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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.10.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-10-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981019013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898101901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898101901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-10
- Tag1898-10-19
- Monat1898-10
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Di» Morgen-Ausgabe erscheint um '/,? Uhr, die Abeud-AuSgabe Wochentags um b Uhr. Uedactio» und Erpeditio«: Johanncsgasse 8. Dir Expedition ist Wochentag- ununterbroche» geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Filialen: ktto Klemm's Sortim. (Alfred UniversitätSsrraße 3 (Paulinuss'), LoniS Lösche, Aatharinenstr. 14, part. und KSrigSplatz 7. BezugS-Prel? In der Hauptexpeditton oder den i« Stadt» bezirk und den Vororten errichteten Aus- aabrstellen abgeholt: vierteljährlich 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung io« Hau» b.bO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertehädrlich L.—. Direkte tägliche Kreuzbandieuduug ins Ausland: monatlich 7.50. 531. Morgen-Ausgabe. UripMer Jagcklalt Anzeiger. Ämtsölatt -es Königlichen Land- nn- Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes un- Nolizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. Mittwoch den 19. October 1898. AnzeigenPreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Neclamen unter dem Redaction-strich (»ge spalten) 50^, vor den Famtlirnnachrichtet (6gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- ve^zeichniß. Tabellarischer und Zisfernsatz nach höherem Taris. Htra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne PostbefSrderung ^l vO.—, mit Postbesürderung 70.—. Annahmeschluß sur Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je ein halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an d> Expedition zu richten. Druck und Verlag von L. Pol» kn Leipzig. 92. Jahrgang. Die Novelle zur Invali-ttätsversicherung. Di« Vorlage zur Revision der Jnvaliditäts- und Alters versicherung ist, wie mitgetheilt, dem Bundesrathe zugegangen. Ueber den Inhalt wird officiös berichtet: In der Vorlage wird zunächst ein neuer Weg zum finanziellen Ausgleich der verschieden artigen Belastung der einzelnen Ver sicherungsan st alten gesucht. Unter der Herrschaft der reichsgesehlichen Freizügigkeit ist nach den untrüglichen Er gebnissen der letzten Volkszählung ein beständiger und umfang reicher Wegzug von jüngeren Personen aus einzelnen deutschen Landestheilen nach den großen Städten und industriellen Centren eingetreten. Diese Erscheinung mußte selbstverständlich auf dem Gebiete der Jnvaliditäts- und Altersversicherung eine stärkere Belastung derjenigen Bezirke herbeiführen, denen in Folge dieser Wanderungen die alten der Invalidität nahen Leute verbleiben, während sie die jüngeren kräftigen Arbeiter äbgeben müssen. Eine Reihe von Versicherungsanstalten würde bei der jetzigen Verthcilung der Lasten unbedingt zu einer Erhöhung der Beiträge übergehen müssen, während in den industriellen Be zirken deren Herabsetzung erfolgen könnte; die Versicherungs beiträge würden hiernach innerhalb Deutschlands von der am l. Januar 1901 beginnenden Beitragsperiode ob zwischen dem 2 Zfachen Betrage der jetzigen Sätze und einem Betrage schwanken, welcher sich etwa nur auf 10 Proc. der jetzigen Sätze belaufen würde; mit anderen Worten: bei unveränderter Ge setzeslage hätte in Folge der verschiedenartigen Entwickelung, welche die Altersgruppirung der versicherungspflichtigen Be völkerung in den Anstaltsbezirken genommen hat, vom Jahre 1901 ab der durchschnittliche Wochenbeitrag für einen Versicherten zu betragen in dem ungünstigst gestellten Bezirke etwa 38H H, in