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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.10.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-10-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981014023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898101402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898101402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-10
- Tag1898-10-14
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Gröbere Schriften laut unserem Preis« vcrzrichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgab«, ohne Postbeförderun; -Ni 60.—, mit Postbeförderung -N 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. > » Druck und Verlag von E. Dolz in Ltipjkg, Z 523. Freitag den 14. October 1898. 92. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 14. Oktober. Die Abberufung de« preuhtfchen Gesandten bet« päpst lichen Ltnhte scheint auf Vie vatikanische Diplomatie denn doch «inen Eindruck zu machen. Nach einem römischen Telegramm der „Boss. Ztg." läßt Cardinal Rampolla be streiten, daß die Betonung des französischen Schuyrecbt» im heiligen Lande durch irgend welche Feindseligkeit gegen Deutsch land ringegeben sei. Man werde den Beweis dafür bald erhalten. Und eine italienische Telegraphenagentur versendet die Meldung, Rampolla habe beschwichtigende Erklärungen nach Berlin gesandt und dem Kaiser den denkbar freund lichsten Empfang durch den katholischen KleruS im Orient in Aussicht gestellt. Daß das energische Auftreten der preußischen Regierung gewirkt hat, bekundet jedenfalls die Thatsache, daß der „Osservatore Romano" das Telegramm, das die Abberufung des preußischen Gesandten in Aus sicht stellte, einfach unterdrückt hat. In Folge dieser Stimmung in den vatikanischen Kreisen lenkt auch die „Germania" wieder ein. Sie wendet sich scharf gegen die französische GesühlSpolitik und benutzt diese Gelegenheit, der Annahme entgegenzutreten, al- ob ihre gestern von uns erwähnten Ausführungen zu der Ansprache des Papstes eine Schwenkung oder einen Frontwechsel bedeuteten. Der unter Zustimmung des päpstlichen Stuhles geschaffene Zustand, wo nach Deutschlands Recht auf den Schutz der deutschen katho lischen Anstalten im Orient anerkannt worden, sei der Boden, auf den sie sich stelle, den sie von Anfang vertreten habe und weiterhin vertreten werde. In Berlin wird mau jedoch am besten thun, weder auf die Stimmen der deutschen klerikalen Presse, noch auf Versicherungen Rampolla's, der ja seine „Anpassungsfähigkeit" soeben erst auf das Ueberzeugendste dargethan hat, viel zu geben. Der weitere Erfolg des Schachzugs hängt am meisten, wenn nicht allein von dem Grade der Festigkeit ab, der bei der Bertheidigung wohlbegründeter Rechtsansprüche des Reiches gezeigt wird. Man kann sich dabei das Verfahren „katho lischer" Länder und Regierungen zum Muster nehmen. Wenn die französische Negierung sich besonderer Rücksichtnahme am päpstlichen Hose erfreut, so hat sie diese nicht zuletzt auch dem Umstande zu verdanken, daß sie, wo es galt, ihre Forde rungen durchzusetzen und ihren Wünschen Berücksichtigung zu sichern, niemals Bedenken getragen hat, selbst die stärksten Mittel anzuwenden und mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu drohen. Daß die Curie Weisungen gegeben bat, dem Kaiser bei feinem Besuch in Jerusalem es an äußeren Ehrenbezeigungen nicht fehlen zu lassen, darf wohl als sicher angenommen werden. Die einfachsten Rücksichten der Klugheit und Höflichkeit erforderten eine derartige Anordnung, deren