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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.11.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-11-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981101015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898110101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898110101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-11
- Tag1898-11-01
- Monat1898-11
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Morgen-Ausgabe aMgrr TaMaü Druck uud Verlag von E. Pol» tu Leipzls. - DK Morgen-Au-gabe erscheint um '/,? Uhr, die «bend-AuSgabe Wochentag» um b Uhr, Nedaciion und Erpeditioo: JohanneSgasse 8. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- Abend» 7 Uhr. Arireigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile SO PfKi Neclamen unter demRedactiou»strich (4-«» spalten) 50^, vor den Familieanachrichte» (6 gespalten) 40^- Größere Schriften laut unserem Preis- vn-eichaiß. Tabellarischer und Ziffrrnsatz nach höherem Tarif. Auuahmeschiuß für Ätyeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uh«. Lei den Filialen uud Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anreigen sind stets an st-« ExpedttiNS zu richten. Filialen: Dtto »em«,'S Sortini. (Alfred Hahn), UniversitätSsriaßr 3 (Paulinus), Lauts Lösche, Katharinenstr. 14, pari, uud Körig»platz 7. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung SO.—, mit Postbeförderung 70.—. Anzeiger. Äitttsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Nolizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Bez«gS-Pre^ >U der Hanptrxpedition oder de» im Stadt, ibeetrt und den Vororten errichteten Au^ oabestellen abgeholt: vierteljährlich^»4^0, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» l^ns^lbHO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertchahrlich ^4 S.—. Direct« tägliche Kreuzbandirndung MS Ausland: monatlich ^il 7.SO. ^- 553. Dienstag den 1. November 1898. 92. Jahrgang. Amtlicher Theil. Aufgebot. Ans den von Ernst Ahr in Liebertwolkwitz gestellten Antrag wird der unbekannte Inhaber des auf Ernst Ahr in Liebertwolkwitz gezogenen, von diesem acceptirten, als Ausstellungsort: Bielefeld tragenden, mit dem Namen des Ausstellers und dem Datum der Ausstellung noch nicht versehenen Wechsels über 8l3 74 fällig am 1. September lsd. Jahres, zahlbar bei Herrn H. Born- schein in Leipzig,. Nicolaistrabe 16, und bestempclt: Ernst Ahr, Liebertwolkwitz 2558, welcher verloren gegangen ist, aufgefordert, spätestens in dem Aufgebotstermine am 2L. Marz 1899, Vorm. 11 Nhr bei dem unterzeichneten Gerichte seine Rechte anzumelden, und die Urkunde vorzulegen, widrigenfalls die Krastloserklärung der Urkunde erfolgen wird. Leipzig, am 21. Juni 1898. stönigl. Amtsgericht, Abth. UL'. Müller. B. Versteigerung. Len 4. November 1898, vormittags 1« Nhr sollen im Versteigerungsraume des König!. Amtsgerichts hier 1 Billard, 1 Äterdruckapparat, 1 Eisjckrank, 1 Lederstanze, 3 Hobelbänke, 7 Hobel, 3 Sägen, 1 Schleifstein, 1 Jagd gewehr, 1 Revolver, 1 Pianino, 1 Damen-Fahrrad, 2 Oel- gemälde, 6 Leihhausscheine, 1 Anzahl bessere Möbel, ferner Betten, Vorhänge, Tevpiche, Kleiderstoffe, Vitraqen und Barchentstoffe, Schmuckjachen, Cigarren, Bücher, Bleigläser u. v. a. G. meistbietend gegen sofortige Zahlung versteigert werden. Leipzig, am 28. Oktober 1898. Der Gerichtsvollzieher beim Sönigl. Amtsgerichte. Versteigerung. Donnerstag, den 3. November 1898, vormittags 10 Uhr so"-n im Versteigerungsraume des Kgl. Amtsgerichts hier folgende G> nstände versteigert werden, als: 4 Pianinos. 