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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.10.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-10-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981012017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898101201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898101201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-10
- Tag1898-10-12
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Meclomen unter dem RedactionSstrich l4ga- spalten) 50^, vor den Familiennachricht»» (6 gespalten) 40 Grössere Schriften laut unserem Preis- ve^eichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit d»r Morgen-Ausgabe, ohne Postbrsörderung SO.—, mit Postbefürderung ^l 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen- Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an lp« Expedittoe zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzi« 92. Jahrgang. Die Laiserreise. 2» Das deutsche Kaiserpaar tritt heute, unmittelbar nachdem es eine schmerzliche Pflicht erfüllt, seine Reise nach dem Orient an, die schon darum für jeden Deutschen von besonderem Inter este ist, weil es die weiteste und umfassendste Reise ist, die ein Kaiser des neuen deutschen Reiches und früher ein preußischer Herrscher jemals unternommen hat. Man muß bis zum Mittel- alter zurückgreifen, um auf deutsche Herrscher zu stoßen, die nach dem gelobten Lande gezogen sind. Ist die Kaiserreise sür das deutsche Volk schon aus diesem Grunde von einem besonderen Interesse, so steigert sich dieses noch wesentlich durch die Wahrnehmung, daß auch die Franzosen schon seit vielen Monaten an der Reise Antheil genommen haben, obgleich gerade in diesen Monaten unsere westlichen Nachbarn von ihrer Dreyfus-Angelegenheit derart in Anspruch genommen waren, daß sie andere politische Ereignisse, die an sich wichtiger kvaren als die Kaiserreise, spurlos an sich vorübergehen ließen. Aber in der Kaiserreise sehen sie eine Gefährdung des von ihnen noch immer beanspruchten Protrctorates über die Katholiken im Orient. Nicht als ob in der Gegenwart dieses Protectorat noch eine vitale Frage für irgend eine Macht und auch für Frankreich sein könnte; aber es schmeichelt der französischen Eitelkeit, wenn an der für das religiöse Empfinden aller monotheistischen Völker geweihtesten Stelle die französische Flagge eine besonders große Rolle spielt, und es verletzt diese Eitelkeit, wenn die Reise des deutschen Kaiserpaares zum Ausdruck bringt, daß ein fran zösisches Protectorat über alle Katholiken des Orients nicht besteht. Und das wird die Reise des deutschen Kaisers allerdings zum Ausdruck bringen, und zwar mit allem Nachdruck. Zu der Selbstständigkeit eines so geordneten Staatswesens wie das deutsche Reich gehört in erster Linie die Pflicht, die eigenen Staatsangehörigen im Auslande selbst zu schützen; dies gilt auch für die katholischen Deutschen im Orient, und daher geht das sogenannte „französische Protectorat" das deutsch« Reich nichts an; seine Pflicht wird dadurch nicht vermindert. Darüber ist ganz Deutschland einer Meinung, wie auch die Auslassungen in Centrumsorganen bekunden, die nicht nur diese Pflicht be tonen, sondern auch noch auf Grund sicheren Materials den Nachweis erbracht haben, daß aus rein religiösen Gründen die deutschen katholischen Anstalten besser fahren, wenn das deutsche Reich sie schützt, als wenn das gegen Rußland und damit gegen das griechische Bekenntniß allezeit zu Concessionen geneigte Frankreich damit betraut würde. Die deutsche Reichs regierung hat denn auch schon in vielen Fällen auf das Un zweideutigste bekundet, daß sie nicht