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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.10.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-10-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981029015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898102901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898102901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-10
- Tag1898-10-29
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war die Versicherungsanstalt befugt, für eiueu erkrankten, der reichsgesetzlichen Fürsorgepflicht nicht unterliegenden Ver sicherten das Heilverfahren in dem Umfange zu übernehmen, rn welchem die Krankenverficherungöcassrn das Heilverfahren für die bei ihnen Versicherten eintreten lassen mußten, d. h. für längstens 13 Wochen. Rach dem Entwurf der Novelle sollen die Versicherungsanstalten ganz allgemein für alle Versicherten befugt sein, daö Heilverfahren in dem ihnen genügend erscheinenden Umfange eintreten zu lasten, um eine in Folge von Krankheit drohende Erwerbsunfähigkeit der gegen Alter und Invalidität Versicherten abzuwenden. In diesem Falle soll während des Heilverfahrens die Hälfte des Krankengeldes auch dann gezahlt werden, wenn der Ver sicherte der gesetzlichen Krankenfürsorge nicht unterliegt. Wird eine Invaliben-Rente gewährt, so soll das Krankengeld fortfallen. Da nach der bisherigen Vorschrift des Gesetzes Invaliben-Rente erst nach einjähriger dauernder Erwerbs unfähigkeit bezahlt werden konnte, während sie jetzt schon nach 26 Wochen eintritt, so folgt hieraus, daß während deS Heilverfahrens Krankengeld, von der 27. Woche ab jedoch in Folge vorhergehender ununterbrochener Erwerbsunfähigkeit statt des Krankengeldes Invalidenrente gezahlt wird. Es ist klar, daß hierin ein großer socialer Fortschritt liegt, da selbst in den Fällen, in welchen die Versicherungs-Anstalt das Heilverfahren nicht übernimmt, für die der Krankeiwersicherung unterliegenden erwerbsunfähig gewordenen Personen demnächst nur ein rentenfreier Zeitraum von der 13. bis zur 27. Woche, d. h. von 13 Wochen liegt, während die nicht der Krankenfürsorge unterliegenden Versicherten schon nach 26 Wochen, statt bisher 52 Wochen, Invaliden-Rente erhalten können. Wer aus eigener Anschauung weiß, welche verhängnißvolle Folgen für einen Arbeiterhaushalt die längere Erwerbsunfähigkeit des Ernährers mit sich bringt, wird jene Neuerung auf dem Gebiet fürsorgender Krankenpflege, sowie die Abkürzung der Karenzzeit der Invaliden-Nente gewiß freudig begrüßen. Berlin, 28. October. (Polnische Heraus forderung des deutschen Nationalgefühls.) Wir wir aus einer Notiz im „Wiellopolanin" ersehen, „haben die Kaufleute und Fabrikanten von Warschau und aus dem Königreich Polen als Widerhall der in der Ge schichte «der Civilisation beispiellos dastehenden Ausrottung der polnischen Sprache im preußischen Antheil einmüthig beschlossen, mit den deutschen Fabrikanten nicht mehr deutsch zu correspondiren". Dieser Beschluß, wenn er sich bestätigt, ist einer directen Herausforderung des deutschen Nationalgefühls gleich zu achten, und es kann unseres Dafür haltens keinem Zweifel unterliegen, wie sich deutsche Geschäfts leute, welche auf nationale Ehre und Würde halten, polnischen Provokationen gegenüber sich zu benehmen haben werden. Be zeichnend indessen für den Geist, welcher die großpolnische Pro paganda in den gemischtsprachigen Landestheilen des Ostens der preußischen Monarchie durchweht, ist die enthusiastische Zu stimmung, die den von Warschau ausgehenden provokatorischen Bestrebungen von den Agitatoren diesseits der Grenze gezollt wird. Es ist doch der Gipfel der