2 Schreibsecretäre, 2 mienschreibtische, 3 Verticows, 2 Fauteuils, 4 Trumeaux, 3 i. 'erfpiegel, 2 Blumenständer, 5 Kleiderschränke, 3 Sophas, 1 L. nane, 2 Buffets, 2 Regulatoruhren, 1 Handwagen, 1 Maaren- fchri. 3 Oelgeinälde, Bilder, 2 Nähmaschinen, 2 Bettstellen mit Ma. 2 Musikautomaten, 1 Geldschrank, 3 Schreibmaschinen, 1 K .achter, 3 Leichenwagen, 2 Coupäs, 1 Halbchaise, 1 RunL- und Abbiegemaschine, 1 Wulstmaschine, 1 Sickenmaschine, 1 Brücken- waage, 1 Ladenlafel und Regale. Leipzig, den 29. October 1898. Der Gerichtsvollzieher beim Kgl. Amtsgerichte. Sekr. Trauer. Versteigerung. Mittwoch, den 2. November 1898, Vormittags 10 Uhr, sollen im Versteigerungsranm des hiesigen König!. Amtsgerichts 2 Eoncertftügcl, 1 Pianino, 1 Musikwerk, 1 Papier schneide-, 1 Schuhmacherstepp- und 1 Lingcr-Nähmaschine, 2 Ladenregale» 1 Vadentascl, 1 Eisschrauk, 8 verschiedene Mnfterfenstcr, 4 Bilder, 3000 Stück Elgarre», 17 Bände Brockhaus' Conversattons-Leriko», 1 goldenes Armband, 1 Eanarienvogel mit Bauer, 10 (seutncr Wnrselkohlc, 6 Centner Briketts, 1 »roste Haut Sohlenleder, 1 Partie Lele, Lack, Farben, Herren- «nd Tamenschnhe, Tischdecken, Bettwäsche, Kleidungsstücke und bessere Möbel s. v. a. G. meistbietend gegen sofortige Baarzahlung versteigert werden. Leipzig, den 28. October 1898. Ter Gerichtsvollzieher des Kgl. Amtsgerichts. Wachs, Aktuar. Verkauf auf Abbruch Das alte Rathhaus liebst den angrenzenden Häusern, sowie 2 Hansgrnndstücken jenseits der §charrngasse nnd die maschinelle Einrichtung einer Molkerei soll öffentlich meistbietend im Ganzen oder in drei Loosen getrennt auf Abbruch ver kauft werde». Die Berkanfsbedingungen und der Lageplau sind im Geschäftszimmer des Rathhatts-Neubaues — Ccke der Herbster und Böhurifchen- Straße 2 Treppe» — zur Einsicht ausgelegt, woselbst auch Auskunft wegen der Gebüudebesich- tiguugen ertheilt wird. Angebote sind schriftlich, verschlossen nnd mit entsprechender Aufschrift versehen bei obiger Ge schäftsstelle bis Donnerstag, den 3. November 1898, Vorm. 11 Uhr einzureichen. Dessau, den 18. October 1898. Der Magistrat. vr. kbeling. Lau billiger Wohnungen in Leipzig. Alle Großstädte leiden unter dem Uebelstande, daß infolge ihrer ungemein raschen Entwickelung, durch die Speculation in Grund und Boden die Preise für Bauland so hoch gesteigert werden, daß für Leute mit geringem Einkommen billige Woh nungen kaum mehr beschafft werden können. Bon vielen Seiten ist versucht worden, diesem Uebelstande zu steuern und durch Bildung von Bereinigungen billige Woh nungen zu schaffen. Im Großen und Ganzen ist viel versucht, aber noch wenig erreicht worden. Weshalb wohl? Zu einem Theil, und zwar in der Hauptsache, weil es bis heute noch nicht gelungen ist, das Großkapital für den Bau billiger Woh nungen zu erwärmen, und weil noch nicht die Ueberzeugung durchgedrungen ist, daß die verwendeten