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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.10.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-10-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981010027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898101002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898101002
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- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-10
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7SV4 gedient habe»; heute sei fie eine politische Nothwendigkeit. Sie wird bi» zum Tschads»« reichen, etwa 2000 Kilometer lang werden und nach Leroy-Beaulieu'S Berechnung nicht mehr al« 150 bi« 180 Millionen Franc« kosten. In hundert Stunden würden dann französische Truppen auS Algier nach dem Sudan befördert werden können. Die Bahn würde Frankreich eine großartige Machtstellung in Afrika sichern. Nur müßte man sie rasch in Angriff nehmen, denn angesichts der Fortschritte und Ansprüche England« sei sür Frankreich keine Zeit zu verlieren. AuS New Aork meldet »Daily Telegraph", man sei jetzt des JndtauerausttanDe« tu Minnesota durch die dort ein getroffenen Truppenverstärkungen vollständig Herr geworden. Da« ist sebr wahrscheinlich, denn die Zahl der Indianer, die in jener Reservation allenfalls in Frage kommen könnten, ist nickt allzu groß, wenn sie ja auch in kurzer Zeit bedeutendes Unheil anrickten konnten. Aber die Ueberlegenheit der amerika nischen Truppen ist zu stark, al« daß sich die Aufständischen lange hätte» halten können. Trotzdem war der Ausstand einige Tage ernst genug und jedenfalls der gefäbrlickste, der seit Jahren in den Vereiniaten Staaten geherrscht hat. Ueber die Ursachen wird der „Nat.-Ztg." aus London geschrieben: Der aufständische Stamm, bekannt unter dem Namen PillegoS (Plünderer), umfaßt 4000 Krieger, welche mit ihren Familien die Chippewa-Indianer-Reservation bewohnen und zur größeren Hälfte au» noch ganz wilden Stämmen, nur zum kleineren Theil auS halb civilisirten Indianern bestehen, welche letztere eben beginnen, sich seßhaft zu machen und etwa« Ackerbau zu treiben. Die Ursache deS Ausstandes liegt, wie fast immer, in der brutalen Unbilligkeit der Trusts, welche ihrerseits wieder durch die Regierung gedeckt und unterstützt werden. Man bat in der letzten Zeit gefunden, daß das den Chippewas eingeräumte Terri torium ganz gut zu gebrauchen wäre und die sogenannte Rotbe-Erde-Agentur bat daher mit Erfolg versucht, in Washington gewisse Gerechtsame über das Land zu erlangen. Sobald das geschehen, forderte die Gesandtschaft den Truppen« commandanten von Fort Walker auf, die Indianer aus ihren Jagdgründen zu vertreiben. Diese weigerten sich natürlich, respective erklärten, ihr Gebiet nur aufzugeben, wenn man sie dafür schadlos halte. Das verweigerten die Behörden und suchten zugleich einen Borwand, gegen die Indianer vorzugeben; sie fanden ibn darin, daß der Häupt ling (was notorisch bei diesen Indianer» stets geschieht), ohne Branntwein - Cvncession solchen bezogen habe. T>e Zollosficiere versuchten, den Häuptling der PillegoS, Bushear, zu verhaften, da« verbinderter. aber dessen Ge folgsleute, und damit war der Borwand zu gewalt- thäligem Eingreifen geschaffen. Der ReservationScommandanl entsandte den „General" Bacon, der soeben erst siegreich von Santiago zurückgekehrt, mit 200 Mann, um dem Gesetze Achtung zu verschaffen, nach dem Bear-Island, wo die Indianer gerade sich aufhielten, und forderte diese zur Herausgabe der Schuldigen aus. Letztere wurde verweigert und die Indianer erklärten in einer formellen Warnungs- Botschaft, sie würden eher bis auf den letzten Mann sterben, als ihre Ländereien aufgeben, so lange sie nicht andere dafür erhielten. Darauf wurde natürlich mit Flintenschüssen