Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.11.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-11-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981108028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898110802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898110802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-11
- Tag1898-11-08
- Monat1898-11
- Jahr1898
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugspreis In der Hauptexpedition oder den kn Stadt bezirk und den Bororten errichteten Au-» oaorstellrn abgeholt: vierteljährlich^ 4.50» bei zweimaliger täglicher Zustellung inS Hau- 5.50. Durch die Post bezogen sür Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich <^t 6.—. Directe tägliche Kreuzbandiendung WS Ausland: monatlich 7.50. Die Morgen-An-gabe erscheint um '/,7 Uhr. die Abeud-AuZgabc Wochentags um 5 Uhr. Redaction und Lrpeditiou: IohailneSgaffe 8. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von srüh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: kttp Klemm'» Sortim. (Alfred Hahn)» Universitütsstratze 3 (Pauliuunc), LouiS Lösche, Satharinenstr. 14, Part, und König-Platz?. Abend-Ausgabe. cipZMr Tagrdlalt Anzeiger. AMsvlatk des königlichen Land- und Ämtsgenchtes Leipzig, des Rathes «nd Volizei-Ämles der Ltadt Leipzig. Anzeigen'PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Sieclainen unter demRedaction-strich (4-v» spalten) 50 iZ, vor den Fauiilirnnachrichte» (6 gespalten) 40/^. Größere Schriften laut unserem Preis» Verzeichnis. Tabellarischer und Zifferusatz nach höherem Tarif. Sptra-Vcilage» (gefalzt), nur mit der Morgen »Ausgabe , ohne Postbeförderu»^ 60.—, mit Postbrsörderung 70.—. Aunahmeschluß für Anzeigen: Abend-Au-gabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Vxpeditis» zu richten. Druck und Berlag von E. Pol» in Leipzig 587. Dienstag den 8. November 1898. 92. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 8. November. Der in einer telegraphischen Meldung unsere- heutigen Morgenblattes erwähnte Bericht der „Mark. Volksztg." über eine Auslassung des Centrumsabgeordneten Prinzen Aren- berg bezüglich der Erwerbungsweise des „vormMon üe In 8uinie-Vlerxe" genannten Grundstückes in Jerusalem durch Kaiser Wilhelm lautet: „Als er die Einladung zu der Namenstagsfeier des hochwürdigen Delegaten Propst Neuber erhalten habe, sei er sehr erfreut gewesen, umsomehr, als ihm hierdurch Gelegenheit geboten worden sei, in katholischen Kreisen über Las Ereigniß zu sprechen, welches die Herzen aller deutschen Katholiken mit Freude und Dank» barkcit erfülle. ES sei ja durch die Presse bekannt, daß die deutschen Katholiken durch den deutschen Kaiser das Grund stück „vormitiou äs la Lainte-Vieris" überwiesen bekommen hälten, also jenen Ort, an welchem die heilige Jungfrau mit dem heiligen Johannes ihre letzten Tage beschlossen habe. Das sei eine hochedle That des Kaisers, die um so höher anzuerkennen sei, als das Grundstück nicht vom Sultan dem deutschen Kaiser geschenkt, wie von verschiedenen Seiten behauptet werde, sondern von unserem Kaiser für eine sehr hohe Summe gekauft morden sei. Bereits vor der Orientreise habe der Kaiser durch den deutschen Botschafter in Konstantinopel, Staatsminister a. D. Frei» Herr» v. Marschall, Verhandlungen mit dem Sultan anknüpfen lassen, um das betreffende Grundstück zu erwerben; dieselben seien jedoch auf große Schwierigkeiten gestoßen. Wenn unser Kaiser trotzdem sein Ziel erreicht und den deutschen Katholiken das Grundstück über wiesen habe, so werde diese edle That besonders