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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.11.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-11-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981103019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898110301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898110301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-11
- Tag1898-11-03
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Vrößere Schriften laut unserem Preis« vrTzeichuiß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. -rtra «Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung ^l 60.—, mit Postbesörderung 70.—. —> ^>»»» ^nuahweschluß für Iiyeigeu: Abend-AuSgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4UHL. Vei den Filialen und Annahmestellen je eine halb« Stunde früher. Anzeigen sind stet» an di« Sr-editta» zu richten. Druck und Verlag von E. Potz tu Leipziz, Donnerstag den 3. November 1898. - 92. Jahrgang. Die Parlamentarische Sehandlung -er ttppischen Frage. Nach einer Auslassung der „Freisinnigen Zeitung" ist es nicht zu bezweifeln, daß die lippische Frage im Reichs tage zur Sprache gebracht werden wird. Anknüpfungs punkte, sie im Reichstage zu erörtern, giebt eS genug; aber als ungleich mehr zuständig erscheint uns der preußische Landtag. Denn die lippische Frage hätte eine über Lippe hinanSreichende Bedeutung nicht gewinnen können, wenn der preußische Minister de» Auswärtigen es zu ver hindern gewußt hätte, daß der Einspruch der schaum- burg-lippischen Regierung gegen die Erbfolgefähig keit der Söhne des Graf-Regenten vor den Bundes rath gebracht wurde. Da» war die Aufgabe des preußischen Minister» des Auswärtigen, und ihre erfolgreiche Lösung durfte um so sicherer erwartet werden, je überraschender der schaumburg-lippische Einspruch ist. Selbst wenn nämlich gemäß dem letzteren der BundeSrath den Söhnen deS Graf- Rezenten die Erbfolgefähigkeit abspräche, würde, wie die „Kreuzzkg." mit vollem Rechte bervorhebt, der Fürst von Schaumburg-Lippe noch lange nicht der nächste Anwärter auf die Regentschaft in Lippe sein. Beruht doch die schieds gerichtliche Entscheidung zu Gunsten deS Graf-Regenten auf der Anschauung, daß die Ehe deS Ahnherrn des Graf- Regenten mit Modeste von Unruh ebenbürtig war. Damit ist nicht nur die Erbfolgefähigkeit des Graf-Regenten, sondern auch die seiner vollbürtigen Brüder und ihrer Söhne aus ebenbürtigen Ehen festgestellt. Da es nun einerseits dieser Biesterfelder Linie an unzweifelhaft erbfähigen Nachkommen nicht fehlt, andererseits, selbst wenn diese gestorben sein sollten, vor Schaumburg-Lippe noch die Linie Biesterfeld- Weißenfeld erbberechtigt ist, so wurde durch den Schieds spruch die Aussicht auf die Erbfolge in Lippe für Schaum burg-Lippe in unabsehbare Ferne gerückt. Daß unter solchen Umständen Schaumburg-Lippe seinen Ein spruch überhaupt vor den BundeSrath bringen konnte, berechtigt den preußischen Landtag zu der Frage an den preußischen Minister deöAuswärtigen, ob er eS an der diplomatischen Ein wirkung auf die schaumburgische Regierung habe fehlen lassen, um sie zum Verzicht auf den folgen schweren Einspruch beim BundeSrathe zu bewegen. Die Nothwendigkeit und die Nützlichkeit diplomatischer Ein wirkung auf die Bundesregierungen hat Fürst Bismarck wiederholt betont, z. B. im Abgeordnetenbause am 9. December 1867, im Norddeutschen Reichstage am 1. April 1870; und für solche Einwirkung steht dem preußischen Minister des Auswärtigen ausweislich deS preußischen Etats rin besonderes Organ in Gestalt der preußischen Gesandtschaften innerhalb deS Bundesgebiets zur