ge antwortet und so begann der Ausstand. — Auf welche Weise das Ende des Aufstande« herbeigeführt wurde, ist noch un bekannt, hoffentlich hat man den Indianern andere „Jagd gründe" für die ihnen weggenommenen bewilligt. Deutsches Reich. V. Berlin, 9. October. Gestern Abend speiste da« Kaiser- paar mit dem Großherzog von Baden allein. Heute Morgen nahmen der Kaiser und die Kaiserin mit den Herrschaften, welche an der Reise nach Palästina theilnebmen, das Abendmahl in der Friedenskircke. Um 11 Ubr fand dann, wie berichtet, die Nagelung und W»ihe der Fahne sür das 3. Seebataillon im Stadtschlosse zu Potsdam statt. Hiera» schloß sich eine FrühstückStafcl ebendort. Bei dieser saßen links von der Kaiserin: der Großherzog von Baden, die Oberhofmeisterin Gräfin Brockdorff, Prinz Maximilian von Badea, Prinz Ernst von Sacksen - Altenburg, Prinz Albert zu Schleswig - Holstein - Sonderburg - Glücksburg. Recht« vom Kaiser batten Platz genommen: Herzog Friedrich Ferdinand zu Schleswig-Holstein-Sonderburg- GlückSburg, Prinz Chlodwig von Hessen-PhilippSthal- Barchfeld, Prinz Moritz von Sachsen-Altenburg, Prinz Aribert von Anbalt, Prinz Karl von Hohcnzollern. Gegen über dem Kaiserpaar saß der commandirende Admiral, Admiral von Knorr, zwischen dem Reichskanzler Fürsten zu Hohenlohe und dem StaatSsccretair Staatsminister Tirpitz, rechts folgten Gesandter Or. von Iagemann, Staatssecrelair Staatsminister von Bülow, Contre-Admiral Büchsel; nach links folgten Admiral kl lu «uite, Contre-Admiral Freiherr von Senden-Bibran und die Contre-Admirale Benvemann und Sack. Berlin, 9. October. (Conferenz zur Bekämpfung de« Anarchismus.) So weit sich bis jetzt übersehen läßt, wird dem Vorschlag der italienischen Regierung, zu einer Conferenz zur Bekämpfung des Anarchismus zusammen- zutretr«, wie von der deutschen Regierung, von allen Mächten entsprochen werden, an welche die Einladung er gangen ist. Ueber Ort und Zeit der Conferenz bat sich bisher die italienische Regierung noch uickt geäußert; ihr wirb al« der Macht, die zu der Conferenz die Initiative ergriffen, zustehen, darüber nach Eingang aller Antworten sich zu äußern. Wa« die Conferenz ergeben wird, muß sich zeige», sobald ihr positive Vorschläge gemacht werden. Erfreulich wäre e«, wenn man al« Gewinn der Conferenz betrachten könnte, daß über die polizeiliche Behandlung der anarchistischen Prapaganda sich gemeinsame Grundsätze und bessere Fühlung von Staat zu Staat er geben hätten. ES ist unausbleiblich, daß im Verlauf der Verhandlungen auch da« Asylrecht, da« insbesondere die Schweiz, Belgien und England für politische Vergehen gewähren, in den Berhandlungen berührt wird; natürlich nicht in der Richtung, daß man den Schutz vermindern wird, den diese Staaten ihren freiheitlichen Institutionen gemäß für Vergehen gewähren, die au« der Betbätigung politischer Ueberzeugung an sich bervorgegangen sind. Wohl aber, wie auch in diesen Staaten weite Kreise e« für an gezeigt erachten, daß hinter dem Begriff „politisches" Ver gehen nicht anarchistische Thaten Deckung suchen dürfen, bei denen die politische Absicht doch nur der Borwand für gemeine Verbrechen ist. So werden ja auch Mord anfälle gegen das Staatsoberhaupt oder die Mitglieder von Regentenhäusern bereits in fast allen Staaten als gemeine Verbrechen behandelt und nicht als politische. * Berlin, 9. October. (Bekämpfung de« unlauteren Wettbewerbes.) In den „Beri. Polit. Nachr." wird von anscheinend officiöser Seite die folgende Anregung gegeben: „Die in Leipzig versammelt gewesene Conferenz deutscher Schutzvereme für Handel und Gewerbe hat u. A. ihr llrtbeil über die Wirkungen des Gesetzes zur Bekämpfung des unlau teren Wettbewerbes dahin abgegeben, daß sie im All gemeinen günstig gewesen seien, und hat nur Aenderungen und Ergänzungen im Einzelnen