Gelder mindestens ebenso sicher angelegt sind wie in Staatspapieren, die gleichfalls nur 3 Proc. Zinsen gewähren und Kursverlusten unterliegen. Zum anderen Theil, weil sich die Bestrebungen zur Abhilfe nicht auf gleichem Boden bewegen. Zu beachten ist, daß die Frage der Beschaffung billiger Wohnungen immer eine locale sein wird, die mit Hergebrachtem und Landesüblichem zu rechnen hat, so daß die Gewohnheit hierbei eine Rolle spielt. Ferner ist zu unterscheiden, ob das Unternehmen als Wohl fahrtseinrichtung specirll für Fabrikarbeiter bestimmt ist oder als ein socialpolitisches Unternehmen im weiteren Sinne be trachtet werden soll. Nur die letztgenannte Form soll hier in Betracht gezogen werden, da es sich nicht darum handeln kann, Gewerbebetrieben einen Stamm guter Arbeiter zu halten, um sie von der Sorge um ihre Angestellten zu befreien. Bei dem Bau billiger Wohnungen ist es wichtig, in nicht zu großer Entfernung vom Centrum der Stadt nicht zu theures Bauland erwerben zu können. So lange die jetzige intensiv« Bebauung des Geländes auch auf zur Zeit unbebautem Lande fortgesetzt werden kann, würde dies seine Schwierigkeit haben. Da sich aber die Erkenntniß Bahn gebrochen, daß eine abstufende Art der Bebauung für eine Stadtcntwickelung nothwenbig ist, hat in neuester Zeit die Regirrung ganz richtig diesen Weg l-eschrirten und fo.dert eine Ba: weise mit verschiedenartig hoher Bebauung. Hierdurch ist mit absoluter Sicherheit eine Ver billigung des Bauareals zu erwarten. Das königlich sächsische Ministerium des Innern erwarb sich unbedingt ein Verdienst dadurch, daß es für Vergrößerung der Städte versucht hat — leider nur auf dem Wege der Verordnungen und nicht auf dem Wege der Landesgesetzgebung —, Normen zu schaffen. Gleich zeitig sind aber ebenfalls für die Art der zu gestattenden Be bauung resp. Ausnutzung des Baulandes bei dieser Gelegenheit Vorschriften erlassen worden, die hauptsächlich vom hygieinischen Standpunkt beeinflußt sind, ohne genügende Rücksicht auf den oolkswirthschaftlichen Standpunct zu nehmen. Eine Reform in der Wohnungsfrage kann nur dcntn Großes leisten, wenn sowohl dem hygieinischen als auch dem voltSwirthschaftlichen Staast- punct vollständige Gerechtigkeit zu Theil wird und nicht die Hygieine in einer Weife bevorzugt wird, die auf den anderen Factor schädigend einwirkt. Dies gilt namentlich von Bestimmungen über seitliche Ad- stände der Gebäude — Bestimmungen über offene Bauweise und über die zulässige Frontlänge von aneinander gereihten Gebäuden — Anzahl von Wohnungen in einem Geschoß — Anzahl der Räume einer Wohnung, so daß nach den jetzigen Bestimmungen der Behörden eine Wohnung, bestehend aus Stube und Kammer, unzulässig sei, ferner daß Wohn- und Schlafzimmer 30 Quadratmeter Bodenfläche besitzen muß. Wird der volkswirthschaftliche Factor ins Auge gefaßt, so muß jeder mit dem Bauen einigermaßen Vertraute zugestehen, daß eingebaute Häuser die geringsten Baukosten erfordern uckd deshalb billiger in den Mieihpreisen sein können als ein von drei oder gar vier Seiten frei stehendes Haus. 4. 