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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.09.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-09-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980908018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898090801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898090801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-09
- Tag1898-09-08
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571L ist, wie -er „Badische Beobachter" mittbeilt, aus dem Gefängniß entlassen worden. Er war zu einer Gefängniß- strafe von drei Jahren verurtheilt worden, die er zur Halste verbüßt hatte. Jetzt ist seine Begnadigung erfolgt. — Auf Grund des Ausfälle» der Reichstagswahlen, bei denen die nationalliberale Partei noch am besten von allen bürgerlichen Parteien Stand gehalten, wird sie nach Mittheilnng der „Nationallib. Corr." in noch größerer Zahl von Wahlkreisen bei den preußischen LandtagSwahlen, als 1893, sich um Mandate bewerben. Bei 126 Candidaturen erzielte die Partei damals 8? Mandate. — Als Zeugniß für den evangelischen Sinn BiSmarck'S erinnern die „Kirchl. Blatter" in Sieben bürgen an jenes unseres Wissens wenig bekannte, aber charakteristische Bekenntniß, das Bismarck in Ferneres ge sprochen hat: „Wenn ich kein Christ wäre, würde ich auch nicht eine Stunde dem Staate dienen. Warum sollte ich mich auch durch die immer währende Arbeit, die Sorgen und Bekümmernisse aufrriben, wenn ich nicht überzeugt wäre, daß ich in Gottes Namen meine Pflicht erfüllen muß! Ich weiß nicht, wie ich zum Pflichtgefühl hätte kommen können, wenn eS nicht Gott in mich gepflanzt hätte. Orden und Titel verführen mich nicht; mein fester Glaube an das Leben nach dem Tode macht mich loyal, mich, der ich meiner Natur nach ein Republikaner bin. Nehmt mir diesen Glauben und ihr macht mich heimatbloS. Wenn ich kein gläubiger Christ wäre, ich wäre nie Kanzler geworden. Wie gerne könnte ich aus meinem Amte scheiden, ist doch das ländliche Leben im Wald und in der freien Lust mein einziges Vergnügen l Wenn ich mich nicht durch Gott verpflichtet fühlte, morgen würde ich packen und nach Barzin zurückkehre» I" * Neumünster, 6. September. Am 4. September tagte hier der Parteitag der national-socialen Partei Schleswig-Holsteins und der Hansestädte, der von ungefähr 60 Mitgliedern besucht war. Den ersten Punct der Ver bandlungen bildete eine Besprechung über OrganisationS- sragen. Es wurden Beschlüsse gefaßt, die bezwecken sollen, die Agitation für die national-socialen Gedanken intensiver und praktischer zu gestalten und sie auf die ganze Provinz auszudehnen, um dadurch dem Verein mehr Mitglieder zuzuführen. Die Be- rathung über die Stellung der Nationalsocialen zu den Land tagswahlen führte zu dem Ergebniß, daß man von einer Auf stellung eigener Candidaten absehen will. Man faßte aber ein stimmig folgenven Beschluß: Der Parteitag fordert die Nationalsocialen Schleswig-Holsteins und der Hansestädte auf, mit aller Kraft gegen die Wahl von Candidaten zu wirken, mit denen eine Verkümmerung unserer politischen Rechte be fürchtet werden muß. — Auch eine Berathung über die Wege, die etwa eingeschlagen werden könnten, um die national socialen Anschauungen in der TageSpresse besser zur Geltung zu bringen, führte zu einem positiven Ergebniß. Es wurde sodann noch über Anträge berathen, die auf dem national socialen Vertretertag in Darmstadt, der Ende September abgehalten werden wird (25. bis 28.), zur Verhandlung gestellt werden sollen. * Remscheid, 6. September. Nach Aussage einiger Vor standsmitglieder der Remscheider Ortskrankencasse nimmt man als muthmaßliche Ursache des urplötzlich