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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.09.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-09-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980908018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898090801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898090801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-09
- Tag1898-09-08
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Hie Morgen-Ao-gabe erscheint um '/,? Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentag- um b Uhr. Filialen: ktt» Me«m'S S-rtim. (Alfred Hahn), UniversitLk-strahe 3 (Paulinus-), LouiS Lösche, Katharinen str. 14, Part- und König-Platz 7. Ne-artion nnd Lrpe-itio«: JohauneSgasse 8. Die Expedition ist Wochentag- onunterbroche« geöffnet vou früh 8 bt- Abends 7 Uhr» Bezugs-PreL* iu her tzauptexpedition oder den im Stadt« öejirk und den Vororten errichteten Nu»> »«bestellen nbgrholt: vierteljährlich^ »ei zwetmaliaer täglicher Zustellung in« Lau» bbO. Durch dir Post bezogen sür Deutschland und Oesterreich: virrttljäbrlich ^l 6.—. Dirrct» tägliche Kreuzbandieadung in» Au-laud: inonatlich >4 7.bO. "155. Morgen-Ausgabe. KipMcr.TagMM Anzeiger. AMsUatt -es Hömglichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes «n- Nokizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. Donnerstag den 8. September 1898. Attreiaeu-Preis die 6 gespaltene Petitzeile -0 Pfg. Reklamen unter dem Redactionsstrich (4 g» spalten) bO^, vor den Aamilirnnachrichleu (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- v«7zeichuib. Tabellarischer und Zifsernjatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderuag X SO.—, mit Postbeförderung ^l 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Marge n«Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ei« halbe Stunde früher. Anzeige» sind stets an d> Expedition zn richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. S2. Jahrgang. Ireuxa vei. Der Zar wurde wegen der Abrüstungs-Kundgebung von zwei Seiten al- Plagiator hingestellt. Der Verleger der Frau Bertha von Suttner bemerkt zur Empfehlung des jüngsten Buche- dieser Dame, „wie eS fast scheine, sei dieses", da- Buch, „der Anstoß zur kaiserlichen Kundgebung geworden", denn der Zar habe die unermüdliche u. s. w. „fast wörtlich citirt". Diesem rein geschäftlich empfindenden Verleger tritt die da- Geschäft und die Politik vorthcilhaft mischende deutsche Svcialdemokratie zur Seite, indem sie im „Vorwärts" auS- rnfen läßt: „Welch glänzenderer Beweis für die Macht des SocialiSmus konnte erbracht werden, als daß sich der mächtigste aller Kaiser in die Nothwendigkeit versetzt sah, die von den internationalen (Socialisten-)Congressen in Brüssel und Zürich beschlossene Erklärung gegen den Militarismus anzuerkennen — I vor Allem, weil die Argumente des Selbstbeherrschers aller! Reußen so oft von uns angewandt wurden." Man I sieht, beide Beurtheiler wollen eS dem Zaren nicht nachtragen, daß er abgeschrieben, der „Vorwärts" deutet sogar an, baß die Note des Grafen Murawjew unter dem unwiderstehlichen Drucke deS SocialiSmus erlassen worden sei, er spricht von einer „Nothwendigkeit", die russische „Erklärung" abzugeben. Wir unsererseits glauben, daß das russische Cabinet durchaus nicht der Einwirkung eines psychologischen Zwanges unterlegen ist, sondern aus sehr freier Ent schließung und ohne Rücksicht auf etwas Anderes als russische Interessen gehandelt hat. Sollte es aber wirklich „nicht anders gekonnt haben", so wären es doch nicht die Socialisten, die sich rühmen dürften, ihm die Feder ge führt zu haben. Der Kampf gegen den „Militarismus", die Forderung nach dem ewigen Frieden sind Artikel, die sich die Socialdemokratie