Verfügung. Ist der preußische Landtag der Ort, an dem zweckmäßiger Weise die lippische Frage selbst „angeschnitten" werden sollte, so gehört die Consequenz jener Frage jedenfalls vor den Reichstag: der Wunsch, Thronfolgestreitigkeiten auf Grund von Unebenbürtigkeit in Zukunft ausgeschlossen zu sehen, führt zu dem Verlangen, daß der Begriff der Mißheirath aus dem deutschen Fürstenrecht beseitigt werde, und diesem Verlangen müßte die Vertretung des gesummten deutschen Volkes Ausdruck g-ben. Wie wenig radikal das Verlangen ist, erhellt daraus, daß es von einem königlich preußischen Geheimen Iustizrathe, dem genauen Kenner des hohenzollerschen Hausgesetzes und berühmten Staatsrecht lehrer H. Schulze, ausgesprochen wurde. Schulze erinnert in seinem „StaatSrecht" daran, daß der Begriff der Miß heirath allen regierenden Fürstenhäusern Europa«, aus genommen die deutschen und das russische, unbekannt ist, und fordert dann die Beseitigung jenes Begriffes aus dem deutschen Fürsteurecht aus folgenden Gründen: „a. Derselbe steht im Widerspruch mit dem Rechts- bewußtsein der Gegenwart. Entstanden in einer Zeit, wo ein großer Theil des Volkes unfrei oder leibeigen war, schließt er jetzt die Fürstenhäuser von allen übrigen Classen des Volkes ab, macht vielen Mitgliedern derselben jede Eheschließung überhaupt unmöglich und verletzt unnöthigerweise das Ehrgefühl eines zum Selbstbewußtsein erwachten Volkes, b. Trotz aller Bemühungen der Theorie wird es nie gelingen, scharfeGrenzender Ebenbürtigkeit zu ziehen, und so darf dieseLehre desFürstenrechtes als die bestrittenste und unsicher st e betrachtet werden; daher die zahllosen Streitigkeiten, welche nicht nur das Lebensglück einzelner Individuen, sondern auch den Frieden ganzer Familien untergraben haben, c. Der überall ein- zuführcnde Grundsatz, daß zu jeder einzugehenden Ehe die Zu- stimmung des Familienoberhauptes erforderlich ist, genügt vollständig, um die Würde und das Ansehen des regierenden Hauses gegen unpassende oder politisch bedenkliche Eheschließungen zu wahren. Nur muß den Gliedern des Hauses eine Garantie gegen die immerhin mögliche Willkür des Familienchefs bei Versagung des Eheconjenses durch Errichtung einer Berufungsinstanz gegeben werden, wie dies die englische Royal Marriage Act von 1772 und mehrere neuere deutsche Hausgcsetze thun." Ob im Sinne Schulze'S auf dem Wege der Reichsgesetz gebung — ohne die Zustimmung der deutschen Fürstenhäuser, wie die „Freis. Ztg." meint — vorgegangcn werden könnte, bleibe dahingestellt. Auch ist gegenwärtig nicht anzunedmen, daß der Bundesrath einem entsprechenden, aus der Initiative des Reichstages hervorgegangeucn Gesetzentwürfe seine Zu stimmung ertheilen würde. Aber deshalb darf der Reichstag sich nicht abhalten lassen, einen präciscn Beschluß über eine Forderung des gesammten deutschen Volkes zu fassen, deren Erfüllung den deutschen Fürstenhäusern nur zum Segen gereichen würde. Die Entwicklung des deutschen Lirchenwesens in Palästina. Wenn man sich vergegenwärtigt, welche Rolle einst im heiligen Lande der Protestantismus im Allgemeinen und die deutsch-evangelische Gemeinde in Jerusalem im Besonderen gespielt hat, wird man erst richtig ermessen können, welch bedeutungsvolles Ereigniß dieEinweihung der Erlöser kirche in Jerusalem bildet. Jene Rolle war eine nichts weniger denn erhebende. Erst nach der politischen Wieder geburt Deutschlands trat in den Verhältnissen, unter denen das deutsch-evangelische Leben zu leiden batte, eine Wendung ein, und mit Stolz können sich jetzt die Blicke nach Jerusalem wenden. Im Jahre 1822 errichtete, wie der „Schw. Merc." schreibt, die Londoner