daran denkt, deutsche Unter themen im Orient von einer anderen Macht beschützen zu lassen, aber durch die Anwesenheit des deutschen Herrschers im gelobten Lande wird auch äußerlich und weithin sichtbar dargethan, daß die Katholiken deutscher Staatsangehörigkeit ebenso wie alle anderen deutschen Staatsangehörigen eine Stütze haben, die ihnen näher steht, als irgend welches fremde Schutzmittel. Es ist auch mehr als wahrscheinlich, daß der Kaiser während seiner Anwesenheit im heiligen Lande Gelegenheit sucht und findet, ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß alle Deutschen unter dem Schuhe des Reiches stehen, dessen höchste Stelle er «innimmt. Hat er doch kurz vor seiner Abreise durch die Abberufung des preußischen Gesandten beim Vatikan auf die päpstliche Ermuthigung der französischen An sprüche eine Antwort ertheilt, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig läßt. Auch an der Seine wird man den Sinn dieser Antwort verstehen, aber es würde der ganzen Natur des Kaisers widersprechen, wenn er darauf ver zichtete, unberechtigte Ansprüche selbst minder klar und deutlich zurückzuweisen, als deren Ermuthigung, und der französischen Re gierung minder nachdrücklich zu Gemüthe zu führen, als dem Papste, daß es des deutschen Reiches alleiniges Recht ist, fest zustellen, welchen Schutz es seinen Angehörigen zu gewähren habe. So weit über die Grenzen dieses Schutzes ein Zweifel obwalten kann, ist freilich die Verständigung mit der Regierung des fremden Staates, in dem die deutschen Staatsangehörigen leben, erforderlich. Eine dritte Macht ober hat nicht das Recht der Einmischung und darf sich nicht einmal mit dem Scheine dieses Rechts brüsten, schon des Ansehens willen, dessen die deutsche Reichsregierung bei der türkischen Regierung in Fällen des Zweifels über die Grenzen des deutschen Schutzrechtes bedarf. Es ist bekannt, daß Deutschland in der Türkei sich hohen Ansehens und großer Beliebtheit bei der Regierung sowohl wie bei der Bevölkerung erfreut. Deutschland hat sich stets und un veränderlich als aufrichtiger und wohlwollender Freund der Türkei bewährt, sehr im Gegensätze zu England, dessen Ver halten der Türkei gegenüber theils von den wechselnden Mi nisterien, theils von der Stellung auf dem politischen Schachbrett, auf dem die Türkei für England nur eine Figur darstellt, abhing. Die Beliebtheit Deutschlands im Orient wird sicherlich durch die Reise des Kaisers erheblich gesteigert werden. Die Reise des deutschen Herrscherpaares geht mit großem Glanze vor sich und der Türke läßt sich, wie überhaupt der Orientale, durch äußeren Glanz ganz außerordentlich einnehmen. In dieser Be merkung soll natürlich nicht der mindeste Vorwurf für die Art der Veranstaltung der Reise liegen. Die Fähigkeit, nach außen hin zu repräfentiren, ist stets und unter allen Umständen eine durchaus wünschenswerthe Eigenschaft eines Herrschers, sie ist es ganz besonders, wenn sie sich, wie hier, praktisch nützlich zeigen kann. Ganz zweifellos wird durch die Kaiserreise die Vorstellung, die die Türken von dem mächtigen deutschen Reiche haben, noch gesteigert werden. Dies kann für Deutschland nicht nur politisch Vortheilhaft sein, sondern auch von Werth hinsichtlich der deutschen Handelsbeziehungen. So ist zu hoffen, daß die Reise des deutschen Kaiserpaares dem Ansehen und der Stellung des deutsck-en Reiches nach mehr als einer Richtung sich förderlich erweisen werde. Und bleibt trotz der Abkürzung der Reise noch mancher Grund zur Be- sorgniß zurück, so begleitet das deutsche Volk mit um so innigeren und herzlicheren Wünschen sein Kakserpaar. Deutsches Reich. -4 Berlin, 11. October. „Die