erst zugelegt hat, nachdem sie längst in anderen Handlungen zu haben waren. WaS Deutschland angeht, so haben sich hierin namentlich die Männer der jetzigen Freisinnigen Vereinigung, die Baumbach, Brömel, Rickert, auf Friedenskongressen hervorgethan, sie sind eS, mit deren Federn nun der „Vorwärts" seine Partei schmückt. Auf den „Friedenscongreffen der Bürgerlichen" ging eS freilich nicht immer friedlich zu, aber das war bei den internationalen socialdemokratischen Veranstaltungen noch weniger der Fall, und eS ist dreist oder unvorsichtig zu nennen, wenn der „Vorwärts" an den Züricher Eongreß erinnert, denn dort haben sich die französischen „Genoffen" so unfried fertig und kriegslustig gegen Deutschland gezeigt, daß die beschlossene Erklärung, auf die sich das socialdemokratische Blatt beruft, in der That als das erschien, als was der „Vorwärts" die Einladung der russischen Regierung bezeichnet bat, als ein Trick. Seitdem hat sogar im französischen Parlament ein Socialist, ohne von seinen Parteigenossen des- avouirt zu werden, Elsaß-Lothringen, d. h. den Krieg, ver langt und haben sich die deutschen Socialdemokraten auf einer Reffe durch Frankreich an den Grenzvfäblen, die die fran zösischen Genossen ihrer „Internationalität" und Friedensliebe gesetzt haben, mit den eigenen Köpfen stoßen müssen. Wer den ewigen Frieden ernstlich will, darf nicht in die Fußstapfen der internationalen Socialdemokratie treten, die dort, wo sic parla mentarisch am mächtigsten ist, ungescheut ihre Kriegslust verräth. Womit nicht gesagt sein soll, daß nicht auch gewisse deutsche, sowie viele dänische und englische Socialisten sich Kriege auszudenken vermöchten, die ihren Beifall hätten. Herr v. Egidy, der den „ColumbuS - Glauben" an den ewigen Frieden verlangt, hat ein schlechtes Bild gewählt. Der Entdecker steuerte hoffnungsvoll nach Westen und fand dort sein Glück, dem FriedenS- gedanken gähnt aber im Westen das sichere Grab, und das auch dann, wenn, waS Herr v. Egidy verlangt und was wohl auch geschehen wird, der Zar Kenntniß davon erhält, daß am 5. September 1898 im Berliner Concerthause die dortigen Friedensfreunde getagt und für den guten Zweck eine Rede des Herrn v. Egidy über sich haben ergeben lassen. Deutsch-englischer Vertrag. Die „Pall-Mall-Gazette" macht, wie wir der „Frkf. Ztg." entnehmen, weitere Mittheilungen über daS deutsch-englische Abkommen. Dasselbe, so behauptet vaSBlatt, erstrecke sich über verschiedene Puncte und schaffe eine Grundlage für die Regelung von Differenzen, die in irgend einem Theile der Welt über territoriale Fragen zwischen beiden Ländern ent stehen könnten. Das Abkommen sei hauptsächlich commerzieller Natur und sein Princip sei die Anerkennung gemeinsamer Handelsinteressen. Speciell schaffe es eine Verständigung über die Interessensphären in China und in Bezug auf den Eiscn- babnbau. Eine gemeinsame Linie von Tientsin nach Chinkiang solle mit deutschem und englischem Capital, daS von deutschen und englischen Banken aufzubringen sei, gebaut werden; die Verwaltung der Linie soll in Schantung deutsch sein, im Iangtsethale englisch, das Ganze aber eine gemeinsame Unternehmung. Deutschland unterstützt beim Tsung-Li- Hamen alle Forderungen Englands heziiglich des Eisenbahn baues im Iangtsethale und England unterstützt ebenso Deutschlands entsprechende Forderungen in der deutschen Sphäre. Daß Deutschland in Kleinasien Land erwerben wolle, sei unrichtig. Bezüglich Egyptens verhalte sich Deutschland zu England sympathisch. Ferner sei ein moäu8 vivendi gefunden in Bezug auf alle Fragen, die sich in Zukunft zwischen beiden Mächten erheben könnten. Positiv richtig an diesemGerede ist nur, daßDeutschland, wie wir schon feststellten, gar nicht die Absicht territorialer