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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.10.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-10-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981027019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898102701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898102701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-10
- Tag1898-10-27
- Monat1898-10
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machten Ansprüche auf Gebietsteile dieses Bundesstaates, m i t denGrundprincipien der Bundes-Verträge undderReichsverfassung nichtvereinbar sei." — Da der Herzog von Cumberland nach wie vor den preußischen Besitzstand in Hannover nicht anerkennt, fordert dieGerechtig le i t, ihn nach wie vor von der Thronfolge auszuschlietzen. Ein Recht der Dynastie, das über alle anderen durch die Bundes verträge und die Reichsverfassung anerkannten Rechte hinweggeht, ist ebenso unmöglich wie «ine Treue gegen die Dynastie, die über alle anderen Rücksichten sich hinwegsetzt. Wenn die „Germania" Arm in Arm mit den Welfen dieser Ansicht nicht ist, so liefert sie damit einen neuen Beitrag zur Erkenntniß des „nationalen" Centrums. L. Berit», 26. Oktober. (Verdächtige Toleranz.) Am 23. >d. M. hat in C s sen der vierte Delegirtentag 'der katholischen Arbeitervereine der Erz- diöcese Köln stattgefunden, der in auffallender Weise Toleranz gegen die evangelische Confession zur Schau trug. Von einer Reihe Rednern aus Köln a. Rh. und Altendorf wurde betont, daß die Arbeitervereine interconfessionell sein müßten; selbst ein Vicar, Herr Brauns aus Borbeck, trat für interconfessionelle Gewerkvereine ein, und nur ein einziger Redner wollte neu zu gründende Verbände katholisch gestaltet wissen, da man auf der anderen Seite zu wenig Entgegenkommen fände. Entsprechend dem Verlauf der Debatte wurde ein Antrag, nur katholische Gewerkvereine zu gründen, abgelehnt. — Man könnte diese Haltung des Delegirtcntages -der katholischen Arbeiter vereine der Erzdiöcese Köln auf protestantischer Seite mit Ge- nugthuung begrüßen, wenn man sich nicht des Ursprunges derevanqelischenArbeitervcreine erinnerte. Der erste evangelische Arbeiterverein ist Anfang Mai 1882 zu Gelsen kirchen durch den Bergmann Fischer und den Lehrer Bischof gegründet worden. Der Beweggrund, der Beide dazu trieb, war der Anstoß, den sie an dem Einflüsse der katholischen christ lich-socialen Arbeitervereine auf deren zahlreiche evangelische Mitglieder nahmen. Nach den Erfahrungen Fischer's und Bischofs trie-ben diese katholischen Vereine unter der Firma der Consessionslosigkeit eine zudringliche und sehr erfolgreiche katholische Propaganda, veranlaßten ihre evangelischen Mit glieder, die in Mischehe lebten, zur Einwilligung in die katholische Erziehung ihrer Kinder, bei Wahlen zur Abgabe ihrer Stimm zettel für Centrumscandidaten, sowie zur Lectüre klerikaler Zeitungen. — Es entsteht die Frage, ob solche Versuche, katholische Propaganda zu treiben, jetzt nicht wiederholt werden würden, wenn die Bildung interkonfessioneller Arbeitervereine gelänge. In der ersten Zeit würde man sich wahrscheinlich einige Zurückhaltung auferlegen, um die Wachsamkeit auf protestan tischer Seite einzuschläfern; später aber dürfte die katholische Propaganda um so energischer betrieben werden. Deshalb er scheint es uns angezeigt, auf die in Essen soeben von dem katho lischen Delegirtentage gezeigte Toleranz als auf eine verdächtige Erscheinung aufmerksam zu machen. Berlin, 26. October. (Privattelegrainin.) Auf der Fahrt des KaiscrpaareS in Palästina übernimmt Prof. Moritz aus Kairo die Erklärung der Altertbiimer und Erinnerungen. Prof. Moritz ist, der „Nat.