Unkenntniß unserer öffentlichen Einrichtungen", so lautet die Ueberschrift eines Aufsätze-, den in einer soeben neu erscheinenden Monats schrift „Der Kynast" Geh. RegierungSrath v. Massow ver öffentlicht. Ausgehend von der Entwickelung des Versassungs- lebenS im Reich und in Preußen und der im weiten Umfang eingeführten Selbstverwaltung, weist er auf die Pflichten bin, die dem Einzelnen im Staatsleben daraus erwachsen sind, aber auch auf die Unkenntniß, die in weiten Kreisen hinsichtlich der einfachsten Fragen deS Staats- und Ver fassungsrechtes besteht und die wesentlich dazu beiträgt, daß sich allerwärtS eine große Theilnahmlosigkeit den öffentlichen Ausgaben gegenüber bemerkbar macht, die be sonder» craß bei Wahlen und in den Parlamenten selbst in den letzten Jahren zu Tage getreten ist. Wir beklagen mit Recht, so führt der Aufsatz aus, das Anwachsen der Social demokratie, die Zersplitterung der bürgerlichen Parteien^ wir vermissen das Vorhandensein autoritativ führender Männer und ebenso in allen Kreisen der bürgerlichen Gesellschaft ein lebendiges Interesse für die öffentlichen Angelegen heiten des Staates, der Gemeinde, der Kirche, der Schule. Aber wie soll sich die große Masse der Menschheit ür Dinge interessiren, die sie nicht kennt und nicht ver lebt? Interesse wird zunächst durch Kenntniß und Ver- tändniß geweckt, ein allgemeine« Gefühl von Vaterlands iebe reicht dazu nicht auS. E« kann Zeiten geben, in denen ein solche« Verständniß von selbst in alle Schichten des Volkes eindringt, weil die öffentlichen Angelegenheiten so wichtig werden, daß sie die Interessen vollständig beherrschen. So war es im Jahre 1848 der Fall. Auch in der Conflictsperiode in den sechziger Jahren gab eS Wohl nur Wenige, die nichts vom Budgetrecht wußten, und 1870/71 iuteressirte sich mehr oder minder Jeder für die Verfassung de« neuen deutschen Reiches. Aber wenn lange Jahre ins Land gegangen sind, in denen sich die öffentlichen Dinge verhältnißmäßig ruhig abwickeln, wenn eine Generation herangewachsen ist, welche von den Kämpfen, die zu den Zuständen führten, unter denen wir leben, aus eigener Erinnerung nichts mehr weiß, dann verliert sich die Kenntniß in den breiteren Schichten deS Volkes, sie wird zum Sonderbesitz der Fachleute. Indem dann v. Massow nach weist, wie leicht die Abhilfe ist, wenn nur in engerem Kreise die Initiative gebildeter und um daS Wohl des Volkes be sorgter Männer einsetzt, fährt er fort: Meiner Ansicht nach droht uns durch nichts solche Gefahr, als durch unsere Urkunde der öffentlichen Dinge. Es ist eine Schmach, daß die Socialdemokratie so anwächst. Wenn man Las social demokratische Programm kurz zusammrnsassen will, so darf mau sagen: „Herrschaft der Materie über den Geist". Und das soll die Zukunft unseres Volkes sein, das das Resultat unserer Volks» erziehung? Aber nicht nur das ist schlimm; viel schlimmer ist es, daß es uns, den Gebildeten, innerhalb der Nation nicht gelingt, dieser Irrlehre Widerpart zu halten, sie zu entkräften, zu über winden. Mit im Verhältniß verschwindenden Ausnahmen gehört doch Alles, was sich gebildet nennt, nicht zur Socialdemokratie, sondern zu ihren Gegnern. Warum ist eS uns nicht gelungen, die socialdemokratische Lehre geistig niederzukämpfen? Man führt das Wort Vaterlandsliebe so oft im Munde. Aber platonische Liebe hat keine große Bedeutung. Wenn ich die Einrichtungen, auf denen mein Vaterland sich von unten nach oben ausbaut und in denen es sich wiederum von oben nach unten abgliedert, nicht kenne, wenn ich nicht weiß, welche Rechte gewährt es mir als seinem Bürger, welche Pflichten legt es mir auf, wenn ich diese Rechte nicht