Erwerbungen in Kleinasien hat. Im Uebrigen weiß die „Pall Mall-Gazette" nicht mehr als der Portier im Londoner Auswärtigen Amte. Mit Bezug auf das deutsch-englische Abkommen wegen deS künftigen Schicksals der Delagoabai schreibt die officiöse „B-rl. Pol. Corr.": Unbeschadet des Körnleins Wahrheit, welcher den bezüglichen, theilweis recht sensationell austretenden Meldungen zu Grunde liegen mag, wird es sich doch empfehlen, den Andeutungen, als habe man es mit einem Bündniß beider Mächte in großem politi schen Stile zu thu», mit grundsätzlichem Skepticismus zu begegnen. Wer den Gang der deutschen Politik mit einiger Aufmerksamkeit verfolgt hat, wird sich wohl selber sagen, daß unfern Staatsmännern nichts ferner liegen mnß, als, gleichviel aus welchem speciellen Anlaß, irgend welche der allgemeinen Stellung Deutschlands präju- dicirliche bindende Verpflichtungen einzugehen. Was insbesondere die Delagoabai-Frage anlangt, so könnte cs sich, wenn nach der Richtung hin in der That etwas geschehen sein sollte, dabei keines- salls um Abmachungen handeln, welche etwa das Feld der inter- nationalen Politik, insbesondere die russisch-englischen Interessen sphären in Kleinasien, Egypten, in Ostasien rc. streiften. Wenn Deutschland sich zur Anerkennung in irgend einer Form der englischen vielfach bestrittenen Vorzugsansprüche auf die Delagoabai entschlossen haben sollte, so würde dieses den Engländern bezüglich der Delagoa bai bezeugte Entgegenkommen Deutschlands wohl sicher ausgewogen durch entsprechende wichtige und nützliche Cvmpensationen englischer seits in Südwestafrika, Ostafrika rc., wo die Interessen eines anderen uns befreundeten Staates ganz außer Spiel bleiben, während für die dort in Berührung stehenden deutsch-englischen Interessensphären eine den deutschen Bedürfnissen gerecht werdende Neuregelung der einschlägigen Verhältnisse wertbvoll genug er scheinen könnte, um als Compensationsobject für das diesseitige Entgegenkommen in Sachen der Delagoabai gelten zu dürfen. Daß bei einem eventuellen deutsch-englischen Abkommen wegen der Delagoabai die durch ein solches direct berührten Interessen der deutschen Industrie und des deutschen Handels in Südafrika volle Wahrung finden würden, kann angesichts der außerordentlichen Aufmerksamkeit und Rücksichtnahme, welche die Reichsregierung diesen Interessen überall widmet, nicht einen Augenblick in Zweifel gezogen werden. DaS entspricht im Allgemeinen den Anschauungen, denen wir schon wiederholt Ausdruck gegeben haben. Deutsches Reich. * Berlin, 7. September. Die unter dem Protectorate des Fürsten zu Wied zu Witzenhausen a. d. Werra eingerichtete Tolonralschule, deren Eröffnung bevorsteht, veröffentlicht in ihrem Prospekt folgenden Lehrplan: Es wird besonderes Gewicht auf die praktische Ausbildung gelegt; der theoretische Unterricht fällt vornehmlich in die beiden Winterhalbjahre, u. Allgemeine Pflanzenlehre, einschließlich Bodenlehre, Klimalehre und Düngerlehre, Betriebslehre, Buchhaltung, Maschinenlehre, Culturtechnik (Brückenbau, Wegebau, Wasserbau), specieller Pflanzenbau, Viehzucht und Molkerei; b. Anbau, Verarbeitung, Berwerthung und Preise der tropischen Culturpflanzen, Anlage von Pflanzungen: Gärtnerei, Obst- und Gemüsezucht, Weinbau, Waldwirthschaft; e. Geologie mit besonderer Berücksichtigung des tropischen Berg baues, Botanik (Physiologie, Anatomie, Systematik und Pflanzengeographie), Chemie mit praktischen Hebungen, Feld meßkunde und Planzeichnen, Tropenhygieine, Thierarzneikunde; ck. Geschichte und Geographie mit Bezug auf Colonisation, Völkerkunde, Cultur- und Religionsgeschichte, Missionsgeschichce, Colonialpolitik und Colonialverfassung, Völker- und Handels recht; 6. Sprachen: durch Privatunterricht, wozu Gelegenheit gegeben wird; (. Handwerke: Stellmacherei, Tischlerei, Boots bau, Zimmerei und Maurerei, Schlosserei und Schmiede, Sattlerei, Bäckerei, Schlächterei u. s. w.; x. praktische Arbeit und Uebungen in Feld-, Garten- und Weinbau, in Waldcultur, in Viehzucht und Molkerei, im Maschinen-, Mühlen- und Wasser kraftbetrieb; fl. Leibesübungen (Sport) aller Art. Der Lehr gang ist der Regel nach zweijährig, doch sind auch wahlfreie, abgekürzte Curse zulässig. Solche abgekürzte Curse sind na mentlich auch bestimmt für ältere Schüler, sowie für Pflanzer und Kaufleute, welche sich über Anbau, Verarbeitung und Berwerthung einzelner tropischer Culturpflanzen (Tabak u. s. w.) genauer unterrichten wollen. Andererseits ist die ausgedehnt praktische Ausbildung der Deutschen Colonialschule auch dazu bestimmt, einem lebhaft empfundenen Bedürfniß der heimischen Landwirthschaft entgegen zu kommen. * Berlin, 7. «september. Ueber die Studenten vereinigungen auf dem Creselder Katholikentage schreibt die „Rheinische Korrespondenz": „Wie stets, betheiligten sich auch an der diesjährigen Generalversammlung der Katholiken die Studentenvereinigungen durch solenne abendliche Commerse, unter zahlreicher Betheiligung der alten Herren und der Activen, auf denen die Wogen der Begeisterung natürlich besonders hoch gingen. Dabei mag es zunächst auffällig erscheinen, daß nicht einmal den Ultramontanen, diesen Meistern in der einheitlichen Organisation, es gelingt, die zu ihnen schwörende akademische Jugend unter einen Hut zu bringen. Denn stets poculirt der „Cartellverbcnd der katholischen farbentragenden Verbindungen" und der „Verband der katholischen nicht farbentragenden Vereine" gesondert. Diesmal kamen sogar noch zwei andere Commerse hinzu, einer von dem Cartellverbande der Ripuarin und der Ootsiiu, und einer von den Cöten der Hiritsg veranstaltet. Die äußere Mannigfaltigkeit that aber der inneren Einheit keinen Eintrag. Auf allen Kommersen stiegen dieselben Reden von feiten der Activen, der alten Herren und der Gäste geistlichen und weltlichen Standes; überall wurden mit Reckt die Studentenvereinigungen als die CadettenanflaUen gefeiert, in denen das Officiercorps des ultramontanen Heeres berangeoildcr werde. Nur der Präsidirende des Kommerses der fardenrrazen- den Verbindungen glaubte ein übriges thun zu müssen, um den oft belachten Gegensatz zwischen dem wehrhaften Auftreten der Cartellbrüder, die in Koller und Kanonen, den Schläger in der Faust, einherziehrn, und ihren unblutigen Grundsätzen aus der Welt zu schaffen, indem er etwa Folgendes ausführte: „Wir tragen den Schläger nicht als Popanz, nicht um das Antlitz der Gegner, das Ebenbild (Gottes?) zu verunstalten. Wenn aber das Vaterland ruft, dann fliegt unser Schläger aus der Scheide zu seiner Rettung." Glückseliges Vaterland, beschützt von der hochmodernen Wehr dieser jugendlichen Helden! Den Mangel an Uebung ersetzt hundertfach ihr kampfesmuthiger Sinn. Ver gessen wir aber über der Komik dieser Situation nicht den Ernst der Sache. Die sogenannten katholischen Studentenvereinigungcn sind eine ernste Gefahr für das Vaterland. Die Zahl ihrer Mitglieder ist außerordentlich groß; wenn wir uns recht er innern, so behauptete neulich ein ultramontanes Organ, daß sie die Mitgliederzahl sämmtlicher nichtkatholischen Studenten verbindungen übersteige. Diese große Schar junger Leute wird nun gerade in dem Lebensalter, in welchem sich Geist und Charakter auf den deutschen Hochschulen zur Selbstständigkeit entwickeln sollen, von vornherein auf ein religiöses und politisches Princip festgenagelt, und zwar auf das staats- und kulturfeind liche ultramontane Princip. Fast alle akademisch ge bildeten Führer der Ultramontanen in den localen Vereinen und in der politischen