Gesellschaft für Iudenmission eine erste Missions station in Jerusalem, und einer der ersten Leiter dieser Mission war der Deutsche Johann Nicolayson (aus Schleswig). Dieser Umstand war eine der Ursachen, daß der Gedanke, ein gemeinsames englisch-deutsches Bisthum in Jerusalem zu errichten, Wurzel schlug, nachdem Mehemed Alis Aufruhr von den europäischen Mächten unterdrückt worden war. Die Nothwendigkeit, durck eine solche Ver anstaltung dem Protestantismus im heiligen Lande Anerkennung und Stütze zu verschaffen, trat aber auch immer mehr hervor. Während nämlich alle anderen christlichen Neligionsgesellschaften, wie diegriechisch-katholische,dicrömisch-katholische, diearmenische, die koptische und die syrische Gemeinde, von der türkischen Re gierung anerkannt worden waren und somit volle Religions freiheit genossen, war der Protestantismus in Wirklichkeit, als nicht officiell anerkannt, eine verbotene Religion. In Folge desseu lief Jeder, der von einer der anerkannten christlichen Religionsgesellschaften zum Protestantismus überging, Gefahr, diesenUebergang mit demiTode zu büßen,während derUebergang von der einen anerkannten christlichen Gesellschaft zu einer andern eine vollkommen legale Sache war. So gab denn Friedrich Wilhelm IV. den Anstoß zur Verwirklichung des Gedankens der Errichtung eines evangelisch deutsch-englischen Bisthums in Jerusalem, das auf diese Art der Mittelpunkt für einen engeren Zusammenschluß zwischen den verschiedenen evange lischen Sonderkirchen werden sollte. Nachdem die nöthigen Unterhandlungen in Konstantinopel und London glücklich zu Ende geführt worden waren, konnte Ende 1841 durch ein Schreiben des Erzbischofs von Canterbury der Christenheit die Errichtung deS protestantischen BiSthumS in Jerusalem bekannt gemacht werden. Dir türkisch-veutsch- euglische Uebereinkunft enthält Folgendes: 1) Die Türkei räumt den unter dem evangelischen Bischof in Jerusalem stehenden Protestanten Religionsfreiheit und volle Gleichberechtigung mit den andern christlichen Gesellschaften im Reiche ein. 2) Der evangelische Bischof in der heiligen Stadt soll der anglikanischen Kirche angebören und wird abwechselnd vom König von England und vom König von Preußen er nannt. 3) Er hat die bischöfliche Aufsicht über die englischen und deutschen Gemeinden zu führen, die sich im Laufe der Zeit bilden, ebenso wie er auch deren Geistliche nach angli kanischem Ritus ordiuirt. Dies ist in Kürze das Gründungsdocument deS protestan tischen BiSthumS in Jerusalem, von dessen Errichtung nament lich die englischen Freunde der Iudenmission große Ergebnisse erwarteten. Wenn man die Iudenmissionsliteratur jener Zeit liest, muß man sich über den glühenden Glauben und die naive Hoffnung, mit der man die baldige Bekehrung des jüdischen Volkes in seiner Gesammtheit und die bevorstehende Errichtung einer national-juden-christlichen Kirche im heiligen Lande erwartete, Wundern. Ging diese Hoffnung auch nicht in Erfüllung, erwies sich dieser Glaube als auf unhaltbaren Voraussetzungen beruhend, so steht doch auf der anderen Seite die Thatsache fest, daß die Gründung des protestan tischen BisthumS in Jerusalem von großer Bedeutung war, weil erst damit die Arbeit für Ausbreitung des Evangeliums in Palästina möglich geworden ist. Nachdem König Friedrich Wilhelm IV. ein Capital von 100 000 Thalern geschenkt batte, dessen Zinsen die Hälfte ter Besoldung deS BisckofS bilden sollten und England sich ver pflichtet batte, jährlich eine ebenso große Summe zu leisten, wählte England den Inhaber des neuerrichteten Amtes. Die Wahl fiel auf den damaligen Professor in hebräischer Sprache und Literatur am