dem günstigst gestellten etwa 23 Als Eorrelat der Freizügigkeit ergiebt sich hiernach das un abweisbare Bedürfniß, die unter der Verschiebung der Bevölke rung zu Gunsten anderer Landestheile schwer leidenden Bezirke vor einer weiteren Benachtheiligung auf dem Gebiete der In validenversicherung thunlichst zu schützen, wenn diese ge meine Reichslast eine gleiche für alle Reichs angehörigen bleiben soll. In dieser Maßregel liegt auch die unerläßliche Voraussetzung für die etwaige spätere Gewährung weiterer oder größerer Leistungen auf dem Gebiete der Arbeiterversicherung. Irgendwelche Erhöhungen oder Er weiterungen dieser Leistungen sind finanziell ausgeschlossen, so lange die Lasten der jetzigen Einrichtungen in so verschiedenem Maßstabe auf die einzelnen Anstalten zurückwirken. Wenn hiernach an der Nothwendigkeit eines baldigen finanziellen Aus gleichs zwischen den einzelnen Versicherungsträgern zur Wahrung des Charakters der Invalidenversicherung als einer einheit lichen Einrichtung des Reiches festgehalten werden soll, so ist doch für die Durchführung dieses Ausgleiches ein Weg gewählt, welcher die Einwendungen zu beseitigen sucht, die der früheren Vorlage entgegengehalten wurden. Bekanntlich ging letzter« dahin, daß die gesammte Rentenlast ohne weitere Unterscheidung von allen Trägern der Versicherung zur Hälfte gemeinsam getragen und auf dieselben nach Verhältniß ihres Ver mögens vertheilt werden sollte; für einzelne Bundesstaaten sollte im Falle des Bedürfnisses der gemeinsam zu tragende Antheil bis auf Z der gesammten Rentenlast erhöht werden können. Da hierbei alle Träger der Versicherung an der gesammten Ver mögensverwaltung jedes Einzelnen unter ihnen ein lebhaftes Interesse hatten, so war in Folge dieser Gestaltung des finan ziellen Ausgleiches zugleich eine wesentliche Verschärfung der Aufsichtsbefugnisse vorzusehen. Demgegenüber will zwar auch drr neue Entwurf das Vermögen sämmtlicher Anstalten zur gemeinsamen Tragung der Reichs-Versicherungslast in Anspruch nehmen und rechtfertigt dieses Vorgehen durch einen noch zwingenderen Beweis dafür, daß die hervorgetretenen Ungleich heiten ausschließlich oder doch ganz überwiegend in den natür lichen, der Einwirkung des einzelnen Versicherungsträgers ent zogenen Verhältnissen begründet sind. Aber zu dieser Aus gleichung soll nach dem jetzigen Entwurf nicht mehr das ganze Vermögen, sondern nur ein entsprechender Theil des Vermögens eines jeden Trägers der Dersicherungspflicht herangezogen werden, während der Rest jeder Anstalt zur freien Verfügung verbleibt. Die Gesammtbelastung aller Anstalten wird hiernach in eine Gemeinlast und in eine Sonder la st getheilt; für erstere haftet ein als Gemeinvermögen auszusondernder Theil des Ver mögens der einzelnen Anstalten, für letztere dagegen der Rest des Vermögens jeder Anstalt als Sondervermögen. In dem jenigen Verhältniß, in welchem die Gemeinlast zur Gesammt- last steht, werden das Vermögen jedes Versicherungsträgers und die dem letzteren zufließenden Beiträge in ein Gemeinvermögen und ein Sondervermögen getheilt. Der Gemeinlast und dem zu deren Deckung bestimmten Gemeinvermögen werden die Grundbeträge der Invalidenrenten und die diesen Grund beträgen fortab gleichkommenden Altersrenten zugcwiesen, weil diese von den E i n z e l b e i t r ä g e n unabhängig sind, di»e Verschiedenheiten also vorzugs weise hervorgerufen haben. Die übrigen Lasten (Steigerungsbeträge der Invalidenrenten, Beitragserstattungen, Verwaltungskosten), welche theils von der Zahl und Höhe der Beiträge abhängen, theils arbiträrer Natur sind, entfallen auf das Sondervermögen. Das Verhältniß, in welchem die Ge- sammtlast zur Sonderlast und demgemäß der für das Gemein vermögen zu verwaltende Theil des Vermögens jeder Anstalt zu deren Sondervermögen steht, ist rechnungsmäßig auf 6 zu 4, d. h. auf */» zu ermittelt. Jeder Versicherungsträger soll also r/z seines Vermögens und der Beiträge der Gemeinlast Vor behalten, während die übrigen ?