroberung an die britische Regierung übrrgrgangen seien. Eng- land hielt das Recht sür ein undi-cutirbares. Monson richtete gleichzeitig an den Minister Delcassö die Anfrage, warum Frankreich die Expedition auSgesandt habe, die, wie ihm bekannt sei, von England als ein unfreundlicher Act betrachtet werden würde. Er bemerkte dazu, die Lage am oberen Nil sei ge fährlich ; England sei festen Willens, an seinem Entschlüsse festzuhalten, und werde sich auf kein Compromiß einlassen. Delcassö erklärte ihm darauf, eine Expedition Marchand gebe eS nicht, Marchand sei nur der Untergebene Liotard's. Der Minister führte als Grund für das französische Vorgehen an, daß Egypten den Sudan verloren habe. Ferner wird eine Depesche deS englischen ConsulS in Kairo an Lord Salisbury veröffentlicht, in der der Consul sagt, nichts hätte Marchand vor der Vernichtung retten können, wenn die englisch-egyptische Expedition den Khalisen erst 14 Tage später auf gerieben hätte. Am 3. Oktober beauftragte Lord Salisbury den Botschafter, dem Minister Delcassö zu erklären, England be trachte die Expedition Marchand als ohne politische Bedeutuug. Nach diesem Schriftwechsel beansprucht England also nicht nur Faschvda, sondern den ganzen Sudan, soweit er bisher als Machtbereich des Khalisen angesehen wurde. Sollte daher auch eine Einigung über Faschvda zu Stande kommen, so taucht sofort die Bahr-el-Ghazel-Frage auf. M. Liotard, der nach siebenjährigem Aufenthalt in Mittelafrika jüngst nach Frankreich zur.ückgekehrt ist, hat vor einem Jahre in seiner Eigenschaft als Gouverneur der Provinz Mobanzhi einen Posten in Tambura am Such-Fluß errichtet und auch andere Orte in Besitz genommen. Wird Frankreich gewillt sein, diese Posten zu räumen und alle Ansprüche auf die Babr-el-Ghazel-Provinz aufzugeben'? Slatin Pascha erklärt, daß sie der reichste Theil des egyptischen Sudans ist. Es sei wesentlich, daß sie den sudanesischen Be sitzungen des Khediven zugeschlagen werde. Die Bahr-el- Ghazel-Provinz wurde dem Souverain deS Congo-Freistaales mittelst Vertrages vom Mai 1894 verpachtet. König Leopold aber traf später ein Abkommen mit Frankreich, daß diese besondere Provinz nicht besetzt werden sollte. M. Liotard als Gouverneur der am nächsten gelegenen französischen Provinz am Congo begann sofort den Vormarsch über die Wasserscheide zwischen Nil und Congo, der mit dem Aufpflanzen der französischen Flagge in Faschvda geendigt hat. Die Aussage Major Marchand'S, daß er acht zehn Monate keinen frischen Proviant und keine Verstärkungen erhalten hat, sieht nicht aus, als ob eine sehr gute Ver bindungslinie hergestellt worden sei. Deshalb drängt der bekannte National-Oekonom Leroy-Beaulieu im „Journal des Döbats" auf den Bau der Sa hara-Babn, um eine Ver bindung zwischen den französischen Besitzungen in Afrika her zustellen. Sckon vor 20 Jahren habe der Ingenieur Duponchel diese Bahn befürwortet. Damals würde sie nur Handelszwecken Frnilleton. Die kleine Lulu. 7s Seeroman von Stark Russell. Nachdruck vkrbotlu. „Der sieht ja wunderlich aus", sagte der Maat; „seine Nase steht gerade gegen den Wind; es sieht wahrhaftig aus, als wäre er nicht bemannt." „Beidrehen!" schrie der Capitain dem Steuermann zu. „So, immer sachte, gut, stopp." Er hatte offenbar vor, zu sehen, was mit dem Schooner eigentlich los wäre. Wir fuhren noch in bequeme Anrufsweitr von ihm, und dann, als wenn der Wind sich in einer letzten Anstrengung erschöpft hätte, um Eapitain Franklin gefällig zu sein, erstarb er voll ständig und die See wurde glatt wie Oel. „Schiff ahoi!" brüllte der alte Windwärts mit einer Stimme, von der man Hätte annehmen können, sie würde bis Halbwegs nach Penzance gehört. Nichts rührte sich. Es lag eine unheimliche Stille auf der See. Sogar die Segel der Brigg schienen ihr schwaches Schlappen eingestellt zu haben. Der einzige Ton, der durch die Grabesruhe drang, war das Gurgeln de» WafferS am Brustholz. Noch einmal ließ der Maat sein Gebrüll erschallen. „Ich