verlangt. Dieses llrtbeil stimmt mit denjenigen anderer Kreise, namentlich auch juristischer, überein, und danach kann man jetzt wobl, ohne Widerspruch zu finden, behaupten, daß mit dem Gesetze ein glücklicher Griff getban ist. Allerdings wird man vornehmlich auch in den Geschäftskreisen selbst darauf hin- ardeilen müssen, daß nicht Anforderungen an die Gerichte gestellt werden, denen diese auf Grund de« Gesetze« nicht ent sprechen können. In einzelnen geschäftlichen Kreisen hat sich scheinbar die Ueberzeugung festgesetzt, daß das Gesetz gegen die Concurrenz überhaupt helfen solle, während doch nur die unlautere getroffen wird. Die Folge dieser An schauung ist verschiedentlich eine ungerechtfertigte Inanspruch nahme der Gerichte. Gegen soche Auslegung Her gesetzlichen Bestimmungen wie überhaupt zur besseren Ausführung der in dem Gesetze niedergelegten Intentionen empfiehlt sich die weitere Erricktung von Vereinigungen zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbe«. Die schon bestehenden Ver einigungen dieser Art haben so vorzüglich gewirkt, daß von einer Erweiterung der Institution für die Geschäftswelt nur segensreiche Folgen erwartet werden können." — Der Bundesrath und die Erbfolge in Lippe. Nachdem der Bundesrath seine Plenarsitzungen wieder ausgenommen hat, wird, nach der „Magd. Ztg.", voraussichtlich auch die lippesche Erbfolgefrage bald in ein neues Stadium treten. Es muß sich jetzt entscheiden, ob der Bundesrath sich für zuständig erklärt oder nicht, in dieser Angelegenheit ein Votum abzugeben, womit ein wichtiges Präjudiz geschaffen würde. — Der Bund der Industriellen theilt mit, daß die Regierung folgende Vertreter zu seiner am 10. October, Vor mittags 10 Uhr im Hotel „Vier Jahreszeiten" siattfindenden Generalversammlung entsandt habe: Der Staatssecrelair des Innern Graf von Posadowsky hat den Syndikus Or. Völker mit der Vertretung des Reichsamts des Innern bezw. des wirth- fchaftlichen Ausschusses beauftragt. In Vertretung des Reichs- fchatzsecretairs v. Thielemann wird der kaiserliche Regierungs rath Meuschel, in Vertretung des preußischen Handelsministers Brefeld der Geheime Regierungsrath Lusensky den Verhand lungen über "den Wirthfchaftlichen Ausschuß und die Errichtung eines deutschen Handelsmuseums beiwohnen. — Zur möglichsten Vermeidung und Verminde rung von Betriebs st örungen im Telegraphen- und besonders Fernsprechverkehr hat die Reichs- Telegraphenverwaltung die bisher in Geltung gewesenen Be stimmungen über die Reoidirung der Telegraphen- und Tele- phonleitungcn jetzt noch erweitert. Aus diesen Bestimmungen ist besonders hervorzuheben, daß nach größeren Naturereignissen, wie heftigen Stürmen, starken Schnee- oder Regcnfällen, Rauh frost rc., auch wenn dadurch Betriebsstörungen nicht eingetreten sind, namentlich die wichtigeren Telegraphenlinien durch Lei tungsaufseher stets so bald wie möglich begangen und alle hierbei Vorgefundenen Unregelmäßigkeiten, die in kürzerer oder längerer Zeit Veranlassung zu Betriebsstörungen geben können, beseitigt werden sollen. Bei den Fernsprechverbindungslinien soll dies allgemein geschehen, und es sollen daher in Ermangelung ver fügbarer Leitungsaufseher auch andere geeignte Personen ver wendet werden. Ob eine regelmäßige, nach bestimmten Zeitab schnitten zu wiederholende Begehung einzelner Telegraphen link e N durch den Leitungsaufseher zu erfolgen hat, soll von den Oberpostdirectionrn unte» Berücksichtigung deS Zustandes der Limen, deren Wichtigkeit und der örtlichen Verhältnisse be stimmt werden. Die FernsPrechverbindungslinirn aber sollen regelmäßig, im Allgemeinen alle vier Wochen, in be sonderen Fällen (auf Straßen mit starkem Baumwuchs, zur Zeit der Obsternte rc.) kn noch kürzeren Zeiträumen durch Leitung«- aufseher besichtigt werden. — Im