wahrnehme und diesen Pflichten nicht obliege, oder wenn ich Beides kalt und gleichgiltig, weil ohne rechtes Verständniß thue, dann hat meine Vaterlandsliebe wenig Inhalt. — Ich schließe mit dem, womit ich begonnen habe, wir leben im Verfassungsstaat und unter den Gesetzen der Selbstverwaltung. Ihre Voraussetzung ist nicht nur die Mitarbeit der erwählten Vertrauensleute des Volkes überhaupt, sondern vor Allem, daß diese Mitarbeit eine verständniß» volle ist. - Daran, so schließt der Verfasser, fehlt es unS, und diese« Fehlen ist ein Schaden, der vielleicht nichtAllen erkennbar ist und dennoch schwer auf unserer gesammten Entwickelung lastet. Diesen Schaden müssen wir beseitigen und dazu muß jeder Vaterlandssreund helfen. Aber wie? Dadurch, daß er es als einen Makel, der ihm anhaftet, empfindet, von den Ein richtungen deS Reiches, de« Staates, deS eigenen Gemein wesens, dem er als Glied angehört, das Nothwendige nicht zu wissen und zu kennen. * Berlin, 11. Oktober. Ueber einen heftigen Kampf im Centrumslager, der vielleicht auf die Entwickelung der Centrumspartei von Einfluß ist, wird der „Tägl. Run'osch." aus Trier Folgendes berichtet: Der Wahlkreis Trier hat zwei Abgeordnete zum Abgeordnetenhause zu wählen und war bisher durch die Herren Oberlanvesgerichtsrath Rocren und Gymnasialdirector a. D. Köhler vertreten. Der Erstere wird vom Ccntrum wieder ausgestellt, für den Letzteren follte ein Ersatz gesucht werden. Die officielle Parteileitung hatte die Candidatur im Einoerständniß mit dem rheinischen Provinzial- comitö in Köln dem Dompropst vr. Scheuffgen angetragen und dieser hatte sie angenommen. Nach altem Brauch erfolgt die endgiltige Festsetzung der Candrdaturen durch die als sog. „großes Wahlcomitö" thätige Versammlung der Vertrauens männer des Wahlkreises. Der hier ansässige bekannte Caplan Dasbach ist von seinem feit neun Jahren durch ihn ver tretenen Wahlkreis Hersfeld-Hünfeld fallen gelassen worden und er stellte deshalb hier in seiner Heimath seine eigene Candidatur auf, ohne in einem seiner vielen Blätter ein Wort darüber laut werden zu lassen. Unter der Hand aber wirkten seine Getreuen mit Bienenfleiß für seine Wahl und hinter den Coulissen haben sich in den letzten Wochen erbitterte Kämpfe zwischen den Ultra montanen abgespielt. Die Lage gestaltete sich derart, daß in der Stadt Trier nur zwei Pfarrer und eine kleine Minderheit der Vertrauensmänner für Dasbach und gegen Scheuffgen waren, daß aber ungefähr die gefammte Landgeistlichkeit des Wahlkreises mit ihrem Anhang sich gegen die officielle Parteileitung auf lehnte und Partei für Dasbach nahm. Am Freitag Nachmittag fand die entscheidende Versammlung statt, und die Frage, ob Dasbach aufzustellcn sei, wurde, wie schon gemeldet, mit 81 gegen 41 Stimmen bei 4 Stimmenthaltungen bejaht. Damit war die vom engeren Comitö befürwortete Candidatur Scheuffgeu von selbst beseitigt. Der Vorsitzende des Wahlcomitös, Rechts anwalt Justizrath Müller, welcher seit 23 Jahren sein Ehrenamt verwaltet halte, legte dieses sofort nieder und die Mehrzahl der Comitömitglieder folgte seinem Beispiel. Ter Fall, daß zwei Geistliche sich ein an sich sicheres Mandat streitig machten, ist jedenfalls noch nicht oft in der Geschichte des Centrum, vorgekommen, und er gewinnt durch die beiden Persönlichkeiten besonderes Interesse. Ör. Scheuffgen ist bekanntlich beim Kaiser persona xrara und erfreut sich hier auch in nichttirchlichen Kreisen großer Beliebtheit, ohne hierin freilich ganz seinen Vor gänger Dr. Holzer zu erreichen. Caplan Dasbach war von jeher einer der wüthendsten Vertreter des streitbaren intran sigenten Klerikalismus und nimmt als