Kings-College in London Michael Salomo» Alexander, der in Posen von jüdischen Eltern geboren war. Nack England ausgewandert, hatte er dort einige Zeit als Rabb ner in Plymouth gewirkt, bis er durch das Studium des Neuen Testaments veranlaßt wurde, zum Christenth im überzutreten. Nach seiner Taufe er hielt er Anstellung im Kings College. Alexander über nahm sein neues Amt mit Furcht und Hoffnung. Mit glühendem Eifer begann er die Arbeit für Aus breitung des Evangeliums unter seinem Volke. Seine in hebräischer Sprache vor den Juden gehaltenen Predigten werden von Ohrenzeugen als herzergreifend geschildert. In dessen sollte seine Wirksamkeit nicht von langer Dauer sein, indem er 1845 auf einer Reise nach Jerusalem starb. Der Uebereinkunft zwischen England und Preußen gemäß hatte nun Friedrich Wilhelm IV. an Stelle Alexanders den neuen Bischof zu wählen. Der König wählte im März 1846 Samuel Go bat zum Bischof und die Wahl konnte nicht glücklicher ausfallen. Gobat war von christlichen Eltern im Canton Bern geboren, hatte die Missionsschule in Basel durchgemacht und wirkte danach als Missionar in Abessiii'en und Syrien, bis er krankheitshalber seine MissionSthäligkeit ausgeben mußte. Nachdem er durch Aufenthalt in seiner Heimath seine Gesundheit wiedcrgewonnen, wurde er nach anglikanischem Ritus zum Priester geweiht und übernahm die Leitung eines Missionsseminars auf Malta. Von dieser Stellung wurde er als Bischof nach Jerusalem gerufen. Gobat war eine in der evangelischen Welt hochgeachtete Persönlichkeit. Er war eine kräftige Statur, warmherzig, ein Mann, der durch seinen energischen Glauben und die Zuverlässigkeit seines Charakters in besonderem Grade ge eignet war, Vertrauen einzuslößen, ebenso wie er auf Grund seiner ganzen geistigen Entwickelung die besten Bedingungen dafür besaß, eine vermittelnde Stellung zwischen der eng lischen Hochkirche und der preußischen Union einzunehmen. Die Absicht, einen deutschen Geistlichen nach Jerusalem zu senden, um die dortigen evangelischen Deutsche» zu sammeln, Ferrrlletorr» Ergebnisse meiner vierten ostafrikanischen Reise. Von Dr. Hans Meyer.*) Moschi (Kilimandscharo), 16. September 1898. Ueber den Verlauf und die Ergebnisse meiner diesjährigen (vierten) ostafri kanischen Reis« erlaube ich mir, vorläufig in Kürze Folgendes zu berichten. Eingehendere und genauere Mittheilungen kann ich erst machen, sobald ich nach der Heimkehr, die ich Anfang October antrete, mein gesammeltes Material besser übersehe, als es jetzt in der Unruhe des Reisrlebens möglich ist. Auch die Höhenzahlen kann ich jetzt nur annähernd angeben. Um die Lücken unserer Kenntniß, namentlich vom oberen Kili mandscharo, nach Möglichkeit auszufüllen, hatte ich mir vor An tritt meiner Reise folgendes Programm gestellt: 1) Besteigung des Mawensi auf der Ost- und Nordostseite, um den alten Krater des Berges und die riesige, nach Norvost ge öffnete, den ganzen Berg durchziehende Spalte zu untersuchen. 2) Besteigung des Kilimandscharo von der Nordseite, aus der Massaiebene; nochmaliges Ersteigen des Kibokratrrs und Unter suchung der jetzigen Eisverhältnisse am und im Krater. 3) Umgehung des Kilimandscharo in der Region oberhalb des Urwaldes auf der Nord- und Westseite und Untersuchung der Er streckung der dortigen Eisbedeckung und der Struktur des Eises. 4) Untersuchung der großen Westspalte des Kibo und der weit nach Westen auslaufenden Schirakette in Verbindung mit der Tektonik des ganzen Gebirges. 5) Besteigung der Südseite des Kibo bis auf» Eis und Beob achtungen über die jetzige und einstig« EiSerstreckung auf dieser am meisten vereisten Seite dr» Gebirges. 