Sommersemester 1898 sind die Schullehrer und Lehrerinnen-Seminar« der preußischen Monarchie von 11815 Zöglingen besucht worden, wovon 6361 Interne und 5454 Externe waren. Unter den Internen befanden sich 4337 Evangelische und 2024 Katholische, unter den Externen 3748 Evangelische, 1697 Katholische und 9 Juden. — Der Herausgeber der „Zukunft", Maximilian Harden, wird sich am 28. d. M. auf die Anklage der Majestätsbeleidigung vor der ersten Strafkammer des Landgerichts I zu verantworten haben. Den Vorsitz in der Verhandlung wird Landgerichts director vr. Felisch führen. — Die vorläufige Entlassung des Freiherrn v. Hammerstein aus dem Zuchthause ist unterbliebe». Am 30. September hatte Hammerstein genau drei Viertel seiner Strafe von drei Jahren verbüßt, an diesem Tage konnte er also, entsprechend den Bestimmungen des Reichsstrasgesetzbuches, unter Vorbehalt der Wiedereinziehung entlassen werden. Em dahingehender Antrag hatte, wie die „Berl. Ztq." mittheilt, der Oberstaatsanwaltschast Vorgelegen. Warum er abgelehnt worden ist, ist nicht bekannt. Hammerstein's Gesundheit soll übrigens den Umständen nach ganz gut sein. * Bromberg, 9. October. Der, wie berichtet, in Bad Nauheim gestorbene Oberbürgermeister von Bromberg, Brarsicke, Mitglied deS Herrenhauses, stand ans dem Standpunkt der freisinnigen Bereinigung. Hugo Braesicke war am 1. Februar 1843 aus dem Gute Heinrichs, selde, Kreis Niederung, geboren, hat also ein Alter von 55 Jahren erreicht. Aus Präsentation der Stadt Bromberg wurde er durch allerhöchsten Erlaß vom 14. Januar 1891 auf Lebenszeit ins Herrenhaus berusen. Ehe er Oberbürgermeister wurde, war er im höheren Eisenbahndienste angestellt gewesen. Als Oberbürgermeister war er in Bromberg sehr beliebt. Namentlich hat er sich der städtischen Wohlfahrtspflege warm angenommen, die unter seiner Amtssührung eine sehr erfreuliche Entwickelung genommen hat. tk. Schwert» t. Meckl., 9. October. Hier hat sich ein Comite zur Errichtung eines LandeödenkmalS für den Fürsten Bismarck gebildet. Der Herzog-Regent hat sich bereit erklärt, das Protektorat zu übernehmen. * Posen, 8. October. Acht umfangreiche Bückersendungen sind dieser Tage für die Kaiser Wilhelm-Bibliothek hier angelangt. Sie enthalten die Doubletten der UniversitätS- biblotdek zu Halle, die Geschenke des OstmarkcnvereinS und die Geschenke des VerlagSbuLhändlerS Ebbecke. Wie die „Nat.-Ztg." vernimmt, wird beabsichtigt, die Namen fämmt- licher Spender den künftigen Benutzern der neuen Bibliothek durch Donatorenzettcl kenntlich zu machen. ES liegen hierfür bereits mehrere von kunstverständiger Hand ausgesührle Ent würfe vor, über deren Wahl die Entscheidung höheren Ortes noch auSsteht. (-) Lennep,9. October. (Telegramm.) Auf daS an läßlich der gestrigen Einweihung der Beverthals- sperre an den Kaiser gerichtete Huldigungstelegramm ist folgende Antwort eingegangen: „Ich habe Mich über den Ausdruck treuer Ergebenheit seitens der zur Fei« der Vollendung der ersten großen Wupperlhalsperre vereinten Festversammlnng herzlich gefreut. Mögen die in das Unternehmen gesetzten Hossnmigen in reichem Maße in Erfüllung gehen und das mustergiltige Werk deutscher Jngenieurkunst vielfache Nachahmung finden im deutschen Baterlande. Wilhelm I. R." Breslau, 8. Octvber. Es wurde neulich mitgetheilt, daß in BreSlau eine Versammlung von Vertretern sämmt- licher preußischer LandwirtbschastSkainmern sich mit der Grenzsperre gegen die Vieheinfuhr beschäftigen werde. Diese Versammlung bat nun gestern in Breslau stattgefunden und, wie vorauszusehen war, erklärt, eine Aufhebung dieser Grenzsperre dürfe nirgends erfolgen. * Mainz, 8. October. Octroi-Conflict. Zwischen unserer Stadt und der Militairverwaltung ist ein Conflict ausgebrocken, da das Militair Befreiung vom Octroi ver langt. Die Stadt hat