eingetretenen Aerzte- ausstandes die Nichtwiederwahl der Aerzte Münch und Lederer an, gegen die von Mitgliedern der Caste Beschwerden eingelaufen sein sollen. Der Vorstand der Caste hatte die beiden Stellen ausgeschrieben, worauf sich über 40 Bewerber gemeldet haben sollen. v. Gotha, 7. September. Der A u s s ch u ß des g e m e i n- schaftlichen Landtags, bestehend aus den Abgeordneten Vicepräsident Liebetreu, Schumann, Rädlein und Heller, ist zur Prüfung der gemeinschaftlichen Rechnungen zum 12. d. M. nach Coburg einberufen worden. * Ltugc», 6. September. Die National-Socialen scheinen es bei den bevorstehenden Landtagswahlen auf den Kreis Lingen-Bentheim abgesehen zu haben. Am Sonntag hielt, der »Voss. Ztg." zufolge, Pfarrer Naumann- Berlin in Lingen vor einer stark besuchten Versammlung einen Vortrag über „Macht, Freiheit und Arbeit". Am selben Tage redete er noch in Bentheim und Schüttorf. Später wird Herr v. Gerlach im Kreise Wahlreden halten. * Frankfurt a. M., 7. September. (Telegramm.) Die heute vor dem Gewerbegerichte gepflogenen Einigungs verhandlungen führten zur Beendigung des Maurer streiks. Die Arbeitgeber bewilligten die hauptsächlichsten Forderungen der Arbeiter, nämlich einen Stundrnlohn von 45 Pfennigen und lOstllndige Arbeitszeit. Ebenso wurde der Errichtung eines gemeinschaftlichen Arbeitsnachweises principiell zugestimmt. Frankreich. Drehfus-Affatre. * Paris, 7. September. (Telegramm.) Dem „Matin" zufolge theilte der Kriegsminister General Zur linden im gestrigen Ministerrathe mit, daß seit der Entdeckung der Fälschung Henry's die eingeleitete Untersuchung Anhaltspunkte gegeben habe, daß mehrere Generalstabs - Officiere sich gewisser strafwürdiger Handlungen schuldig gemacht hätte». Der Kriegsminister legte ferner einen Entwurf zur Neubildung des JnformationSbureauS vor, nach welchem fernerhin die von diesem Bureau zu ver richtenden Polizeidienste Generalstabs-Officiere nicht mehr verwendet werden sollen. (Wiederholt.) * Paris, 7. September. (Telegramm.) „Aurore" will wissen, daß seit gestern Nachmittag die Verhaftnng du Paty de Clam's entschieden sei. — Mehrere Blätter verzeichnen da» Gerücht von der Flucht Esterhazy'S. «athaltkenprsttetarat. * Pari», 7. September. (Telegramm.) AuS Beforgniß, Kaiser Wilhelm könne seine Reis« nach Palästina dazu be nutzen, um sich da» Recht de» Protrctorate» über die deutschen katholischen Missionare und Niederlassungen zu sichern, unterbreitete Cardinal Laagsnieux dem Papste dir Idee, eiu nationale» Comlts zu gründen zur Wahrung und Bertheidigung de» französischen Protrctorotr», dessen Untergang rin Unglück für Frankreich sein würde. Der Papst richtete daraufhin am 26. August ein Schreiben an Langknieox, daß zur Veröffentlichung bestimmt war. Der Papst überließ jedoch dem Cardinal, den Heitpunct der Veröffentlichung zu wühlen. Der Bries des Papstes besagt, Frankreich hab« im Oriente die Mission, die die Vorsehung ihm anvrrtraut«, die durch international« Verträge bestätigt und von der Oonkreskrtio propaxancka ücko anerkannt sei, durch dir Erklärung vom 22. Mai 1888. Leo X1H. bestätigte besagtes Cir cular feierlich, das erklärte, daß der Schutz Frankreichs, wo er in Kraft sei, gewissenhaft aufrecht erhalten werden müsse, und das die Missionare ausdrücklich anwieS, im Falle der Noth sich an die französischen Consuln und Agenten zu wenden. Hiermit erkennt der Papst zum ersten Male persönlich und in einem öffentlichen Acte das ausschließliche Recht Frankreichs an, die Missio nare und Niederlassungen deS lateinischen KatholiciSmus im Oriente zu schützen. Italien. * Mailand, 7. September. (Telegramm.) Der nach Verhängung deS Belagerungszustandes unterdrückte klerikale „Osserv. Cattolico", dessen Chefredakteur, Weltpriester Älbertario, kriegörechtlich verurtheilt wurde, nimmt heute sein Erscheinen wieder auf, ebenso Ende der Woche daS Socialistenblatt „Der Classen kam Pf". Sämmtliche ver- urtheilte Journalisten wurden letzten Sonntag in Straf anstalten übergeführt. (Voss. Ztg.) Niederlande. SröttungSseicr. * Amsterdam, 7. September. (Telegramm.) Der Niederländische Sängerbund brachte der Königin ein Morgenständchen vor dem Palaste dar, an dem 900 Sänger und 4 Militairmusikcorps theilnahmen. Die Königin und die Königin-Mutter wohnten mit dem Fürsten und der Fürstin zu Wied dem Morgenständchen vom Balcon des Palais aus bei. Unter Anderen wurde der Choral: „Nun danket Alle Gott!" und das WilhelmuSlied vorgetragen. Bei dem letzteren entblößten alle Zuhörer, auch der Fürsts zu Wied, das Haupt. Ruhland. Kaiser-aar; Weltfriedensbotschaft. * Petersburg, 7. September. (Telegramm.) DaS Kaiserpaar hat sich gestern auS Sewastopol nach Livadia begeben. — Der Kaiser hat die Kaiserin-Wiltwe zum Chef des PerejazSlowlschen Dragoner-Regiments ernannt, dessen Chef Kaiser Alexander III. war. Die Großfürstin Elisabeth Feodorowna ist zum Chef des Tschernigow'schen Dragoner- Regiments ernannt worden. * Kiew, 7. September. (Telegramm.) Die hiesige Stadtverordneten-Versammlung hat beschlossen, zur Verherr lichung des im Interesse deS Weltfriedens an die aus wärtigen Mächte ergangenen Vorschlags des Kaisers eine Huldigungsadresse an den Kaiser zu richten und zum Andenken an daS Ereigniß zwei Schulen zu gründen. Lum Aufstand In Turkestan. Andishan (Turkestan), 7. September. (Telegramm.) Der Generalgouverneur ist auf seiner Rundreise durch daS Fergana-Gebiet hier eingetroffen. Allenthalben be kundete die Bevölkerung eine tiefe Reue anläßlich des am 29. Mai erfolgten Aufstandes und sprach ihren Dank da für auS, daß, nachdem die Hauptschuldigen zur Verantwortung gezogen worven sind, daß weitere Gerichtsverfahren durch die Gnade des Kaiser» eingestellt wurde. Die an dem Aufstande betheiligte Bevölkerung soll mit einer Contribution, wie verlautet, von einer Million Rubel, belegt und bei dem Dorfe Min-Tjube, dem Mittelpunkte des Auf standes, soll eine russische Colonie errichtet werden. Den Repräsentanten deS AufstandsbezirkcS wurde die Ver günstigung entzogen, dem Generalgouverneur Salz und Brod überreichen zu dürfen. Von den Rädelsführern sind ins- gesammt 18 hingerichtet und 350 deportirt worden. Der Generalgouverneur vertheilte feierlichst eine Anzahl Georgskreuze an Militairpersone» für die tapfere Abwehr des Ueberfalles am 30. Mai und gewährte auch den dabei Verwundeten Geldgeschenke. Ferner wohnte der General gouverneur der Grundsteinlegung eines Denkmals für die Gefallenen bei. Orient. Bombardement LandtaS. * Eandia, 7. September. (Telegramm.) Der furcht bare Brand äscherte Hunderte von Häusern ein. DaS ganze Hafenviertel, sowie die entfernt liegenden christlichen Häuser wurden ein Raub der Flammen. Ueber 150 Musel manen wurden getödtet, großentheilS durch Engländer, welche die Katastrophe herbeiführten durch Schießen in eine wehrlose, tausendköpsige Menge von Muselmanen. (?) Von Christen fielen viele, auch von den angesehensten. christ lichen Notabeln werden eine Anzahl vermißt, die ermordet sind. Es herrscht Verzweiflung. Schreckliche Kämpfe außerhalb der Stadt, wohin ein Theil der Mohammedaner gezogen, stehen bevor. Die Lage ist furchtbar ernst. Von englischen Truppen und Matrosen sielen über sechzig Mann, worunter ein Officier. Zwei Officiere waren verwundet. Neun Kriegsschiffe sind auf der Rhede vor Candia. Von den Consuln fiel der englische Consul Calokerino, außerdem der österreichische und der englische