6) Kartographische Aufnahme des bereisten Gebietes mittels Routenoufnahm«, Peilungen, trigonometrischer Messungen u. s. w.; Aufnahme von Photographien und Anlegung von geolo gischen, botanischen und ethnographischen Sammlungen. Dazu hatte mein Reisegefährte, Hrrr Maler Ernst Platz au» München, die künstlerisch« Ausbeute der Reise und dir Anferti gung von Zeichnungen in den für den photographischen Apparat unzugänglichen Gebieten übernommen. Dieses Programm ist nun in allen Punkten zur Durchführung gekommen. Nach dreiwöchiger Wanderung von Tanga durch das 1888 von mir mit vr. O. Baumann zuerst bekannt gemachte Ost-Usambara und seine Plantagengebiete, weiter durch das untere Luengerathal und entlang an West-Usambara und den Pavehbergen traf ich mit meinem Begleiter und einer Karawane von 38 Waniamwesi am 3. August in der Militairstatwn Moschi am südlichen Kilimandscharo «in. Aufs Wirksamste unterstützt von *) Au» der bekannten geographischen Zeitschrift ,Tlobu»'. Ver lag von Friedr. Bieweg L Sohn, Braunschweig. dem außerordentlich zuvorkommenden, landeskundigen Stations chef, Herrn Hauptmann Johannes, dem jetzigen wirklichen Be herrscher des Kilimandscharo, brachen wir am 9. August nach Osten auf und stiegen durch Marangu über den Urwald hinauf zur Ostseite des Mawensi, wo wir bis nahezu 3900 Meter Höhe vordrangen und dann nach der Landschaft Useri hinabstiegen. Dort trafen wir Herrn Hauptmann Johannes und meinen alten Freund Mareale, den Häuptling von Marangu, die nach Leito- kitok im Norden des Gebirges zogen, um mit den dortigen Massai politische Angelegenheiten zu verhandeln. Ich schloß mich ihnen an und traf am 17. August in Leitokitok ein. Auf dieser Strecke wie auf der vorhergehenden Tour um den oberen östlichen Mawensi gewann ich ein genaues Bild von diesen noch unbekannten Seiten der oberen Gebirgsregion und von der Beschaffenheit der großen Nordostspalte. Sie ist nicht nur ein durch Erosion eingeschnittener Barranco, der aus der alten Cal dera des Mawensi führt, sondern auch — und dies wohl zuerst — ein« starke Dislocation mit Absinkung großer Schollen auf der Ostseite. In Fortsetzung der Spalte läuft eine Eruptionszone mit dielen kleinen Hügeln in die Ebene hinaus und auf die fernere Ongoleakettr zu, die ebenfalls ganz vulkanisch ist. Während Herr Hauptmann Johannes mit Mareale von Leito kitok nach Useri zurückkehrte, stieg ich mit Herrn Platz und meinen zu dieser Tour auserlesenen 20 Leuten durch den ganz weglosen nördlichen Urwald zu einer Höhle bei 3800 Meter in der Eri- cinellarrgion weit über der Baumgrenze hinauf. Von dort schob ich ein Biwak an den felsigen Nordostfuß des hier aus glacialem Schutt ungemein steil emporstrebcnden Kibo vor (etwa 4600 Meter), wo ich mit Herrn Platz allein blieb. Nach einer Nacht temperatur von — 8 Grad Celsius erstiegen wir am 23. August in sehr mühsamer neunstündiger Kletterarbeit den Kibokrater durch die Hans-Meyer-Scharte. An und in dem Krater fand ich die Eisverhältniff« wesentlich verändert gegen 1889. Der Erup- tionskegel ist viel eisfreier als damals; di« auf dem südlichen Kraterboden zur Westspalte sich hinziehende Eismafle ist geringer, die Abschmelzung der vom nördlichen Circusrande in den Krater hinabsteigenden Eiswände ist sehr viel stärker als vor 9 Jahren. Auf dem äußeren EiSmantel des Kibo dagegen ist im Osten des Berges der Ratzelgletscher «in Stück vorgerückt und jetzt außer ordentlich zerklüftet, während im Nordosten des BergeS der obere Siskranz ein« Gletscherzunge bis etwa 6500 Meter herabgestreckt hat, die früher nicht vorhanden war. Ueber die Beschaffenheit des Eises selbst berichte ich später Nähere». Vom Nordostfuß« des