beschlossen, den Rechtsweg zu betreten. (D Karlsruhe, 9. October. (Telegramm.) Der König von Serbien ist heute früh von Baden-Baden nach Wien abgereist, von wo er sich nach Belgrad zurück begiebt. * Ans Bayern, 8. October. In Kempten erhielten vier Socialdemokraten „wegen groben Unfugs" Straf mandate, weil sie im VereinSlocal ein Hock aus die Social demokratie ausgebracht und die Arbeitermarseillaise gesungen batten. Wie nun die „Münchener Post" mittheilt, hat vas Schöffengericht die Strafmandate aufgehoben, da Singe» und Hochrufen im Vereinslocal „kein grober Unfug" sei. * München, 8. October. Mit dem 1. October hat sich in der Organisation des Polizeiwesens der bayerischen Hauptstadt eine Wandlung vollzogen, die sich am auf fallendsten äußerlich an dem Wechsel der Uniformen kunb- giebt. AuS der militairischrn Gendarmerie, deren äußerst kleidsame grüne Uniformen denjenigen der bayerischen Cbevauxlegers und Ulanen glichen, ist nach der „K. Z." über Nacht eine nicktmilitairische Schutzmannschaft in dem bekannte» dunkelblauen Gewandt der preußischen Gicherhritt- wächter geworden/ tck. Kretburg t. B, 9. Oktober. Die feierliche Einweihung de« Freiburger Diakoaisseuhause«, einer Schöpfung de« Evangelischen Bunde«, wird zugleich mit der Landes versammlung dc« Evangelischen Bunde« am 1. November stattfinden.^ Frankreich. 3<la; der Autstaud. * Part«, 9. Oktober. Nach dem „TempS" arbeitet Zola an einem vierbändigen Romancyklu«, betitelt „Fruchtbarkeit", dessen Helden die Evangelisten Matthäus, Luca«, Johanne« und Marcu« sind. Ferner arbeitet Zola an einem Buche über die DreyfuSsache, da« jebock erst nach dem Tode deS Romancier« veröffentlicht werden soll. * Paris, 9. September. In der Arbeiterbörse fanden beute Nachmittag zahlreiche Versammlungen statt. Das Centralcomitß der Ausständigen sandte eine Abordnung, be stehend au« je einem Mitglied« für jede Corporation, ab, um sich bei dem Municipalrath nach dessen Besckluß bezüg lich der städtischen Arbeiten zu erkundigen. Die Schlosser, die Maurer und die AbdruchSarbeiter beschossen, im Ausstand zu verharren, die Parketleger haben sich aus Solidaritätsgefühl ebenfalls dem Ausstande angeschloffen. Orient. Kretafrage. * Canea, 9. October. Admiral Pottier hat den vor nehmsten Beys, die in Halepa versammelt sind, «»gekündigt, daß nach dem Abzüge der türkische» Truppen die Admirale den Schutz der gejammten Bevölkerung ohne Aus nahme gewährleisten und ihre Regierungen auffordern würden, die internationalen Truppen bis nach der vollständigen Beruhi gung derJnsel vort zu belasse». Die Mohamevaner würden im Verbältniß zu ihrer Kopfzahl bei der Besetzung öffentlicher Aemter berücksichtigt werben. Kür den Fall, daß ZwangSmaß- regeln erforderlich sein sollten, um die Zurückziehung der türkischen Truppen zu erreichen, würden die Avmirale die Bevölkerung 48 Stunden vorher davon in Kenntniß setzen, um den Einwohnern die Möglichkeit zu gewähren, sich unter den Schutz der internationalen Truppen zu begeben. * Alexandria, 9. October. Da« Transportschiff „Ialunga" ist heute Nachmittag mit dem zweiten Bataillon der Lan- cashire--Fü siliere nach Kreta abgegangen. Amerika. Nach dem Kriege. * Madrid, 10. October. (Telegramm.) Die Räu ¬ mung Puerto Ricos wird in den nächsten Wochen, die Cubaö im November beendet sein. Die Kosten de« Feldzug« auf Cuba und den Philippinen überschreiten 3 Milliarden Pesetas. Marine. * Zur Verleihung der Fahne an Las 3. Seebataillon. Am 13. Mai 1852 wurde dem damaligen Marinecorps die Be- Zeichnung „See.Bataillon" gegeben, aber 31 Jahre ver- gingen, bevor es eine Fahue erhielt. Im Mai 1882 wurde durch das Commando der Marinestation der Ostsee in Kiel die Ver leihung einer Fahne bei dem Chef der Admiralität Staatsminister v. Stosch erbeten, der sich darauf mit dem Rriegsminister