Illoyalität, sich einestheils über „Verfolgung" des polnischen Idioms zu beklagen und andererseits systematisch an der Ausgestaltung eben dieses Idioms zu einem Sturmbock behufs Breschelegung in die Position des Deutschthums zu arbeiten! Den großpolnischen Hetzern ist aber der bloße Gedanke schon an ein friedliches Neben- und Mit einanderleben beider Nationalitäten durchaus unerträglich, und eingestandenermaßen verfolgen ihre Bemühungen, dem Geltungs bereich der deutschen Sprache im Osten das Wasser abzugraben, den Zweck, der allmählichen Ausgleichung der nationalen Gegen sätze eine möglichst unübersteigliche Schranke zu ziehen, Ent fremdung und Haß an die Stelle des gegenseitigen Verständnisses, der gegenseitigen Annäherung zu setzen. Daß man auf deutscher Seite diesen Missbrauch des polnischen Idioms zu einer Waffe 'des politischen Offensivkampfes nicht gleichgiltig zusehen kann, bedarf hiernach wohl keiner ausdrücklichen Begründung mehr. * Berlin, 28. October. Zur Frage der Depor tation von Strafgefangenen hatte die Reichs regierung Veranlassung genommen, sich zunächst darüber Auf klärung zu verschaffen, wir an Ort und Stelle bei den einzelnen Colonial-Verwaltungen die Angelegenheit deurtheilt werde. Die Colonral-Verwaltung hat au die Gouverneure unserer afrikanischen Colonien von Togo, Kamerun, von Südwest-Afrika und von Ost-Afrika die Frage gestellt, inwieweit sie es für zulässig, finanziell durchführbar und im Interesse der Colonien, andererseits aber auch im Interesse der Sträflinge erachten würden, wenn man die Deportation in gewissen Grenzen in das deutsche Strafsystrm einfllhren wollte. Die Antworten der Gouverneure sind, wie der „Berl. Localanz." er fährt, sämmtlich verneinend ausgefallen. Sie erklären, daß es unmöglich sein würde, Gefangene dorthin zu bringen, ohne sie zum Theil wenigstens ernsten Lebensgefahren oder lang wierigen Krankheiten auszusetzen. Der Gouverneur von Kamerun geht so weit, zu erklären, wenn man einen Versuch dieser Art machen wollte, würde die ganze Sträflingscolonie in kurzer Zeit ein großes Krankenhaus bilden. Der zweite Grund, der die Gouverneure abhält, dem Project näherzutreten, ist der, daß die Autorität der weißen Bevölkerung entschieden leiden würde, wenn Weiße dorthin gebracht würden, um ihre Strafen ihr Publicum ist die ganze Nation. Weder kulturgeschicht liche Marotten und Sonderbarkeiten, noch provinzielle Eigen heiten dürfen daS Bild verdunkeln. Der Stoff des „Jörg Trugeuhoffen" hat überdies etwas Gewagtes, denn die Toll kühnheit, womit der Held seinen Kopf in den Rachen deS Löwen steckt, ist dem gesunden Menschenverstand unbegreiflich; er will sich an dem Laudschad von Habern rächen, der sein Besitzthum zerstört und seines WeibeS Tod verschuldet hat, und zwar, indem er dessen Braut, die ihm zufällig in den Weg gekommen, dem Landschad abspenstig machen und für sich erobern will. Deshalb begiebt sich der geächtete Ritter iuS Heidelberger Schloß, wo der Pfalzgraf und sein Marschall, der Landschad, Hausen und ladet sich zur Hochzeit ein; er weiß, daß ihm hier sofort Ge fangenschaft und Tod droben und da hat er nur sehr knappe Zeit, dem gestrengen Herrn die Beute abzujagen. Doch er vollbringt das Unglaubliche; im Kerker macht er die schöne Engele zu seiner Geliebten. Er hat sie im ersten Act aus den Händen von Räubern befreit und so giebt der Landschad die Erlaubniß zu einer Verbindung der Braut mit dem zum Tode verurtheilten Ritter auf den Wunsch des Pfalzgrafen. Dieser Don Juan unter erschwerenden Um ständen bleibt Sieger. Engele erklärt fick als sein eigen und ehe der Henker kommt, soll noch der Pfaffe seinen Segen sprechen. DaS ist der