Kibo umgingen wir oberhalb des Ur waldes in der Region zwischen 2200 und 3800 Meter die nörd liche und nordwestliche Seite deS Gsbirge». Klimatisch zeichnet sich diese Region durch groß« Trockenheit auS; die obere Urwald grenze rückt tiefer hinab al» auf den anderen Seiten. Im Nord westen zieht radial cun Kibo eine HLgelreiche Eruptionszone bi» tn die Ebene hinab; die größte radiale Eruptionszone aber — ein Seitenstück zu der vom Mawensi nach Südosten am Berge hinablaufenden — liegt im West-Nord-Westen und Westen deS Kibo, wo jüngrre Ausbrüche am Fuße de» Kibo in etwa 4100 Meter eine weithin sichtbare, vielfach zerrissene Kegelgruppe ge bildet haben, von der aus kolossale, breite Lavaströme die west liche Gebirgsseite überschwemmt und plateauartig aufgeschichtet haben. Von diesem Plateau aus, das ich nach dem Namen einer großen Höhle in etwa 3600 Meter Höhe, wo ich das Lager auf schlagen ließ, Galumaplateau nenne, unternahm ich allein mit einem meiner Schwarzen, da Herr Platz einen heftigen Fieber rückfall bekam und im Lager bleiben mußte, eine Besteigung der westlichen Eisregion. Wir bivouakirten unter Felsen bei 4200 Meter und stiegen am 31. August Morgens bei — 4,6 Grad Celsius am westlichen Kibokegel auf. Zu meiner Ueberraschung entdeckt« ich dort drei selbstständige, große, bis 4900 Meter aus dem oberen Eismantel des Kibo herabreichende Gletscher mit mehreren vorgelagerten Moränenzonen jüngerer Schwankungen und unter ihnen weite muldenförmige, 4 bis 6 Kilometer lange, von hohen Seitenmoränen begleitete und mit Rundhöckern und Schliffen besetzte Unterthäler, deren ausgeprägt glaciale Be schaffenheit bis etwa 3800 Meter hinabreicht. Den mittleren dieser drei Westgletscher verfolgt« ich bis zu seinem Ansatz an die geschlossene obere Eishaube bei 6200 Meter, sein Eis und seine Umgebung untersuchend und einen Einblick in die große West spalte des Kibo gewinnend, stieg dann ins Thal des nördlichen Westgletschers hinunter und kehrte schließlich mit ausgiebigen Beobachtungen ins Lager auf dem Galumaplateau zurück. Den mittleren und von mir betretenen dieser drei neu entdeckten Gletscher erlaube ich mir nach dem um die Eissorschung sehr verdienten Grönlandreisenden, vr. Erich von Drygalski, meinem verehrten Freunde, „Drygalskigletscher" zu benennen. Vom Galumaplateau aus, wo mein« Leute sehr durch die Kälte litten, stiegen wir über die Schirakette nach der äußersten westlichen Dschaggalandschaft Kibonoto-Maömbe hinab. Dabei sah ich, daß die Schirakette nicht ein einseitiger, durch Dislokation entstandener Abbruch des GalumaplateauS ist, wie ich nach der Beschreibung des Professors Volkens angenommen hatte, sondern ein selbstständiger GebirgSkamm mit ziemlich wenig gestörtem steilen Einfall der Lavaschichten nach Südwester, und Süden. Auf der Nord- und Ostseite ist dieses Grbirg«, da» jedenfalls mit zu den ältesten Theilen des Kilimandscharo gehört, durch die jüngeren, vom westlichen Kibofuße kommenden Eruptionen über schwemmt worden; auf der Süd- und Südwestfeite aber haben di« starken Niederschläge dieser Gebirgsseite und die Schmelz wässer der Westgletscher ungeheuer tiefe Erosionsthäler in die Berghänge geschnitten und ihr« Wände oft in riesige senkrecht« Thürme zersägt. Locale Einbrüche haben wohl noch zur phan tastischen Gestaltung diese» Bergkamme» mitgeholfen. Die große Westspalte des Kibo aber, die wie die Nordostspalte de» Mawensi allem Anschein nach ein durch Erosion vergrößerte» DislocationS- gebilde ist, wendet sich im Untertheil fast rechtwinkelig nach Süden und trägt auf ihren nördlichen und östlichen Innen wänden zwei steile Gletscher, deren zwei