Telegraphen-Kavaß. (Voss. Ztg.) * Eanea, 7. September. SV, Uhr Vormittag». (Tele gramm.) Die Feuersbrunst in Candia ist gelöscht. DaS deutsche, englische und amerikanische Consulat sind niedergebrannt. Da» Zollgebäude, die Caserneo und der Konak wurden gerettet. Jetzt herrscht wieder Ruhe. Eine französische und eine italienische Compagnie sind auf dem Marsche von Suda nach Candia. * konstantiuopek, 7. September. (Telegramm.) Nach einer Meldung aus Kreta hat die Einhebung der Ab gaben durch die internationalen Behörden begonnen. * London, 7. September. (Telegramm.) Die Morgen blätter besprechen die Vorgänge auf Kreta und betonen die Nothwendigkeit einer schnellen und praktischen Lösung der Kretafrage. „Morn. Post" glaubt, die glücklichste Lösung würde die Anstellung eines christlichen Gouver neurs sein, der die guten Eigenschaften der Musel männer zu würdigen verstehe. Sie empfiehlt General v. d. Goltz als geeignetste Persönlichkeit für den Posten. Da daS deutsche Truppencontingent die Insel verlassen, stehe der Ernennung eines deutschen Gouver neurs kein politischer Einwand entgegen. „Daily Telegraph" dringt auf Wiederbelebung deS europäischen ConcertS zur end- giltigen Lösung der Kretafrage. Die Beseitigung aller Ur sachen der Eifersucht zwischen Großbritannien und Deutsch land würde mehr als alles andere beitragen, dem Concerte Lebensfähigkeit und Kraft zu verleihen. (Voss. Ztg.) Abrüstungsvorschlag. * Konstantinopel, 7. September. (Telegramm.) „Malumat", daS Organ des Aildiz-Kiosk, sagt bei Be sprechung deS Abrüstungsvorschlags des Zaren, wenn die Conferenz zu Staude komme, werde sie eine etwa zwanzig, jährige FriedenSära inaugurirrn. Zunächst werde allerdings Rußland den größten Nutzen daraus ziehen, indem es Gelegenheit erhalte, seine Naturschätze zu entwickeln. Es sei immerhin zu boffen, daß die Staaten, die sich inzwischen an die Segnungen des Friedens gewöhnt hätten, auch fernerhin suchten, Friedensstörungen zu vermeiden, so daß der Vorschlag Rußlands, dessen Annahme daS Blatt erhofft, in letzter Linie allen Staaten zu Gute komme. Afrika. Congostaat. * Brüssel, 7. September. (Telegramm.) Der Congo- staat und Belgien verlängerten den Vertrag, der letzterem das Recht einräumt, den Congostaat im Jahre 1900 einzuverleiben bis 1910. (Magdeb. Ztg.) Amerika. Rach bem Kriege. * New Kork, 6. September. Spanien ersuchte Amerika um Zustimmung dar:,, daß mehrere kleinere spanische Kanonen boote nach einige» Philippinen-Inseln geschickt würden, um die spanische Souverainetät gegen die Insurgenten auf recht zu erhalten. Präsident Mc Kinley schlug dieses Ver langen ab. (Frkf. Ztg.) Die Flottenmanöver. An Bord des FlottcuflaggschiffeS S.M S. „Blücher", 6. Septbr. Helgoland ist ein Vorposten in der Küstenvertheidigung der deutschen Nordseebucht, deren Grenzlinie von Borkum über Helgoland nach Sylt läuft. Weil die rothe Insel ein wichtiger Ausguckposten ist, hat man sie gut befestigt, damit sie feindlichen Angriffen eine Zeit lang widerstehen kann. Außerdem ist Helgoland werthvoll für die Flotten als Stützpunkt. Kleine Fahrzeuge, insbesondere die Torpedoboote, liegen auf geschützten Ankerplätzen zwischen der Hauptinsel und der kleinen Düneninsel; diese Plätze benutzten die Torpedobootsdivisionen der Flotte vom 2. bis zum 6. September, um Ruhe nach den stürmischen Ostseefahrten zu haben. Die Boote lagen ganz nahe unter Land und konnten von Helgoland aus bequem mit allem Röthigen, mit Kohlen, Lebensmitteln und frischem Wasser, ausgerüstet werden. Für die großen Schiffe dient Helgoland mit seinen Riffen und Bänken als Wellenbrecher; wenn sie in Lee, d. h. auf der dem Winde abgewandten Seite, ankern, sind sie gegen den schweren Seegang