auch deshalb noch hoch von den Katholiken angeschlagen, weil sie Lurch diese Schenkung in den Stand gesetzt würden, an heiliger Stätte eine Kirche zu bauen. Wir deut scheu Katholiken sind die einzigeNation des Abendlandes, welche nunmehr eine der heiligen Stätten Jerusalems für sich allein besitzt. Redner kam sodann auf die Protectoratssrage zu sprechen, die vor der Orientreise unseres Kaiserpaares von den Franzosen in einer sehr cigenthümlichen Weise aufgeworfen worden sei; diese glaubten ein Recht darauf zu haben, ihren Schutz den deutschen Katholiken auszudrängen, obwohl die Vertreter der französischen Regierung, zudem meist Atheisten, die schismatische Propaganda auf Kosten der römischen Katholiken förderten — wenigstens indirect. Durch die Uebergabe der „vormiticm äs la Liiute-Visrxe" sei dieser Streit rechtlich beendet. Die deutschen Katholiken werden jetzt auf reichseigenem Grund und Boden eine ihnen gehörige Kirche bauen, auf welche seitens einer fremden Macht irgend ein Protectorat wohl kaum beansprucht werden dürste. Die edle That Les Kaisers sei aber auch ein Act der Parität. . . . Dies würden die Katholiken ihm nie vergessen." ES ist erfreulich, daß gerade ein CentrumSabgeordneter eS gewesen ist, der auf den Preis aufmerksam gemacht hat, um den der Kaiser die Freude seiner katholischen Untertbanen erkaufte. Wir besorgen aber, daß die Vergeßlichkeit gewisser Kreise unabhängig von der Höhe dieses Preises sein, oder wohl gar mit dieser Höhe wachsen werde. Jedenfalls ist jener Theil der vatikanischen Diplomatie, der mit dem Cardinal Ra m polla bemüht war, das vermeintliche Recht Frankreichs auf den Schutz der deutschen Katholiken im Orient zu unterstützen, sehr wenig erbaut von der Thatsache, daß Kaiser Wilhelm die Ausgabe einer hohen Summe nicht gescheut bat, um den Streit thatsächlich und rechtlich zu Gunsten Deutschlands zu entscheiden. Zu einem Gegner der französischen Ansprüche und Frankreichs überhaupt wird der Cardinal - Staatssecretair durch den vom deutschen Kaiser bezahlten Kaufpreis sicherlich nicht. Es fragt sich nur, wie lange er es sür zweckmäßig hält, die ihm bereitete Niederlage zu vergessen und seine Revanchelust zu unterdrücken. Hoffent lich vergißt man in Berlin nicht, sich für den Tag der Ab rechnung bereit zu halten. Die Zahl der Doppelmandatare, d. h. der Abgeordneten, die neben ihrem Mandat für das preußische Ab geordnetenhaus noch ein solches für den Reichs tag besitzen, ist nach den jetzt eben vollzogenen Wahlen außergewöhnlich groß. Während sie am Schluß der vorigen Tagung des Abgeordnetenhauses 95 betrug, beläuft sie sich jetzt nach einer von der „Voss. Ztg." aufgestellten Berechnung auf 109. Gut ein Viertel aller preußischen Landtagsabgeordneten ist mithin gleichzeitig Mitglied des Reichstages. Am stärksten ist das Doppel- mandatwescu beim Centrum ausgeprägt. Dieses halte im vorigen Landtage 40, diesmal aber hat eS 47 Doppel mandate bei 100 Landtagsabgeordneten. Da die CentrumS- fraction im Reichstage nun aber überhaupt nur 59 An gehörige des preußischen Staates zählt, so sind mit Ausnahme von 12 Herren sämmtliche klerikale Reichslagsmitglieder aus Preußen Besitzer eines DoppelmandatS. Aehnlich ist das Verhältniß bei den Polen. 