Agitation, die meisten akademisch gebildeten Centrumsmitglieder in den Landtagen und im Reichstag sind aus den k a t h o l i s ch e n S t u d e n t e n- vereinigungen hervorgegangen. Vor einigen Jahren hat ein Professor der Bonner Universität es ausge sprochen, daß die katholischen Studentenvereinigungen nicht existenzberechtigt seien. Er hat mit diesem Ausspruch einen Sturm der Entrüstung in allen ultramontanen Kreisen entfesselt. Und doch ist niemals etwas Richtigeres gesagt worden. Di: katholischen Studentenvereinigungen haben deshalb keine Existenzberechtigung, weil sie politische Ver einigungen sind, weil sie ganz bestimmte politische Tendenzen, eben die Centrumstendenzen, verfolgen. Die deutschen Regierungen, besonders die preußische, wachen onst mit äußerster Strenge darüber, daß sich keine politischen Tendenzen in die Studentenverbindungen einschleichen. Noch vor wenigen Jahren ist man in Berlin mit Recht gegen antise mitische Bestrebungen in studentischen Vereinen eingeschritten. Nur zu Gunsten des vaterlandslosen Ultramontanismus hat man eine Ausnahme gemacht und in unbegreiflicher, aber nicht unge wohnter Kurzsichtigkeit seit vielen Jahrzehnten die sogenannten katholischen, in Wahrheit aber politisch ultramontancn Studentenverbände entstehen und ungestört zu ihrer jetzigen Aus dehnung heranwachsen lassen." (-) Berlin, 7. September. (Telegramm.) Der Gesandte in Athen, Freiherr v. Plesscn, ist unter dem Namen Graf v. Pleffen- Cronstern in den Grafenstand er hoben worden. 0. H. Berlin, 7. September. (Priva tteleg ramm.) Die radikal freisinnigen Stadtverordneten haben den Antrag eingebracht, der Magistrat möge schleunigst in in gemischter Deputation darüber beratbcn, wie der gegen wärtig schwer auf Berlins Bevölkerung lastenden Alctsch- thcucrung wirksam entzegenzutreten sei. — Wie die „Vossische Zeitung" wissen will, ist in der zu' erwartenden Militairvorlage eine größere Re organisation der Cavallcrie vorgesehen. Aus den fünften Schwadronen der 93 Kavallerieregimenter, die für den Fall eines Krieges für den Ersatz bestimmt sind und nicht mit aus rücken, sollen etwa 23 neue Regimenter gebildet werden. Die Cavallerieregimenter werden dadurch in Zukunft nur noch aus je vier Schwadronen bestehen; hinzu kämen 23 neue Regiments stäbe. Außerdem soll eine Erhöhung der Mannschaftsziffec stattfinden wegen der nothwendig werdenden Abgabe von Mann schaften zur Bildung der Ersatzschwadronen für den Fall einer Mobilmachung. Die ganze Reorganisation wird begründet mit der taktisch angeblich nothwendig gewordenen Aufstellung von Cavalleriedivisionen schon im Friedensverhältniß. Was die Reorganisation der Feldartillerie anbelangt, so sollen durchgehend nur Regimenter in der Srärke von je zwei Abteilungen zu getanen werden. weil ein Regimentskommandeur nicht i,n S:and: '"ei, mehr mit Erfolg zu übersehen und zu commandiren.. Für die Begründung so schwacher Regimenter stützt sich dic Heeresverwaltung noch auf ein anderes Moment; sie will Sie gesammte Feldartillerie, die zur Zeit noch in Brigadeverbändcn den einzelnen Armeecorps zugetheilt ist, für die Zukunft den Divisionen überweisen, so daß sich eine solche fortan aus zwei Infanterie-, einer Kavallerie- und einer Artilleriebrigade zu- sammensetzen würde. Das würde eine Vermehrung der Feld artillerie um fünf Regimenter bedeuten. — Der Chef-Constructeur der kaiserlichen Marine, Wirk licher Geheimer Admiralitätsrath Professor Alfred Dietrich ist, wie mitgeiheilt, gestorben. In dem Nachruf, welchen ihn das Reichs-Marine-Amt widmet, wird hervor gehoben, wie Geh. Rath Dietrick mit unserer Marine und ihrer Entwickelung auf das Engste verknüpft gewesen ist. Seit seinem Eintritt in die Marine 1867 hat er bei der konstruction und dem