will mich braten lassen", sprach er, „wenn dort Jemand an Bord ist." „Lassen Sie dar Backbord-Boot zu Wasser führen, Mr. Sloe", befahl der Eapitain, „und sehen Sie, wa» mit dem Schooner ist." Während der Maat ging, um die nöthigen Anordnungen für den ihm ertheilten Befehl zu treffen, betrachtete der Capitain den Horizont ringsum, nach den Anzeichen einer Brise suchend, er vermochte aber nicht» zu entdecken. Nicht ein Hauch war zu spüren; groß und klar standen die Sterne am Firmament bis hinab zum äußersten Horizont. Auf den Ruf deS Maat hallte das Deck wider von dem Ge trampel unserer Stiefel. Jeder von uns wollte die kleine Enter- Partie mitmachen. Ich hatte daS Glück, ein Ruder zu erlangen; außer mir waren noch drei Andere in« Boot gesprungen; der alte Windwärts hatte sich auf die Ruderbank am Stern gesetzt und machte da» Steuer klar. Wir wurden Hinabgelaffen, plumpsten auf» Wasser und stießen ab. Die Windstille hatte die Brigg nicht «ine Viertelmeile vom Schooner befallen, und so war unser Rudern «in sehr kurze». Der Schooner war ein niedriges, schwarz angestrichenes Fahr zeug von ungefähr hundert Tonnen. Wir konnten bei der Mond helle die Worte „Marie Brest" in großen Weißen Buchstaben an seinem Stern erkennen. Alle seine Segel waren gesetzt, aber ohne Ordnung, die Schoten hingen schlaff herunter, die Topsegel-Raaen waren backgebraßt, die Bramsegel standen nach Steuerbord und die Klüver schlappten wie ein alter Weiberrock am Leibe einer Straßenkehrerin. Der Mond schien so hell, daß man dabei hätte eine Zeitung lesen können. Das Deck war daher deutlich erkennbar, aber kein Mensch darauf zu sehen. „Still!" rief der Maat, als wir längsseits kamen; wir hoben die Riemen aus. „Horkt mal!" flüsterte der kleine Welchy. Wir lauschten. Stimmen schlugen an unser Ohr; es war die eines Mannes und einer Frau; wir unterschieden bald, daß Beide einen hitzigen Wortkampf ausfochten. Der Maat stieß ein heiseres Lachen aus. „Was, zum Henker, ist daS für «in Kauderwelsch?" „Französisch, Sir", antwortete ich, da ich einige Worte ver standen hatte. „Wir wollen aufentern", sprach er, „und uns den Spaß an sehen." Der kleine Welchy blieb zurück, um da» Boot zu hüten, und wir anderen Drei kletterten auf Deck. Ein Oberlicht dicht hinter dem Hauptmast stand offen, und da e» gerade über der Tajüte lag, erlaubte eS uns zu sehen, was unten vorging. Eine Handlampe brannte auf einem Tisch«. Auf einer Seite desselben stand ein verhungert aussehender gelber Mann, dessen ganze Lebenskraft in der Production eine» unge heuren Schnurrbartes verausgabt zu sein schien. Eine roch« Zipfelmütze schmückte sein Haupt und Ohrringe, ungefähr drei Mal so dick als gewöhnlich« Trauringe, glänzten in seinen Ohren. Sein offene» Hemd ließ die nackte Brust vom Halse bi» zur Taille sehen, und ein Paar Hosen, gehalten durch eine um die Hüften geschlungene röche Schärpe, vollendete seinen Anzug. Ihm gegen über befand sich ein stämmige», von der Sonne stark gebräunte» Weib. Ihre ungeheure, fächerartige Haube war ihr bei den heftigen Bewegungen, die st« mit dem Kopf machte, über die Stirn aerutscht. Im klebrigen bestand ihre Kleidung — nein, ich will diScret sein —; genug, wenn ich sage, daß ein Flanell-Unterrock und rin chocoladefarbenr» Tuch ihre äußere Umhüllung bildeten. Der Lärm, den sie machten, war jetzt, wo wir un» in nächster Nähe befanden, erstaunlich. Ihre Sprache, ein fürchterliche» patol», war «in wahrer Strom von Wort«», rasch, heftig, keifend, kreischend, schnarrend. Sie rasselten Beide zugleich so aufein ander los, daß es mir nicht gelang, auch nur entfernt eine Idee von Dem zu gewinnen, um was der Zank sich drehte. Kein Wunder, daß sie uns nicht hatten kommen hören. Es hätte schon ein guter Donnerschlag dazu gehört, ihr Geschrei zu übertönen. Ihre Gesticulationen zu sehen, ohne zu lachen, war unmöglich, und der Erste, welcher herausplatzt«, war der alte Windwärts, in dessen Gewieher wir sogleich einstimmten. Der Mann erschrak