6 von den 17 LandtagS- abgeordneten sind auch Neichstagsmitglieder. Die Cvnser- vativen haben 19 Doppelmandate bei 54 Reichs tagsmilgliedern, die Freiconservativen 10 bei 23 Anhängern im Reichstage, und die Nationalliberalen, die hier die niedrigsten Verhältnißzahlen aufweiscn, nur 10 bei 47 Parteigenossen im Reichstage. Bei der freisinnigen Volks partei sind 12 Abgeordnete, bei 29 im Reichstage und 25 im Abgeordnetenhause, Doppelmandatsinhaber und bei der frei sinnigen Vereinigung 3. Von den Wilden treten als Träger eines DoppelmandatS noch hinzu: der Antisemit Werner, der Däne Johannsen und der Bündler Or. Hahn. — Wenn der Reichstag und das preußische Abgeordnetenhaus niemals nebeneinander tagten, so wäre nichts dagegen einzuwenden, wenn eine größere Anzahl der Mitglieder der einen Körper schaft auch Mitglieder der anderen wären. ES würde ledig lich beweisen, daß diese Männer das Vertrauen ihrer Wähler im hohen Grade besitzen, und eine gewisse Gewähr dafür bieten, daß die innere Politik Preußens mit der NeichSpolitik auf gleicher Linie sich bewegt. Aber daS Nebeneinanderlagen beider Körperschaften ist nun einmal nicht ganz zu umgehen und je häufiger eS sich nothwendig macht, um so peinlicher tritt die üble Folge der Doppelnatur vieler MandatSinhaber in der Leere der Sitzungssäle bei den Beratbungen und in der häufigen Beschlußunfähigkeit, namentlich des Reichstag-, hervor. Auch dieser beschämenden Erscheinung wird bei der leidigen Gepflogenheit mancher Abgeordneten, sich von vornherein nur zum Besuche „wichtiger" oder „wichtigster" Sitzungen zu ver pflichten, schwerlich völlig vorgebeugt werden können; um so mehr aber sollten die Wählerschaften sich hüten, durch Häufung von Abgeordnetenmandaten auf eine Person die Gefahr zu vergrößern, daß wichtige Gesetze in thalsächlich beschluß unfähigen Häusern durchgepeitscht und in ihrer Fassung von zufälligen Mehrheiten abhängig gemacht werden. Das französische ArbcitcrnnfallvcrsichcruiigSgcset; vom 9. April ist die Frucht einer langwierigen und mühevollen legislatorischen Arbeit; dennoch sind ihm in der kurzen, seit seinem Inkrafttreten verflossenen Zeit schon mancherlei Gegner schaften erwachsen. Aus einem, allerdings begrenzten Kreise der Arbeitgeber wird an dem Art. 3 dcS Gesetzes, welcher die Nentenbezüge der Wittwen und minderjährigen Kinder im Arbeitöbetriebe zu Tode gekommener Arbeiter regelt, die Besorg nis; geknüpft, daß er den Anstoß zu dem Bestreben der Arbeitgeber bilden könnte, sich der Einstellung verheiratheter Arbeiter nach Möglichkeit zu erwehren, weil die in dem betr. Artikel formulirte Bemessung der Entschädigung auf den Todesfall den Arbeitgebern Lasten aufcrlege, die zu tragen über ihre Kräfte gehe. Der Vorsitzende deS Arbeitgeberverbandes in ReimS, Nouvion-Jacquot, nennt aus diesem Grunde die französische Arbeiterunfallversicherung geradezu eine „Prämie auf daS Cölibat" und erklärte, „die Arbeitgeber (von ReimS) hätten unter dem Druck ihrer finanziellen Haftbarkeit bereits Anweisungen zur Ausmerzung aller Familienväter und Familienmütter aus den Werkstätten und Fabriken er geben lass.'n." Dabei wird der Befürchtung Ausdruck gegeben, daß das Gesetz daS Umsichgreifen der Ehelosigkeit befördern, und für die französische Nativität verhängnißvolle Folgen haben könne. In Regierungskreisen steht man der Forderung einer Modificirung des Art. 3 deS Arbeiterunfall gesetzes gemäß den Intentionen der Reimser Arbeitgeber ablehnend gegenüber, will aber auch nichts von dem in daS entgegengesetzte Extrem verfallenden Vorschläge wissen, den uuvcrheiratheten Arbeitern die gleich hohen Renten zuzubilliaen, wie den verheiratheten, um dadurch die Arbeitgeber der Ver suchung zu überhcben, daß sie lieber unverheirathete als verheirathete Arbeiter einstellcn. Denn das hieße soviel, als sich in die Scylla stürzen, um der CharybdiS zu entgehen. Wir nehmen von diesen um das französische