Abflüsse sich zum Weru- werufluß vereinigen. Vom Kraterrande sinkt durch die West scharte eine Eiszunge in die Spalte hinein, bricht aber auf den steilen oberen Wänden bald ab. Der östlich« der beiden im Spaltenkessel liegenden Gletscher reicht am tiefsten von allen Kilimandscharogletschern am Gebirge herab (etwa 2400 Meter). Ich hatte diesen Gletscher schon 1889 von Madschame beobachtet und ihn in meinen „Ostafrikanischen Gletschersahrten" erwähnt; seine Existenz aber wurde von Professor Volkens in seinem 1897 erschienenen Buche zu Unrecht bestritt«». Von den drei West gletschern berichtet Volkens gar nichts, während er für die Vege tationsformationen des Gebirges ein ungemein scharfes Auge hat. Nach den großen Anstrengungen dieser Reisen in der Hoch- region gönnte ich meinen vielfach mit Bluthusten und Dysenterie behafteten Leuten eine achttägige Erholung in den gesegneten Dschaggalandschaften Kibvnoto, Madschame und Kiboscho. Auch .Herr Platz erholte sich von seinen Fieberanfällen, und mir selbst war d«r gemüthliche Verkehr mit den jetzt in Madschame und Kiboscho ansässigen wenigen Europäern (Missionaren und Straußcnfarmern) eine wohlthuende Ausspannung. Von Kiboscho aber stieg ich nochmals zum Eise des Kibo auf, diesmal mit nur acht von meinen Leuten und leider wieder ohne Herrn Platz, der von Neuem schwer am Fieber erkrankte. An seiner Statt begleitete mich in bereitwilligster Weise Herr Pater Rohmer von d«r katholischen Mission in Kiboscho und hat sich nicht nur als vortrefflicher Bergsteiger, sondern auch als liebenswürdiger guter Kamerad erwiesen, mit dem ich schnell Freundschaft schloß. Wieder schob ich vorn Lager (3060 Meter) meiner Leute in der Mbassahöhle am oberen Urwaldrande ein Bivouak in höhere Region«» bi» 3760 Meter vor und stieg mit Pater Rohmer am 11. September zum südöstlichen Kibofuß empor, indem wir den Ratzelgletscher nördlich ließen. Wir mußten vom Bivouak eine sieben Stunden weite Strecke über vier tiefe Schluchten und Thäler nordwestwärts traversiren, ehe wir an» Ei» der Südseite kamen. Fast dieser ganze Aufstieg führt über alten und jungen Glacialbodcn. Die am tiefsten bergabwärts liegenden deutlichen Moränen und Schliffe fand ich bei etwa 3700 Meter, also un gefähr so hock wie auf der Westseite; jüngere Moränenbildungcn in mehreren Zonen beginnen ungefähr bei 4400 Meter, und darüber liegt die Stirn der Eiszunge deS östlichen, von uns erreichten Südgletschrrs bei 4860 Meter. Hohe Stirnmoränen verdecken dem tief unten Stehenden die Gletscherzungen dieser Bergseite grvßentheils. Ich war daher nicht wenig erstaunt, von der Moräne des östlichen Gletscher» aus die stattliche Anzahl von sechs Gletschern zu entdecken, von denen d«r westlichste der größte und längste, der östlichste d«r kleinste ist. Die Zungen namentlich der mittleren sind weithin dick mit Schutt bedeckt. Keine ander« GtbirgSfeit« hat eine so breit« imposante Gletscher zone wie dies«. Ein« Besteigung der Kibogipfels ist auf dieser wie auf der Westseite nur mit den größten Schwierigkeiten aus führbar. Relativ am einfachsten ist die Besteigung immer noch auf der Ostseite über den Siidarat des Rahelgletschers oder durch die HanS - Meyer - Scharte. Untersuchungen des Eises ergaben besonders für die Ober flächen form en wesentliche Unterschiede vom Eis der Ost- und Westseite; darüber später Näheres. Alle» in Allem kann ich mit den Ergebnissen dieser Reise zufrieden sein. Die neue Karte de» Kilimandscharo wird danach ein sehr veränderte» Aussehen gegenüber der vorigen bekommen, und meine Sammlungen und Photographien, sowie di» Zeich-»
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