-Ztg." zufolge, ein in Berlin sehr bekannter Gelehrter. Bevor er zur Leitung der viceköniglichen Bibliothek nach Egypten berufen wurde, wirkte er hier Jahre lang am Seminar für orientalische Sprachen seit dessen Bestehen; er war der Secretair und Bibliothekar des Seminars und lehrte außerdem Arabisch.d "" (-) Berlin, 26. October. (Telegramm.) Der „Reichs- Anzeiger" meldet: Dem deutschen Gesandten in Peking, Freiherrn v. Hcyking, ist der Kronenorden II. Classe ver liehen worden. D Berlin, 26. October. (Telegramm.) Der Colo nialrath stimmte dem von dem Reiche mit der Neuguinea- Eom pagnie abgeschlossenen Vertrage wegen Ablösung der Landeshobeitsrechte zu. Dabei wurde allgemein anerkannt, daß die Vertragsgrundzüge den früheren Vorschlägen des Eolonialratbes entsprechen. In der Debatte über die Förderung der deutschen Sprache in den Schutz gebieten wurde die Resolution angenommen, daß den be reits in den Colonien bestehenden oder noch zu errichtenden Schulen auf Antrag ein Regierungszuschuß gewährt werde. Nachdem der Vorsitzende dem Colonialrathe für das ihm bewiesene Vertrauen gedankt batte, betonte der Herzog- Regent von Mecklenburg in einem Schlußworte, er habe in diesen Tagen die feste Ueberzeugung gewonnen, daß die Leitung der Colonialpolitik in die richtigen Hände gelegt sei. — Der Reichstag wird einer Meldung der „Magdeb. Ztg." zufolge am 29. November zusammentreten. — Ein Transport von 80 Pionieren ist gestern I von Berlin nach Südwest-Afrika abgegangen, nachdem! vor einiger Zeit bereits 160 Mann vorausgesandt worden I waren. Die Leute, Reservisten zumeist der Eisenbahnbrigade, erhalten 1000 jährlich und freie Reise. Sie sollen bei den Hafenbauten in Swakopmund Beschäftigung finden. Der Transport, der auf der Wörmannlinie Hamburg ver lassen wird, steht unter Führung des Regierungsbaumeisters Ortloff. * Tanzig, 25. October. Ein Erlaß der hiesigen Regierung, der übrigens nicht, wie mehrere Blätter melden, nur an die polnischen, sondern an alle Lehrer gerichtet wurde, hat folgenden Wortlaut: „Es kommt nicht selten vor, daß die Familienangehörigen eines Lehrers, namentlich die Frau, sich im Hause und Verkehr der polnischen Sprache bedienen, daß der Lehrer, ohne energische Schritte dagegen zu thun, es geschehen läßt, daß seine Kinder den Confirmandenunterricht in polnischer Sprache erhalten, end lich, daß er bei den Wahlen, in denen lediglich Polenth « m und Deutschthum einander gegenüberstehen, seine Stellung hinreichend gewahrt zu haben glaubt, wenn er nicht den Polen wählt, sondern sich der Wahl enthält. Bei rechter Würdigung der im Ctaatsministerial-Erlaß vom 12. April d. I. auserlegten erhöhten Pflichten kann es nicht als zulässig bezeichnet werden, wenn die polnische Sprache im Hause des Lehrers eine Pflegestätte findet; er wird vielmehr energisch dafür Sorge tragen müssen, daß auch bei seinen Familien mitgliedern die deutsche Sprache als Umgangssprache zur vollen Geltung kommt. Ebenso hat er als ein ihm zustehendes Recht zu beansprnchen, daß seine Kinder den Confirmandenunterricht in deutscher Sprache erhalten und diesem Verlangen gebührend Nach druck zu verleihen. Bei allen Wahlkämpfen, in denen Polenthum und Deutschthum einander gegenübertreten, ist es für den Lehrer durchaus nicht genügend, in lauer Objektivität bei Seite zu stehen, sondern er ist verpflichtet, auch bei dieser Gelegenheit seine deutsche Gesinnung freimüthig und unzweideutig zu bekennen." * Stuttgart, 25. Oktober. Ein Dementi findet sich in dem amtlichen würtlembergischen Blatt vom gestrigen Tage. Es hatte geheißen, die württembergische Regierung sei von der Absicht, auch für die würltembergischen Staatsbeamten die Dienstescautionspflicht auszuheben, endgiltig ab gekommen; die Cautionen sollten in Württemberg nicht auf gehoben werden. Demgegenüber berichtigt der „Staats- Anzeiger", daß die Regierung zunächst noch bei einigen anderen deutschen Regierungen Erkundigungen einzuziehen beschlossen hat und daß erst nach deren Einlauf „endgiltige Ent schließung über die im Uebrigen vorbereitete Frage gefaßt werden wird". * Aus Clsatz-Lothringcn, 25. October. Die klerikalen Blätter sind eifrig an der Arbeit, -die dieser Tage erfolgte Auf lösung eines katholischen Männrrvereins zu einer Staatsaction aufzübauschen und die Bevölkerung gegen -die Regierung aufzuhetzen. Das „Journal de Colmar", das Organ des bekannten Abbes Wetterle, kündigt bereits an, daß die Sache im Reichstag zur Sprache gebracht werde, damit man in Berlin wieder einmal erfahre, wie hier katholische Werke, Zeitungen und Vereine den „härtesten Maßnahmen" aus gesetzt seien, und die gesinnungsoerwandte „Oberels. Ztg." meint, es wehe von Norden her ein „eisiger Wind", vor dem der „loyale biedere Elsässer sich in seinen Wettermantel knöpfe und seinen Ingrimm im Herzen verberge". Dabei können diese Blätter nicht bestreiten, daß der betreffende Verein offen Politik getrieben habe, trotzdem dies in den Statuten ausdrücklich ver boten war und daß die Regierung nicht anders handeln konnte, wenn sie sich nicht dem öffentlichen Gespött« aussetzen wollte. In klerikalen Kreisen scheint nachgerade jedes Verständniß dafür ab handen gekommen zu sein, daß die Gesetze dazu da sind, beachtet und ohne Ansehen der Person angewen-oet zu werden. Sogar die demokratische „Volkspartei", die gewiß über jeden Verdacht der Regierungssreundkichkeit erhaben ist, giebt dies zu, indem sie u. A. ausführt: „Wenn ein Musik- oder Turnverein, eine literarische oder sonstige unpolitische Gesellschaft, wenn ein pro testantischer oder jüdischer Männerverein anfinge, Politik zu treiben, so würde -die Auflösung auf dem Fuße folgen. Wir wüßten nicht, warum die klerikalen Vereine anders gestellt werden sollten. Eine Behörde, welche anders handelte, würde sich un möglich machen. Es muß mit offenem Visir gekämpft werden. Die Politik, die sich hinter der Religion verkriecht, züchtet Heuchler, und diese bringen keinem Lande Nutzen." Oesterreich-Ungarn. Äum Ausgleich * Wien, 26. October. (Telegramm.) Der Aus gleichsausschuß beendete heute die Generaldebatte. Die Sitzung wurde sodann abgebrochen. In der Nachmittags sitzung erfolgt die Wahl der SubcomiteS. * Pest, 26. October. (Telegramm.) Abgeordnetenhaus. Die Oppositionspartei setzte die Obstruktion fort. Am Schlüsse brachte Polonyi eine Interpellation über die An gelegenheit der Verbrüderung der kroatischen Rechtspartei mit den Slowenen im österreichischen Reichörathe ein. Frankreich. Stur; -es Cabinets Brisson * Paris, 26. Oktober. (Telegramm.) Präsident Faure empfing heute Vormittag die Präsidenten deS Senates und der Deputirtenkammer und wird heute Nachmittag die Vicepräsidenten der Deputirtenkammer empfangen. Es heißt, Faure werde alle An strengungen machen, um die Bildung eines neuen Cabinets rasch herbeizuführen. In den Kreisen der Senatoren und Deputirten werden die Namen Ribot und Freycinet für das Cabinets- vräsidium genannt. * Paris, 26. October. (Telegramm.) Die „Libre Parole" kündigt an, daß sämmtliche nationalistische und antisemitische Deputirten der morgen beginnenden Verhandlung über die Revision des Dreyfus-Processes beim Cassationshofe bei wohnen werden. Von der Patriotenliga sind für morgen Demon strationen vor dem Justizpalaste geplant. * Paris, 26. October. (Telegramm.) Der Sturz Brisson's versetzt die Republik in die schlimmste Lage, die seit 1871 zu verzeichnen war. Ec bedeutet den Sieg der Militairpartei mit Hilfe der Monarchisten. Die Stimmung in den republikanischen Kreisen ist derart, daß thatsächlich ein militairischer Staatsstreich befürchtet wird. Chanoine's Berrath war zweifellos vorher abgekartet. Was nun kommen soll, entzieht sich jeder Berechnung. Jedenfalls erscheint es undenkbar, daß die Revision des Drey- fusprocesses dem Cassationshos wieder entzogen wird, wie die Generalstabspresse fordert. Hierzu ist ein Gewaltact erforderlich. Bourgeois erklärt offen, Chanoine's Verrath sei mit Vor wissen Faure's, der in der ganzen Angelegenheit eine zweideutige Rolle gespielt habe, geschehen. Ueberall herrscht große Aufregung. (Mgdb.Z.) Faschodafrage. * Marseille, 26. October. (Telegramm.) Das Packet- boot „Senegal" ist mit dem Hauptmann Baratier und dem Sirdar Kitcheuer an Bord hier eingetroffen. Baratier und Kitchener reisten um 9 Uhr nach Paris ab. Während der Ueberfahrt haben sie alle Mahlzeiten gemeinsam ein genommen, indem sie sich sreundschaftlich über das Land unterhielten, das sie soeben durchquert hatten. Baratier bestätigte, daß die Mission Marchand's regelmäßig mit Lebensmitteln versehen war. * Marseille, 26. October. (Telegramm.) Als Haupt mann Baratier mit dem 9-Uhr-Zuge, in dem auch der Sirdar Kitchener fährt, nach Paris abreiste, ertönten aus der Menge Hochrufe auf Marchand und Baratier und auf Frankreich. * LenS, 26. October. (Telegramm.) Der Ausstand in den Kohlengruben von Liövin ist beendet. Spanien. Friedenskongreß. * Madrid, 26. Oktober. (Telegramm.) Die „Corre- spondencia de Espaüa" sagt, die spanische Commission bei der Friedensconferenz in Paris habe bisher keine Er folge erzielt. (Fortsetzung in der 1. Beilage.) Tas Bankgeschäft Carl Heintze in Gotha hat der Ge- sammtauflage vorliegender Nummer eine Beilage über die Zweite Stadtilmer Kirchenbau-Geld-Lotterie, deren Ziehung am 10. November 1898 stattfindet, beigelegt, worauf wir unsere Leser hierdurch aufmerksam machen. »»»onus. deol« 8piritlls-I.Lmp« der V«lt, in »II 8t»»t. , käcksl.« r»bi-Ni ii> I>e.«iI<-ii-4 -.1. ^«ikret-r ssir IViickeiiiM im Lsii8v. Lrprobt xe^on Xranüüciten 6es Xervensz stems, (-lebt, Uluseo- unck Xlvienlelcken, 8ckin licbcrustllnäc, 8clilallo8lxkelt ete. etc. Au belieben ckurob alle ^potkeken, Llivcralvasserbancklunzren unck Orojruerien, sowie ckurob MricWltMiWn». ffMMbrs (Mmo). L. Illlttillllnn, RanWter Steiim. 25. Lroulvnvdtvr für Pl»« und Hünxe-, in reicher Auswahl. PMchMLi in äireet beratenen, Keselilossenen OriKlnalpaeLunKen empüeblt in grösster ^uswadl. Varl klrttau, kMldeM. 8,1-MMr. I »iß kslmMmM — von Luäolt verleke, Kaiser!. Königl. Hoflieferant, Potsdam — berühmt wegen seines köstlichen Geschmacks und seiner leichten Be kömmlichkeit, so daß es von allen ärztlichen Autoritäten ass bestes Brod empfohlen wird, ist Hierselbst bei F. W. Krause, I. G. Tarn, Cäsar Pighetti, «ebr. Hübner, Gebr. Kirmse, Fr. Bödc- mann Rachf., P. Biedermann täglich frisch zu haben. Tageskalender. Telephon-Anschluß: Expedition Les Leipziger Tageblattes .... Nr. 222) S Redaktion des Leipziger Tageblattes .... - 153>^ vuchdrnckerei des Leipziger Tageblattes (C. Polz) - 1173) !-> Otto Klcmm's Sortiment (Alfred Hahn), Filiale: Universitäts straße 3: Amt I 4046. Louis Lösche, Filialen des Leipziger Tageblattes: Katharinenstr. 14: Amt I 2935, Königsplatz 7: Amt IV 3575. AnSknnftSstcllc für Tee-SchiffsahrtS- und Rcise-Bcrkehr, Relies-Weltkarte der Hamburger Rhedereien:F. W.Graupenstein, Blücherplatz l. Unentgeltliche Auskunftsertheilung: Wochen- I taas 9—12 Uhr Vormittags und 3—6 Uhr Nachmittags. irgend wo. Kaufleute hatten von der Leipziger Messe Schriften Luther's mit heimgebracht, und die Stimmung, welche bischöfliche Eingriffe in die Eigenthumsrechte des sächsischen Klerus und der sächsischen Gemeinden im Verein mit den „ärgerlichen sittlichen Gebrechen der Geistlichen" hervorgerufen hatten, war eine der artige, die die Gemüther empfänglich machte für die reine Lehre des evangelischen Glaubens. Schon 1524 mußte der Erzbischof von Gran den Dechanten befehlen, alle Sonntage in allen Kirchen bei Strafe des Bannes vor Luther's Ketzerei und seinen ver führerischen Schriften warnen zu lassen, während der König dem Rathe Kronstadts den Auftrag ertheilte, jene Bücher aufzusuchen, zu zerreißen und zu verbrennen. Diese Befehl«, häufig in allen Gauen des Siebenbürger Sachsenlandes wiederholt, fruchteten wenig, die Wirrnisse der Zeit gaben Anderes zu thun, Gefähr licheres abzuwenden. Bei Processionen mußten die Priester sich gar manches Spott- und Hohnwort gefallen lassen. „Ob denn die Pfaffen glaubten, Gott sei blödsichtig geworden, daß sie ihm so viele Lichter anzündeten, und ob sie Gott für ein Kind hielten, welches auf den Armen alter Weiber durch die Stadt getragen sein will" u. s. w. Das Capitel klagte, in Hermannstadt habe „die Pest der lutherischen Lehre" so sehr um sich gegriffen, daß es nach dem Zeugniß Kundiger in Luther's Wohnort selbst nicht ärger sein kann. Freilich, auf ähnliche Klage antwortet einmal der Graner Erzbischof: „Ich fürchte, Ihr selber veranlaßt die Abtrünnigkeit durch eigenen Abfall, oder weil Ihr lieber üppigen Wohllebens als göttlicher Ding« beflissen seid. Darum bessert Euer Leben. Wie die Vorgesetzten, so sind die Untergebenen." Wie treffend das pfäffische Wesen von damals hierin gezeichnet ist, mit kurzem Strich die Uebelstände gegeben, welche der Lebens arbeit Honterus' zu mächtiger Pflugschar wurden, die den Boden für die Saat der „neuen Lehre" lockerte, ehe Honterus, der Säe mann, kam, kräftiges Korn zu streuen! Dieser erkannte, daß sein großes Werk nicht mit offenem Auflehncn gegen das Bestehende zu beginnen und auszuführen sei: Auf die Jugend hielt er fein Augenmerk. Die Schul« war es, deren Verbesserung er zunächst anstrebte, um in den jungen Gemüthern treue Hüter und starke -Kämpfer für das Licht des Evangeliums zu erziehen. Seine Druckerei, die er im Hause seiner mittlerweile verwittweten Mutter errichtete, war ihm für sein Vorhaben eine wichtig« Hilfe. Er druckte (1535) eine latei nische Grammatik, später eine griechische; eine Auswahl von Stel len Augustins drangen dann als Vorboten der lutherischen Lehre in die jugendlichen Herzen. Das waren die ersten goldenen Sonnenstrahlen innerlicher Freiheit, die in die bisher so düsteren Hallen der alten Pfarrschule drangen. Dann folgten Lehrbücher für Denklehre, hauptsächlich aus Aristoteles, für Rhetorik, be sonders aus Cicero und Quintilian, endlich eine Auslese griechi scher und lateinischer „geflügelter Worte" mit Erklärungen (Ockas cum fiarinoniis, cx ciivorsis poctis in usum lucki literarii coronensis ckccerptac), Werke von Hesiod, Aristoteles, Plato, später auch Terenzische Komödien. Ein Auf blühen der Schulen, welche in den letzten „ungnädigen Zeiten und durch Nachlässigkeit der Feinde der Frömmigkeit schier ganz gefallen waren", hatte des heimgekehrten Humanisten stille Thätigkeit zur Folge. Auf seine Anregung ward «ine Bibliothek gegründet, die sich der „Mithilfe" der Stadt zu erfreuen hatte und bi» zum großen Brande im 17. Jahrhundert die größte des Landes blieb. In di« Stätten der Klöster zog die lernende Jugend ein, der er eine besondere Ordnung — Ocmstitutio sckolac Ooronensis — gab, welche mit Zustimmung des Rathes im Jahre 1543 veröffentlicht wurde. Der armen Kinder gedachte er besonders, welche um ihrer Noch willen nicht des Lichtes der Wissenschaft entbehren sollten. „Fleißige Schulmeister" sollten in Stadt und Dorf angestellt werden, „damit nicht einmal dich Vaterland, mitten unter den Feinden von Gott so herrlich begnadet, durch Unfleiß der Obrigkeit, welche darauf zu sorgen geschworen, zu einem heidnischen Wesen gerathe". Doch der stille Hof des tobten Lederers Gras wurde bald der Ziclpunct der von der „allein selig machenden Kirche" Ab trünnigen. Auf einem umgrftürzten Bottich predigend, fand Honterus bald eine andächtige Schaar, die immer mehr und mehr wuchs, -deren -Seelen er begeisternd hinriß für das große Werk des „Ketzers von Wittenberg". Da Hub er gewaltig zu predigen an. sagt Dr. G. D. Deutsch, und -lehrte, wie die Religion des Heilands in Jrrthum verstrickt worden und Menschensatzungen das Wort Gottes gefangen genommen so lange Zeit. Nun aber seien gelehrte Männer gekommen und hätten Zeugniß gegeben, und in viel tausend Schriften sei es dem Erdkreis verkündet, auf daß Niemand mit Unwissenheit sich ausreden könne, es fei denn, wer seine Ohren verhärte, -daß er nicht höre, und -seine Augen ver schließe, daß er nicht sehe! Damit aber der Widersacher dem Werke Gottes nichts anhabe, schrieb Honterus ein Reformations büchlein, eine „Kirchenordnung", zuerst nur für das Burzen- land 1542, dann erweitert und umgearbeitet für alle sächsischen Kirchen in Siebenbürgen (1547). Er zeigte darin klar und ein dringlich die Hauptstücke der neuen Kirche, die da eigentlich die wahrhaftig« alte nur sei, wie man darin berufen solle zu Pfarr herren und Predigern, die da seien unsträflichen Wandels und kundig der Lehre, nicht aber Dien«r des Bauches und un bewandert in Wissenschaft; wie diese einfältiglich und in der Muttersprache zu lehren hätten -das unverfälschte Evangelium und den Glauben an Christus, der Frücht« zeuge der Gerechtig keit; worin nach des Herrn Wort die Taufe bestehe und das Abendmahl; wie nach der Schrift die Ehesachen zu ordnen, was man von d«r Messe, von der Ohrenbeichte und von dem Bann zu halten habe; wie der Gottesdienst einzurichten sei; wie man die Schulen wieder Herstellen, für Kranke, Arme und Waisen sorgen und Gebrechen des bürgerlichen Lebens heilen solle. Und er wies in dem Büchlein nach, daß die gezwungene Ehe losigkeit der Geistlichen streite mit dem Wort des Apostels, und daß die vielen Festtage ein Mißbrauch seien, den man abschaffen müsse, wie denn darin die Würde eines Christenmenschen bestehe, daß er sich nicht beug« in das Joch der Menschenfatzungen, die da verschließen das Himmelreich, sondern fest bleibe in der Frei heit, mit welcher Christus uns befreit hat. Melanchthon ließ mit einem Begleitwort von seiner Hand das Reformationsbüchlein (Reformatio ceclcsiarum Ssxoni- carum in Transsilvania) in