ziemlich vereinzelt aus der Culturkampfzeit übrig gebliebener „Preßcaplan" eine gan; eigenthiimliche Stellung ein. Selbst seine stärksten Gegner müssen ihm zugeben, daß er ein rühriger, ganz geriebener Ge schäftsmann ist, der durch seine zahlreichen Preßgründungen, durch eine umfassende Thätigkeit zur Bearbeitung der Bauern, für die er einen Bauernverein, Landwirthschaftliche Bank, Vieh leihe, Rechtsschutzverein u. s. w. geschaffen hat, durch un ermüdliche Agitationsreisen s. w. sich seine politische Stellung sauer genug errungen hat. In liberalen Kreisen begegnet man ihm mit erklärlicher Abneigung, aber im klerikalen Lager ist er stellenweise geradezu verhaßt. Einer der klerikalen Führer und Wanderredner, der durch Erbschaft vor wenigen Jahren in den Kesitz eines großen Vermögens gelangte Rechtsanwall I)r. Goertz, früher ein Intimus von Dasbach, hatte einen sehr bezeichnenden Beleidigungsproceß mit ihm durchzumachen. Er hatte ihm aus irgend welchem geschäftlichen Anlaß einen von groben Jnvectiven geradezu strotzenden Brief geschrieben uno darin die Wahrheitsliebe Dasbach's mit Bezeichnungen belegt, für welche das Amtsgericht eine Sühne von 300 angemessen erachtete. Vor der Strafkammer wollte vr. Goertz den Beweis der Wahrheit für seine Behauptungen führen und daraus die Berechtigung ableiten, so wie geschehen, gegen seinen ehemaligen Freund vorzugehen. Eine höhere Stelle legte sich ins Mittel, und so kam es nicht zur Verhandlung vor dem Landgericht. Dasbach zog seine Klage zurück und Goertz zahlte die 300 <ck/ an die Armen. Eine Stellungnahme des Bischofs vr. Korum in der Wahlfrage, die angeblich gegen Dasbach schon erfolgt war, vor ihrer Bekanntgabe aber zurückgezogen wurde, ist durch die Romreise Korum's unmöglich gemacht worden. So hat die Caplanokratie in ihrer radikalsten Form über die bisherige Centrumsleitung einen Sieg davongetragen, der in der Ent wickelung der Partei eine gewiss« Bedeutung beanspruchen darf. Die Berliner leitenden ultramontanen Kreise werden Herrn Dasbach, der mittlerweile für Aachen-Land auch in den Reichstag gewählt ist, mit sehr gemischten Gefühlen ins Abgeordneten haus wiederkehren sehen. K. Berlin, 11. October. (Telegramm.) Der Kaiser körte beute Morgen um 9 Uhr den Vortrag des Chefs des Militaircabinets, Generals v. Hahnke, und nahm darauf einen Bericht über einen Manovertag des 7. Armeecorps durch Oberst von Einem, AbtbeilungSchef im Kriegsministerium, entgegen. Um 10 Uhr 19 Min. verabschiedete sich der Kaiser auf dem Bahnhof zu Potsdam von dem Großfürsten Wladimir von Rußland nebst Gemahlin und Tochter, welche sich nach Neu-Strelitz begeben. Um 12 Uhr begaben sich der Kron prinz und die Prinzen Eitel Friedrich und Adalbert nach Plön. Heute Abend verläßt der Großherzog von Baden Potsdam. Um 11 Uhr findet die Abreise des Kaiserpaares nach Kamenz statt. (-) Berlin, 11. October. (Telegramm.) Der „Reichs- Anzeiger" meldet: Der StaatSsecretair deS Auswärtigen Amtes, v. Bülow, wird heute Abend Berlin verlass:», um auf Befehl des Kaisers ihn auf der Reise nach dem Orient zu begleiten. Während der Dauer seiner Abwesen heit übernimmt der StaatSsecretair v. Richthofen die Leitung des Auswärtigen Amtes. (-) Berlin, 11. October. (Telegramm.) Wie aus Köln berichtet wird, veröffentlicht die „Köln. Ztg." die folgende, ohne Zweifel hochofficiöse Kundgebung: „In der Centrumspresse wird die Ansicht ausgesprochen, daß die ^euillrtsn. Wo und wie der „Wallenstein" entstand. Sum Getzachtnist seiner vollend»«« vor hundert Jahren. — vetober 1798 Bi« MSr, 17»». — Von F. Clemens (Jena). Nachdruck verboten. Jena, die reizvolle Universitätsstadt an der Saale, ist über reich an weihevollen Stätten der Erinnerung. Große Menschen lebten und wirkten hier und sandten die Strahlen ihres Sonnen- geisteS in alle Welt. Ueberall begegnet man erhabenen Namen auf den kleinen schlichten Täfelchen über den Thüren: Goethe, Schiller, Klopstock, Humboldt, Voß und zahlreiche Andere rufen uns bald hier, bald dort thrWirken und Schaffen ins Gedächtniß. Keinep dieser Plätze aber suche ich lieber auf als den anmuthigen Schillergarten an der Leutra, wo sich seit zehn Jahren das sinnige Denkmal deS Dichter« an dem jäh abfallenden Abhang des rauschenden Bergwasser» erhebt. Dom Engelplatz mündet ein schmales verstecktes Gäßchen auS, ein schattiger Laubenpfad zwischen Gärten und Hecken, den schönsten und lauschigsten, die Jena aufzuweisen hat. DaS Schillergäßchen hat man es pietätvoll genannt — und nur wenige Schritte vom Eingang entfernt erblicken wir das bescheidene Häuschen mit der stolzen Mittheilung, daß in diesen Räumen, eng genug, der herrlich« Sätksser mit seiner Familie gewohnt habe. D«r Garten, jetzt noch ausgedehnter al» früher, erscheint wohlgepflegt und schön — in seinem Hintergrund« erhebt sich stattlich der Dau der Sternwarte mit dem mächtigen Kuppeldach. Um Hau» und Garten erhalten zu können, bestimmte man letzteren zum Standort der (1812 errichteten, dann vor zehn Jahren ab gebrochenen und neu aufgebauten) Sternwarte — «ine Ehrung, wie man sie sinniger für den Liebling deS deutschen Volkes und der Musen, dessen Blicke gewohnt waren, über Sternen das Höchste zu suchen, kaum erdenken konnte. Fast prophetisch er scheinen dem Betrachter beim Anblick des der Beobachtung des Himmels geweihten Gebäudes die herrlichen Worte Goethe's, mit denen er das Andenken der romantisch-lieblichen Wohnung am Leutrabach in seinem „Epilog zur Glocke" feierte: „Nun schmückt er sich die schöne Gartenzinne, Von wannen er der Sterne Wort vernahm, Dar dem gleich ew'gen, gleich lebrnd'gen Sinn« Geheimnißvoll und klar entgegrnkam. Dort, sich und uns zu köstlichem Gewinne, Verwechselt er die Zeiten wundersam, Begegnet so, im Würdigsten beschäftigt, Der Dämmerung, der Nacht, di« uns entkräftigt.» Wandeln wir nun den Sandweg durch den Garten hin, so fällt unser Auge auf den Steintisch, um den herum sich «inst des Dichter» Laube rankte. Oftmals versammelten sich hier die Freunde und Gäste Schiller'-, oftmals überließ er sich hier in stiller Einsamkeit den Träumen seines Geistes. Noch zwanzig Jahre später ergriff die Erinnerung jener Tage den alternden Goethe, der hier mit Eckermann weilte, so übermächtig, daß er, auf den Tisch deutend, zu seinem Begleiter die Worte sprach: „Hier hat Schiller gewohnt. In dieser Laube, auf diesen fast zusammengebrochenen Bänken haben wi: oft an diesem alten Steintisch gesessen und manches groß« und gute Wort mit einander gewechselt." Eine Inschrift über dem Tische verkündet uns Nachgeborenen die Bedeutung des Orte» in Goethe'« Worten. Unweit der Schillerbüste ist ein Granitblock aufgerichtet, der die schlichte Aufschrift trägt: „Hier schrieb Schiller den Wallenstein." DaS ist also der Ort, wo da» große Werk entstand: daS stroh gedeckte Tartenhäuschen freilich, in dessen oberem Zimmer der Dichter arbeitete, ist bereit» im zweiten Jahrzehnt unseres Jahr hundert» al» baufällig abgetragen worden, an seiner Stelle ließ Kiefer 1846 den Steinblock errichten. Damals hatte, wie Goethe sagt, eine unwiderstehliche Lust nach dem Land- und Garten leben die Menschen ergriffen; Wieland siedelte sich in Oßmann stedt an, Schiller kaufte das Haus an der Leutra und Goethe beabsichtigte die Erwerbung eines Grundstückes in Oberroßla. Anfang» dachte der Dichter an Goethe's