der Nordsee ganz gut geschützt. Deshalb werden auch große Schiffe hier Kohlen, Schießbedarf und Lebensmittel fast bei jedem Wetter von Transportschiffen übernehmen können. Gründe genug, um die Insel zu einer Flottenstation zu machen. Im Laufe der Zeiten wird man sich freilich dazu entschließen müssen, ein paar Schutzdämme von Helgoland aus anzulegen, um den inneren Hafen zwischen dem hoben Lande und der Düne gegen Seegang und Versandung besser zu sichern. Die großen Schiffe aber werden sich wohl stets mit dem begnügen müssen, was die Natur ihnen hier an Schutz bietet; denn Hafenanlagen mit etwa 10 m Wassertiefe würden allerdings sehr große Kosten machen. Nur der BootSverkehr mit dem Lande wird von der offenen Rhede aus, auf der die Flotte auch in diesem Jahre im Südosten von der Dünen insel ankerte, zuweilen sehr schwierig, denn ruhig ist die Nordsee nie und namentlich vor der Einfahrt zu sdem inneren Ankerplätze steht stets Seegang oder Dünung; schon bei mäßiger Brise wird dieser Seegang für die Dampfpinaffen und für Ruderboote recht unangenehm, denn er wirft sie wild hin und her und überschüttel die Insassen zuweilen mit Wassergarben, wenn sie nicht durch Bootsbezüge, ähnlich den Wagenschlägen, gedeckt sind. Aber diesmal war der nordische Herr der Fluthen gnädig; der Seegang war so milde, daß mit einigen Vorsichtsmaßregeln sogar die weib lichen Badegäste die Schiffe zu besuchen wagten. Von den Schiffen fuhren, um die kleine Insel nicht allzu sehr anzu süllen, nur Officiere und Unterofficiere beurlaubt an Land. Wer die Insel schon kennt, dem genügt ein Spazier gang um die Kanten des Oberlandes herum, um zu sehen, daß Alles noch wie früher ist; nur die Gebäude der Marinegarnison fangen schon an, den früheren Charakter der Jnselansiedelung sehr zu stören. Zwischen den kleinen, ärmlich aussehenden, aber doch malerischen Häuschen wirkt solch steifer Casernenbau ebenso geschmacklos wie ein Modefex zwischen dem Fischervolk. Aber srrilich, beim FiScuS kommt ver Geschmack, bezw. die Ausgabe für äußeren Schmuck erst in letzter Reihe in Betracht. Hoffentlich werden auf diesem Wege die Badegäste nicht von der Insel verdrängt, denn wovon sollten die längst des Fischens entwöhnten Lazzaroni von Helgoland leben, wenn der Strand keine Sommer vögel und Goldfische mehr trüge? Am Sonnabend war Tanz im Curbause (Reunion nennens die Kellner und Gastwirthe, und Andere plappern eS gedankenlos nach), da war der Flottenlieutenant und TorpedobootScommandant natürlich stark vertreten; hatte man doch vom Lande auS durch Signal alle Officiere zum Tanz geladen. Es soll auch recht lustig dabei hergegangen sein. Der rüstige Seemann hat nämlich, wie man sagt, große Neigung unv auch Anziehungskraft für das weibliche Geschlecht. Da kommt es dann Wohl mal vor, daß Kameraden gemein schaftlich derselben Dame den Hof machen, bis der eine, um seinen Wettbewerber abzuschütteln, in liebenswürdigstem Tone daran erinnert: Mein lieber X, Sie wollten doch Hhrer Frau Gemahlin noch eine Ansichtskarte schicken! Ein köstlicher Spaß für die liebenswürdigen Rheinländerinnen, die auf diesem nicht ungewöhnlichen Wege ihre Pappenheimer kennen lernten. Manne. * Berlin, 7. September. (Telegramm.) S. M. S. „Loreley", Conimandant Corv.-Capt. v. Witzleben, ist am 6. Sep tember in Galatz eingetroffcn. S. M. S. „Wolf", Conimandant Corv.-Capt. Schröder (Johannes), ist am 5. September von Mosta- medes abgegangen, am 6. September in Benguela eingetroffen und will am 11. September von dort wieder in See gehen. S. M. S. Irene", Commandant Corv.