wirksamste Abschluß des Stückes — und das Mädchen, daS der Held nicht liebt und daS nun sein Weib geworden, erwirkt dann seine Begnadigung. WaS weiter folgt, ist historienhaft, hat nicht mehr festen drama tischen Zusammenhalt. In den Bauernkrieg wird Jörg ver- verwickelt! Rudolf Stratz hat diesen schon in einem Roman „Der arme Konrad" geschildert; hier führt der Pfaffe Eysenhut daS große Wort der Empörer. Der Schluß hat Magnesiabeleuchtung, als wär'S der Schluß eines Zauber- dramaS — am Grabe seines ersten WeibeS erscheint dem Ritter Jörg daS zweite — und jetzt erst wendet er sich seiner Engele, die er nur auS Haß für sich erobert hat, in Liebe zu. Da« Talent deS Dichters für eine markige Darstellung und Charakterzeichnung, besonders bei den Nebenpersonen, verleugnet sich in dem Drama nicht; einzelne Scenen haben dramatische» Leben, die Schlußscene einen poetischen Hauch; aber die Handlung bewegt sich in stark absinkender Linie und die wirksamsten Hauptauftritte halten einem verständigen Nachdenken nicht Stand, wenn sie auch von der Bühne herab da- Publicum überrumpeln möge«. Di« dramatischea Dichtungen am Otto Weddigen zu verbüßen. Endlich machen die Gouverneur« darauf auf merksam, «daß, wo bisher von der Deportation als Strafmittel Gebrauch gemacht worden ist, dies immer nur geschah in Ländern mit ganz geringer Bevölkerung, wo die Deflbrtirten den Stamm mit hergaben, um die Bevölkerung eigentlich erst aus sich heraus wachsen zu lassen. Nun sind aber unsere tropischen Colonien bereits gegenwärtig so stark bevölkert,daß für einen Deportations versuch dorthin diese Voraussetzung fehlt. Endlich werden auch die hohen Transport- und Uederwachungskoften gegen den Ver such ins Feld geführt. * Berlin, 28. October Heber die Berliner Auf fassung der Situation in Paris wird der Münchner »A. Z." von hier geschrieben: Die Pariser Vorgänge werden hier mit Gelassenheit verfolgt. Wenn eS auch nicht als ausgeschlossen betrachtet werden kann, daß sich die Er eignisse an der Seine in diesen Tagen ein wenig überstürzen, so ist man hier doch nicht geneigt, an den Eintritt einer völligen Umwälzung zu glauben. Man nimmt mit ziem licher Sicherheit an, daß die republikanische Staatßform auch diese Krisis überdauern wird. Ob oder inwieweit der Wechsel der Scenerie in Paris auf die Faschoda - Angelegenheit etwa zurückwirkeu kann, muß adgewartet werben. Die Eng länder befinden sich jedenfalls in der bevorzugten Lage, Dank ihrer guten strategischen Stellung, der Ent wickelung der Dinge mit Ruhe entgegensehen und sich auf die Defensive beschränke« zu können. L. Berlin, 28. October. (Privattelegramm.) Die „Deutsche VerkehrS-Ztg." theilt mit, daß jetzt, nachdem die bezüglichen Ermittelungen abgeschlossen, die Ober-Post- directionen ermächtigt worden sind, Anträgen auf Anbringung von HanS-(Prtvat-)Bricfkasten und deren Leerung durch Postpersonal in geeigneten Fällen stattzugeben. Dabei sollen folgende Bedingungen gelten. Die Einrichtung ge schieht auf Widerruf. Die Briefkasten sind im Innern der Häuser aufzustellen. Es sind Kasten derselben Art zu ver wenden, wie sie im Orte als Straßenbriefkasten im Gebrauch sind. Der Theilnehmer darf einen Schlüssel zum Kasten nicht erhalten. Die Kasten werden für Rechnung der Postcasse be schafft und in Stand gehalten und bleiben Eigenthum der Postverwaltung. Für die Hergabe, Instandhaltung und Leerung der Kasten sind die Selbstkosten, mindestens aber im Ganzen 24 jährlich für jeden Kasten, zu erheben. Die Festsetzung der den Betheiligten sonst aufzuerlegenden Be dingungen, sowie die Regelung des Verfahrens im Einzelnen bleiben den Ober-Postdirectionen überlassen. L. Berlin, 