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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.11.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-11-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981102017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898110201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898110201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-11
- Tag1898-11-02
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Die Morgen-Au-gabe erscheint um '/,? Uhr» dir Abend-Ausgabe Wochentags um b Uhr. Filialen: ktt« «lcmm's Sortim. («lfred Hahn), UniversitätSstraße 3 (Paulinrv), Louis Lösche, Aatharinenstr. 14, -art- und KöAgSplatz 7. Ne-actio« und Expedition r Sohauue-safie 8. Dir Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend« 7 Uhr. BezngSPred» In der Hauptrxpedition oder den im Stadt bezirk und den Bororten errichteten Aus- gaoestelien abgeholt: vierteljährliche4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Laus ^l 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Direkte tägliche Lreuzbandjendung in« Ausland: monatlich 7.50. Morgen-Ausgabe. MpMer TagMatt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzigs -es Mathes nnd Nolizei-Nmles der Ltadt Leipzig. ^nzeiaen.Preis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Rec kamen unter dem RedactionSslrich (4 ge spalten) 50/^, vor den Fainiliennachrichtr» (bgespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- de^eichniß. Tabellarischer und Ziffernja, nach höherem Taris. Ertra-Vrilagen (gefalzt), nur mit de, Morgen - Ausgabe, ohne Postbeförderung SO.—, mit Postbesörderung 70.—. ——x»»« Iinnahmeschlnß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Aaremen sind stets an Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig 555. Mittwoch den 2. November 1898. 92. Jahrgang. Die Stärkung Les socialdemokratischen Einflusses in Preußen. 12 Die aus den letzten Wahlen hervorgegangene Auffassung, daß auch das preußische Wahlsystem der Socialdemokratie einen starken Machtbehelf darbirte, bestätigt sich durchaus. Die socialdemokratische Presse zeigt sich von den Erfolgen ihrer Partei geradezu überrascht und man muß zugestehen, daß sie in diesem Falle keine Komödie spielt. Darüber, ob sie von dem Freisinn ein Abgeordnetenmandat verlangen soll oder nicht, scheint sich die Partei noch nicht schlüssig gemacht zu haben. Nach einer Bemerkung des „Vorwärts" zu schließen, scheint man ein solches Verlangen nicht stellen zu wollen, das Organ der „Genossen" in BreSlau, wo bekannt lich den Conservativen der Sieg zufallen muß, wenn dem „liberalen Eartell" die socialdemokratische Hilfe ver sagt bleibt, spricht diplomatisch die Ueberzcugung ans, daß die Partei dort „die Entscheidung in einer sowohl ihren, wie den Interessen des Volkes ent sprechenden Weise treffen wird". Leicht kann es der Partei leitung nicht fallen, den Verzicht auf die sichtbare Quittung über ihre Wahlcrfolgc vor der Masse der Parteigenosse» zu rechtfertigen — zumal da diese sich auf die „Nationalzeitung" berufen kann, die das Nichtfehlen von Socialdemokraten im preußischen Abgeordnelenhause für eine Anomalie erklärt hat. Wirb aber dennoch der Verzicht beschlossen, so werden die Breslauer Nationalliberalen sich bei — Herrn Liebknecht dafür zu bedanken habe», daß sie nicht fünf Jahre hindurch in dem Landtagsabgeordneten Bebel oder Singer ein lebendiges Denkmal ihrer Staatsklugheit zu sehen bekommen. Bon erheblicher praktischer Bedeutung ist es nicht, wie die Entscheidung jetzt fällt. Um so wichtiger ist die Be stätigung der hier ausgesprochenen Ansicht, daß cS nunmehr