Wittenberg wieder drucken. Luther selbst antwortet« dem Stadtpfarrer von Hermannstadt, Matthias R-amser, welcher ihn um «ine gutachtliche Aeußerung gebeten hatte, so: „Alles, was Du mich fragst, findest Du in jenem Buche besser, als ich es schreiben kann. Wie sehr gefällt es mir, das mit so- großrr Gelehrsamkeit, Reinheit und Treue verfaßt ist! Dies Büchlein lies und gehe zu Rath mit den Lehrern der Kronstädter Gemeind«; sie werden Dir die nützlichsten Mithelfer sein zur Besserung Deiner Kirche." HonteruS selbst wird von Luther als rin „Apostel, den der Herr dem Ungarlande erweckt hat", bezeichnet. Auf Grund dieses Büchleins wurden alle sächsischen Kirchen „visitirt" und verbessert. Deutsch schreibt: Neben den zahl reichen gleichzeitigen Kirchenordnungen Deutschlands ganz eigen artig dastehend, ist jene Kirchenordnung ein Wert tiefsten sittlich religiösen Ernstes, hochbedeutsam auch durch die Umsicht und maßvolle Besonnenheit, die dort mitten in der großen Bewegung jener Tage die Herrschaft behält, mit dem offen ausgesprochenen Ziel, durch die Macht des gereinigten Glaubens auch das bürger liche Leben zu reinigen, «ine christliche Verbesserung auch der weltlichen Sachen zu bewirken; sie hat den dauernden Rechts grund zum Aufbau der deutschen evangelischen Kirche Sieben bürgens gelegt. Sein Volk, namentlich seine Kronstädter, haben ihren großen Mtbürger in jeder Weise geehrt. Die schönste Ehrung mag es für ihn gewesen fein, als di« Magistratsherren im Jahre 1843 zu Weihnachten, mit ergriffenem Gemüthe zucückoenkend an die ungeheure Wandlung, die sich in ihrer Mitte vollzogen, an die Gefahren, welche die Kirchenverbesserung bestanden, hin gerissen von der Stimmung des Augenblicks, die Finger auf das Reformationsbllchlein legten und vor Gott den Eidschwur thaten, das neue Evangelium zu schützen und zu bewahren jetzt und immerdar! Da mag dem edlen Manne, der ja mitten unter ihnen stand, das Herz sich geweitet haben und heißer Dank aus -seiner tiefsten Seele zu Dem emporgestiegen sein, durch dessen Gnade und Hilfe er das Werk so herrlich hatte ausführrn können. Seit jenem Tage haben die neuen Beamten des Rathes allezeit ihren Eid auf Honterus' Reformationsbüchlein geleistet. Dies Werk war vollendet, als am 17. Mai 1545 die Dechanten und Abgeordneten der sächsischen Capitel auf -der Synode in Mediasch zusammentraten und sich als die Glieder einer Religion und eines Körpers anerkannten. Honterus wurde am 22. April 1544 einstimmig zum Stadt pfarrer gewählt, als welcher er auch die Aufsicht über die Schulen erhielt. Wohl wissend, daß, wenn die Schulen tüchtig sind, auch das Gemeinwesen blühet, entwarf er jene Schul ordnung für die Kronstädter Schule, die, am 1. December 1544 eröffnet, eine Leuchte wurde und ein Herd geistigen Ledens für viele Geschlechter. Seine literarische Thätigkeit trug noch mancherlei Früchte sowohl auf kirchlichem als auf pädagogischem Gebiete. Erwähnen wollen wir seine „Agende für die Seel sorger und Kirchendiener in Siebenbürgen". Der studirenden Jugend galten die „Disticfis nc>vi testsmenti", welche den Inhalt der neutcstamentkichen Bücher nach den einzelnen Capiteln angeben und durch -die Anfangsbuchstaben der Verse zugleich die Zahl der betreffenden Capitel bezeichnen. Vor Allem aber müssen wir, wollen wir das Bild des Mannes nicht zu flüchtig skizzirt hier wiedergrben, noch seiner Thätigkeit auf dem Gebiete der Rechtswissenschaft gedenken. Der Mangel eines geschriebenen Gesetzes wurde längst schon empfunden. Zu nächst gab Honterus «inen Auszug aus