Ausführung allerdings gleichfalls wieder mit nationalen Neigungen und Abneigungen zu kämpfen haben dürfte. DaS Jntriguenspiel, das gegen den Patriarchen von Jerusalem Msgr. Ludovico Piari vor Kurzem eingeleitet worben war, hatte wohl nicht zuletzt mit den Grund, daß der Patriarch in dem Rufe stand, Deutschland freundlich gesinnt zu sein. Ueber den weiteren Verlauf des Zwischenfalls braucht man sich nicht zu erhitzen. Es kommt gar nicht darauf an, baß der Rollenwechfel in der Besetzung VeS GcsandtfchaftSpostens am päpstlichen Stuhle sich rasch vollzieht; wichtiger ist, daß er sich vollzieht in einer Weise, welche unS die unzweideutige Anerkennung nicht anfechtbarer Ansprüche bezüglich de« Schutzes unserer Staatsangehörigen im Auslande sichert. Wie der „Kreuzztg." auS Rom geschrieben wird, gilt e« nunmehr als feststehend, daß die Eonferenz über die Maß nahmen gegen «ie Anarchisten dort stattsinden werde. „Der einen Augenblick lang aufgetauchte Gedanke, die Conferenz in Venedig abzuhaltrn, ist" — so fährt der Gewährsmann de» genannten Blattes fort — „aufgegeben worden. Es bandelt sich jetzt nur noch um die formelle Ausstellung deS der Conferenz zu Grunde zu legenden Programms, ferner um ein übereinstimmendes Vorgehen rücksichtlich der Zusammensetzung bez. Beschickung der Conferenz und endlich um die Feststellung deS Zeitpunktes für ihren Zusammentritt. Wiewohl dieser noch nicht festgesetzt ist, dürfte er keineswegs lange hinausgeschoben werden. Bezüglich der Zusammensetzung besteht der Plan, daß jeder Staat zwei Delegirte entsenden solle, einen diplomatischen Ver treter und einen Fachmann in Sachen der Staats polizei. Mit der diplomatischen Vertretung dürften feilen der meisten Staaten die beim Quirinal beglaubigten Bot schafter, bez. Gesandten betraut werden." Weiter heißt es dann: „WaS daS geplante Vorgehen gegen die Anarchisten anbelangt, so dürste eS sich um rin solches handeln, dessen Aus führung auch bei der Schweiz, die ohnehin, wie die täg lichen Ausweisungen zeigen, das größte Entgegenkommen an den Tag legt, kaum aus ernste Hindernisse stoßen wird. Ver legenheiten haben sich, und zwar zunächst für die Schweiz selbst, bei den schon in der letzten Zeit getroffenen Maß nahmen nur insofern ergeben, als die Schweiz die anarchistischen Verbrecher nicht ausliefert, sondern eben nur ausweist und sie, entsprechend ihrer Absicht, sich dahin oder dorthin zu begeben, über diese oder jene Grenze bringt. Da sich nun die Polizeibehörden gegenseitig Kenntnis von dem Aufenthalte der Anarchisten geben, so kann es begreiflicherweise nicht schwer halten, die schweizerischer seits über die Grenze Gebrachten zu überwachen. Werden aber die aus der Schweiz AuSgewiesenen von den Behörden deS Landes, wohin sie sich gewendet haben, nicht übernommen, dann können sie entweder entkommen, oder die Schweiz sieht sich genöthigt, sie wieder aufzunehmen. Um diesem Uebelstande abzuhelfen, werden Verein barungen erforderlich sein und voraussichtlich wird sich die An- archistenconferenz auch damit zu befassen haben, wie in den erwähn ten Fällen vorzugehrn und zusammenzuwirken sei." Ergänzt wird diese Meldung durch die folgende, die der Münchener „Allgem. Ztg." aus Berlin zugeht: „Bei den in Aussicht stehenden Verhandlungen der Mächte über eventuell zu ergreifende gemeinsame Maßregeln gegenüber den Anarchisten dürften wesentlich zwei Puncte in Betracht kommen. Einmal möchte es sich darum handeln, einen regelmäßigen inter nationalen Polizri-Nachrichtendienst einzurichten; als- dann aber erscheint