in Ver. bindung setzte. Dieser äußerte sich dahin, daß der Verleihung keine Bestimmungen entgegenständen, weil von dem Grundsätze, daß Regimenter, die einen Krieg nicht mitgemacht haben, Fahnen erst 25 Jahre nach ihrer Errichtung erhalten sollten, abgewichen worden sei. Aber auch ohne solche Abweichungen erscheine die Verleihung an das Seebataillon vollständig gerechtfertigt, weil das Bataillon über 25 Jahre bestehe und Abtheilungen von ihm an mehrfachen kriegerischen Actionen theilgenommen und dafür Aus- Zeichnungen erworben hätten. Nachdem dem Kaiser Vortrag ge- halten worden war, beichloß dieser unter dem 6. März 1883 die Verleihung einer Fahne an das Scebataillon. Am 19. März sand im königlichen Palais Unter den Linden die feierliche Nagelung und am 1. April die feierliche Weihe der Fahne vor der Kaserne des Bataillons in Kiel statt. Dem 2. Bataillon wurde bald nach seiner Errichtung im Jahre 1890 seine Fahne verliehen, und gestern fand die Nagelung und Weihe der Fahne des 3. Bataillons statt. Socialdemokratischer Parteitag. IX. 8. L 8. Stuttgart, 8. October. Bon den italienischen Ge- nossen, unterzeichnet von Bissolati (sür das Organ „Avanti") und Morgan (sür die parlamentarische Fraktion), ist ein Begrüßungs telegramm eingelausen. Heute werden die Anträge behandelt, welche die Herausgabe von Flugblättern betreffen. Genosse Heimann. Braunschweig will die Verbreitung eines Flugblattes zur Leyn- hänfener Kaiserrede, Genossin Zietz-Hamburg gleich eine ganze Serie von Flugschristen. Beide Anträge werden abqelehnt. Die Genossen Brau» und Gott sch all» Königsberg beantragen: „Der Parteivorstand wird ausgefordert, eiue Broschüre Herstellen zu lassen, welche die wirthjchastlichen und rechtlichen Verhältnisse der land- und sorstwirthschaftlichen Arbeiter und deS Gesindes, sowie die Stellung der politischen Parteien gegenüber den auf Hebung und Besserung dieser Verhältnisse gerichteten Bestrebungen volkslhümlich ouseinandersetzt, und möglichst Genossen Bebel oder Genossen Haase- Königsberg für diese Ausgabe zu gewinnen." scheins schon nach kurzer Zeit aus dem Auge, aber als die Brise aufsprang, hörte ich den Capitain, welcher durch ein Nachiglas sah, zum Maat sagen, daß der Franzose und seine Frau die großen Raaen umgebraßt hätten und den richtigen Curs auf Brest steuerten. Dieses kleine Erlebniß lieferte dem Vorderdeck manchen Scherz und es dauerte lange, bis di« Leute, welche mit auf dem Schooner gewesen waren, aufhörten, von dem zankenden Ehepaar zu sprechen, und von der Ruhe, mit welcher Mosjeh daran dachte, sein Schiff nach seinem Bestimmungsort zu bringen. Nachdem wir eine Woche auf See gewesen waren, fingen wir an, zu erkennen, mit was für Vorgesetzten wir es zu thun hatten. Ueber den alten Windwärts hatte ich nie Zweifel gehegt. Sein boshaftes Schielauge, sein schmutziges Gesicht, welches aussah, als hätte es in einer Beize von Schwefel und Salpeter gelegen, seine lauten Flüche, wenn Miß Franklin außer Hörweite war, waren unverkennbare Zeichen seines Charakters. Ich brauchte aber eine Woche, ehe ich über den Capitain klar wurde. Es war kein gutes Zeichen, daß er dem Maat erlaubte, so mit uns zu fluchen und zu schimpfen, ohne mit einem Worte dessen starke Sprache zu mäßigen; doch war dies nur ein negativer Fehler. Aber eines Tages hißte er seine Flagge, und eine reguläre, schwarze Flagge war das. Die Veranlassung war folgende: Die Wache auf Deck war mit Scheuern beschäftigt. Diese Arbeit wurde in der Weise ausgefllhrt, daß ein Mann genügte, und ein Anderer die Eimer einem Dritten reichte, welcher die Decks begoß, während die Uebrigen mit ihren Bürsten scheuerten. Der Mann, welcher die Decks begoß, war der kleine Welchy; seine Aufgabe bestand darin, jede Ecke und jeden Winkel tüchtig naß zu machen. Die Hühnerkäfige unter