-Capt. mit Oberstlieutenantsrang Obenheimer, ist am 6. September in Nagasaki eingelroffen. S. M. S. „Caroli" ist am 6. September in Wilhelmshaven eingetroffen. S. M. S. „Hay" hat am 6. September die Fahrt von Helgoland nach Cuxhaven bezw. Wilhelmshaven angetreten. S. M. S. „Hertha" hat am 5. September die Geschäfte des Wachschiffes von S. M. S. „Charlotte" übernommen. S. M. S „Rhein" ist am 5. September in Kiel eingelaufen. S. M. SS. „Char lotte" und „Stosch" haben am 6. September durch den Kaiser- Wilhelm-Canal die Auslandsreise angetreten. S.M.SS. „Mars" und „Ulan" sind am 6. September in See gegangen. S. M. S. „Albatroß" ist am 5. September in List anqckommen. S. M. Tpdbt. „8 66" ist am 5. September von Geestemünde nach Helgoland gegangen und daselbst eingetroffen. „8 16" ist am 6. September in Wilhelmshaven außer Dienst, das Reserveboot „8 20" an dessen Stelle daselbst in Dienst gestellt worden. Aus dem Geschäftsverkehr. k Durch die Neugestaltung der Leipziger Straßenbahnverhältnisse und durch den Anschluß der Vororte an das Straßenbahnnetz hat der freundlich gelegene Ort Mockau außerordentlich gewonnen und es ist staunenswerth, wie lebhaft sich namentlich an Sonntagen der Verkehr nach Mockau gestaltet. Diesen Verhältnissen Rechnung tragend, hat der Besitzer von „Stadt Leipzig" (früher „Grüne Aue") in Mockau, Herr Bercndt, das Restaurant zu einem Ver- gnügungs-Etablissement ersten Ranges umgestaltet. Der an sich schon geräumige, mit schattenspendenden Bäumen bestandene, mit prächtigen, vollständig erneuerten Colonnaden versehene Garten ist bedeutend vergrößert und mit einem Musikpavillon (zur Abhal tung von Concerten), sowie mit geschmackvollen Gartenlauben ver sehen worden. In dieser Ausdehnung bietet der Garten Raum für über tausend Personen, durch die Anlage eines Kinderspielplatzes eignet er sich somit für Vereine und Schulen vorzüglich zur Ab haltung von Festen aller Art. Wie der Garten, der übrigen» nach der Straße zu mit einem Buffet versehen ist und in dem auch die Radfahrer einen Platz für Unterbringung der Fahrräder finden, so sind auch der geräumige Saal und das Restaurant in „Stadt Leipzig" zu Mockau vollständig erneuert und verschönt worden, so daß, da Küche und Keller (es gelangen ff. Naumann'jches Lager bier, Münchner Hackerbräu und eine vortreffliche Döllnitz» Ritter gutsgose zum Ausschank) Nichts zu wünschen übrig lasten, daS Etablissement „Stadt Leipzig" in Mockau zahlreichstem Besuche em pfohlen werden darf. Heute Donnerstag, den 8. September, findet in „Stadt Leipzig" großes Concert von der Capelle des 134. In fanterie-Regimentes unter Jahrow's Leitung statt. vstoetiv-kuessu „Vigilsnr" erldellt zevi„<>nkLir vertrauUcde LuitvuNo («v. unter Uenmtis) über V«r- ruS^eu n. k'eruIUeurerkIUtlll»««, Lkerekter, Nut, >litzltt ete., descd-M Nevel«- ru»terilU ru 8roce»ssu, ^ukkMruos Uuulrler ?rl-»t- und krd»cd»tt»»L<:kell, deliuUck« Leokecdtuux derxl. Ireue ^uxestellteu, v»tteu, Verlobten, Lr- wlttelunx ai-creter Hetur, »nonxwer, rer»cboUsusr I-ereoneo. Llnrlekuox evelkeldekter Forderungen »uss ln- u. Ausland. 6«»cdulte» kereonel. Ver treter en »Uen Ileuptpltttren der Veit. Lrlolge »liteomLeelg. Leugrüsse »u» »Uen Lreieen. kro»p. u. 8et. gr»U». Hur: tlrlmmelicbeetr. LS, l. 8Ü0 ffii- IiMelireil im Üiui8v. klrprobt ee^en Xranlckeiten lies Xervevsxsteius, klebt, vlasen- uuck Xlerenlelckeu, Sedrvtloderustlincke, Soblulloslxkelt vto. ete. 2u beriedon äurek alle ^potbekeu, Llineralvvasserlmnäluntren uuck Orosuerien, sovis äurob !