28. October. (Privattelegramm.) Nach dem der BinnenschifffahrtSverein für die wirthschaftlichen Interessen des Ostens daS revisionSsähige Project der öst lichen Linienführung eines Großschifffahrtsweges Verliu- Ttetttn eingereicht hat, ist der Regierungspräsident in Pots dam von dem Minister der öffentliche» Arbeiten ersucht worden, den Entwurf in technischer und wirthschaftlicher Hinsicht eingehend zu prüfen. Die offficiöse „Berl. Corr." bemerkt dazu: Die hier zur Erörterung stehenden wirth schaftlichen Fragen erstrecken sich auf ein räumlich sehr ausgedehntes Gebiet, auch wird die technische Prüfung voraus sichtlich noch örtliche Untersuchungen erfordern. Da außerdem die seitens der Staatsregierung betreffs der östlichen und der westlichen Linienführung vorzunehmende Prüfung noth- wendigerwcise einen gewissen Zeitaufwand erfordert, so er scheint eS trotz aller Beschleunigung, die der Angelegenheit zu Theil werden wird, zweifelhaft, ob eS möglich sein wird, dem Landtage noch in der bevorstehenden Session die Vorlage deS Großschifffahrtsweges Berlin-Stettin zu unter breiten. — Im BundeSrathe ist man der „Magdeb. Ztg." zufolge eifrig damit beschäftigt, die Arbeiterschutz bestimmungen der Novelle zur Gewerbeordnung zur Aus führung zu bringen. Nachdem schon kürzlich die Verordnung über die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern in Ziegeleien erlassen worden ist, sind heute dem BundeSrathe die Bestimmungen über die Beschäftigung von Arbeitern inRoßhaarspinnereien zugegangen, welche die Ueberwindung ganz besonders schwieriger technischer Fragen nothwendig machten. Und demnächst wird auch die Verord nung über den Schutz der Angestellten im Handelsgewerbe abgeschlossen sein, so daß sie der Körperschaft zur Beschluß fassung vorgelegt werden kann. — Die ersten sechzehn deutschen Mädchen, die frei willig nach Deutsch-Südwestafrika gehen, um dort zu nächst bei Ansiedler- und Missionsfamilien Anschluß zu finden und später unseren Landsleuten drüben gute Hausfrauen und dem deutschen Schutzgebiete eine werthvolle Stütze für deutsches Wesen in deutscher Familie zu werden, reisen am 25. No vember mit Dampfer „Marie Woermann" von Hamburg nach Swakopmund ab. — Diejenigen Lehrer an nichtstaatlichen höheren Schulen, welche bisher vergeblich auf die Gehalts erhöhungen gewartet haben, deren sie bereits am 1. April d. I. theilhaftig werden sollten, fühlen sich begreif licher Weise beunruhigt. Wie die „Kreuzzta." erfährt, sind nunmehr die Verhandlungen zwischen dem Finanz- und dem „Theater" (zweite vermehrte Auslage, Leipzig, Verlag von Robert Friese) sind ungleich in Bezug auf ihre Physiognomie und ihren Werth — der Aufbau der meisten entspricht uicht den heutigen Anforderungen der Bühnentechnik; sie sind für das Theater uicht einheitlich genug zusammengerafft, und ob sich die vielen Verwandlungen derselben durch neue geschickte Bühneneinrichtungeu beseitigen lassen, ist sehr zweifelhaft. DaS beste dieser Dramen und auch daS bühnengerechteste ist „Nydia", welches sich an Bulwer'S „Letzte Tage von Pompeji" anlrhnt und daraus einige, wenn auch ganz frei behandelte Motive entnimmt. Der Römer GlaucuS liebt die Sclavin Nydia, er gewährt ihr die Freiheit; doch der Ausbruch des Vesuvs zerstört sein Hab und Gut in Pompeji und macht ihn zu einem armen Mann. Er zieht nach Neapel mjt Nydia, geräth dort in die Netze einer Koketten, der reichen üppigen Julie, deren Freunde ihm Nydia ver dächtig zu machen suchen. Auf das Geheiß derselben giebt ihr der Acgypter Arbaces einen IudaStrank ein und vor den Augen des GlaucuS giebt sie sich bewußtlos den Liebkosungen deS ArbaceS hin. GlaucuS reicht der üppigen Julie Herz