dem Langboot waren, um zu ver hindern, daß aus ihnen Schmutz auf das Deck falle, mit einer Schutzvorrichtung aus Latten umgeben; diese Latten wurden während des Deckwaschens weggeräumt, damit das Wasser auch unter den Käfigen spielen könne, und dann wieder an ihre Stelle gelegt. Der alte Windwärts stampfte auf dem Deck umher und reizte uns mit unaufhörlichen Zurufen: „Hand anzulegen, nicht da zustehen und im Koth zu wühlen wie ein« Hrerde Schweine, son dern denselben hübsch durch die Speigaten zu spülen." So kam er auch zu den Hühnertäfigen und schrie: „Hier fehlt eine Latte; wo ist sie? Thut Eure Arbeit ordentlich, oder der Teufel soll Euch da« Licht halten; welcher thranig« Fischkopf hat sie weg. genommen und nicht wieder eingesetzt? Auf der Stelle her damit." Der Capitain, welcher in Urberschuhen auf Deck war, trat an den Großmast, blieb da stehen und sah zu. Der kleine Welchy war verantwortlich für die Latte und ging umher, sie zu suchen. „Aha, Du bist der Lüderjahn", brüllte der Maat; „hast Du gehört, was ich sagte?" „Gaud naug", murmelte der kleine Welchy, „ik ward sei jo glik bringen, ik möt sei blot erst sinne." „Finden?" schrie der alte Windwärts, „zum Donnerwetter, Teiggesicht (eine Anspielung auf die blasse Gesichtsfarbe des Kleinen), wenn Du sie verloren hast, dann kannst Du was er leben." Dieses ganze Geschrei vermochte indeß nicht die fehlende Latte wieder zu bringen. Wir hatten schließlich Alle mit ein ander darnach gesucht, aber umsonst. „Sei möt äwer Burd gangen sin", sagte der kleine Welchy. Als der alte Windwärts dies hörte, sprang er mit einem Satze auf ihn los und schrie: „Wo sie auch sein mag, Du sollst danach suchen, und wenn sie über Bord ist, gehst Du hinterher!" Welchy, welcher nicht wußte, wie weit der Maat seine Drohung wahr machen würde, nahm eine wehrhafte Haltung an und rief: „Hände weg! Anfaten lat ik mi nich; ik kann nix dorför. NllmS fall mi slagen." „Das woll'n wir mal seh'n, Du rauchgesichtiger Mord brenner !"^chnob der wiithende Maat, ergriff in einem Nu eine Taurolle und schlug mit dem Ende derselben auf den kleinen Welchy los. Der Matrose war, wie vielleicht sein Spottname glauben machen könnte, kein Feigling. Mit einem Schrei stürzt« er sich auf den Maat und rang mit ihm. Der klein« Kerl würde im Kampfe mit dem alten Windwärts nicht mehr Chance gehabt haben, wie etwa ein Ziegen bock in der Umarmung einer Boa-Constrictor. Der Capitain hätte deshalb seinen Officier das Geschäft, in welches er sich ein gelassen, ganz ruhig allein abwickeln lassen können; statt dessen stürzt« er aber auf den Mann zu, packte ihn am Nacken, wirbelte ihn herum und hielt ihm die Arm« am Leib« fest. Hierdurch wurde der Rücken Welchy'S den Schlägen deS alten Windwärts preiSgegeben, und dieser schwenkte nun das Tau mit aller Kraft. Klatsch — klatsch! Es war, al« würde ein Teppich auS- geklopft, und bei jedem Schlage sprudelte der Maat etwas her vor wie: „Ich will Dich lehren, aufsässig zu werden, mein Hähnchen, — ich will Dir zeigen, was es heißt, Schiffs ausrüstungsstücke zu verlieren, mein Wetterhähnchen!" Endlich gelang es Welchy, durch ein kräftiges Drehen seines Körpers sich aus dem Griff des Capitains zu befreien; er taumelte dabei einige Schritte zurück, kochend vor Wuth über die ihm widerfahrene schimpfliche Behandlung, nahm aber im Ge fühl seiner Ohnmacht, bleich wie der Tod, seine Arbeit wieder auf. Der Capitain ging, nachdem er uns Alle mit drohenden Blicken angesehen hatte, darauf wieder nach hinten. Der Maat aber warf das Tau-Ende fort und befahl uns, mit dem Scheuern fortzufahren. Es ist «in Zeichen für den leichten Sinn des Matrosen, baß Welchy bei seinen Maats kein Mitgefühl fand. Ganz im Gegen- theil, die Meisten hielten die Prügel für «ine willkommene Ver anlassung, ihren Witz daran zu