>8llii'lcWMniiMlöNii.sl'Lnrsn8!iLllWMll). Mahdia anzuzeigen. So dumm war nun freilich Mohamed Ahmed nicht, daß er das glaubte. Er ließ deshalb dem Fremden, der sich Pain nannte, die Waffen abnehmen und isolirte ihn von Allen. Pain sollte mit dem ebenfalls gefangenen Pater Bomoni confrondirt werden, aber Pain blieb dabei, nur arabisch zu rade brechen. So wurde er immer geheimnißvoller, und auch die anderen Europäer wußten nicht mehr, was sie von ihm denken sollten. Schließlich vertraute er ihnen an, daß er Zeitungs- correspondent sei, und Berichte abfassen wollte. Das ist ihm nie gelungen. Er verfiel bald in ein schweres gastrisches Fieber, und als er bei seinem Transporte plötzlich blaß und seine Glieder steif wurden, hielten ihn seine Wächter für todt und begruben ihn auf der Stelle, vielleicht lebendig. Im Laufe ihrer Gefangenschaft bis zum Tode des ersten Mahdi, Mohamed Ahmed, starben von der katholischen Mission einige Schwestern, ein Laienbruder und die Patres Losi, Rosig- noli und Lorentieri. Der Pater Bomoni konnte später fliehen. Bemerkenswerth dabei ist, daß Ohrwalder ebenfalls Gelegenheit hatte, mit Bomoni zu fliehen, daß jedoch der von Egypten ge dungene Führer sich dessen weigerte, weil nur für Bomoni be zahlt sei. Später stellte sich heraus, daß man Ohrwalder in einem anderen Orte geglaubt, und für ihn deshalb keinen Flucht- contract gemacht hatte. Die Gefangenen waren zum Theil Sklaven, zum Theil konnten sie sich, wie sie wünschten, beschäf tigen, um etwas zu verdienen. Daß sie unsägliche Leiden aus zustehen hatten, kann man sich bei dem Charakter des Mahdi, des Volkes und des Klimas denken. Rührend war bei allen diesen Leiden die Treue einiger in der Mission gebildeter und mit ge fangener Negerinnen. Eine von ihnen machte einst den Weg von El-Oboid nach Chartum, und kehrte richtig nach sieben Monaten mit Briefen vom Consul Hansal und Pow«r, Geld, Medicin und Kleidungsstücken zurück. Welche Schlauheit hat da» Mädchen aufwenden müssen, um diese Sachen den Gefangenen zu bringen. Später traten zu den Gefangenen di; europäischen Beamten Egyptens, Slatin Bey und Lupton Bey, obgleich sie sich dem Mahdi nothgedrungen unterworfen hatten. Das grau samste Loos hatte wohl der jetzt durch die Engländer glücklich be freite Karl Neufeld, weil der zweite Mahdi oder der Nach folger, Chalifa Abdullahi, ihn für einen Engländer hielt und nicht glauben wollte, daß er ein Deutscher sei. In tollkühner Weise hatte sich Neufeld den Leuten Saleh Bey's angeschlossen, um mit den Arabern Handelsverbindungen anzuknllpfen. Bei dem Brunnen Selima wurde er mit der Karawane gefangen. Am 8. März 1887, so berichtet Ohrwalder, kam der gefangene Neufeld unter starker Bedeckung in Omdur- man an. Wie «in Blitz verbreitete sich die Nachricht, «in englischer Pascha sei gefangen worden, und der ganze Boga ge- rieth in Aufregung. Der Chalifa selbst gab diesem Fange eine große Wichtigkeit. Er empfing den Fremden in Gegenwart der beiden anderen Chalifas, und zwei Europäer wurden als Sach verständige mit der Prüfung der Papiere betraut. Neufeld sprach gut arabisch und war voll Muth. AuS seinen Papieren ging hervor, daß er rin Preuße sei und in Leipzig di« Universität be sucht hatte. Alles wurde dem Chalifa getreu übersetzt, denn es war wichtig, ihn zu überzeugen, daß es sichern keinen Engländer handele, da er für einen solchen kein« Nachsicht gehabt hätte. Unter den Papieren befand sich rin englischer Brief, der für Neufeld gefährlich geworden wäre, falls man ihn vollständig übersetzt hätte. Nach diesem ersten Verhör schien der Chalifa nicht beruhigt zu sein, denn er bestieg seinen hohen Sitz und hielt an die neugierigen Ansar eine lange Rede über den großen englischen Pascha, der mit Gewehren uckd Munition Kordofan habe erobern und die Mahdia bekriegen wollen; zum Glück seien ihm die braven Ansar deS Uard Negiumi in Dongola M>or- gekommen, hätten seine Soldaten getödtet und ihn gefangen genommen. Der Chalifa übertrieb in dieser Weise, um den Ansar Muth zu machen. Diese