1 2 3 4 5 6 7 Beim Bau billiger Wohnungen nach Schema müssen Feuilleton. Der Zusammenhang zwischen Leben und Tranrn. Plauderei von Anna Pötsch. Es wäre sicher eine lohnend« Aufgabe, einmal festzustellen, Mit wie vielen verschiedenen Dingen das Menschenleben in der Literatur bereits verglichen worden ist. Bald soll es ein Schiff sein, das auf schwanken Wogen treibt, bald ein ewig unlösbares Räthscl, bald eine Schaubühne, ein« Komödie, ein Trauerspiel, bald ein flüchtiger Traum. Besonders das letzte Bild kehrt häufig wieder, und obwohl eS nach Art der meisten Gleichnisse ein wenig hinkt — denn wer mißte nicht, daß uns das Leben zwingt, oft sehr, sehr wach zu stin —, so hat es doch mancherlei Zutreffendes. Rückwärts schauend in die Tage der Vergangenheit, erscheint uns das Durchlebte wirklich zuweilen wie ein schöner oder schwerer Traum, und selbst in der Gegenwart giebt es Situationen, wo wir gleich Träumenden halb unbewußt handeln oder leiden. Der Zusammenhang zwischen Traum und Leben ist also nicht nur in der Dichtung, nicht nur für den Dichter und aber gläubisch« Naturen, sondern für jeden denkenden Menschen vor handen, weshalb seine Betrachtung hier wohl keiner besonderen Rechtfertigung ^dürfen wird. Zu allen Zeiten ist das Träumen, jenes Product unserer psychischen Thätigkeit während des Schlafes, ein Gegenstand allgemeinsten Interesse» gewesen; die Philosophen aller Jahr hunderte haben diesen geheimnißvollen Vorgang zu erkennen ver sucht, indeß der weniger nach Aufklärung dürstende, phantastischer angelegte Naturmensch in der Traumwelt stets mit Vorliebe etwas Ueberirdische» erblickt hat und bi» zu einem gewissen Grade noch erblickt. Wir können un» eine» überlegenen Lächelns nicht erwehren, wenn wir Personen begegnen, die mit vollem Ernst «in Traumbuch studiren und sich aus dem be rüchtigten Doppelsinn seiner Antworten ihr Schicksal zurecht legen wollen. Gewiß, dies Unterfangen ist thöricht, aber es ist eine Thorheit, die so alt ist wie die Welt, und die sich auf der Kindheitsstufe fast j«d«s Volkes und jedes Menschen wiederholt. Selbst die Erfahrung kann gegen den Glauben an di« vor- b«dentende Kraft der Träume nur schwer aufkommen; das Menschenherz, das so begierig ist, die Zukunft zu erforschen, unterscheidet dann sehr wohlweislich zwischen wichtigen und nichtigen Träumen. Da» geschieht noch heute, wo, und zwar nicht nur im Scherz, besonderer Werkh auf das Traumleben der sogenannten «zwölf Nächte" gelegt wird, das geschah schon zur Zeit des ehrwürdigen Vater» Homer, der feine Penelope sehr poetisch zu Odyffeu» sagen läßt: Fremdling, es giebt auch dunkle und unerklärbar« Träum«, Und nicht alle verbunden der Menschen künftiges Schicksal; Denn es find, wie man sagt, zwei Pforten der nichtigen Träum«, «Eine von Elfenbein, die andre von Horu« gebauet. Welche nun au» dem Dhor von Elfenbein« herausgehn, Diese täuschen den Geist durch lügenhafte Verkündung; Andre, die aus der Pforte von plattem Hörne hervorgehn, Deuten Wirklichkeit an, wenn fi« dem Menschen erschein»». Ob nicht recht viele TrauMdeuter klug genug waren, Vie meisten Träume als der hornenen Pforte entstammend zu be zeichnen? Gewiß hat diese eigenartige Menschenclasse, obwohl sie entweder Betrüger oder selbst Betrogene sein mußten, einen großen Einfluß auf das Leben 'der Menschen, insbesondere bei den Chaldäern und Juden, ausgeübt, und wir begreifen dies, wenn