üben, durch ihre beständigen Wiederholungen wurden die Anspielungen aber wahrhaft un barmherzig. „Set't Di nich, Welchy, Du büst noch nich uthielt." — „Hest d' Weihdag hadd, Welchy?" — „Di dücht g'wiß, Du wierst wedder in de Schau!, un oll Beadle hädd Di Lwerbugt." — „Du, Welchy, för twei Pennig lat ik Di mien Brod taum inweiken för «n Plater" — Welchy ertrug die Hänseleien mit größter Geduld, nur einmal gerieth er in Hitze, woraus wir merkten, daß das Tau-Ende tiefer gedrungen war als durch di« bloße Haut, und das war, als Liverpool-tSam sagte, er hätte mehr Muth zeigen müssen, als der Capitain ihn packte. Als die Wache, zu welcher ich gehörte, um zwölf Uhr auf Deck kam, war ich wieder an der Reihe, das Steuer zu über nehmen. Dieser Dienst war mir der liebste. Er hielt mich nicht nur fern von dem alten Windwärts, sondern auch von den un angenehmen und oft schmutzigen Arbeiten, mit denen wir beschäftigt wurden, wenn uns das Stellen der Raaen nicht in Anspruch nahm. Die Brigg lief unter allen Segeln, die See war glatt und das Wetter sehr schön. Wir hatten in der That, seit wir Bayport verlassen, fast immer so schönes Wetter gehabt, daß wir nur einmal die obersten Bramsegel nicht setzen konnten. Ich denke, ich muß, wie ich so am Rad« stand, wie eine recht sckmucke Theerjocke ausgesehen haben: in meinen Zeughosen, ge- flreiftem Hemd, Schuhen und die Mütze schön hinten auf meinem Kopf. Die Aussicht, unmittelbar unter den Augen von Miß Franklin zu sein, machte mich immer sehr sorgsam in meinem Anzug, unv ich befand mich stet« unter ihren Augen, wenn ich am Steuer war. Muß ich meiner verehrten Leserin sagen, ob ich brünett oder blond war? Vielleicht vermehrt es das Interesse an dieser Vorderdcckgeschichte, wenn ich verrathe, daß ich kastanienbraunes Haar, graue Augen und eine Gesichtsfarbe besaß, die von der tropischen Sonne das gelbliche Braun eines gebratenen Trut hahnes angenommen hatte. Im Uebrigen kann ein Seemann, wenn er nur eine gute Figur hat, kaum vermeiden, erträglich gut auszusehen; denn die beständige Bewegung seines Schiffes ist eine ununterbrochene Tanzstunde und lehrt ihn einen leb hafteren und leichteren Gang, als der beste Tanzlehrer in ein.r ganzen Lebenszeit im Stande wäre, seinem Schüler beizubringen. Miß Franklin war auf Deck, als ich das Steuer übernahm. Sie saß cuf den, Oberlicht, ihrem Lieblingsplatz, hatte eine Decke über ihren Füßen und ein Buch in der Hand, in welchem sie aber nicht las. Sie blickte mich scharf an, als ich vorüberging, und ich w,ll gestehen, daß ich auch schon bei anderen Gelegenheiten bemerkt hatte, daß sie mich ansah, wenn meine Pflichten mick in ihre Nähe führten. Ich kannte jedoch meine Stellung und richtete meine Augen fest nach vorn, als ich bei ihr vorüberging. Wenn ihr Gesicht mir gefiel und ich in ihre Schönheit verliebt war, so war das meine Sache und ein Geheimniß. Ich wollte ihr nicht das Recht geben, sich bei ihrem Bruder zu beschweren, daß Einer von der Mannschaft sie ungebührlich anstarrc, jener Mensch, den sie in Bayport getroffen habe; er schiene unverschämt genug, sich den Bewohnern eines Hinterdecks gleich zu halten, dieser Bursche, der mit nackten Armen arbeite und die Decks scheuere in Hosen, die bis über die Knie aufgekrempelt wären. Der alte Windwärts kam auf Deck und schickte Mr. Banyard nach vorn. Armer Pendel Banyard! Er that mir immer leid. Er war weder Officier noch Borderdeck - Mann, wurde infolge dessen an beiden Enden der Brigg nicht gern ge sehen und vielen Demüthigungen unterworfen. Später werde ich von ihm noch mehr zu erzählen haben. Es war sehr drollig, des alten Windwärts ungeschickte Be mühungen zu beobachten, in Gegenwart von Miß Franklin un- genirt und fein zu erscheinen. (Fortsetzung folgt.)
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