Gefangennahme bildete aber auch ein Ereigniß, da man bis dahin nie eines der gehaßten Engländer habhaft geworden war. Der arme Neufeld wurde die ganze Nacht in Ketten von Soldaten bewacht. Ein fanatisches Weib, eine langbeinige Dinkanegerin, welche stets Männerkleider trägt und mit dem Schwerte bewaffnet ist, schrie ihm die ganze lange Nacht in die Obren: du» akdarasla el-stater (Gott ist groß über die Ungläubigen). Am folgenden Morgen sollte der arme Neufeld gehängt werden. Schon in aller Frühe ließ der Chalifa die große Kriegstrommel schlagen, während man das gewaltige OmbeiL dem armen Gefangenen unversehens ins Ohr blies, so daß er im Moment des Schreckens fast hinsank. Die Sclaven spielten mit ihm, wie es mit einem Affen zu geschehen pflegt. Neufeld aber blieb stark und muthig und antwortete kräftig. Auf dem Markte hatte man bereits den Strick auf den Galgen geworfen, und eine Menge Volk lief zusammen, um einmal einen Engländer hängen zu sehen. Doch der Berurtheilte wollte nicht kommen. Der Chalifa war noch immer unentschlossen. Bis dahin hatte er noch keinen Weißen in aller Form getödtet. Auch er war noch nicht völlig überzeugt, daß es ein Preuße sei, daher sein Zögern. Wäre Neufeld rin Engländer gewesen, so wäre er sicher gehängt worden. So wollte der Chalifa ihm nur Furcht einjagen, was freilich Neufeld nicht wußte. Gegen Mittag wurde er unter EScorte von Reiterei auf den Markt ge führt, die Menge erhob ein ungeheures Jubelgrschrei. Neu feld schritt stramm einher, er zeigte kein« Furcht. Unter dem Galgen angelangt, sprang er auf das Anghereb und neigte den Kopf, auf daß der Bringi ihm den Strick um den Hals lege. In diesem Momente schritt der ihn begleitende Gadi vor und erklärte, daß der Chalifa ihn begnadigt habe. Wie er ge kommen, wurde nun Neufeld wieder abgefiihrt und in das Gei fängniß gebracht. Die Leiden Neufeld's möge man aus Fol- gendem beurtheilen. Fast ein Jahr mußte er mit allem Gesindel zusammen in der Hütte Abu-Hagiar schlafen, und erst nach zwei Jahren erhielt er durch Vermittelung eines Freundes die Er- laubniß, sich in der Ecke des Hofes rin kleines Loch zu bauen, wo er etwas ruhiger sein konnte. DiesesLoch hat vier Quadrat meter Raum, eine aus Lehm gebaute Erhöhung bildet das harte Lager, daneben steht ein kleines Wassergefäß. In diesem Loche sitzt der Arme den ganzen Tag. Seine Giubba ist schmutzig und voll vonJnsecten,die ihn des Nachts quälen. In der Verzweiflung läßt er sich Abends von einem Leidensgrnossen mit Wasser und Sand einreiben, welche Procedur die Haut brennend schmerzt und reizt und sie gegen Insektenstiche und -Bisse unempfindlich macht; nur so kann er etwas Schlaf finden. Freundlich« Araber riethen ihm, zerstoßen« Gewürznelken in Wasser zu erweichen und sich Abends damit zu schmieren; dieses Mittel soll die In-, secten tödten. Er versuchte es und fand diesen Vorgang, ob-, wohl er auch sehr brennt, besser als jenen mit Sand. Die weiteren Leiden Neufeld's und der Uebrigen zu schildern, hieße eine Geschichte fanatischer Grausamkeiten schreiben. Nun wohl, jetzt sind die Europäer alle, wie die Telegramme besagen, soweit sie nicht gestorben sind, gerettet. Ohrwaider, Slatin Bey U» A. hatten sich schon früher durch die Flucht der Macht des Chalifa entzogen. Der Sieg Kitschen» Paschas, dem hoffentlich eine vollständige Vernichtung des jetzigen Chalifen folgt, be deutet «ine Errungenschaft der Civilisation. Es eröffne» sich die Aussichten, den Sudan, dieses herrlich«, fruchtbare Land der Cultur zurückgegeben zu sehen. Bestände die Mahdia noch länger, so würde das Land bald dem Schicksale Arabien» ver fallen, e» wird Wüste werden.
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