wir uns des Eindruckes erinnern, den die Schilderung ihrer Wirksamkeit in der Kindheit auf uns machte. Dem Joseph, der von seinen Brüdern verkauft wurde, zollten wir Thränen des Mitleids, aber Jenen, dessen Traumdcutekunsl seinen Kerker sprengte, ein ganzes Land und die Seinen vor Hungersnoth rettete, mußten wir mit der ganzen Krast unseres kindlichen Herzens bewundern, zumal als unsere Versuche, seinem Beispiele zu folgen, mißlangen. Die Worte Theokrit's: „Ein guter Traumdeuter muß den meisten Verstand haben" wären uns in jener Zeit Wohl ein leuchtender erschienen als seine anderen, einen schon reiferen, skeptischeren Standpunct bezeichnenden: „Nachtgesichter sind so wahr wie die Lügen". Heute giebt es keine gesetzlich anerkannten Traumdeuier mckhr, und mit Recht wird der Gebildete, wie gegen jeden Aber glauben, auch gegen den an Träum« eifrig zu Felde ziehen: hat wohl aber darum für ihn jeder thatsächlich« Zusammenhang zwischen Traum und Leben aufgehört? Wenn die Vst aufgestellte Behauptung, daß der Mensch träume, was er denke, wahr wäre, so müßte das Traumleben Vie Fortsetzung unseres Gedankenlebens bilden. Jrder wird aus eigener Erfahrung wissen, daß dies nicht immer der Fall ist, daß wir uns während des Schlafes sehr häufig in Begriffs welten versetzt sehen, die in wachem Zustande unseren heftigsten Abscheu erregen würden. Auch die Einwirkung äußerer Ursachen auf unsere Traumerscheinungen ist unverkennbar; viel« der selben werden Mitbestimmt durch die jeweilige Lage des Körpers, durch zu reichliche oder ungenügende Bedeckung desselben, so z. B. das sich Lebendigbegrabenfühlen oder die quälenden Un schicklichkeitsträume. Demungeachtet Uber steht unumstößlich fest, daß auch ein Theil unseres geistigen und seelischen Menschen in die Wahngebilde der Nacht hinüberspielt. Die» läßt Shakespeare sehr treffend seinen geschwätzigen Mercutio aussprechen; erst beschreibt er in phantastischer Weise da» zierliche Gespann der Frau „Mab", der Traumspenderin, uUd dann fährt er fort: „In diesem Staat trabt sie dann Nacht für Nacht, Beführt das Hirn Verliebter, und fie träumen dann von Liebe, Des Schranze« Kni«, der schnell von Rrverenzen, Des Anwalts Finger, der von Sporteln gleich, Der Schöne« StPO«", di« von Küssen träumen. — Ost trabt fir über einer HofrathS Nase, Dann wittert er im Traum sich Aemter auS; Bald kitzelt fi« mit eines ZinLhahäs Feder De» Pfarrers Nase, wenn er Mafend liegt: Aon einer besseren Pfründe träumt ihm dann." So und ähnlich charakterisirt der Dichter die Hoffnungs- trämne der verschiedenen Stände, aber diese haben auch, und vielleicht noch häufiger, ihre besonderen Angstträume. So er zählte mir beispielsweise rin pensionirter Pfarrer, der ein fleißiger Raucher ist, daß er sich sehr oft in 'der Verlegenheit befinde, im Traum mit der Cigarre in der Hand auf der Kanzel zu stehen und nicht zu wissen, wo die Unglückselige un bemerkt veebtrgen. In ganz ähnlicher Weise müht sich der schlafnkd« Schauspieler häufig verg«oenS ab, sein vergessenes Stichwort wieder zu finden, und die Hausfrau leibet unsäglich unier dem verhängnihvollen Duft eines anaebrannten Bratens, der ihr gerade dann aufdringlich in die Nase steigt, wenn ihr der boshafte Traumgott das ganze