Gartenhaus im Wei marer Park; doch «rwie» sich dies für eine Familienwohnung zu klein, weshalb Schiller im Februar 1797 das Grundstück an der Leutra für 1150 Rthlr. in seinen Besitz brachte. Allerdings machten sich einige bauliche Veränderungen nothwendig, aber trotzdem gewährte die Besitzung einen idyllischen Aufenthalt mit ihrem freundlichen Ausblick in daS Mühl- und Saalthal, mit dem von Rosen und Lilien durchdufteten, im Blüthenschmuck der Obstbäume prangenden Garten und mit dem traulich-melodischen Wellengemurmel der Leutra, die tief unten im Grunde munter dahinplätscherte. Goethe gedenkt selbst in der Ferne dieses Idylls; au» Frankfurt theilt er dem Freunde mit, „daß er oft bei ihm ist auf seiner stillen Höhe, und wenn es recht regnet, erinnert er sich de» Rauschens der Leutra und ihrer Gossen". Hier war es also, wo der Dichter die Gestalten de» ruhm süchtigen Feldherrn, des intriganten Octavio, de» schwärmerischen Max und der lieblichen Thekla empfing, wo die Schrecken des Dreißigjährigen Kriege» vor seinem geistigen Auge vorüber flogen, wo sein Genius mit dem Meistergriffel daS gigantisch« Gemälde einer fernen Zeit nicht nur plastisch vor unserem Blick neu entstehen ließ, sondern e» auch „unserem Herzen menschlich näher brachte". Zehn Jahre, hieß es, habe Schiller am „Wallen stein" gearbeitet — das ist nicht richtig, die Schöpfung der ge waltigen Trilogie hat in Wahrheit nur drei Jahre (Frühjahr 1796 bi» ebendahin 1799) in Anspruch genommen, aber die Idee dazu entstand allerdings bereits Anfang 1791, wo sie durch sein« Studien zur Geschichte de» Dreißigjährigen Kriege» in ihm hervorgerufen wurde. „ES ist mir", schreibt er am 12. Januar 1791 an Körner, „jetzt wieder einmal so wohl, denn seit meiner Erfurter Reise bewegt sich wieder der Plan zu einem Trauerspiel in meinem Kopfe . . . Lange habe ich nach einem Sujet gesucht, das be geisternd für mich wäre; endlich hat sich eins gefunden, und zwar ein historisches." Die Arbeiten ums liebe Brod verhinderten ihn jedoch lange Zeit, dem Gedanken näher zu treten, dann schwankte er zwischen Friedrich H., Gustav Adolf und dem Herzog von Friedland, bis endlich 1796 der Plan des Wallenstein immer festere Contouren annahm. Die letzten Monate des bezeichneten Jahres wurden mit Studien zu dem Trauerspiel ausgefüllt, eine begeisterte Stimmung erfaßte den Poet, ohne daß das Werk an gesichts der sich immer mehr aufthürmenden Schwierigkeiten indessen nennenswerthe Fortschritte erfuhr. Die aus dem regen Gedankenaustausch mit dem Freunde geschöpfte Idee der Balladen hatte sogar Mitte 1797 eine mehrmonatlich« Unterbrechung der Arbeit zur Folge, erst im October macht er sich, wie er an Körner schreibt, wieder an den Wallenstein, er „werde aber wohl einige Zeit brauchen, bis er sich wieder damit familiarisire". Nur langsam schritt die Ausführung vor; das meiste Kopf zerbrechen verursachte die machtvolle Gestalt des Helden, dessen historischer Charakter der ideellen Schöpfung-kraft Schiller'» nicht entsprach. Die Schilderung dämonischer Ucbermenschen war nicht die Sache des erhabenen Idealisten, es galt also, die Figur des Herzogs poetisch zu veredeln, ohne jedoch das realistische Milieu, worin Leben und Thaten des Feldherr» wurzeln, direct zu ver kehren. So zeigt sich uns Wallenstein, verhalte, egoistische, finstere Mann, „der Schöpfer kühner Heere, Des Lagers Abgott und der Länder Geißel, Die Stütze und ver Schrecke« seines Kaisers, Des Glückes abenteuerlicher Sohn,- wie Schiller selbst ihn zeichnet, in dem Drama al» „— wahrhaft, Unverstellt, nnd haßt di« krummen Weg«, ' Er ist s» gut, so «del.»
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