und Hand — doch der Betrug kommt zu Tage: die Leiche der Nydia wird zum Hochzeitsfest hereingetragen; sie hat sich in die See gestürzt und auch GlaucuS nimmt sich das Leben. In diesem Drama ist der Gegensatz der beiden Frauencharaktere ausgeprägt, das römische Colorit kenntnißreich verwerthet und einige Ausbrüche deS AffecteS haben dramatische Energie. Neben die „Nydia", daS letzte Drama der Sammlung, verdient ,daS erste, Charlotte Corday, gestellt zu werden, wenn auch hier der rinheitlickre Zug der Handlung fehlt. So Haden die Scenen, die unS Ludwig XVI. im Kerker vorführen, nicht daS Geringste mit der Haupthandlung deS DramaS zu tbun. Die große Scene mit Danton und RobeSpiere findet sich auch in Ponsard'» „Charlotte Corday". Marat ist der dritte der Triumvirn deS Schrecken«; in einer Tragödie „Charlotte Corday" muß un« Marat'S Bedeutung in ihrer ganzen Schrecklichkeit auf gehen. Die später folgende große Scene zwischen Danton und RobeSpiere gehört mehr in ein RobeSpiere-Drama. Bei Ponsard entbrennt Charlotte Corday in Liebe zu dem Giron disten Barbaroux, in den Drama von Weddigen liebt sie einen LandSmann au- der Normandie und dieser Liebe bleibt sie bi« zum Schluffe de« Stücke- treu. Da« Entscheidende, der Entschluß der Charlotte Corday, ist übrigen- durch mancherlei Reflexionen vorbereitet, aber ebenso wenig wie in Ponsard'- „Charlotte Corday" mit dramatischer Energie motivirt. Der Quellpunct der Tragödie, der Moment, in Unterrichtsministerium abgeschlossen, und die Ueberweisung der zu den Gehaltserhöhungen zu leistende» Beträge au« dem zuständigen Fonds steht unimttelbar bevor. — Nach der „Deutschen TageSztg." soll die Anregung zur Unterordnung der Wasserbauten unter das Land- wirthschaftSministerium von hoher, sehr hoher Stelle auögegaugen sein. * Aus NvrLschleSwig, 27. October. Die „Innere Mission" in Nordschleswig, die von der dänischen Agitation sehr scheel angesehen wird, weil sie der von dieser Seite be liebten Vermischung von Religion und Politik Abbruch thut, hat sich in IelS, Kreis Hadersleben, ein eigenes Versamm- lungshauö beschafft, daS, dem „Hamb. Corr." zufolge, jüngst in Gegenwart des um die Sache verdienten PastorS Tonnesen auS Hoptrup, deS Pastors Wacker aus Flensburg u. A. ein- geweiht wurde. — Auf Alfen ist ein dänischer Besitz der Hof LySholm, von einem Consortium Dänischgesinnte für 143 000 erworben worden, um ihn nicht in deutsche Hände übergehen zu lassen. Aehnliche Consortien haben sich gelegentlich auch schon an anderen Stellen Nordschleswigs zu entsprechenden Zwecken gebildet gehabt. * Aus -em RegieruugSbejtrk Erfurt, 27. October. Dem scheidenden Regierungspräsidenten v. Brauchst sch zu Erfurt werden die fünf Städte deS Bezirks, die über 10 000 Ein wohner zählen, am 31. d. ein Andenken in Gestalt eines silbernen Prunkstücks im Werthe von 1200—1500 über reiche». Betheiligt sind Erfurt, Nordhausen, Mühlhausen, Langensalza und Suhl. rv. Jena, 28. October. Gegen die Wahl deS Abgeordneten Bassermann ist von den Socialdemokraten unseres Wahl kreises Protest beim Reichstag eingelegt worden. -r- Gera, 27. Oktober. Der Landtag Zschäftigte sich beute auf Grund einer Interpellation der drei socialdemo kratischen Mitglieder auch mit der Frage der Erhöhung der Fleischpreise. In der Interpellation wird daS Ministerium ersucht, bei dem Reichskanzler event. im Bundes rath vorstellig zu werden und auf die Oeffnung der Grenzen zur Einführung ausländischer Schweine hinzuwirken. Geh. StaatSrath v. Hinüber wies darauf bin, daß die Inter pellation insofern erledigt sei, als der Reichskanzler eine Er hebung über die Veranlassung deS Steigens der Fleischpreise eingeleitet habe, deren