den Pandekten heraus, den er dem König ZLpolya widmete. Weit folgenreicher aber war seine Schöpfung eines eigenen sächsischen Rechtsbuches, das im Jahre 1544 erschien: Oompsnckium juris civilis in usum civitatum sc seckium 8axonicalium collcctum. „Nichts Hehreres wurde von Gott dem Menschengeschlecht geschenkt al» die Gerechtigkeit", sagte er: „Denn das Gesetz ist ein Gottesgeschenk, das der Erd« Sterblichen Söhnen herab kieben-v der Himmel gereicht. Also schirmt es der Menschen Verein, den Wandel der Menschen, Daß «in Jeglicher sich froh seines -Rechtes erfreut. Aber entferne v«r Staat das gerechte Gesetz, dann rntfliehet Schnell mit eilendem Fuß fort aus den Mauern die Treu'. Hältst die Willkür du mit Gesetzeskraft nicht in »schranken, Bald wird nichts -mehr sein, was noch -dem Bürger gehört." Das Werk hatte den offen ausgesprochenen Zweck, durch ein gemeinsames Gesetzbuch ein neues festes Band der Einheit um -die sächsischen Gaue zu -schlingen, die in 'den zwei letzten Menschenaltern allmählich zu einem politisch-nationalen Körper zusammengewachsen und nun durch die Reformation auch jener kirchlichen Sonderung ledig geworden waren, die sie bis dahin in -der Verschiedenheit der Bisthllmer getrennt hatte. In diesem Werk« hat Honterus die ersten Bausteine zusammengetragen, auf deren Grund 1583 'das Eigenlandrecht der Sachsen in Siebenbürgen (Statuta jurium muuicipalium Laxonum Tran88ilvLllorum) zum Abschluß kam. Honterus starb in -der Blüthr -der Mannesjahre. Um -di« Mittagstunde des 23. Januar 1549 entschlummerte er. Ein Leben so reich, so schön, nur dem Wohle seines Volkes und Vaterlandes gewidmet, hatte er geendet. Sein großes Werk ist das schönste Denkmal für ihn, ein anderes setzte ihm fein Organist in folgenden Worten: „Den 23. Januar am Mittag zur zwölfen Stunde ist der fromme, gottesfürchtige Herr Magister Johannes Honterus, Pfarrer in Kronrn, aus dieser Welt ge schieden. Dieser war ein Mann, seinem Vaterland zu dienen und war demselben nützlich und befähigt, es zu fördern, denn er hat die Lehre des heiligen Evangeliums und den rechten Gottes dienst allhier zuerst angerichtet und die Schulen reform-irt zum Nutzen der Jugend und die Druckerei aufgebracht und des heiligen Evangeliums halber viel erlitten und ausgestanden. In seinem Pfarramt hat er nichts anderes denn vieler Seelen H«il und Seligkeit gesucht. Kurzum: er -war fromm, demüthig, lehr- haftig, ehrerbietig, verachtete Niemanden und war dazu ein treuer Hirte feiner Schäflein, dessen Seele in der ewigen Ruhr lebet ewiglich. Amen!" Vierhundert Jahre, nachdem ' die Stadt 'Kronstadt dem sächsischen Volke diesen seinen größten Sohn schenkte, weihete dieses Volk der Stadt ein herrliches Denkmckl des Reformators, sich selbst nicht weniger, als das Andenken des Gottesmannes ehrend. Hoch empor hebt «r das Haupt, «ine sichtbare Mahnung seinem Volke, daß ein Jeder kraftvoll a-usharren möge, wie er es that, was immer auch komme, daß Keiner sich beuge und nichts und Niemand fürchte als Gott, daß Jeder baue auf den höchsten Gott und nicht sich fürchte vor -der -Macht der Menschen. Seine Rechte weist auf das Schulgebäude, in dem «r einst in die jungen Seelen die Gottessaat legte, di« herabgesunkene Hand hält ein offenes Buch, das sein« Schul- und seine Kirchenordnung zeigt, sein Antlitz zeigt Milde und hoheitsvollen Frieden, es ist, als ob er den theuren Mund öffnen wolle, um seinen Sachsen seinen Wahlspruch zuzurufen, das große, inhaltschwere Wort: Wachet und betet!
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