und sah auf; das Weib kreischte und stand stockstill, ihre fuchtelnden Arme fielen wie plötzlich gelähmt an ihren Seiten nieder. „Plagt Euch der Teufel, «inen solchen Lärm zu machen?" schrie der Maat. „Was ist das für ein Schooner? Wo ist die Mannschaft? Warum, zum Henker, habt Ihr nicht geantwortet, als wir anriefen?" „Es sind Engländer", zischelte der Mann auf Französisch der Frau zu. Dann, seinen Bart fassend, fragte er in gebrochenem Englisch: „Werr sein Ihr? Woherr Ihr kommen?" „Na, von unserem Schiff natürlich. Wir hielten das Fahr zeug für verlassen und kamen her, um zu sehen, wa» passirt sei. Die Mühe hätten wir uns nun freilich sparen können, wie ich sehe; denn gesund scheint Ihr ja zu sein, wenigstens Eure Lungen und Zungen. Euer Geschrei könnte ja auf vierzig Meilen in der Runde jeden Schnarcher aus dem Schlafe schrecken", polterte der alte Windwärts. In diesem Moment warf das Weib einen Blick auf ihr Costüm, und einen Schrei auistoßend, schlug sie schnell da» Tuch über und entfloh. „Wartet, ik kommen auf die Deck", sagt« der arme kleine Parlezvous, setzte seine Mütze auf, schürzte seine Schärpe und kam die Cajütentreppe herauf. AIS er im Mondschein auf un» zutrat, erschien er als die jämmerlichste Figur, die man nur sehen konnte. Er machte un» eine tiefe Verbeugung, und al« sein Auge auf die Brigg fiel, sagte er: „Ah, das sein Ihre Schief?" „Ja, daS ist es", antwortete der Maat; „wo stecken Ihre Leute? Liegen sie Alle betrunken im Nest?" „Ik nich verstehn", sagte der kleine Kerl, wobei er seinen mit der Nachtmütze bedeckten Kopf schüttelte. „Ob Ihre Leute alle betrunken sind? Wo Ihre Mannschaft ist, mein« ich", brüllte der Maat, al» wenn er einen Tauben vor sich hatte, wobei er auf da« Vordercastell deutete. „Ah, die Leute! Xon, sie sein nicht ter. Sie sein fort." „Fort?" oui, in zwri Boot", und «r hirlt zwei Finger in dir Höhe und wies auf die Davits, an deren Taljen noch die Falls, mittels welcher die Boote heruntergelassen worden waren, bis aufs Wasser hcrabhingen. „Weshalb verließen sie das Schiff?" fragte der alte Windwärts. „Wir oben gemußt Bumben, ein-, zwei-, dreimal, — da sie schrien: „Wir hink, wir ßink!" und verließen mich und meine Frau. Alais mou vieu! Was that das? Ik sagen: Ihr gehen zum Teufel, makt Euch fort, s'il rous plait, — aber- dann mir kommen nich wiederr — allons!" Er zuckte dabei so stark mit den Schultern, daß sein Kopf zwischen ihnen ver schwand und nur seine Zipfelmütze noch vorgucktc. „Wie heißen Sie?" fragte der Maat. „Alphonse DuprSs, Serr. Ik sein die Capitaine." „Woher kommen Sie?" „Douvres." „Doovc?" rief der alte Windwärts. „Wo ist dar? In Afrika?" „Er meint Dover", sagte ich. „Und wohin geht die Fahrt?" „Brest." „Und wollen Sie sagen, daß Sie diesen Schooner allein bis Brest führen wollen?" .Mais oui. — Warum nicht? Meine Frau sein stark wie zwei Mann, und jetzt ist eS Sommer." „Da soll mich doch der Narr beißen, wenn ich so was schon mal gehört habe!" schrie der Maat, und starrte die kleine Gestalt ganz entsetzt an. „Aber sie werden sich einander ja die Kehle abschneiden, ehe Sie nach Brest kommen — was? — etwa nicht?" Der Franzose richtete sich würdevoll auf und schwenkte seine Hand. „O, wir bank nur rin wenik. Alle Damen ßank. — Messieur«, woll Sie trink ein Gla» Wein?" „Nein, danke Sir", erwiderte der alte Windwärts, und trat an die Schiffsseite. „Wenn wir Ihnen in irgend einer Weise helfen können, soll's uns freuen." Monsieur dankte, seine roch« Mütze in der Hand, sehr wort reich; versicherte, daß er und seine Frau sehr gut im Stande wären, das Schiff zu bedienen, und verbeugte sich, mit der Hand auf seiner nackten Brust, vor jedem Einzelnen von unS, als wir über die Seite kletterten und in» Boot stiegen. Eine halbe Stunde später erhob sich eine Brise auS Norden. Die Raaen der Brigg wurden gestellt und wir steuerten wieder unseren Cur». D«n Schooner verloren wir im Nebel de« Mond-
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