Ergebniß abzuwarten sei. Während die socialdemokratischen Abgeordneten die Steigerung der Fleischpreise auf die Grenzabsperrung zurückführten, wurde von den Agrariern behauptet, Laß die Steigerung künstlich hervorgerufen worden sei. ES sei überhaupt in Folge des Zwischenhandels nicht daran ru denken, daß bei plötzlicher Oeffnung der Grenzen die Preise heruntergingen. Vom Ministertische wurde bemerkt, daß e« unverantwortlich von der Regierung sein würde, wenn vor Erledigung der über die Preissteigerung angestellten Enquete die Grenzen geöffnet werden. Hierdurch entstände die Gefahr der Verseuchung Deutschlands, die schon einmal dem Reiche ca. 26 Millionen Mark gekostet hätte. Schließlich wurde die Interpellation vom Landtage mit großer Mehrheit für erledigt erklärt. Dann vertagte sich der Landtag auf unbestimmte Zeit. -i- Schmölln, 27. October. Die von Socialdemo kraten auf gestern Abend einberufene Volksversammlung war so schwach besucht, daß der socialdemokratische Agitator Kappler aus Altenburg, der über die bevorstehende Stadt verordnetenwahl referiren wollte, unverrichteter Sache wieder abziehen mußte. Da« ist um so bezeichnender, als unser Ort der Hort der Socialdemokratie im Herzogthume Alten burg genannt wird. * Karlsruhe, 28. October. (Telegramm.) Die „Südd. ReichScorrespondenz" schreibt: Äufolge der von den Bundes regierungen unternommenen Erhebungen über dir Milz brandgefährdung der in Roßhaarspinnereien, Haar- und Borstenzurichtereien, Bürsten- und Pinselfabriken beschäftigten Arbeiter hat jetzt das Reichsamt deS Innern einen Entwurf von Betriebsvorschriften für die genannten Betriebe dem BundeSrath zugehen lassen. Zn Vorschlag gebracht wird die zwangsweise DeSinfection aller ausländischen Pferde- und Riuderhaare, Schweinsborsten und Schweinswolle. — Am 14. December wird im badischen Ministeirum deS Innern eine Conferenz über wichtige, das Irre nwesen betreffende Fragen stattfinden. Als Haupt gegenstand steht die anderweite Unterbringung geisteskranker Verbrecher auf der Tagesordnung. — DaS Ministerium deS Innern hat die Bezirksämter angewiesen, Erhebungen über die Fleischversorgung bezw. Fleischpreise vor zunehmen. (Gleiche Erhebungen sollen in de» anderen süd deutschen Staaten erfolgen.) * München, 27. October. Gegen die geistliche Ver folgungssucht wird sogar in der klerikalen Presse ge legentlich eine Stimme laut. So berichtet der „Bayer. Kurier", daß Bischof Ko rum von Trier nach Rom vierzig Thesen aus den Schriften des Professors Schell mitgenommen welchem, wie Jean Paul schön sagt, „der ganze Mensch Thal wird", tritt unS in beiden Dramen nicht schlagend genug entgegen. Gegen den Schluß hin häufen sich zu sehr die VolkSscenen in Caen und Paris; der Besuch Danton'S bei Charlotte Corday ist durch den Charakter des Nevolutions- manneS hinlänglich gerechtfertigt, wie überhaupt Danton, RobeSpiere und Marat mit scharfen Strichen gezeichnet sind; auch die Begeisterung der Charlotte Corday hat edeln Schwung. Nur hier und dort ist historienhafter Notizenkram mit einer großen Trockenheit angehäuft. Ganz in das Gebiet der Historie gehört daS Trauerspiel: Kaiser Joseph II., von Anfang bi» zu Ende eine nur mit anekdotischen Zügen illustrirte Geschichtschronik, die in den Jahren 1780—1790 spielt. In zahlreichen Monologen setzt unS der Kaiser seine edeln Intentionen auseinander. Die ersten Hof- und Staats beamten, vor Allen Fürst Kaunitz, die Generäle und Cardinäle, die Hofdamen, von denen besonder« die Fürstin Lichtenstein dem Kaiser mit schwärmerischer Verehrung zu- gethan ist, gruppiren sich um denselben, aber die StaatS- zeschäfte und geschichtlichen Ereignisse treten stets