es nothwendig, daß Vereinbarungen getroffen werden, aus Grund deren das Heim ath land eine- auSgewiesenen Anarchisten die Verpflichtung übernimmt, dessen Unschädlich machung (durch Jnternirung) zu bewirken." Man sollte meinen, daß gegen einen solchen Vorschlag auch England nichts einzuwenven haben könnte. Freilich wäre auch durch Englands Zustimmung nicht allzuviel erreicht. Wer bürgt dafür, daß da und dort die Aufsichtsbehörden einen recht gefährlichen Anarchisten für einen ganz harmlosen Menschen halten und demgemäß weder auszuweisen noch zu interniren für nöthig hallen? Um das zu verhüten, müßten Vie einzelnen Staaten denn doch noch verpflichtet werden, den ihnen von anderen gemachten Angaben über die Gefährlichkeit eine- Individuums entscheidendes Gewicht beizulegen. Und eine solche Verpflichtung zu übernehmen, werden die Schweiz und England sich wahrscheinlich sträuben. Der Pariser Streik, der nach den gestrigen Meldungen in den letzten Zügen liegen sollte, hat plötzlich eine neue Wendung dadurch erhallen, daß, wie man längst befürchtete, die Eisen bahnbediensteten, soweit sie dem Syndikate angehören — angeblich sind dies allerdings nur 5 Prvc. der gesammten Bahnarbeiter —geschlossen haben,gleichfalls zu streiken. Der „TempS" meldet: „Der Ausschuß des Syndikats der Bahnarbeiter hat sich mit 12 gegen 11 Stimmen für den Anschluß an den großen AuSstand ausgesprochen, obwohl die Mehrheit der Gruppen in den Provinzen sich gegen den Ausstand erklärt hatte." Wie erinnerlich, sprachen sich von den eingegangenen Antworten 26 für und 36 gegen die Arbeitseinstellung auS, während l4 zweifelhaft waren, aber eS ist zu erwarten, daß der Be schluß deS Pariser Syndikats die Schwankenden mit sich fortreißen und auch die jetzt noch Standhaften wankend machen wird. Deshalb werden denn auch überall die um fassendsten Maßregeln ergriffen, um die Arbeitswilligen zu schützen und den Fortgang des Dienstes zu sichern und zwar, wenn nöthig, dadurch, daß Mannschaften des Geniecorps in die Bresche springen. Man berichtet uns darüber: * Paris, 13. October. Die Garnisonen werden bereit gehalten. In Rouen ist der Bahnhof von 120 Mann des Geniecorps besetzt, um nöthigensalls die feiernden Angestellten zu ersetzen. Die Nordbahn, und die Westbahngejellschast erklären, sie fürchteten keine Arbeitseinstellungen, trafen aber Maßnahme» zur Sicherstellung des Dienste-, Auch die Bahnhöse Arras und Böthnne sind militairisch besetzt. In Grsnoble werden die Truppen in den Casernen bereitgehalten. Abends sprachen sich die Bahnarbeiter in einer Versammlung in der Arbeitrrbörse für den allgemeinen Aus stand aus. Die Redner forderten zur Ruhe auf. Infolge verschiedener von auswärts ge- meldeter Truppenzusammenziehungen laufen in Paris be- unruhigende Gerüchte um. ES verlautet gerüchtweise, morgen früh sollten infolge des angrkündigten Bahnausstandes sämmtliche Pariser Bahnhöfe militairisch besetzt werden; es wird jedoch versichert, die Bahnarbeiter wollen nicht in den Ausstand treten. Anderseits verlautet, daß die Arbeiter des Bahnhofs Mont Parnasse der Westbahnlinie doch noch um Mitternacht die Arbeit einstellen wollen. In Lyon werden alle Truppen der Garnison in den Casernen bereit gehalten. In Amiens und Lens sind wegen des vom Syndikate der Bahnarbeiter gefaßten Beschlusses, in den Ausstand zu treten, die Bahnhöfe mili- tairisch besetzt worden. Die Polizeipräfectur erklärt das Gerücht von der bevor stehenden Schließung der Arbeitsbörse, wo die Streikführer ihren Sitz Haden, für unbegründet, doch ist