Arbeiterunfall versicherungsgesetz bereits so kurze Zeit nach seinem Inkraft treten sich erhebenden Streitigkeiten Notiz, weil sie erkennen lassen, wie gering die Aussichten auf eine entschlossene Fort führung der Socialreform in Frankreich sind und wieviel überhaupt noch daran fehlt, daß unsere ausländische Con- currenz auch nur annähernd von den socialen Lasten und Pflichten beschwert wäre, welche der deutschen Industrie obliegen. Um so mehr aber sollten im Hinblick aus die Rückständigkeit des Auslandes in Sachen der Arbeiterschutzgesetzgebung unsere socialrefvrmerischen Heißsporne eS sich überlegen, ehe sie durch weitergehende Forderungen die Begehrlichkeit der Massen an stacheln, während eS doch in wohlverstandenem Interesse aller Belbeiligten liegt, den bis jetzt geschaffenen social politischen Gesetzen vor Allem die nöthigc Frist zu ihrer Ein- lebung zu gönnen und über ihr Functionircn praktische Er fahrungen zu sammeln! Die einer völligen Mobilisirunz ähnliche Bereit stellung englischer Flottenstreitkräste an allen Theilen der Welt enthält, welches auch die Zwecke derselben sein mögen, eine starke und keineswegs überflüssige Mahnung an alle Culturvölker und nicht zum Wenigsten an Deutschland. Der Erfolg der englischen Flottenbereit stellung ist zunächst, wie dies ganz unzweifelhaft erscheint, in einer Zurückziehung der französischen Ansprüche auf Faschoda zu erblicken. Ob England aus dem Schreckschuß, den eS abfeuert, noch weitere Vortheile für sich herauSschlagen wird, entzieht sich gegenwärtig noch der Beurtheilung, ist aber nicht unwahrscheinlich. Die Lehre, welche wir I für Deutschland hieraus ableiten könne», ist unseres Erachtens folgende: Die Ausdehnung unserer Uebersce- Jnteressen, die ja im vorigen Jahre vor der Ein bringung der Flottenvorlage nach allen Richtungen hin ausgiebig beleuchtet worden ist, zwingt Deutschland zu einer stärkeren Machtentfaltung über See. Daß wir dabei mit der Gegnerschaft zahlreicher Neider zu kämpfen haben, ist kein Geheimniß. DaS gegenwärtige Vorgehen Englands zeigt, daß selbst um anscheinend geringer Ursachen willen eine gewaltige Rüstung deS JnselreichS zur Schau ge stellt wird, und daß die zweitgrößte Seemacht, nämlich Frankreich, wenn auch zum großen Theil unter dem Druck innerpolitischer Verhältnisse vor dieser geharnischten Drohung sich zurückzieht; dabei ist zu berücksichtigen, daß Frankreich in der Lage ist, seine im AuSlande be findlichen Schiffe auf eine ganze Anzahl Flottenstützpunct« zurückzuziehen oder zu stützen, und daß eS ferner in der Lage ist, die Verbindung mit seinen detachirten Flottenstreitkräftcu zum großen Theil durch eigene Mittel aufrecht zu erhalten Wie würde in einem ähnlichen Falle Deutschland gestellt sein? Wir haben ein bedeutendes Geschwader in Ostasieu, wir haben kleinere Seestreilkräfte detachirt in Ostafrika, in Westafrika, in der Südsec u. s. w. Für keines dieser Ge schwader oder Schiffe besitzen wir gegenwärtig im AuSlande selbst irgend einen Stützpunkt. Der erste Anfang hierzu ist der Hafen von Kiautschau, welcher für die wichtigsle ostasiatische Station als Flottenstützpunct im Werden begriffen scheint. I» unseren eigenen Colonien besitzen wir keinen Flottenstützpunct, in anderen Theilen der Welt ebenso wenig. Wir besitzen ferner — und das scheint uns ungleich wichtiger — keinerlei nennenswerthe Kohlenstationen im AuSlande, welche in der Lage wären, unsere Seestreitkräfle im Falle irgend einer Verwickelung mit deren nothwendigsbem Bc- dürfniß, der Kohle, auSzurüsten. Neberall sind wir auf Fremde, meist