von außen an ihn heran. Sein Toleranzedict giebt Anlaß, eine genrehafte LiebeSepisode anzufügen. Einem jungen Unterbeamten Rudolf Schlirben wird dadurch ermöglicht, seine Geliebte, eine Goldschmiedstochter, heimzuführen. Die Freigeisterei auf dem Throne im Kampfe mit den klerikalen Herrschaftsgelüsten, tritt unS allerdings lebhaft vor Augen: aber es ist ein Spiegel, den die Chronik unS vorhält. Die Tragödie, wie ein freier Geist im Kampfe mit widrigen Verhältnissen zu Grunde geht, bleibt zu innerlich, ist zu wenig in äußerer Hand lung umgefetzt. Zweimal hat der Dichter in die neue Zeit geschichte bineingegriffen und sich dort seine Stoffe gesucht, WaS wir nur billigen können, denn wir haben stets verlangt, daß der Geist der Zeit sich in den Dramen wiederspiegele und darin daS Moderne gesucht, ehe das Moderne da« Stich wort einer einseitigen und beschränkten Richtung geworden. DaS erste dieser Dramen „Donna Rodriga", ist aller dings, obschon e» in den Jahren 1836 und 1846 spielt, sehr romantisch; doch Spanien, daS Land der Kastanien, de» Wein» und der Gesänge hat zu allen Zeiten einen gewissen romantischen Zauber gewahrt. DaS Stück führt unS in die dynastischen Parteikämpfe, welche da- Land damals zerrütteten. Einer der Officiere deS „Don Carlo»", Graf Torrido, wird von dem General Cabrera beauftragt, die junge Prinzessin, die Thronerbin, zu rauben. Diese hat im Scherz gerade mit ihrer Gespielin, der kleinen Rodriga, die Kleider getauscht. Torrido nimmt nicht di« Prinzessin, habe, um eine» Proceß gegen den deutsche» Gelehrte» a»- zuregen; da» Blatt bemerkt dazu: „Das ist nun schon in kurzer Zeit der zweite Fall, daß eia außrrbayerischer Bischof gegen einen bayerischen Theologen rin Ein- schreiten in Rom zu veranlassen sucht. Erst vor einigen Wochen hat der Bischof von Br ixen auf Anregung de» Prof. Pastor in Inns bruck den Prof. Schnitzler in Dilljugen wegen seiner Eavonarola- briese zu verklagen gesucht. ES wurde auS einer Censur gegen diesen Herrn nichts. Hoffentlich wird au» einer Lensur gegen Herrn Professor Schell noch mehr nicht». Wir ver wundern uns nur, daß außrrbayerische Bischöfe nicht den Bischöfen des eigenen Lande» dir Sorge um ihre Theologen überlassen. Bei un» scheint man sich Glück zu wünschen, wenn ein wissenschaftliche» Regen sich in der Theologltz documentirt, was weder in Brixen noch in Trier der Fall ist. Was etwa au Spreu unter diesem Weizen sich findet, wird bei der tadellosen Gesinnung unserer Theologen im Streite der Meinungen ohnedies schon ausgeschieden. Nur kein Eingreifen der Autorität in wissenschaftliche Streitfragen, so lange eS nicht absolut nothwendig ist. Man trifft damit uicht nur die Krone, sondern leider auch allemal die Wurzel der Forschungen." An diesem Protest hat allerdings die Unzufriedenheit über VaS Eingreifen eines „nichtbayerischen" Bischofs einen leicht ersichtlichen Antheil; trotzdem ist er sder Erwähnung Werth. Asien. Ministerkrise in Japan; Lage in Peking. * Vokohama, 28. October. (Telegramm.) Sämmt- liche liberale Mitglieder des CabinetS haben wegen Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Ernennung eines neuen Unterrichtsministers ihre Entlassung gegeben. Der Ministerpräsident hat schließlich einen neuen Parteigenossen für den Posten in Vorschlag gebracht. * Peking, 28. October. (Telegramm.) Immer noch halten sich Cangsu Str uppen in der Nähe der Eisenbahn linien auf. Eine von den Mitgliedern deS diplomatischen Corps unterzeichnete, dem Tsung li Damen überreichte Denk schrift weist auf die Gefahren hin, die durch die Anwesenheit der Soldaten entstehen, und besteht auf deren Entfernung. ES verlautet heute, daß infolge dieses Schrittes die chinesischen Behörden die Zurückziehung der Truppen beschlossen haben. (Fortsetzung in der I. Beilage.) kvslvwtts Allrorui „Vorslvkt" Gegr. 1869. k'. IVaeUk., Gegr. 1869. Leipzig, Rttterstratze 8, I., Trlephon-Amt I, 812. Ertheilt Auskünfte aus das In- u. Ausland prompt u. gewissenhaft. Für die bekannten „künillllieiil-lüMen" habe ich seit Jahren den „Allein-Verkauf" im ganzen deutschen Reich. Ich empfehle dieselben allen Raucher» einer mUtzt», dabei vollaromatischen Cigarre. 