gegen den Aus schuß des Syndikats der Bahnarbeiter, nachdem bei dem selben Haussuchung vorgenommen und die Correspondenz nebst verschievenen anderen Schriftstücken beschlagnahmt worden war, eine gerichtlicheUntersuchung wegen der Ueberlretung des Gesetze- vomIahre 1884, betreffend d,e Fachsyndikate, angeordnet worben. Der Ausschuß hatte geheim beschlossen, ein Rund schreiben an die Mitglieder deS Syndikats zu versenden, nach welchem gestern um Mitternacht der AuSstand beginnen sollte. Die Regierung erlangte hiervon Kenntniß und beschlagnahmte daS Rundschreiben. Das Eisenbahnsyndikat geht be, seinem Aufruf zum Streik von der einleuchtenden Voraussetzung aus, baß, wenn der Eisenbahnverkehr plötzlich aufhört und Paris mit Aushungerung bedroht ist, die Arbeitgeber nachgeden müssen und die Löhne, die die Arbeiter verlangen, zahlen müssen. Nunmehr wird auch der Muth der übrigen Arbeiter klassen, der schon sehr im Sinken begriffen war, da die Mittel knapp wurden, sich wieder neu beleben. Die Gefahr blutiger revolutionärer Zusammenstöße ist also durchaus nicht geringer geworden. Erst gestern Abend rief daS Gerücht von der bevorstehenden Schließung der Arbeiterbörse in der Umgebung des Gebäudes Unruhe hervor und es bildeten sich An sammlungen, die von der Polizei auseinandergetrieben werden mußten. Infolge der nicht ganz klar ausgefallenen Antwort deS Sultans auf das Ultimatum der Vier-Mäckle kann die vollständige Räumung Kreta« durch die türkischen Truppen sich Wohl etwas verzögern, aber aufruhallen ist sie nicht mehr. Wie daS „Reuter'sche Bureau" aus Rom von gestern berichtet, haben die vier Mächte beschlossenste in der Antwort der Pforte gemachten Vorbehalte abzulehnen. Sie würben dem Sultan eine in diesem Sinne gehaltene Note übersenden, in der sie neuerdings erklären, daß alle türkischen Soldaten Kreta binnen einer bestimmten Frist verlassen müßten. Die partielle Räumung nimmt denn auch bereits ihren Anfang, indem die türkischen Truppen beginnen, ihr Kriegsmaterial und ihre Bagage nach Suda zu bringen, wo die Ankunft der türkischen Transportschiffe der Mahsuse-Gesellschaft, die von Konstantinopel bereits unterwegs sind, erwartet wird. In Anbetracht des Umstandes aber, daß keine rückhaltlose amtliche Antwort von der Pforte eingelaufen ist, haben die internationalen Truppen bei der Möglichkeit einer Beschießung ihr Material nach dem Dorfe Halepa gebracht. Wie unS weiter aus Canea ge meldet wird, sind die italienischen Panzerschiffe „Castelfidardo" und „Affondatore" gestern vor Suda angekommen. Auch daraus gebt hervor, daß die Mächte entschlossen sind, bitteren Ernst zu machen. Daß mit den türkischen Truppen auch ein großer Theil der Muselmanen die Insel verlassen werde, sagten wir schon gestern. Die Auswanderung ist bereits in vollem Gange. — Unsere Bedenken wegen englischer Absichten auf Kreta werden unterstützt durch einen Artikel der Londoner „Army- und Navy-Gazette" über die britischen Truppen auf Kreta, ressen Schluß zu merkwürdigen Folgerungen Anlaß geben könnte. Das Blatt schreibt: „Die Arbeit der jetzt auf Kreta concentrirten britischen Truppen unter dem Befehl von Sir Herbert Lhermside verspricht recht schwierig und undankbar zu sein. Der britische Soldat ist aber derartige unangemessene Beschäftigung gewohnt und thut dabei seine Schuldigkeit. Es ist indessen ein seltener Fall, daß die für solchen Zweck verwendete Truppe so zahlreich ist, wie jetzt auf Kreta. ES ist nicht wahrscheinlich, daß eine ernste Störung des Frieden- Vorkommen wird. Das macht die Stellung