Zimmer voll hungriger Gäste gezaubert hat. Diese hier angeführten Hosfnungs- und Angstträume wird Wohl Jeder aus seiner eigenen Erfahrung bis ins Unendliche vervielfältigen können und daher auch zugestehen müssen, daß etwas von dem, was wir sind und ihun, in unsere Traumwelt eindringt. Ebenso wirken aber auch umgekehrt die Träume bis zu einem gewissen Grade auf unser thätiges Leben: indem sie durch ihre freundlichen oder quälenden Gebilde unseren Schlaf mehr oder minder erquickend gestalten, gewinnen sie Einfluß auf unser körperliches Befinden, 'das ja leider in den meisten Fällen unzertrennbar ist von dem seelischen. Ferner können durch Träume allerhand Erinnerungen in uns wachgerufen, Stim mungen erzeugt werden, die, mehr als wir uns dessen selbst oft bewußt sind, hinübergreifen in unseren Tageslauf. Wir fühlen uns z. B. veranlaßt, einen lange ausgeschobenen Bries an einen fernen Freund zu schreiben, wenn wir ihn bei Nächt zürnend oder freundlich vor uns gesehen haben. So glauben wir nüchternen Menschen von heute zwar nicht mehr , an die vorbedeutende Kraft der Träume, wir lassen uns durch sie nicht, wie Rustam in Grillparzer's „Das Leben ein Traum" von großen Leidenschaften heilen, aber wir dulden es Willig, daß sie uns ein Lächeln, ein Grausen, ein süßes oder schmerzliches Rückerinnern abnöthigen. Darum lauschen wir auch immer wieder mit offenem Ohre dem Dichter, der, indem er geschickt die Träume seiner Helden erzählt, wirkungsvoll künftige Ereignisse vorbereitet oder vergangene ausklingen läßt. Das Bemühen, den Leser auf diese Weise in die rechte Stimmung zu versetzen oder quch Wohl ganze Dichtungen in Vas Gewand des Traumes zu kleiden, findet sich ungemein häufig in der Literatur, allein in der deutfchen ließen sich dafür, von Kr-iem- hiloens Traum bis herab zu Hannele's Fieberphantasien, zahl reiche Belege erbringen. Selbst von träumenden Göttern wird uns berichtet; es sei in dieser Beziehung nur an die selige Göttermutter Nana erinnnert, deren Traum, wie wir aus der Edda erfahren, des lichten Balders dunkles Derhängniß voraus verkündete. Auch in den Dichtungen anderer Völker spielt das Traum leben eine groß« Rolle; dennoch wird uns wohl schwerlich jemals beifallen, das Mittel des Dichters, durch Träume zu wirken, abgebraucht zu finden. Wir fühlen eben instinktiv, daß Traum welt und Poesie, di« ja in mancher Hinsicht ebenfalls eine Welt des Traumes ist, eng mit einander verwandt sind. „Träume sind Schäume", sagt dir VolkSmund, und Shakespeare nennt sie „Kinder eines müß'gen Hirn», von nicht» als eitler Phantasie erzeugt". Diesen glaubwürdigen Urtheilen nach habe ich mich vielleicht schon zu lange bei meinem Gegenstand« aufgehalten, zumal der selbe, seit den Tagen des griechischen Geographen Artrmidoru» (100 v. Ehr.) bis herauf in unsere Zeit, bereits oft genug von berufnerer Feder behandelt worden ist. Allein zum Traumleben der Menschen gehört unstreitig auch das wache Träumen, jenes Lufkschlösserbauen, jenes Reden von „besseren, künftigen Tagen". Die» Alle» hat mancherlei Aehn- lichkeit mit den Wahngebilden de» Schlafe». Wi« sie, sind di« wachen Träume Kinder eines müß'gen Hirns, auch pflegen sie meist, ihren nächtlichen Brüdern gleich, in ein äves Nichts zu zerfließen. Mer wie eine große Anzahl von Menschen fort fährt, sich für die Wunder des neckischen Traumgottes zu inter- essiren, obwohl sie deren Nichtigkeit längst eingefehen haben, so ist es vielen noch so ost Getäuschten Bedürfniß, sich fort während in holden Zukunftsträumen zu wiegen. Der nüchterne Alltagsmensch freilich wird darüber lächeln, er fühlt sich erhaben über derartige Phantasirgebilde, zu klug für solch unnütze Ent täuschungen, aber er betrügt sich in feiner Ueberlegenheit sicher um manche Stunde harmlosen Genießens. Freilich, es giebt auch eine Art Wachen Träumens, die, weil sic die Thatkraft lähmt, den Blick für die praktischen Anforderungen des Tages trübt, verhängnißvoll für den Sterb lichen werden kann. Im Ganzen aber ist hierzu heutzutage wenig Gefahr vorhanden: unser vielgestaltiges Leben pflegt sogar junge, phantasievoll« Menschen bei Zeiten aus ihrem süßen Halbschlummer aufzurütteln und sie der Traumzerstörerin Wirklichkeit in die Arme zu führen. Eine Abart des wachen Träumens ist ferner das Schwärmen, denn auch hier finden, wie im Schlafe, Begriffsverwechselungen statt, indem der Schwärmende Personen für völlig vollkommen hält, die es doch, ihrer Weltangehörigkeit wegen unmöglich sein können. Und dennoch, wie arm und nüchtern Derjenige, der in seiner Jugend Menschen, Dinge, Erzeugnisse, kurz die ganze Welt, nie mit d«m Auge des Schwärmers gesehen hak! Ich meine, er muß als «in Greis auf die Erde gekommen oder schon früh vom Gifthauche eines schweren Schicksals berührt worden sein. Sicher weiden hier Viele einwenden, daß, wer nicht schwärmt, auch vor schmerzlicher Ernüchterung bewahrt bleibe. Dem läßt sich allerdings nicht ganz widersprechen, aber in den seltensten Fällen entspricht doch die Bikterniß der Enttäuschung der vorher empfundenen Seligkeit der Begeisterung. Zugleich birgt diese letzter« eine Fülle erziehlicher Momente in sich: reine, echte Schwärmerei ist selbstlose Hingabe an einen verehrten Gegen stand, der in der Phantasie des Verehrenden zum Ideale wird, dessen vermeintlichen und wirklichen Vorzügen er unermüdlich nachfirebk. Schon dieses Streben muß veredelnd wirken und zwar selbst dann, wenn das Ideal später, namentlich durch nähere Bekanntschaft, an Größe und Erhabenheit in den Augen des Anderen ckin wenig einbüßen sollte. Wie oft hört man, daß Schwärmereien, besonders bei Angehörigen des gleichen Ge schlechts, in ruhige, dauerhafte Freundschaften auSmünden; das ist sicher der beste Ausgang derartiger Verhäktniss«, aber selbst wo fie klanglos verhallen oder mit einem Mißaccoede abschlkßen, bleibt dem ehemals Schwärmenden doch das Glück unverloren, ntit dem ihn seine frühere Begeisterung erfüllt hat. So können harmlos« Schwärmereien gutartige Naturen nur bereichern, weshalb fie von Eltern und Erziehern nicht unter drückt, sondern nur überwacht werden sollten. Ja, Träumen, schlafend und wachend, Schwärmen und Ideale haben ist da» Recht jede» Sterblichen, ganz besonder» aber das der Jugrnd, denn sie selbst ist wi« ein Traum, ja, unser ganzes Dasein ist es, wenn wir den Worten Calderon's gkaubei^ können: „Rur ei« Tea,um ist unser Hebe«, Und selbst di« DkLum« sind ein Dm«».»
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