/z seiner Svnderlast dienen. Die Trennung hat nur buchmäßig stattzufinden. Dem von ihr ver walteten Theil des Gemeinvermögens führt jede Anstalt Zinsen nach einem einheitlich vom Bundesrath zu bestimmenden Zinsfuß zu, während die etwa mehr erzielten Zinsbeträge dem Sonder vermögen zuwachsen. Die rechnerische Ausgleichung erfolgt durch die Rechnungsstelle des Reichsversicherungsamtes. Diese Re gelung ist für die erforderliche Ausgleichung hinreichend Wirk sam, beläßt jedem Träger der Versicherung ein lebhaftes Inter esse an sparsamer Verwaltung, sichert gleich hohe Beiträge bei allen Versicherungsanstalten und gestattet insbesondere, deren Selbstverwaltung von den bei der vorjährigen Vorlage mit großem Nachdruck beanstandeten einschneidenden Aufsichtsbefug nissen der Staats- und Reichsbehörden zu befreien. Die Be stellung von Staatscommissaren würde in Fortfall kommen. Von großer Bedeutung ist ferner di« in der Vorlage vor gesehene Errichtung örtlicher Renten st eilen für kleinere Bezirke. Nach der jetzigen Organisation ist den bureaukratisch eingerichteten Centralstellen für die räumlich aus gedehnten Anstaltsbezirke die Wahrnehmung aller Obliegen heiten übertragen; die Rentenfeststellung, die Controle der Rentenempfänger und der Beitragsentrichtung, dir Beitrags erstattungen, die Rentenentziehung, Alles wird von jener ent fernten Centralstelle aus besorgt, welche für die betheiligte Ar beiterbevölkerung so gut wie unerreichbar ist. Insbesondere bei der Rentenfestsetzung oder Rentenrntziehung wird das thatsäch- liche Material von den örtlichen Staats- und Communalbehörden gesammelt, welche bei ihrer bekannten Ueberlastung selten in der geschäftlichen Lage sein werden, den einzelnen Nentenfall so zu individualrsiren, wie dies sowohl im Lebensinteresse des Renten empfängers wie im Hinblick auf die finanzielle Verantwortung der Versicherungsanstalt erwünscht ist. Der räumlich entfernte Versicherungsvorstand entscheidet hiernach über die Gewährung und Entziehung von Renten lediglich auf Grund der Acten. Findet sich der Versicherungspflichtige durch diese Entscheidung benachtheiligt, so wird er bei dem geringen Geschäftsbetriebe der örtlichen Schiedsgerichte und der hiermit zusammenhängenden verhältnißmäßig seltenen Anberaumung von Sitzungen in der Regel erst nach Monaten in der Lage sein, bei dieser, den localen Verhältnissen näherstehenden Behörde, welcher Arbeitgeber und Arbeitnehmer angehören, seinen Anspruch persönlich zu vertreten. Demgegenüber will der Entwurf zur Erledigung aller oben- bezeichneten Geschäfte und namentlich zum Zwecke der Renten festsetzung in der Localinstanz besondere örtliche Organe der VersicherungsMnstalten errichten, welche auf Grund der von ihnen vorzunehmenden tatsächlichen Fest stellungen unter Zuziehung von Vertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Gewährung und Entziehung von Renten selbstständig entscheiden. Durch diese weitgehende Decentrali- sation würde den Arbeitern die Gelegenheit gewährt werden, ihre Ansprüche vor der Rentenstelle persönlich zu vertreten und damit sich selbst zu überzeugen, daß ihre Behauptungen gehört und im Einzelnen geprüft sind. Hierdurch wird aber ferner auch die Möglichkeit geboten, den Arbeitern über alle auf die Jnvaliditäts- und Altersversicherung bezüglichen Angelegen heiten eingehende sachverständige Auskunft zu ertheilen und das Verfahren der Rentenfestsctzung wesentlich zu beschleunigen. Gegen die Entschließung der örtlichen Rentenstelle würde demnächst umgekehrt wie bisher die Berufung an Bezirks- Schiedsgerichte — und zwar für die Versicherungs- Anstalt wie für den Rentensucher — offen