dort noch verdrießlicher, und wollen wir hoffen, daß das Geschäft dort bald beendet ist. ES zeigt sich jedoch, wie noth- wendig die diesjährigen Maßnahmen der Regierung für die Ver größerung der Armee waren. Es gab niemals eine Zeit, in der die Minister mehr Mühen hatten, wie gerade jetzt, um alle die neuen Besitzungen aus der ganzen Welt zu schützen." Man könnte hieraus folgern, daß die „Army- and Navy- Gazette" Kreta, woselbst seit mehr als Jahresfrist sich britische Truppen und Schiffe in immer steigender Zahl festgesetzt haben, schon zu den neuen Besitzungen Eng lands zähle. - Deutsches Reich. * Berlin, 13. Oktober. Der BundeSrath ertheilte in seiner beutigen Sitzung außer den schon telegraphisch genannten Ausschußanträgen noch den folgenden feine Zu stimmung: betr. den Ansageverkehr auf der Weichsel zwischen Feuilleton. Die kleine Lulu. 11s Sreroma» von Clark Russell. Vlachdruck »nbotin. Der Eapitain, noch nicht zufrieden mit doppelten Reff», befahl, daß die Topsegel ganz gerefft werden sollten. Al» wir bei dieser Arbeit die Leinwand so weit zusammengerollt hatten, daß wir sie festmachen tonnten, ließ da» Unwetter nach. Es blitzte nur noch in größeren Zwischenräumen und nur noch knurrend; wie rin verwundete» wilde» Thier umkreiste der Donner den Horizont. Trotzdem blieb unsere Lage noch immer eine sehr unheimliche, denn die Windstille hielt noch immer an, während der Regen in unverminderter Stärke von dem pech schwarzen Himmel auf uns niedrrströmte. „Die Backbordwach« kann abtreten, hält sich aber» für den ersten Ruf bereit", schrie der Maat; iva» für un» so viel hieß wie: von Schlafen ist kein« Rede. — Wir benutzten die Ge legenheit, un» trocken anzuziehen, und dabei konnte man den wahren Lharakter einer Theerjacke kennen lernen. Die eine Gefahr war glücklich vorübevgegangen, aber noch drohte uns »ine weit größere, wenn der schrecklich« Orkan plötzlich lo»brach. Das kümmerte jedoch die Leute nicht, sie machten ihre Witze, steckten sich ihre Pfeifen an und trieben Possen, al» ob die Brigg bei herrlicher Brise auf blauem Wasser schwämme. Nackt bi» auf die Hosen und sich trocknend an Allem, waS ihm in die Hände fiel, fand Sud» seine Kiste, da» Oberste zu unterst gekehrt. Die» gab Veranlassung zu einigen handgreif lichen Scherzen. Der schön« Blunt, «in großer breitschulteriger, breitmäuliger, häßlicher Kerl, setzte sich auf die Kiste und machte r» dadurch Sud» unmöglich, sich anzuziehen. Sud», welcher glaübte, daß seine Kist« au» Bosheit umgestürzt worden wäre, gerirth in Zorn. Harte Püffe wurden <ru»getheilt; Sud» flog dabei gegen Schnarch-Jimmy, — dieser fiel hin und verbrannte sich im Fallen mit der heißen Asche au» seiner Pfeif«; — wüthend Hittüder gab er Sud» einen solchen Stoß mit den Füßen, daß dieser auf den schönen Blunt zufloa. Der, in der Meinung, daß er ernsthaft angegriffen würde, sprang auf und wollte zupacken, stürzte aber bei dem heftigen Anprall von Suds, welcher über ein«n ihm wahrscheinlich absichtlich vorgehaltenen Fuß gestolpert war, sofort mit demselben zu Boden. Ein starke» Ueberholen des Schiffes warf über das daliegettde Paar noch einen dritten Mann und zum Ueberfluß siel auch noch Suos' Kiste um, mit ihrem Inhalt den Knäu«l überschüttend. All der Lärm bei dieser fürchterlichen Verwirrung wurde plötzlich durch ein pfeifendes, heulendes Sausen übertönt. — Ich horchte einen Augenblick, — dann rief ich: „Halloh, der Sturm!" und stürzte zur Luke hinaus. Als ich eben meinen Fuß auf Deck gesetzt hatte, wurde ich beinah« über den Haufen gerannt