aufEngland angewiesen. Zu welches Folgen das führen kann, daS hat der spanisch-amerikanische Krieg zur Evidenz bewiesen. Durch einen bloßen Federstrich können von England die Seestreitkräfte anderer Nationen fast überall auf der Erde lahm gelegt werden. Es genügt hierzu ein Kohlen-VerkaufSverbot in den englischen Häfen. Die Wichtig keit der Anlegung von Kohlenstationen kann deutlicher gar nicht bewiesen werden. Hierzu kommt ein dritter Gesichtspunkt, der jedenfalls beleuchtet werden muß. DaS internationale T e l e g r a p h e n n e tz ist fast' aus schließlich in englischen Händen, insbesondere Deutschland hat hieran keinen irgendwie ncnuenswerthen Antheil. Im Augenblick einer europäischen Verwickelung könne» sowohl unsere Seestreitkräfte als unsere Colonialverwaltunzen völlig abgcschnitten werden, einfach dadurch, daß Telegramme über die englischen Linien nicht befördert werden. Die gewaltige Macht und der ausschlaggebende Einfluß, der hierdurch dem Jnselreich eingeräumt wird, drängt sich von selbst auf. Zeiten, wie die gegenwärtige, sind geeignet, die allgemeine Aufmerksamkeit auch in Deutschland auf diese Verhältnisse zu lenken und daraus von selbst Aufgaben zu entnehmen, deren Lösung für uns ein unabweisbares LebenSbedürfniß werden wird. ' Zur Marokkofrage schreibt man uns aus Madrid: In den militairischen Kreisen erblickt man in den Vorgängen in der kleinen Colonie Rio de Oro an der marokkanischen Westküste den Keim neuer und für Spanien sehr bedenklicher Ver wickelungen. Die genaueren Berichte des dortigen Comman- Lanten stellen eS außer Zweifel, daß eine große moha- medanische Kriegsmacht, mindestens 3000 bis 4000 Manu, die Colonie umlagert, deren Besatzung uur 30 Mann Feuilleton. Die kleine Lulu. 31> Seeroman von Clark Russell. Nachdruck verboten. „Fordern Sie nur keine Tapferkeit von mir", sagte sie, während ihr« reizenden Lippen zitterten und sie meine Hand streichelte. „Sie müssen sich in Ihrer Cajüte verborgen halten; können Sie das thun?" „O, Mr. Chadburn, Sie sind recht schlecht; für was für ein dummes, schwaches Ding halten Sie mich!" „Jedenfalls kommen Sie jetzt mit auf Deck", bat ich und lachte dabei über ihr niedergeschlagenes Gesicht; denn sie glaubte, ich machte mich über ihre Furchtsamkeit lustig, während ich, Gott weiß es, sie deshalb nur um so mehr liebte und mich an ihr erfreute; so verkehrt ist aber das Herz in solchen Sachen. — „Bitte, warten Sie noch einen Augenblick, bis ich meinen Sextanten geholt habe." Ich nahm einen Stuhl für sie mit und begann dann „nach der Sonn« zu schießen". Meine Messungen bestätigten meine Annahme; wie ich erwartet hatte — die Jnskl vor uns war Teapy. Ich rief den Schönen und dieser kam zu mir. „Ist das Langboot fertig?" . „Alles p'rat." „Ist frisches Wasser darin?" „Nein." „Wie kannst Du es dann fertig nennen? Bringe Wasser und einen Beutel Brod an Bord. Ihr könnt aufgehalten werden oder auf dem Rückweg laviren müssen. Stoße nie ab, und wenn es nur ein« Ruderfahrt von zehn Minuten gilt, ohne Brod und Wasser. Sag« dem Koch, daß «r dafür sorgt. Die Insel ist niedrig und wir werden sie früher erreichen als Du denkst." Er ging sogleich nach vorn, aber, um sicher zu sein, wartet« ich, bis Wasser und Brod in das Boot verstaut waren. Darauf ließ ich das Logg fallen; dasselbe ergab, daß die Brigg sechs Knoten machte. Alle einfachen Segel waren gesetzt und jedes Segel stand voll, daS Wasser war glatt wie ein Mühlenteich; so gab es nichts, was unsere Fahrt hätte aufhalten können. Die Leute gingen bald noch Zwölf zu ihrem Mittagessen ins Castell; als