stehen, deren Ent scheidungen eine in der Localinstanz gefällte, auf der örtlichen Ermittelung der Verhältnisse begründete Vorentjcyeidung zu Grunde läge. Es ist sicher anzunehmen, daß sich bei dieser Ver legung der Schwerkraft der Entscheidung in örtliche Instanzen die Zahl der Revisionen und Berufungen wesentlich vermindern und damit eine Quelle persönlicher Verstimmung und wirth- schaftlicher Benachtheiligung beseitigen lassen wird, welche in der häufig monatelang hinausgeschobenen Entscheidung der Schieds gerichte über begründete oder unbegründete Rentenansprüche liegt. Deutsches Reich. /?. Berlin, 17. October. („Großstadt-Herbst".) Die Jahreszeit dient der bündlerischen „Deutschen Tages zeitung" als Anlaß, gegen die Bewohner der deutschen Großstädte und gegen die Früchte ihres Fleißes Kleinstädter und Landleute durch Entstellungen einzunehmen, die jedem socialdemokratischcn Blatte zur Zierde gereichen würden. Das „tiefe Dunkel der Höfe und Hinterhäuser" wird gegenüber gestellt dem „blassen, zudringlichen Lichte" aus den Strafen,' welches „das tiefe Elend nebenan nur noch gvcruser und größer" erscheinen lasse; in den Schaufenstern dient die „meiste Pracht der Täuschung", Schönheit und Tüchtigkeit „gehen fast verloren in dem jahrmarktsmäßig aufgeputzten Schunde"; die Großstadtmenschen „eilen in hetzender Hast von Geschäft zu Geschäft, entweder getrieben von der Peittche des Hungers oder gejagt von der Sucht nach «dem rochen Golde"; alle haben „fast nur das eine Ziel: zu erwerben, um zu genießen oder neue Genüsse zu suchen". In der Kleinstadt und auf dem Lande dagegen sieht die „Deutsche Tagesztg." Alles „friedlich und freundlich, heimlich und häuslich", daher wird „der Lenz vom Lande her den Großstadt-Herdst überwinden". — Wer wird leugnen, daß Unrast, Laster, Elend und gefälschter Glanz vielfach gerade in der Großstadt zu finden sind? Aber zu behaupten, jenes Vierblatt allein bilde das charakteristische Merkmal der Großstadt; zu behaupten, Kleinstadt und Lanv ständen als Stätten des Glückes und der Reinheit gewissermaßen in idealer Vollkommenheit der Großstadt gegenüber: das bringr nur Jemand fertig, dem die zielbcwußte politische Heuchelei zur zweiten Natur geworden ist. Tüchtige, ehrliche Arbeit, die ihren Mann nährt, reges Streben nach Erweiterung der Kennt nisse und Fertigkeiten, das ein stetiges Vorwärtskommen oer bürgt, sind in der Großstadt ganz gewiß nicht seltener als sonstwo im Lande. Niedrige Genußsucht aber ist — darüber geben die Verhandlungen der Synoden, die Schriften über die Sittlichkeit auf dem Lande und die Kriminalstatistik Auskunft — keineswegs auf die Großstadt beschränkt. Der Zufall will es, daß gerade an demselben Tage, an dem die „Deutsche Tagest zeitung" ihre ländlichen Leser in verhängnitzvolle Selbsttäuschung zu versetzen sich bemühte, die Vertreter wirthschaft- lich er Körperschaften Rheinlands und West falens einen Beschlußantrag gegen die Ueberhandnahme öffent licher Lustbarkeiten annahmen. Aus Allem, was bisher in dieser Beziehung bekannt geworden ist, weiß man, daß die Zustände in den Dörfern und Kleinstädten Maßnahmen gegen die Ver gnügungssucht ebenso angezeigt erscheinen lassen, wie die groß städtischen Verhältnisse. Ein zweiter Zufall fügt es, daß eben ein Bericht der englischen Consuln über die Ge fährlichkeit der deutschen Concurrenz bekannt wurde; er yiebt den richtigen Maßstab zur Beurtheilung des „jahrmarktsmäßig aufyeputzten Schundes", den die „Deutscbe Tagesztg.", das Organ „für deutsche Arbeit in Stadt und Land", in den Schaufenstern der großstädtischen Läden zu erblicken behauptet. Berlin, 18. October. (Biologische Abtheilunz für Land- und Forstwirthschaft.) Auf Anregung des Reichstages bat bekanntlicb die ReichSregiernng eine neue biologische Abtheilung für Land- und Forstwissenschaft ins Leben gerufen, die dem kaiserlichen Gesundheitsamte an gegliedert worden ist. Die Einrichtung dieser Institution bat nun bereits bedeutende Fortschritte gemacht. Es ist dem Leiter deS Gesundheitsamtes gelungen, eine Zahl fachwissen' schaftlich hervorragender Männer für dieselbe zu gewinnen. Zur Zeit Hebören dem neuen Institute an: Herr Neg.-Rald vr. Moritz, bekannt durch seine Forschungen auf dem Gebiete der Rebenschadlinge, in dessen Stelle an dem bereits bestehenden chemischen Laboratorium Privatdocent vr. Kerp aus Göttingen tritt. Als Zoologe ist für die neue Station Herr Professor vr. Rörig aus Königsberg gewonnen, dessen Arbeiten über verschiedene Vögelarten, sowie dessen Leitfaden für das Studium der Insekten und entomologischen Unterrichtstafeln ihn in weiten Kreisen bekannt gemacht haben. Derselbe ist zur Zeit von der Reichsregierung nach Amerika gesandt worden, um dort an Ort und Stelle über die San Iosö-SchildlauS eingehende Studien anzustellen. Neuerdings sind als Bakteriologe Professor vr. Behrens von der Großherzogl. badischen landwirthschaftlicken botanischen Versuchsanstalt zu Karlsruhe, sowie der in der Forstbotanik rühmlichst bekannte Privatdocent Freiherr von Tubeuf aus München eingetreten. * Berlin, 18. October. Zur deutschen Doctor- Promotion veröffentlicht die „Ehemiker-Zeitung" in Cölhen einen beachlenSwertben Artikel. Die genannte Zeitung kämpft für die Einführung einer Staatsprüfung für Chemiker und hält e» für selbstverständlich, daß als Vorbedingung zur Zu lassung, wie namentlich für die Staatsprüfung, das Reife- zeugniß eines Gymnasiums, Realgymnasiums oder einer Oberrcalschule gefordert werden müßte. Im Zusammenhang damit erscheint es ihr als ein arger Mißstand, daß der Joseph Joachim in Leipzig. Von Andreas Mos« r.*) Die ehrwürdige Cantorenstadt an der Pleiße war schon seit mehr als hundert Jahren eine Pflegcstätte ernster und guter Musik gewesen, als Felix Mendelssohn-Bartholdy im August 1835 die Leitung der Gewandhaus-Concerte daselbst übernahm. Während es jedoch seit Bach's Tode an einem überragenden Geiste gefehlt hatte, der die mannigfachen centrifugalen Kunst kräfte zu einem ersprießlichen Gedeihen hätte zusammenfassen können, gelang «S Mendelssohn schon nach Ablauf weniger Jahre, Leipzig zum musikalischen Centrum Deutschlands, ja der ganzen Musikwelt zu erheben. Getragen von dem lauteren Wunsche, 'seiner über Alles geliebten Kunst «in wahrer Diener und echter Priester zu sein, setzte er die ganz« Thatkraft, den vollen Enthu siasmus seiner sechsnndzwanzigjahrigen Künstlers«!« an die ge stellt« Aufgabe und hatte die freudige 'Genugthuung, für sein hohes Streben allseitig fördernde Aufmunterung, für di« erzielten glänzenden Resultate bereitwilligste Anerkennung zu finden. Eine seltene Vereinigung von schönen menschlichen und edlen künstlerischen Eigenschaften prädestinirte ihn geradezu für seine bedeutungsvolle Mission. Fußend auf völliger materieller Un abhängigkeit und nn Besitz einer umfassenden Geistesbildung, hatte «r sich in jugendlichem Alter schon einen Künstlernamen errungen, wie er sonst nur den Allergrößten seiner Kunst in reiferen Jahren beschieden zu sein pflegt. Uebrrall da, wo seine Werke aufgefllhrt wurden, nannte man alsbald seinen Namen mit Jubel und Begeisterung; wo er al» Llavierspieler auftrat, flogen ihm die Herzen von Jung und Alt in gleicher Weise entgegen, und wenn er als Dirigent das Podium bestieg, konnte er in gleichem Maß« der hingebmdsten Bereitwillig Kit de» ChorS, wie deS liebevollsten Entgegenkommen» feiten» drr Orchester mitglieder sicher sein. Mit der Gründung de» Conservatorium», April 1843, er öffnete sich Mendelssohn eia neue» und reiche» Feld für seine *) Aus einem demnächst im Verlage von D. Vehr, Berlin ^., erscheinenden Buche »Joseph Joachim. Ein Lebentdikd" von Andrea« Moser. künstlerische Thätigkeit in Leipzig. Robert Schumann, Moritz Hauptmann, Ferdinand David und Ehr. A. Pohlenz halfen ihm mit hingebendem Eifer das junge Kunstinstitut in Kurzem zu einer musikalischen Pflanzstätte ersten Ranges zu erheben. Und mit Recht konnte Schumann damals sagen: „Es giebt in Deutsch land, vielleicht in der Welt, keinen besseren Ort für einen jungen Musiker als Leipzig." Unter den dtelon Kunstjüngern, di« nach der Cantorenstadt pilgerten, um auf dem dortigen Lonservatorium ihre musikalischen Studien zu betreiben, war der zwölfjährige Joseph Joachim der Ersten einer. „Er war", mit Moritz Hauptmann zu reden, „mit viel Talent früh zu guter, stetiger Schule bei Joseph Böhm in Wien gekommen", der ihn nach dreijähriger Lehre im Vollbesitze eines allen Schwierigkeiten gewachsenen technischen Könnens ent lassen hatte. Wie fünf Jahre vorher Joachim's Cousine, Fräulein Fanny Figdor, die unmittelbare Veranlassung zu der Uebersiedelung des Wunderkindes von Pest nach Men gewesen war, so bot die kunst- vrrständiae Dame nun, da sie sich mit dem Kaufmann Witgen- stein in Leipzig vermählt hatte, ihren ganzen Einfluß auf, daß der Knabe zur weiteren künstlerischen Entwickelung dahin geschickt werd«. Frau Witgenstein sagte sich mit vorahnender Gewißheit, daß Leipzig der einzig« Ort sei, wo sich die herrlichen Anlagen ihre» jugenldlichen Vetters zur künstlerischen Reife entwickeln konnten, und so schon wir rhn denn im Frühjahr Paselbst eintreffen. Mendelssohn, dem der Knabe alsbald zugeführt wurde, unter zog ihn einer ebenso eingehenden wie gründlichen Prüfung, indem er sich einige Geigensolt anhört«, mit ihm die Kreuzer-Sonate von Beethoven spielte uiü> ihn einige Aufgaben rn der Hcirmoni« auSfiihren ließ. Und da» Resultat dieser Prüfung seitens MendelSsohn'S lautete für die verblüfften Verwandten: „Drr Posaunenengel hat für sein Instrument kein Conser- vatorium mehr nöthia, überhaupt keinen Lehrer im Biolinspirl. Er könne getrost für sich allein weiter arbeiten und von Zeit zu Zeit David etwa» Vorspielen, um dessen Rath und Urtheil zu Höven. JmUebrigen wolle er selber öfter» und rraelmäßlg mit dem Jungen mvsiavon und ihm sein künstlerischer Derakher in musi kalischen Dingen fern. Der Junge habe aber auch seine Harmonie- Aufgaben so anstandslos und fehlerfrei gelöst, daß er dringend rathe, diese Studien bei Hauptmann fortzusetzen, damit er Alles lerne, was man später von einem rechten Künstler verlangen könne und müsse. Den weitaus größten Werth jedoch lege er darauf, daß der Knabe sorgfältigen und gründlichen Unterricht in wissen schaftlichen Fächern erhalte, und er selber wolle dafür Sorge tragen, daß dieser von kundiger und berufener Seite ertheilt werde." Dieser Bescheid war nun freilich für Witgensteins^md den kleinen G«iger eine Enttäuschung, aber eine so angenehme, schmeichelhafte und vielverheißende für des Knaben Zukunft, daß die Betheiligten frohen Muthes sein durften. Witgensteins, bei denen der Knabe während der ersten drei Jahre seines Aufenthaltes in Leipzig wohnte, ließen es sich angelegen sein, Mendelssohn's Rachschläge auf das Genaueste zu befolgen. Magister Hering, Candidat der Theologie, war von ihm als wissenschaftlicher Lehrer vorgeschlagen worden, eine ideal veranlagte, überaus feinsinnige Gelehrt«nnatur, die dem lern begierigen Knaben ein Erzieher im schönsten Sinne deS Wortes wurde. Joachim gedenkt in treuer Liebe und Dankbarkeit d«S schlichten, anspruchslosen Mannes, der hoch oben auf dem Thurm der alten Pleißenburg in einem vom Astronomen MöbiuS ab- gemietheten Dachkämmerlein hauste. H«ring war aber neben seiner Gelahrtheit auch eine durch und durch musikalische Natur, die sich besonders an den hehren Werken Bach's und Beethoven s begeistern konnte. In jüngeren Jahren im Besitz einer angenehmen Tenorstimmc, hat er oft genug bei öffentlichen und privaten Aufführungen als Solist oder im Chor mitgewirkt und sich Mendelssohn'- warme Anerkennung er worben. Dieser treffliche Mann unterwies nun den Knaben im Lateinischen, in Geographie und Geschichte, Literatur und Re ligion. Besonders der Unterricht in der letzteren hatte für Joachim di« bedeutsamsten Folgen, denn Magister Hering stand zwar auf dem festen Boden reinen, gläubigen LhristenthumS, war aber ein abgesagter Feind starrer Dogmatik und tobten Buch stabenglaubens. Vielmehr war es ihm darum zu thun, seinem Schüler die verklärte Gestalt des Stifters unserer Religion und seine erhabene Lehre vom rein ethischen Standpuncte zu er läutern, mit strengster Vermeidung jeglichen ProselytenthumS. AuS diesem Grunde hat er e» vorgezogen, statt die Kanzel zu be treten, Privataelehrter zu bleiben, bis er im VerlagSbause von Breitkopf Härtel eine Stellung fand, die seinen Fähigkeiten entsprach und den bedürfnißlosen Mann gleichzeitig genügend un abhängig ließ, um seinen idealistischen Neigungen nachgehen zu können. Zu gleicher Zeit begannen Joacküm's theoretische Studien bei Moritz Hauptmann, dem vornehmen Musiker und grund gelehrten Denker. Er war Cantor an der ThomaSschule und, wie schon angeführt, einer der Mitbegründer des Leipziger Kon servatoriums. In beiden Stellungen hat er sich die unein geschränkte Anerkennung und Bewunderung Derer erworben, die über seine, allem äußerlichen Prunke abgcwandte Thätigkeit und Wirksamkeit ein Urtheil haben konnten. Eine Reihe von tiefsinnigen, wissenschaftlichen Abhandlungen über musikalische Kunstfragen und speciell sein Hauptwerk „Die Natur der Harmonik und Metrik" sichern ihm den Ehrenplatz des be deutendsten Musiktheoretikers unseres Jahrhunderts. War nun Joachim damals auch noch jung, um all' die Vor theile, die die Unterweisung eines so ausgezeichneten Lehrers ge reifteren Schülern bieten konnte, voll auszunützen, so verdaut: er ihm doch seine gründlichen Kenntnisse in Harmonie uns Contrapunct, di« ihn bald befähigten, sich an freie und selbst ständige Arbeiten heranzuwagen. Besonders der warme, liebe volle Ton, mit dem .Hauptmann seinen kleinen Zögling zu ernster Arbeit vnleitet«, sein« Gewissenhaftigkeit und Pünktlichkeit im Unterricht leben in treuer Erinnerung des gereiften Künstlers, der stets für den Meister eine aufrichtige Verehrung im Herzen trug. Und nun zum Geigen! Dem Rathe Mendelssohn's folgens, studirte der Knabe fortab auf eigene Faust drauf los, nur von Zeit zu Zeit Ferdinand David um Rath angehend bei Stücken, die er entweder noch nicht gehört oder in Wien noch nicht vor genommen hatte. Ferdinand David (1810—1873) war. Alles in Allem ge nommen, ein bedeutender und vielseitiger Künstler. Musikalisch und geigerisch hervorragend veranlagt, konnte sich Mendelssohn gar keinen gewandteren und schlagfertigeren Concertmeister wünschen, al» diesen seinen Jugendfreund, der gleich ihm eine sorgfältige Schulbildung genossen hatte. WaS seinen Namen der Nachwelt am längsten erhalten wird, sind seine Ausgrabungen älterer Kammermusik für Violine, die er „zum Concertgebrauch und für den öffentlichen Vortrag" eingerichtet hatte. Leider muß aber ausgesprochen werden, daß seine Verdienste in diesem Punct wesentlich beeinträchtigt werden durch die Art und Weise, wie er seine „Bearbeitungen" und „Einrichtungen" ausgeführt bat. Durch pietätlose Aenderungen, Hinzufügen von Schnörkeln und ausgeklügelten DortragSnuancen, Anbringung von Kadenzen, I die ganz gegen den Charakter der betreffenden Stücke verstoßen, I durch das Einschmuggeln einer Unmenge von raffinirten dyna- I mischen Schattirungen hat er wohl die Werke der alten Meister I für den Geschmack gewisser „moderner" Leute seiner Zeit zu»
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