durch Banyard, welcher herbei eilte, un» zu rufen. Es war nicht mehr so stockfinster wie vorher. Im Westen schimmerten Sterne, wenn auch zum Theil von Wolkenschichten überlagert, deren Ausläufer sich wie ungeheure Neste gerade auf uns zustreckten. Die» war da» Einzige, was zu bemerken ich noch Zeit hatte, denn gleich darauf traf der Orkan die Brigg. Man stelle sich vor, au» der Stille eine» Klosters plötzlich in die Höhle wilder Bestien -u gerathen, von denen jede brüllt, so laut sie kann. Aber dieser Vergleich giebt noch kein Bild von dem wüthenden Gedrüll, dem überwältigenden, sinnverwirrenden Geheul, mit welchem eine Bö, wie im Sprunge, ein Schiff packt. Das tobende Element ist keine einzeln« Stimme, sondern ein wild rasende» Orchester, welche» alle Regist«r von den tiefen, dröhnenden, hohlen, donnernden Stimmen einer Orgel bi» zu den höchsten, schrillen, Entsetzen erregenden Tönen im Wahnsinn tobender Frauen zur Verfügung hat. Der Stoß der Bö traf un» voll in die Seite. Er legte die Brigg so nach Le« über, daß ihre Schanzkleidung in gleicher Höhe mit der See lag und da» vom Sturm aufgerissene Wasser die Luvseite so pritschte, daß ganze Schaumwände hoch am Takelwerk hinaufliefen. — Der schwarze Himmel senkte sich tiefer und wie Gespenster jagten dir Wolken an ihm hin. Würde die Brigg sich wieder aufrichten? — Sie lag da wie ein Baumstamm, den die Wuth de» Orkans gefällt hat; jeder Augenblick schien ein Jahr. — Auf der Wetterseite deS Vorder deck» stehend, fühlte ich die ganze Kraft und Gewalt unseres Peinigers, und wahrhaftig, hätte ich das Geländer loSgelassen, an welchem ich mich hielt, so würde ich über Bord geflogen sein wie ein Stück Papier. Wenn der alte Windwärts Befehl« gegeben hat, so kann ich eben nur sagen, daß ich sie nicht gehört habe. Welche mensch liche Stimme hätte auch diese» Getöse durchdringen können, da» an der sich aufbäumenden Oberfläche des Meere» entlang donnerte und noch verstärkt wurde durch das Aechzen, Stöhnen, Knarren und Krachen der Masten und ein entsetzliche» Conccrt im Takelwerk, wo jedes Tau, eine gigantische Harfensaite bildend, den titanischen Fingern des Sturmteufels diente, seine satanische Sarabande darauf zu spielen. Plötzlich hörte ich einen Knall, als wenn der Blitz ein geschlagen hätte. — In die Höhe blickend, bemerkte ich, daß das große Marssegel bis zum Reff mitten durchgeplaht war und in einem ungeheuren Spalt auftlafft«. Im nächsten Augen blick sah ich nur noch einzelne kleine Fetzen des Segels an seinem Umfassungstau wild flattern. Wenn der Verlust des Segels auch ein Unfall war, so glaube ich doch beinahe, daß n das Schiff rettete, denn dasselbe fiel sofort ab und richtete sich auf. — Jetzt trug uns der Wind den Ton der Stimme des Maats zu. Sein Befehl führte uns au die Fockbrassen der Luvseite, wir holten die Raaen Vierkant, und wie ein Pfeil vom Bogen schossen wir gleich danach vor dem Sturm her. Dies war der schmuste Orkan, den ich bisher erlebt hatte. In der Bai von Bengalen hatte ich es einmal mit durchgemacht, wie «in Typhon das Schiff, auf d«m ich war, mit seinem äußeren Rande gefaßt hatte, und wir hielten denselben für einen entsetzlichen Sturm; ab«r er dauerte nur etwa eine Stunde, und so heftig er war, war er doch nicht mehr als eine starke Brise im Vergleich mit dem Sturm, der uns jetzt jagte. Eapitain Franklin stand am Kompaß und beobachtete die Richtung, in welcher wir getrieben wurden. Das Schlimmste an diesen Orkanböen ist, daß sie sich zuweilen plötzlich legen, dann aber ebenso plötzlich mit verdoppelter Wuth auf der entgegen gesetzten Seite aufspringen und da» Schiff zurückwerfen. Inzwischen hatte der alte Windwärts einige Mann ins Takel werk geschickt, um zu befestigen, waS von dem großen Mars? segel noch übrig war. Der Orkan peitschte direct aus Westen, daher stürmten wir Hals über Kopf nach Osten. Als die Leut« von der Raa wieder herunter kamen, war der Eapitain vermuthlich mit seinen Berechnungen betreff» unseres Eursek fertig, denn wir wurden an die Starbordbrassen geschickt, um den Wind so viel Backbord zu bringen, daß wir Ost-Nord-Ost steuern konnten. Durch dieses Manöver, welches uns ganz vor den Wind brachte, war die Wirkung des Sturme» auf da» Schiff nicht mehr zu vergleichen mit derjenigen, als er es von der Seite traf, es umlegte und festhielt. Jetzt floh es vor ihm her unter dicht gerefftem DormarS- und Dorstengen-Stagsegel, bei einem Seegang, der unter den obwaltenden Umständen nicht der Rede Werth war. Die Bö schien die schreckliche Dünung ausgeglichen zu haben; an ihrer Stelle waren es jetzt weißschäumendc Wogen, die mit unheimlichem Schein durch die Schwärze der Nach: leuchteten. Nach kurzer Zeit brüllte de: Maat uns zu, das Vormarssegel zu beschlagen. — Das war ein böser Befehl. Es lag etwas in dem Tosen und der Gewalt de» Orkans, was selbst die Er fahrensten unter unS in Schrecken versetzte. Das Beschlagen des Segels war eine verzweifelte Arbeit. Trotzdem an jevem Läufer die doppelten und dreifachen Kräfte gegen sonst zogen, brauchten wir Alle zusammen doch eine halbe Stunde, um die Leinwand einzurollen. Der Bauch des Segels war wie von Eisen, wir schlugen mit unseren Fäusten dagegen und zerrten an den Sei- singen mit fast übermenschlicher Anstrengung. Beinahe hätten wir die Sache als hoffnungslos aufgegeben, doch schließlich gelang uns das Werk. Kaum, daß wir uns einigermaßen verpustet hatten, erschallte schon der neue Befeyl, das gereffte Groß-Stagsegel wieder zu setzen. Das gelöste Segel kam nieder, die Brassen wurden nach gelassen und der Curs des Schiffe» nördlicher gerichtet. Hier durch erhielten wir den Wind etwas schräg von der Seite. Die See war allmählich schwerer geworden. Die mächtigen Wogen strömten in rascher Aufeinanderfolge auf un» zu, und daS Deck schwamm fortwährend unter den Wassermassen, welche die Kämme der Wellen auf dasselbe warfen. „Nun", dachte ich, „wenn dieses Wetterchen noch eine Weile anhält, dann wird Miß Franklin wohl verstehen lernen, was die Leute damit meinen, wenn sie von berghohen Wellen sprechen." Der Eapitain befahl jetzt, beizudrehen. Infolgedessen wurde die Brigg dicht beim Winde gelegt und aller Segel entkleidet bis auf ein gerefftes Stagsegel. Da lagen wir nun, gehoben von den schweren Seen, bi« jetzt heranrollten, gegen unfern Bug dröhnten und Säulen von Gischt über uns ergossen. Heuleich, pfeifend, brausend fuhr der Sturm durchs Takelwerk, aber wir machten keine Fahrt, fast aus derselben Stelle blieb die Brigg liegen. Kurz nach vier Uhr brach die Morgendämmerung beinahe hinter uns an, so daß unser Bugspriet jetzt direct nach der Seite stand, au» welcher der Orkan gekommen war. Da- dunkle schäumende Wasser, welche» im Westen noch schwärzer und düsterer erschien, bot einen trübseligen Anblick. Wie ein bleiches Gespenst stieg die Sonne empor, ohne Wärme in ihrem Licht und ohne Kraft, der tobenden Wasserwüste einen Glanz zu ver leihen. Noch waren wir alle Mann auf Deck, aber todtenblrich vor Ueberanstrengung und Müdigkeit sahen wir au», wie dem
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