Bau fast sämmtlicher Schiffe der kaiserlichen Marine mitge wirkt, seit 1890 als Chef Constructeur an leitender Stelle, unv hat dabei der Marine ganz hervorragende Dienste geleistet. — Eine Begnadigung, die in weiten Kreisen Aufsehen erregen wird, wird aus Karlsruhe gemeldet: Ter Lieutenant von Brüsewitz, der vor zwei Jahren in einem dortigen Cafö den Mechaniker Siepmann mit dem Säbel niederstach, Feuilleton. Die Gefangenen des Mahdi. Nachdruck verboten. Im Lauft seiner Kriege hat der Mahdi und seine zwei Nach folger auch eine Menge Gefangene europäischer Ab - stammung gemacht. Man muß sich nur vorstellrn, welche Größe dieses Mahdistenreich hatte, da- von Darfur bis zum Wtlßen Nil, von Kordofan bi» Chartum reichte. Es ist selbst verständlich, daß trotz aller Kriege hier eine gewisse Ordnung herrschte und daß der Besitz de» Einzelnen geschont wurde, soweit er nicht nach dem Machtspruch« de» Mahdi oder durch richterliches Urtheil der Lonfi-cation verfiel. Auch Gewerbe und Land wirthschaft, selbst Handel, darunter auch Sklavenhandel, wurde getrieben, und es herrschte ein gewisser Wohlstand in diesen trotz der Verwüstungen noch reichen Gegenden. So festgefügt nun auch da» Reich de» Mahdi war, nach seinem am 22. Juni 1885 erfolgten Tode schien es zu zerbröckeln. Sein Nachfolger Ab- dullahi hielt e» aber mit energischer Hand zusammen. Äu» der ganzen Persönlichkeit des Mahdi läßt sich erkennen, daß er immerhin eine gewiss« Frömmigkeit besaß. Au» diesem Grunde behandelt« er auch seine wtißen Gefangenen nicht zu schlecht. Al» Pater O h r w a l d e r, der in seinem Buche „Aufstand und Reich de- Mahdi im Sudan" (Verlag von Carl Rauch's Buch handlung, Heinrich Schwick, Innsbruck) eine treffliche Schil derung und Geschichte giebt, der wir hier folgen, in Delen mit der Mission gefangen wurde, wurde er zwar zwischen Tod und Leben gelassen und streng gehalten, aber vom Mahdi selbst erfuhr er nicht zu viel Demüthigungen. Nur das Volk war über die Weißen wüthend und verlangte ihren Tod. Allein bei der Ge richtssitzung erklärte ein Beisitzer, daß das islamitische Gesetz verbiete, die Diener Christi, den Mohamed ja selbst an erkennt, zu tödtcn oder zu schädigen und infolge dessen waren die Missionare und die Schwestern gegen den Willen der Richter selbst gerettet. Daß das Leben kein angenehmes war, kann man sich denken. Man hatte ihnen fast Alles genommen und auch den Missionsschwcstern wollte man die Kleidungsstücke rauben, in dessen auf eine sehr energische Vorstellung der Schwester Corst beim Mahdi hin unterblieb das. Die gefangenen Missionare fanden an einem Griechen, der ein freier Kaufmann war und Stambulin hieß, einen thätigen Freund. Oft versuchte der Mahdi, die Patres zum Islam zu bekehren, natürlich ohne Er folg. Diese Erfolglosigkeit hat den Mahdi nicht wenig geärgert, denn die Macht der Ueberzeugung der Europäer und insbesondere christlichen Priester hatte ihn noch mehr im Ansehen gehoben, wenn die» möglich gewesen wäre. Wie groß dir geradezu gött liche Verehrung de- Mahdi war, das erhellt aus einer Scene, die Ohrwalder wie folgt anführt: „Es war im Fastenmonat Ramadan, in welchem Uebertretung des Fastengebote- mit dem Tode bestraft wurde. Von Mittag bis gegen Mitternacht wimmelte es in der Moschee, welche nur rin großer viereckiger, mit Dornen umzäunter Raum war, von Menschen. Nach Tausenden und Tausenden bewegten sich in der selben dir Fogara. Man sah nur einen Wald von Lanzen, welche, aneinander schlagend, ein furchterregendes Geklirre er zeugten. Alle erwarteten h-ißglerig den Mahdi, der zum Mittagsgebete erscheinen mußte. Obwohl sie ihn schon hundert Mal gesehen, waren sie seines Anblickes nicht satt und kämpften unter sich, um in di« Nähe de» Mochrab, di« Stelle, an welcher -der Mahdi betete, zu gelangen. Ein furchtbares Gebrumme entstand, ähnlich einem fernen Donnerrollen. Was that nun der Mahdi in jenem Augenblicke? Wie mir die beiden Be sucherinnen erzählten, lag er in diesem Momente in seiner Hütte auf einem schönen Teppich ausgcstreckt, auf mit Goldbrokat über zogenen Kissen, auf denen einst die Türkinnen des Pascha von Chartum geruht; «r war bekleidet mit einem kurzen, nur bis etwas unter die Brust reichenden, fast durchsichtigen Leinenhemd (Harraga genannt), blendend weißen Pluderhosen, einem leichten, Weißen Ueberwurf (Tob), und trug auf dem rasirten Haupte eine Takia (Calotte) aus Seide gestickt. Um ihn lagen gegen dreißig Weiber, deren einige ihm mit schönen, leichten Straußenfedern geräuschlos Wind zufächelten, während ander- ihm auf eine im Sudan eigene und sehr beliebte Art die Füße drückten und massirten, ohne ihn au- seinem Halbschlummer zu stören, andere wieder seine Arme sachte strichen und die Om-el- Mumenin ihn an Kopf und Hals liebkoste. Jndeß schrien und tobten außerhalb der Zeriba Hunderte von Ansar, welche seinen Segen erflehten und nur seine Stimme zu hören wünschten, wenn sie ihn auch nicht sehen könnten. Die am Eingang« wachenden Eunuchen trieben die Menge mit dem Korbatsch fort, doch sie bewegte sich nicht von der Stelle, bis ein Eunuche zum Mahdi ging, um den so heiß ersehnten Segen zu erbitten. Ohne den Mahdi in seiner süßen Ruhe zu stören, ertheilte die Om-el- Mumenin den erbetenen Segen. Der Eunuche kehrte zurück und versicherte der Menge, daß der Mahdi gerade in tiefster Be trachtung versunken sei, und daß er ihnen gnadizst seinen Segen ertheilt habe. Frohlockend entfernten sich die Ansar, schrien aus voller Kehle und stellten sich dann in die Reihe der zum Gebete Geordneten, wo man sie gierig mit den Händen berührte, um de» Segens des Mahdi theilhaftig zu w«rd«n. Endlich gab Ascha dem in Dusel versunkenen Mahdi leise ein Zeichen, daß es Zeit zu den Waschungen sei, da die Zeit des Mittagsgebetes bereits seit einer Stunde verflossen wäre. Von ollen Seiten unterstützten ihn nun die Weiber, damit er sich erheben konnte. Man brachte ihm die rothen Schuh: (markub), und bann zog er sich zurück, während die vier Werber ihn beLleitcten und ihm den Jbrik (das Wassergefäß bei den mohammedanischen Waschungen) nachtrugen. Als er in seine Hütte zurückkehrte, fielen die Weiber wie wahnsinnig über die Stellen her, die sein Fuß berührt hatte und sammelten die von ihm betretene Erde unter förmlichen Kämpfen. Dieser durch den Fuß des Mahdi geheiligten Erde wurden heilsame Wirkungen zugeschricb.n, be sonders zur Erlangung einer raschen und schmerzlosen Geburt; man vertheilte sic daher unter die frommen Weiber. Noch heute nach mehreren Jahren wird diese Erde als heilige Reliquie auf bewahrt und angewandt. Von dem Wasser, das der Mahdi bei seinen Waschungen benutzte, wurde kein Tr-pfen verloren, sondern alles gewissenhaft aufbewahrt und als Heil- und Präservativ mittel getrunken." Bei einer solchen Begeisterung für di- heilige Sache ist cs kein Wunder, daß man gegen Weiße mißtrauisch wurde. Das hat Sickeadsrs's Diener Kloß erfa.irrn der, obgleich er zum Islam übertrat, doch mit Argwohn betrachtet wurde und das mußte ein gewisser Olivier Pain erfahren, der sich, aus welchen Gründen ist nicht ganz aufgeklärt, ins Lager des Mahdi begab. Es war im Jahre 1884, als plötzlich eine Bewegung im Lager de» Mahdi entstand. Die Wachen brachten einen Europäer mit drei Führern ein. Der Europäer war ein schöner großer Mann mit blauen Augen und blondem Vollbart. Er hatte sich, von woher, wurde nicht bekannt, in das Lager begeben, um, wie er sagt«, dem Mahdi di« Unterwerfung Frankreich» unter di«
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