6 Sorten von 7 bi» 10 Import-vvsoliLlt, Goetheftrahe 5, Lortzingstr. I, Peterssteinwcg 10. Tageskalender. Telephon-Anschluß: Expedition des Leipziger Tageblattes .... Nr. 222) S Redaktion des Leipziger Tageblattes .... » 153/^ Buchdrnckcrei des Leipziger Tageblattes (E. Polt) - 1173z Otto klemm's Sortiment (Alfred Hahn), Filiale: Universitäts straße 3: Amt I 4046. Louis Lösche, Filialen des Leipziger Tageblattes: Katharinenstr. 14: Amt I 2935, Königsplatz 7: Amt IV 3575. AuSknnftSstelle für Sce-SchifffahrtS- und Reise-Verkehr, Nelief-Weltkarte der Hamburger Rhedereien: F. W. Graupenstrin. Blücherplatz 1. Unentgeltliche Auskunftserthrilung: Wochen tags 9—12 Uhr Vormittags und 3—6 Uhr Nachmittag». sondern Rodriga mit sich und rwar keineswegs auS einem Jrrthum, sondern weil er der Prinzessin das Leben retten will. Daun ergiebt eS sich, daß diese Rodriga sein eigenes Kind ist; sie wird von der Hofdame Sennora Montemoro wieder zu Gnaden angenommen und heirathet ihren Geliebten, Don Diego, dem der Vater, ein stolzer Hidalgo, vorher die nicht ebenbürtige Ehe verwehren wollte. So löst sich die Historie hier ganz in Romantik auf und nur der Kannibalis mus der spanischen Parteikämpfer, der in brutalen Liedern, wie io denjenigen von „QuesidoS Koochen" zur Geltung kommt, giebt einen culturgeschichtlichen Hintergrund. Schwächer noch ist daS Drama „Ferdinand Stein", welches kurz vor dem Zusammenbruch deS seconä empirs spielt. Der Held ist ein junger deutscher, in Paris lebender Gelehrter, der eine Französin Helene, die Tochter eine- in der Wolle gefärbten Deutschenfressers geheirathet hat. Eine Scene zwischen Kaiser Napoleon und Eugenik, ein Monolog des Kaisers mit weltgeschichtlichen Perspectiven und wüsten Phantasien, VolkSscenen iu Berlin und in Pari» rahmen die eigentliche Handlung ein und drücken ihr« dramatische Be deutung wesentlich herab. Ferdinand Stein wird al« Deutscher verhaftet, doch soll er nur auSgewiesen werden. Vater Brissart sagt der Tochter, das Urtheil deS Gatten sei gesprochen, sie werde ihn nie Wiedersehen. Darauf eilt sie an seinen Kerker und vergiftet sich. DaS ist sehr primitiv, fast marionetten- haft. Stein selbst kommt zurecht zur Schlacht bei Sedan und fällt im Kampfe mit den Franzosen. Für die tragische Katastrophe bedurfte eS einer weit stärkeren Motivirung. Auch Lustspiele enthält die Sammlung. Da» dreiactige „Leidenschaften" oder „Ein Jahr in der Reichs hauptstadt" hat einen sehr einfachen Stoff, der sich ohne jede Spannung vor unS entwickelt. Der Charakter des Rentier» Müller, der sein Gut und seine Landwirthschaft aufgiebt, um in der Residenz eine Rolle zu spielen, dabei aber al» Politiker eine Schlappe erleidet und als Sammler und Kunstkenner betrogen wirb, ist nicht ohne Komik; doch Alle», was drum und dranhängt, die Familienscenen und Liebesgeschichten, sind ganz conventionell und ohne Würze. Von den beiden Einaktern „Auf falscher Spur" und „Auf dem HeirathSbureau" ist der letztere wirksamer, obschon daS Wagniß de» Ehemannes, der sich auf da» HeirathSbureau begiebt, nicht genugsam motivirt erscheint. Rudolf von Gottschall.
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