Gegner der Betheiligung an den Landtagswahlen unter den Socialdemokraten Preußens nicht mehr giebt. Dies geht aus allen ihren Preßorgane» hervor. Man rechnet für das nächste Mal nickt nur auf bedeutenden unmittelbaren Erfolg, man ist anck zu der Ueberzcugung gelaugt, daß die Eigenart deS Landtagswahlrechts der Organisation und Agitation Aufgaben stellt, deren Erfüllung der Partei mittelbar zum Vortheil gereichen werde. Der Oeffentlichkeit der Wahl, die das hauptsächlichste Hinderniß der Bethciligung gebildet hatte, wird nack rem ersten Versuche kein Gewicht mehr beigelegt. Sowohl die Elberfelder „Freie Presse", als der resumirende „Vorwärts" erkennen an, daß die Arbeitgeber den Arbeitern Schwierigkeiten bei der Aus übung des Wahlrechts nicht in den Weg gelegt haben, und von keinem der zahlreichen, ihre Beobachtungen erörternden socialdcniokratischen Blättern wird das Gegentheil behauptet. Dagegen hört man noch da und dort über Unkenntniß des Wahlrechts als eine Ursache der Nichtbetheiligung klagen, eine Beschwerde, die bei der Intensität der socialdemokra tischen Wäblerbearbeitunz in fünf Jahren ganz allgemein der Vergangenheit angehören wird. Und zwar auch aus dem Lande. Die „VolkSstimme" in Frankfurt, wo die Secialdemokratie den freisinnigen Sieg bewirkt hat, schreibt: „Tas steht heute schon fest, daß die Sociatdeinokratie künftig ihre Rolle auch bei den preußischen Landlagswahlen, und zwar auch auf dem Lande, spielen dürste. Die praktische Probe hat, wie wir vorausjagten, alle Zweifel hundertmal gründ- licher gelöst, als lange theoretische DiScussionen. Wir haben ein neues, reiches und sehr dankbares Arbeits gebiet, wie Jeder erfahren hat, der mit in der praktischen Land tagsagitation stand." Die bicr auSgesprockcne Erwartung auf Erfolge außerhalb der Städte ist geeignet, das Urtheil, daS Wahlcrgebniß in Frankfurt, Hagen u. s. w. sei eine Neaction gegen den in der agrarischen Bewegung hervortreteuden StädtehasseS, einiger maßen zu modificireu. UebrigenS wagt auch Herr Richter diese Ansicht nicht zu vertreten. Es liegt denn auch klar zu Tage, daß die Eroberungen deS Freisinns, wo sie nicht auf vorauSgegangrnen Abmachungen mit Gegnern beruhen, der Socialdemokratie und nur der Socialdemokratie zu ver danken sind. Die Wahlziffern ergeben dies deutlich, negativ auch die Berliner. Denn hier, wo die socialdemokratische Betheiliguug eine sehr schwache gewesen, hat man einen nur sehr geringen Zuwachs der Gesammtbctheiliguug zu verzeichnen und dieser weist auf das auch für Berlin abgeschlossene uationalliberal- freisinnige Wahlbündniß zurück. In der Hauptstadt war be kanntlich die Nichtbethciligung beschlossen worden. „Wo aber", so schreibt der „Vorwärts", .„Wahlbctheiligung be schlossen war, sind die Socialdemokraten in weit stärkererZahlzurWahlgegangen, alsdieAnhänger bürgerlicher Parteien." DaS entspricht der Wahrheit und bekanntlich haben die Socialdemokraten sogar schon bei diesem ersten Versuche mehrfach in der zweiten Wählerabthrilung zu siegen vermocht. Gegenüber diesem Sachverhalte muß es fraglich erscheinen, ob die Ansicht, daß die Verluste der Conservativen und der Nationalliberalen einem durch agrarischen Städtehaß erregten bürgerlichen Elemente zuzuschreiben seien, stichhaltig ist. Der ausschlaggebenden Socialdemokratie — eS ist Herr Nick ter, der sie in seiner Zeitung so nennt — A'lt die bürgerliche Ordnung, gilt das Eigenthum in den Städten nicht mehr, als die Ord nung auf dem Lande. Und die Socialdemokratie hat in Frankfurt, in Hagen und an anderen Orten den Ausschlag zu Gunsten des Freisinns gegeben, nickt wegen der aller dings vorhandenen Erregung in gemäßigtliberalen bürgerlichen Kreisen, sondern Dank der Gleichgiltigkeit und Trägheit dieser Kreise. Eine irrthümliche Bezeichnung der Ursachen der Miß erfolge kann aber natürlich zur Vermeidung künftiger Nieder lagen nichts beitragen. Es ist wahr, die agrarische Verhetzung durch die Hahn und Genoffen bildet eine große Gefahr. Ebenso gewiß aber ist, daß dieses Uebel nur in der conser vativen Partei und mit der conservativen Partei überwunden werde» kann und nicht im Verein mit dem bankrutten Freisinn, einer Partei, die nichts ist als freibäudlerisch in einer Zeit, wo selbst die Socialdemokratie schutzzöllnerische Regungen in ihrem Schooße zu dulden für geboten hält. Wer sich den Bauern Arm in Arm mit den Richter, Barth und Pachnicke zeigt, der entwaffnet den „Städtebaß" nicht, sondern liefert Denen, die aus seiner Entfachung Vortheil ziehen, das Brenn material. Deutsches Reich. Berlin, l. November. (Die Vereinbarung „Kauf bricht Mietbe"). Bekanntlich ist im Bürgerlichen Gesetz buch aus Rücksichten der Socialpolitik und des allgemeinen Interesses der Grundsatz: „Kauf brickt nicht Miethe" zur Anerkennung gelangt. Gleichwohl ist nicht zu bezweifeln, daß die Parteien befugt sind, durch Vertrag daS Gegentheil zu vereinbaren. Zn einer soeben bei Duncker L Humblvt in Leipzig erschienenen systematischen Darstellung „Das Miethrecht nack dem Bürgerlichen Gesetzbuch" schreibt hierüber Rechtsanwalt Dr. L. Fuld u. a. Folgendes: „Es steht nicht« im Wege, daß in dem Miethvertrag bestimmt wird, in« Falle der Veräußerung des Grundstückes stehe dem neuen Erwerber die Befugniß zu, den Miethvertrag unter Einhaltung einer bestimmten Kündigungsfrist zu kundigen, oder auch, durch die Veräußerung werde der Miethvertrag ohne Weiteres aufgehoben und der Erwerber könne den Miether zur sofortigen Räumung anffordcin. ES läßt sich aus dem Gesetzbuche nicht entnehmen, daß der Grundsatz „Kauf bricht nickt Mietbe" unter den Schutz des öffentlichen RecktS hat gestellt werde» solle», so daß die Ab änderung desselben im Berlragswege unzulässig wäre. Der Umstand, daß für seine Aufnahme das öffcntiiche Interesse maßgebend war, bildet für sich noch keinen genügenden Anhalt zur Annahme, daß eS sick hierbei uni eine mit Zwangscharakter umkleidete Vorschrift des öffent lichen Recht« handelt, welche auch gegenüber dem ab weichenden Parteiwilleu unbedingt durckgreifen muß. Eine Vereinbarung des soeben erwähnten Inhalts verstößt weder gegen rin Verbotsgesetz, noch auch kann behauptet werden, daß sie die guten Sitten verletze; zur Zeit wenigstens läßt sich di: letztere Qualifikation derselben nicht geben. Da nun aber jede von dem Gesetz nicht reprobirte Vereinbarung rechtsgiltig ist, so muß, mag die« Ergebniß auch den Ab sichten des Gesetzgebers, welche für die Formulirung des 8 571 maßgebend waren, nicht entsprechen, eiu Vertrag dieses Inhals al« giltig bezeichnet werden; der Erwerber, welcher an Stelle deS BermirtherS tritt, kann somit auf Grund einer solchen Vereinbarung daS vorgesehene AuSwcisungsrecht gegen den Miether geltend machen." * Berlin, 1. November. Die deutsche Expedition nach dem Tschadsee. Wie gemeldet, wird von Reichs wegen eine Expedition nach dem Tschadsee vorbereitet, zu deren Führer Herr v. Missmann in Aussicht genommen ist. Das Borchen nach dem Tschadsee hin ist schon seit Jahren wiederholt im Eolonialrqth« angeregt worden, einen neuen Anstoß hat diese Frage wiederum durch die Hauptversammlung der Deutschen Colonialgeselffchaft zu Danzig im Frühjahr erhalten. Ver schiedene Ursachen ließen Expeditionen nach dem Tschadsee als nothwendig erscheinen. Im Jahre 1894 wurde das Kamerun gebiet durch Verträge mit England und Frankreich bis zum Tschadsee ausgedehnt. Obgleich nun nahezu fünf Jahre seitdem verfloßen sind, ist vom Reiche auch noch nicht der geringste Schritt gethan, um jene Gebiete näher kennen zu lernen, um uns selbst jenen Völkerschaften bekannt zu machen und den Handelsverkehr von dort nach dem deutschen Gebiete zu lenken. Im Osten dieser Landstriche sind aber di« Franzosen eifrig be schäftigt, Fuß zu fassen und in fruchtbare Verbindung mit den Eingeborenen zu gelangen. Vor zwei Jahren schon ging die Expovition Gentil vom Ubangi bis zum Tschadsee vor und errichtete auf dem Wege an den Flüssen einige Stationen. Seit Monaten ist bereits die Expedition Behagle unterwegs uno verfolgt dasselbe Ziel, ihr ist schon über die Congo-Eisenbahn eine große Hilfsexpedition nachgesandt. Die Franzosen haben also einen großen Vorsprung, und von deutscher Seite hat man keine Zeit zu verlieren, ivenn der uns zukommende Antheil an dem Hansel und Verkehr in den Landstrichen um den großen Binnen see nicht verloren gehen soll. Erklärlich ist es, daß bei der Wichtigkeit des Unternehmens das Augenmerk an amtlicher Stelle auf die hervorragendsten Personen und Forscher gerichtet wird In unseren sämmtlichen Colonien giebt es kaum noch eine andere Aufgabe, die, was neue Entdeckungen, Anknüpfung neuer Ver bindungen und Eröffnung von HaNdelswegen angrht, sich mit Vieser an Wichtigkeit messen könnte. Da auch binnen Kurzem die Ausdehnung unserer Verwaltung in Siidost-Kamerun bis zum Sanga erfolgen soll, so liegt der Fall vor, daß gleichzeitig im Norden wie im Süden jenes Schutzgebietes eine aussichtsoolle Beioegung entsteht. Das Kamerun-Schutzgebiet beginnt nach alledem einer vorher kaum erwarteten Entwickelung entgegen zu gehen. * Berlin, 1. November. Zu G u n st e n d e r A n st e l l u n g einer Aerztin als Gehilfin der Polizeiärzte wird jetzt von hiesigen Aerzten eine Bewegung in ihren Fach kreisen in Gang gebracht. Wie berichtet wurde, beabsichtigt das Polieipräsidium, einen weiblichen Arzt in seine Dienste zu neh men, dem die Aufgabe zufallen soll, bei weiblichen Personen, die zum ersten Male zur Sittenpolizei beschieden oder gebracht worden sind, die „Zwangsuntersuchuny" auszufiihren. Hierbei liegt verwaltungsrechtlich die Schwierigkeit vor, daß die weib lichen Aerzte, die in Deutschland jetzt thätig sind, die Approbation als Arzt nicht haben. Vom Geschäftsausschusse der hiesigen ärzt lichen Standesvereine ist unter Hinweis darauf bei der Aerzte- kammer für Brandenburg-Berlin der Antrag gestellt worden, daß die Kammer gegen die Anstellung von weiblichen Aerzten als „Gehilfinnen deS Polizeiarztes" Einspruch erhebe. Gegen diesen Antrag der Standesvereine wendet sich «in Gesuch an die Kam mer, das unter Führung des Vr. mock. Curt Freudenberg 27 Aerzte aus Berlin und den Vororten in der „Berl. Aerztecorr." mit dem Ersuchen um Beitrittserklärungen von Fachgenossen ver öffentlichen. Sie richten an die Aerzteiammer das Ersuchen, dein Einsprüche gegen die Anstellung einer polizeiärztlichen Gehilfin die Zustimmung zu versagen. In der Begründung dieses Ge suchrs heißt es nach einem Hinweis auf die Vorschläge, die zur Beseitigung der jetzigen Mißstände bei den sittenpolizeilichcn Erst Untersuchungen gemacht worden sind: „Einer dieser Vorschläge ging dahin, daß grundsätzlich die Untersuchung der zum ersten Male von der Sittenpolizei äufgegriffcnen Personen durch Weib liche Aerzte oorgenommen werden müßte. So glaubte man die Rücksicht auf das Schamgefühl nach Möglichkeit zu wahren und zugleich im Falle eines Mißgriffes die Ehrentränkung, die für Unschuldig« mit der sittenpolizeilichen Untersuchung verknüpft ist, einigermaßen zu mildern. Auch wenn man von den unschuldig Sistirten ganz absieht, scheint «ine solche Rücksichtnahme anze zeigt, weil auch die sonst zur erstmaligen sittenpolizeilichen Unter suchung vorgeführten Frauen keineswegs durchweg Prostituiere sind, und weil demgemäß auch bei diesen eine Schonung des Schamgefühls geboten ist." Die verwaltungsrechilichen Bedenken gegen die Anstellung einer nicht approbirten Medicinalperson werden für belanglos erklärt. Das Gesuch schließt mit dem Satze: „Bis zu dem Zeitpunrte, in welchem Aerztinnen mit deutscher Approbation 'dieses Amt übernehmen können, halten darum die Unterzeichneten die Zuziehung von im Ausland approbirten Aerztinnen zur stttenpolizeilichen Untersuchung der erstmalig Auf gegriffenen für dringend Wünschenswerth." (7) Berit», 1. November. (Telegramm.) Wie aus Jerusalem gemeldet wird, bat der Kaiser nach der Er werbung der ,.l)ormition cko la 8ainte-Vier^e" au den Papst nachstehendes Telegramm gerichtet: „Ich bin glücklich, zur Kenntniß Euer Heiligkeit bringen zu können, daß Ich Dank der wohlwollenden Vermittelung Leiner Majestät des Lnltans, der Mir bereitwillig diesen Beweis Person- licher Freundschaft gegeben hat, in Jerusalem das „vormiticm cku la Laiuto-Visr^o" genannte Grundstück habe erwerben könne«. Ich habe beschlossen, dieses durch so viele fromme Erinnerungen ge heiligte Grundstück Meinen katholische» Unterthanen und insbesondere dem deutschen katholischen Vereine znin Hei- ligen Lande zur Verfügung zn stellen. Es hat Meinem Herzen wohlgethan, bei diesem Anlässe zu bekunden, wie theuer Mir die religiösen Interessen der Katholiken sind, die die göttliche Vorsehung Mir anvertraut hat. Ich bitte Euer Heiligkeit, die Versicherung Meiner ausrichtlgen Zuneigung entgegenzunehmen." Der Papst hat hierauf im Drabtwege Nachstehendes er widert: „Wir sind sehr gerührt durch das gütige Telegramm, das Ew. Majestät an uns gerichtet hat, unr Ihre Entschließung zu unserer Kenntniß zu bringen, Ihren katholischen Unterlhanen das „Dormitivn cie la. Litiute-Vier^s" genannte Grundstück zu über- weisen, das Ew. Majestät erworben haben. Indem wir unsere lebhafte Genugthuung bezeugen, sind wir gewiß, daß die Katholiken dankerfüllt für Eure Majestät sein werden, und gerne verbinden wir unsere aufrichtigen Danksagungen mit denen der Anderen." — Der Reichskanzler Fürst zu Hohenlobe beabsichtigt Ende dieser Woche von Schillingsfürst nach Baden -B ad cu zn reisen. — Für die Vertreter der evangelischen Geistlichkeit uns des Johanniteroroens bei der Feier der Einweihung der Erlöserkirche war zur Ueberfahrt nach Kleinasien ein alte- englisches Schiff, die „Mionightsun", bestimmt worden. Von einem der Theilnebmer ver Fahrt veröffentlicht jetzt sie „Kreuz Ztg." einen Bericht, wonach Vic Fahrt von Genua zunächst reck: stürmisch war, so daß fast Alles an Borv seekrank gewesen sei. Das Schiff sei ein unmoderner alter Dampfer gewesen, ver in keiner Weise den Anforderungen genügt habe, die man in heutiger Zeit an einen Dampfer stelle, ver solche Reisen machen müsse. Es habe die Theilnehmer dec Fahrt tief betrübt, daß die deutschen Pilger ein altes eng FerrrUeton. Der Preisrichter. Von H. du Plessac (Lyon).*) NaLdruck vrrboUn. ' „Therese! . . . Annie! ... Wo selb Ihr denn! Kommt schnell! Eine große Neuigkeit . . . und dazu eine gute!" Mit diesem Ausruf ließ Herr Legrin sich in seinen Lehn stuhl sinken, der, obgleich er an die Last seines Herrn gewöhnt war, doch immer wieder unter ihr ächzte und wimmerte. Herr Legrin war ein ausgezeichneter Mensch, ein Mustergatte und Vater, doch zwei Schwächen hatte er: erstens — wenn man das noch eine Schwäche nennen kann — war er von un glaublicher Körperfülle und zweitens hatte er eine wahre Leiden schaft, die fast über das Maß des Vernünftigen hinausging, für die Musik, und zwar für die Flöte. Er war Musiklehrer, aber sein Hauptinstrument war die Flöte. „Die Flöte, meine Herren!" weiter kam er nie in der Schil derung dieses idealen Instruments . . er hatte zu viel darüber zu sagen . . aber seine Lippen spitzten sich dabei und sein« Aeuglein schlossen sich wie in stummer Ekstase, und alle seine Bekannten wußten, daß er in seinem Enthusiasmus ihnen damit gleichsam entrückt war. Frau und Fräulein Legrin, gefolgt von dem „Mädchen für Alles", kamen auf den Ruf des Familienoberhauptes herbei gestürzt und fanden den Gatten, Vater und Brod- Herrn in einem Zustand unglaublicher Erregung. Er suchte vergebens nach Luft und schnappte wie ein Karpfen, der sich auf dem Trocknen befindet, aber trotzdem strahlte sein Gesicht wie verklärt. Endlich war er soweit, daß er sprechen konnte, und nachdem *) Bom Verfasser autorlsirt« Uebersetznng. er ein großes Brrcfcouvert aus der Tasche hervorgeholt, begann er: „Patzt auf und freut Euch in gerechtem Stolz mit mir!" Darauf räusperte er sich und begann mit lauter Stimme: „Hochgeehrter Herr und College! Ich bin von dem ComitS ses Internationalen Musikfestes in St. Antoine beauftragt, an Sie die Bitte zu richten, gütigst als Preisrichter dem obengenannten ComitS beitreten zu wollen. Wir würden eS uns zur Ehre schätzen . . . (hört Ihr, zur Ehre!) . . . wenn Sie unseren Wunsch erfüllen wollten und wir würden gleichzeitig durch Ihr Erscheinen eine Garantie für die künstlerisch richtig« Bcurtheilung bei d«r Preis- oertheilung darin für uns gesichert sehen. Sowie Ihre, hoffent lich unseren Wünschen entsprechende Antwort eingegangen sein wird, werden wir uns gestatten. Ihnen das ausführliche Fest programm zugehen zu lassen, und nicht ermangeln, für gutes Logis zu sorgen. Der Preisbewerb findet am 15. August statt. Es wird gebeten, spätestens am Abend vorher in St. Antoine eintresfen zu wollen. Genehmigen Sie u. s. w. u. s. w. . . ." „Was sagt Ihr dazu?" fuhr Herr Legrin strahlend, nach den Seinen gewendet fort das kommt vom Flötenspiel. Preis ¬ richter in einem Internationalen Musikfest! ! So eine Aus zeichnung! . . . Kinder, Kinder, ich bin ja so froh, so froh!" Und stürmisch umarmte er Frau und Tochter. Die Erstere zeigte keine Spur von Enthusiasmus. Sie war eine kleine magere Dame, die Alles, was Musik war, aus Herzens grund verabscheute und im Besonderen der Flöte einen tövtlichen Hatz geschworen hatte. Fünfundzwanzig Jahre währte dieser Haß nun schon, und täglich ärgerte sie sich über die schöne Zeit, die ihr Gatte mit diesem Instrument vergeudete, ohne doch einen Pfennig mehr in die Wirthschaftscaffe zu bringen. Herr Legrin hatte nie mehr wie im günstigsten Fall drei Schüler für sein Lieblingsinstrument pro Jahr zu verzeichnen. Die Folge davon war, daß sie und die Tochter auf Mittel und Wege sinnen mußten, um das Budget etwas zu erhöhen und dies durch unzählige Kreuzstichstickerrien auch erreichten. Frau Legrin's Aerger erreichte aber seinen Höhepunkt, als der Gatte sich eigensinnig widersetzte, eine „günstige Gelegenheit" zu be nutzen und eine Mehl- und Vorkofthandlung zu übernehmen, die „Todesfall- halber" zu verkaufen war und an der die früheren Besitzer reich geworden waren. Dann hätte man an Sparen denken können, dann hätte man nicht mehr stundenlang über den Stickereien sitzen brauchen, dann hätte sich auch für Annie, die schon etwas über die erste Jugcnvbliithc hinaus war, noch ein Freier gefunden. Aber so! Bei der ersten vorsichtigen Anspielung auf die „Mehl- und Vorkofthandlung" war Herr Legrin ausgefahren, als nxnn man ihm ein Verbrechen zumuthen wollte. Er sollt« seinem Ideal, der Musik, „seiner" Flöte untreu werden, um hinter dem Laden tisch zu stehen und Zucker, Reis und Kaffe zu verkaufen! Nie! Niemals! So zuckte denn Frau Legrin auch nur geringschätzig mit den Schultern, als der Gatte sich in lauter Freude über Vie ehren volle Anfrage des ComitSs des Internationalen Musikfeftes zu St. Antoine erging. „Ist auch was rechtes. Deine Wahl zum Preisrichter! Sine Ausgabe mehr, Ermüdung von der Reise und dazu . . . Was, willst Du mir das vielleicht bestreiten? Als wenn es nicht zctm mal besser wäre, die Flöte und die Musikgeschichte an Sen Nagel zu hängen und statt dessen . . ." „Laß das Reden! Du verstehst eben nichts von der baden Kunst!" unterbrach sie der neugcwählte Preisrichter. Und um den Aerger über solches Unverständinß zu über winden, ging er mit einem Umweg in seine Stammkneipe, und als er von dort heimkehrte, da ivar im ganzen Städtchen wohl Niemand, der nicht gewußt hätte, daß Herr Legrin als Preis richter vom Comit§ d,S Internationalen MusikfesteS zu St. An toine berufen worden war. Als -ver hochwichtige Tag gekommen war, nahm Herr Legrin erregt, aber sehr würdevoll von den Seinigen Abschied. Nur mit Mühe fand er noch einen Platz in einem Wagenabtheil dritter Elaste. Sein Kommen wurde von den Insassen des CoupSs nicht gerade freudig begrüßt, denn außer seiner corpulenten Persönlichkeit führte er einen mächtigen Handkoffer nnd einen großen Jnstrumentenkasten mit sich. Er hatte an Sachen so ziemlich Alles mitgenommen, was er besaß, denn er wußte nicht recht, in welcher Kleidung ein „Preisrichter" bei solcher Gelegen heit zu erscheinen hat. „Wenn man so dick ist, sollte man sich eigentlich ein ganze- CoupS reserviren lassen", bemerkte eine Dame, die Herr Legr:, beim Einsteigrn fast erdrückt hatte. „Dazu würden ja zwei kaum ausreichen", fügte ein ande. Passagier wohlwollend hinzu. Es war ein glühend heißer Tag, der Staub füllte in Wo!:.:: das CoupS und Herrn Legrin mit dem Jnstrumentenkasten au den Knien war nichts weniger als behaglich zu Mu:be. aber kc:u noch so leiser Seufzer entrang sich seinen Lippen, deloenmülhm, brachte er der Kunst seine Bequemlichkeit zum Opfer. Er versuchte sogar mit seinem Nachbar ein Gespräch an zuknüpfen und tbeiltc ibm mit. daß er als Preisrichter nach St. Antoine fahre. „Preisrichter' Wohl für eine Mastoiehausstellung?" fragt.- dieser liebenswürdiger Weise. .Herr Legrin überhörte die Frage. Nack dreistündiger Fahrt hielt der Zug endlich in St. An roine. Auf dem Bahnhof drängte sich eine unglaubliche Menschen menge, und Herr Legrin stand zuerst ganz verwirrt und rathlo mit seinem Koffer und Jnstrumentenkasten und wurde von recht-- und von links gestoßen und verschiedentlich gebeten, und zwa. nicht sehr höflich, doch den Weg nicht zu versperren. Endlich wandte er sich an einen Bahndeamtrn: „Verzeihen Sie, ich hin Preisrichter des Comitös . . ." „Was geht mich das an?" entgegnete der Beamte. „Ihr Billet, bitte?" Nach verzweifelter Anstrengung, eine Hand frei zu bekommen, erwischte Herr Legrin sein Billet und dann nach mehrerem Hin und Herirren erfuhr er von einem Reisenden, der auch zum Comitö des Internationalen Musikfestes zu St. Antoine gehörte daß alle Mitglieder in dem Hotel „Zu den vier Jahreszeiten" ein quartiert seien. „Ist daS weit von hier?"
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