sie wieder herauficunen, standen sie und wartet«». daß die Insel nunmehr auch vom Deck aus in Sicht kommen sollte. Um ein Uhr war ihr dunkler, blauer Umriß von der Halden Höhe des Fock-Takelwcrkes aus sichtbar. Um zwei Uhr sahen wir sie vom Deck aus klar vor uns liegen. Der Wind frischte jetzt mehr auf und die Brigg glitt rascher dahin, als ein Mensch laufen könnte. Die Leute waren still. Sie blickten gespannt nach vorn. Manchmal wandten sie auch die Köpfe, um nach rückwärts und nach oben zu sehen. Der alte Banyard marschirte auf dem Deck wie ein Automat, mit un beweglichem Gesicht und die Augen immer gerade vor sich ge richtet. Um drei Uhr war die Insel deutlich erkennbar, klar warf sie ihre Schatten; sie sah nicht größer aus als der Rumpf eines Schiffes. Ich bat jetzt Miß Franklin, hcrunterzugehen und sich einzuschließen. Sie sah mich prüfend an; ihrem Auge mochte wohl di« in mir arbeitende furchtbare Aufregung, welch« ich mit aller Kraft zu verbergen strebte, nicht entgehen; sie verließ daher das Deck ohne ein weiteres Wort. Die Insel mit dem Glase recognoscirend, erkannte ich die Korallen-Formation des Gestades und auf den höher gelegenen Abhängen Vegetation und Baumwuchs. Zeichen menschlicher Wohnungen zu entdecken, wenn solche da waren, gestattete mir aber die Entfernung nicht. Die Leut« kamen nach hinten und baten sehr unterwürfig, durch das Glas sehen zu dürfen. Das Teleskop ging von Hand zu Hand. Einer sagt«, er sähe dort hinter der Landzunge auf Steuerbord etwas, was wie die Mastspitze eines Schiffes aus sähe. Dies veranlaßte die Anderen, ebenfalls die Stelle, voller Bangigkeit, scharf ins Auge zu fassen, und nachdem auch ich, anscheinend mit großer Aufmerksamkeit, das Glas längere Zeit auf dem Puncte hatte ruhen lassen, unterstützte ich die Ansicht, indem ich vorgab, deutlich di« Mastspihen zu erkennen. „Wie nahe heran wünscht Ihr nun, daß ich die Brigg bringe?" fragt« ich. „Ich bleibe bei meiner Ansicht, daß drei Meilen nahe genug ist. Bei dieser Brise wird das Langboot die Entfernung in einer halben Stunde segeln." „Seggen Sei uns noch 'mal, worüm Sei drei Meilen af- bliewen wull'n?" „Falls ein Kriegsschiff dahinten versteckt liegt, wird eS uns seinen Kutter an Bord schicken, wenn wir nahe herankommen. Bleiben wir aber ein gutes Stück ab, dann werden sie denken, daß di« Befriedigung ihrer Neugier die Mühe einer langen Fahrt gegen den Wind nicht lohnt. Das ist mein Grund." „Jack füll sien Willen hebben, hei het en llauken Kopp. Hei füll bidrrthn, wo 't em dat Best' bucht," „Wir wollen Euch bei der Rückfahrt «ntgegenkommen und Euch aufnehmen", sagte ich „Gaud!" rief Blunt. „Nun, dann also vorwärts, Jungens: refft die Reuls! Die Falls der Klüver zum Niederholen klar!" Die Leute gingen an die Arbeit. Wir näherten uns rasch der Insel. Jene Striche, welche den Mastspitzen eines Schiffes glichen, waren hinter dem Hügelland versunken, und die Leute blieben daher im Zweifel, ob ein Schiff da war oder nicht. Um vier Uhr schickte ich die Leute an die Leebrassen. Die Geitaue und Schooten wurden angeholt, di« Raaen gedreht und die Fahrt der Brigg angehalten. Die Insel in ihrem zarten Grün, mit dem weißen Strand an dem tiefblauen Meer, über wölbt von dem strahlenden Himmel, an welchem leichte Feder wölkchen schwebten, streckt« sich wie ein Feenreich an unserem Leebug hin. „Jetzt das Langboot zu Wasser!" rief ich. „Greift zu, dann könnt Ihr um vier Glasen zurück sein, vor acht wird es nicht dunkel!" Da die Takel ob«n bereit waren, blieb nichts zu thun, als die Läufer durchzuscheeren, das Boot «inzuhängen und nieder zulassen. Alle Mann faßten an, das Boot hob sich aus seinen Klampen und bald schwamm es längsseits. „Sieh noch einmal zu, ob Alles in Ordnung ist", rief ich dem Schönen zu, welcher mit Billy hineingesprungen war und den Mast einsetzte. „Hast Du den Compaß?" „Ay, ay!" „Loth und Leine?" „All'ns klar." „Na, dann hinein ins Boot mit Euch Anderen." Sie stiegen ein. Der Schiffsjunge Hardy und der Koch kamen an die Fallreepstreppe, um ihnen zuzusehen, Savings stand am Rade; Banyard stampfte auf dem Deck einher und schien von nichts Notiz zu nehmen. „Wenn es dunkel werden sollte, ehe ihr zurückkommt, wollen wir eine Laterne anzünden", rief ich. „Seid so flink als möglich. Wenn es zu wehen anfängt, sind wir zu schwach, um die Brigg zu regieren. Nun herauf mit Eur«m Segel, — werft die Läufer los!" Die Spitze des Bootes war abgestoßen, das Segel ging in die Höhe, das Boot glitt hinweg. „Hurrah, de Goldmine!" schrie Klein-Welchy und warf seine Mütze in die Luft. „Dat is för de Minschenfreter, wenn weck da sün", brüllte Billy und schwenkte sein Matrosenmesser. Sam und der Schöne saßen rauchend zusammen auf der hintersten Duchte und steuerten das Boot. Es segelte ziemlich schnell und hob eine Welle aus jeder Seite. Bald war es außer Anrufswcite. Ich blickte ihm nach, bis die Gesichter der Männer nicht mehr zu erkennen waren; darauf ging ich zu Banyard und flüsterte ihm zu: „Sagen Sie dem Koch, ich wollte ihn in der Cajüte sprechen, und wenn er kommt, seien Sie dicht aus seinen Fersen." „Süll hei -e Irrst sien?" Ich nickte mit dem Kopf und ging die Cajüte hinunter. Am Tische stehend wartete ich, bis sich des Kochs nackte Füße auf den Stufen der Treppe zeigten; dann packte ich plötzlich seine Beine und zog ihn nieder. Er schlug beim Fallen so schwer auf die Treppenstufen, daß, wenn er nicht zu verblüfft gewesen >väre, um zu schreien, er auch nicht Athem genug dazu besessen hätte. Den kalten Lauf meines Revolvers an seine Stirn haltend, schwor ich mit der schrecklichsten Stimm« und dem drohendsten Aussehen, welches ich mir zu geben vermochte, daß, wenn er sich rühre oder den leisesten Laut von sich gäbe, ich ihn tödten würde. Während er bewegungslos dalag, mit gesträubtem Haar und Augen, die ihm vor Schreck halb aus dem Kopf getreten waren, band Banyard sehr gelassen, in seiner mürrischen Weise, ihm Hände und Füße. „Nun kommt Savings an die Reihe", sagte ich zu Banyard. „Wenn ich einige Augenblicke mit ibm gesprochen habe, treten Sie an meine Seite." Ich stieg auf Deck und nachdem ich einen Blick auf das Boot geworfen hatte, dessen Segel jetzt nur noch einen weißen Fleck bildeten, ging ich zu Savings. Er war ein mittelgroßer Mann mit etwas dummem Gesicht, blaß-blauen Augen und einem rothen Bart. „Wie kommt es, daß Du nicht im Boot bist?" fragte ich; „wollten sie Dir nicht trauen?" „Mi trugen? — Jk weit nich; — äwer mien Andeil von den Verdeinst will ik hebben, üm den lat ik mi nich bedreigen!" „Es ist kein „Verdienst" da, wie Du es nennst. Ich war gezwungen. Euch zu täusöhcn, um die Leute aus der Brigg zu entfernen; denn ich will diese Euch Meuterern wieder abnehmen und nach Haus führen. Nieder mit Dir, Du rebellischer Mord bube!" Als ich diese Worte hervordonnerte, trat Banyard hinzu, und noch «he Savings Zeit hatte, mich zu begreifen, lag er schon unten und ich mit meinem ganzen Gewicht auf ihm. Er schrie und kämpfte wie ein Wahnsinniger, aber während ich auf seiner Brust kniete, fesselte Banyard seine Beine. Darauf band er ihm
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite