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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.11.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-11-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981115014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898111501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898111501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-11
- Tag1898-11-15
- Monat1898-11
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Reklamen unter demRedaction-strich (4g«e spalten) bO^z, vor den Familirnnachrichte» (6 gespalten) 40/iK. Größere Schriften laut unserem Preis- ve-Leichniß. Tabellarischer und Ztffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung ^l 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen; Abend-Tlusgabe: Vormittag- 10 UhL Morgen.Ausgabe: Nachmittag- SUHL. Bei den Filialen und Annahmestelle« je eia« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an ks« Gx-editia- zu richten. Druck und Verlag von E. P olj in Leipzich S2. Jahrgang. Die sorjschreiten-e Vertschechung Löhmens. ^.. Prag, im November 1898. Die Tschechen haben in letzter Zeit eine ganze Reihe Erfolge in sprachlicher Hinsicht sowohl im geschlossenen tschechischen Sprachgebiete als auch in den „germanisirten" Bezirken — so wird Deutsch-Böhmen von den Tschechen genannt — aufzuweisen. Zunächst ist der bisher von den staatlichen Behörden streng festgehaltene Grundsatz, datz innerhalb des geschlossenen deutschen Sprachgebietes in Böhmen ausschließlich die deut sch eVerhandlungssprach« bei Gericht zu zulassen sei, durchbrochen und somit der § 13 der Allgemeinen Gerichtsordnung in Wirklichkeit aufgehoben worden. Bor dem ersten Handelssenate des Reichenberger Kreisgerichts hatte in einer Klagesache der Reichenberger tschechische Rechtsanwalt vr. Hlinak tschechisch gesprochen. Dagegen verwahrte sich der Ge richtshof mit der Begründung, daß die in Reichenberg übliche Gerichtssprache ausschließlich die deutsche sei, welchen Standpunkt auch das Kreisgericht Reichenbrrg zu dem seimigen machte. Im Gegensätze hierzu hat aber nun das Prager Oberlandesgericht eine Entscheidung gefällt, wonach die Gerichte in Böhmen „bei der mündlichen Verhandlung diejenige Sprache zu gebrauchen haben, in welcher die Verhandlung von den Parteien geführt wird, bei Betheiligung von Parteien, die sich bei mündlichen Verhandlungen verschiedener Landessprachen bedienen, nötigen falls beide Landessprachen." Unter dem 6. November hat auch das Justizministerium durch das Prager Oberlandesgericht dem Kreisgericht Reichenberg aufgetragen, „falls sich in Reichenberg rein Laienrichter finden sollte, der als Beisitzer einer tschechischen Verhandlung fungiren wollte, Laienrichter aus den benachbarten Kreisgerichtssprengeln, also Jungbunzlau oder Jitschin, zu ent nehmen." Weiter wurde am 31. Oktober den Beamten des Prager k. k. Handelsgerichts dir Mittheilung über ihre Gehaltserhöhung nur in tschechischer Sprache zugestellt. Ebenso ergab sich, daß bereits das Prager Oberlandesgericht di« betreffenden Mit theilungen an das k. k. Handelsgericht über diese Gehalts erhöhung nur in tschechischer Sprache bewirkt hatte. Dabei gelten nach den bekannten sprachlichen Regierungsverordnungen die Gerichtsbehörden in Prag noch als utraquistisch. Somit hätte also das Oberlandesgericht die betreffenden Bescheide an das Handelsgericht in beiden Sprachen ergehen lassen müssen. Aber nicht nur die Gerichte amtiren in den utraquistischen Sprachgebieten tschechisch, sondern auch im Prager Conscriptions- amte werden den deutschen Parteien die Bestätigungen ihrer An meldungen seit dem Herbste dieses Jahres ausschließlich in tschechischer Sprache trotz erhobenen Widerspruchs ausgefüllt. Desgleichen hat der Prager Magistrat neuerdings „im über tragenen Wirkungskreise", wo er die Pflichten einer k. k. Bezirks hauptmannschaft ausübt, das Tschechische als ausschließliche Amtssprache «ingeführt. So werden gegenwärtig vom Prager Magistrate die Anmeldungen von ehemaligen Militairprrsonen entgcgrngenommen, welche ein Recht auf die Erinnerungsmünze haben, die anläßlich des 60jährigen Regierungsjubiläums des Kaisers gestiftet worden ist. Dabei erhalten auch die Deutschen, die sich melden, nach erfolgter Hinterlegung ihrer militairischen Ausweise nur «ine ausschließlich tschechische Bestätigung und eine ausschließlich tschechische Verständigung, daß diese Be stätigung seiner Zeit zurückzugeben ist; desgleichen hat das utraquistische Budweiser Kreisgericht sämmtlichrr Beamten die Mittheilung über die neue Gehaltsregelung in ausschließlich tschechischer Sprache zugrstellt. Im Lande selbst geht der nationale Kleinkrieg weiter. Die tschechischen Provinzialblätter bringen regelmäßig ein Verzeichniß aller Schüler und Schülerinnen, welche die deutschen Schulen be suchen, und fügenüberall denNamen, den Beruf, den Wohnort, das Glaubensbekenntniß und die Nationalität des Vaters hinzu, dies Alles natürlich aus sehr durchsichtigen Gründen. In den tschechischen Blättern werden fortwährend für das deutsche Sprachgebiet „aufrichtige Tschechen, die Väter einer zahlreichen Familie sein müssen", gesucht. .Der Eingeweihte weiß natürlich, daß dadurch möglichst viel Schülermaterial für neu zu be gründende tschechische Schulen beschafft werden soll. Tschechische Dienstmädchen, Dienstknechte und Lehrlinge wandern in das deutsche Sprachgebiet ein. Ihnen folgen tschechische Gesellen, Handwerker, Lehrer und zum Schluss« kommt der tschechische Rechtsanwalt, der tschechische Arzt und bisweilen noch der tschechische Apotheker und dann ist die gewünschte Minorität im deutschen Sprachgebiete fertig, die nach und nach in finanziell günstige Verhältnisse sich hineinarbeitet, da Fleiß und Sparsam keit den Tschechen nicht abzusprechen sind. Im geschlossenen tschechischen Sprachgebiete sieht es aber augenblicklich für die Tschechen in wirthschaftlichcr Hinsicht gar nicht so günstig aus. In den tschechischen Vorschußcassen und Sparvereinen (den sogenannten Zaloznas), die zumeist die Haupt organe der tschechischen Parteiagitationen sind, kracht es ganz bedenklich und am tschechischen Parteihimmel zieht ein schweres Panamagewitter herauf. Die durchgebrannten Sparcaffen- rassirer haben ganz gewaltige Fehlbeträge hinter lassen, der Melniker jungtschechischr Zalosna - Cassirer sogar «inen solchen von 700 000 Gulden. Außer dem haben natürlich die flüchtigen Patrioten noch erhebliche Beträge auf die Reise mitgenommen. In der Prager Stadt verwaltung herrscht selbst nach tschechischen Blättern „kein System, keine Ordnung". Die ganze Wirtschaft ist nur ein« äußerst mangelhafte, die großen kommunalen Projekte werden falsch, viel zu kostspielig und ziel- und planlos durchgeführt. Innerhalb der letzten zwei Jahre sind die Schulden der Stadt gemeinde Prag um 21 Millionen Gulden gestiegen. Nur in Einem sind die Prager Stadtväter konsequent, in der Gegner schaft gegen alles Deutsche. In Prag selber ist der Geschäfts gang gegenwärtig nicht der beste. Der Fremdenverkehr ist schon seit Jahr und Tag auf ein Minimum zusammengeschmolzen und auch die tschechischen Glas-, Tuchfabriken u. s. w., die mit den Capitalien hiefier Banken arbeiten, können nicht hoch kommen, sondern „verkrachen" so häufig. Die Tschechen lernen übrigens immer mehr nach Art der galizischen Schlachzizen arbeiten, d. h. sich auf Kosten anderer Leute mästen. Jetzt soll nun auch das Land für die tschechisch« Architektenausstellung bluten, indem von den Tschechen Landesmittel für diese Ausstellung ver langt werden. Ob «s gelingen wird, ist freilich immer noch die Frage. Deutsches Reich. Q Berlin, 14. November. (Die Denkschrift des Gras-Regenten von Detmold.) Von Detmold aus ist die von dem „N. Wiener Tagebl." mitgetheilte Denkschrift de- Graf-Regenten Ernst nicht als erfunden bezeichnet wor den; sie muß also als echt gelten. Wer vor zehn Jahren eS sür möglich erklärt batte, daß auf der Grundlage, wie sie durch die Denkschrift gekennzeichnet wird, im neuen deutschen Reiche ein Eonstict entstehen könnte, der hätte die besten Chancen erworben, selbst von den Ossiciösen verhöhnt zu werden. Man weiß seit geraumer Zeit, daß leider das Unbegreifliche gethan ist. Da nun die Oeffentlichkeit — sicher nicht durch Lippe — zur Beaugen scheinigung des gesummten Sachverhaltes berufen wor den ist, so erwächst der gegen den Fortbestand des mit theuerem Blute erkauften Nationalstaats nicht gleichgiltigen Presse die Pflicht, ohne Menschenscheu ihre Meinung zu sagen. Und diese geht dahin: das Schreiben des Grasregenten enthält nicht-, wa- die telegraphische Antwort des Kaiser- erklären könnte, und diese letztere müßte Befremden selbst dann erregen, wenn der Adressat sich nicht so peinlich, wie er getban, innerhalb der Grenzen der Correctheit gehalten hätte. Es kann drittens nicht verschwiegen werden, daß die wegen der Ehrenbezeugung für die Kinder des Regenten erlassenen Anordnungen durch den Umstand, daß sie einen ein Jahr hindurch bestehenden, also wohl erträglichen Zustand be seitigten, sowie durch die sonstige „bittere Erfahrung" de- Grafen Ernst den Charakter einer nicht lediglich auS poli tischen Erwägungen hervorgegangenen Maßregel gewinnen. Di« Verwahrung gegen die Form des kaiserlichen Telegramms, das muß weiter ausgesprochen werden, ist ebenso berechtigt, ja notbwendig gewesen, wie die Darlegung, die bezweckt, das Interesse aller Bundesfürsten an der künftigen Vermeidung disciplinärer Correcturen durch da- Reichöoberhaupl wach zurufen. Zweifellos ist das Telegramm in dem Glauben an eine Berechtigung erlassen worden, die nicht existirt und die, wenn gefordert, in der That das verfassungsmäßige Verhällniß der Bundesfürsten zum Reiche in seinen Grundlagen verändern würde. Der Ausfassung der Denkschrift über den Inhalt des Telegramms muß gleichfalls insoweit beigetreten werden, als die Rechte der BundeSfürsten auch in militairischer Hinsicht nur durch die Reichsverfassung und die Verträge begrenzt werden. Ob die Anordnungen wegen der Ehrenbezeugung die dergestalt für Lippe-Detmold gezogene Grenze überschreitet, ist zweifelhaft. Aber auch, wenn diese Frage verneint werden muß, ist, wie schon bekannt, der Befehl, über den sich der Regent beschwert, nicht als ein im militairischen Interesse gegebener anzusehen. Er kann unmöglich bezweckt haben, die Schlagfertigkeit des Lippischen Continaents zu er höhen, vielmehr ist eS nicht unberechtigt, Zweifel zu äußern, ob er nicht die Disciplin zu erschüttern geeignet sei. In Summa: Das Recht in diesem tief betrübenden Streit ist nicht auf Seiten de« Kaiser-. * Berlin, 14. November. (Ueber die etwaige Rege lung unseres handelspolitischen Verhältnisse« zu den Vereinigten Staaten) sollen, wie dem „Hamb. Corr." gemeldet wird, zur Zeit Verhandlungen zwischen den betheiligten Refforts der Reichsregierung schweben. Hervor gerufen sind dieselben durch das französisch-amerika nische Gegenseitigkeitsabkommen vom Mai d. I. Die Reichsregierung hält, wie eS scheint, an der Auf fassung fest, daß die von Seiten der nordamerikanischen Union Frankreich eingeräumten Zollbegünstigungen, die bekanntlich in einer zwanzigprocentigen Zollermäßigung für Spirituosen, nicht mousstrende Weine, Wermuth, rohen Weinstein, robe Weinhefe, Gemälde, Zeich nungen und Bildhauerarbeiten bestehen, auf Grund der Meist begünstigung auch Deutschland zu Theil werden müßten. Daß die Unionsregierung diese Auffassung nicht theilt, beweist die Thatsache, daß deutschen Waaren der Mit genuß jener Zollermäßigungen verweigert wird. Ueberdies sind die Gegenleistungen, zu denen sich Frankreich den Ver- einigten Staaten gegenüber verstanden hat, im Vergleich zu den weitgehenden Amerika gewährten Begünstigungen unseres CouventionaltarifeS so geringfügig, daß die Reichsregierung Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten ebenfalls nur auf der Grundlage dieses CouventionaltarifeS zu führen gewillt scheint. * Berlin, 14. November. (Die Streikklausel im Submissionswesen.) Vor wenigen Wochen wurde aus Baden gemeldet, das großherzogliche Ministerium habe an geordnet, daß unter Vorbehalt der Prüfung de- Einzelfalles das Ausbrechen eines Streikes generell al« koros mszeuro gelten solle, die den Uebernchmer von der Einhaltung der Frist zur Fertigstellung öffentlicher, im Verdingungsversabren ihm übertragener Lieferungen oder Arbeiten entbindet. Der Berliner Magistrat ist natürlich mehr als eine Pferde länge hinter Baden zurück. Dessen Baudeputation verhandelte vor einigen Tagen, wie die „D. V. K." berichtet, über einen Antrag des „Arbeitgeberbundes für das Maurer- und Zimmerergewerbe", welcher die Aufnahme der sogenannten „Streikklausel" in die mit der Stadtgemeinde Berlin abzu schließenden Bauverträge verlangt. Wie stark der Druck ist, welchen die Socialdemokratie durch Herrn Singer und Ge nossen auf die Stadtverwaltung Berlin- auSübt, ergiebt sich daraus, daß die Baudeputalion des Magistrats zögerte, diesem doch eigentlich selbstverständlichen Verlangen der Arbeitgeber zu entsprechen, vielmehr nach sehr langer Debatte beschloß, die Angelegenheit erst noch einer besonderen Deputation zur Vorberathung zu überweisen. Damit wurde den Social demokraten Zeit gelassen, eine Gegenagitation zu veranstalten. Herr Singer wird sich dann aus den „schlechten Eindruck" berufen können, den ein dem Antrag entsprechender Beschluß beim „Volke" machen müsse. * Berlin, 14. November. (Schulkinder fremder Nationalität inPreußen.) Preußen birgt bekanntlich innerhalb seiner Bevölkerung Angehörige fremder Nationalitäten in teilweise erheblicher Anzahl: Polen, Kassuben, Litauer, Wenden, Dänen, Friesen und Wallonen. Die letzten Schul- statistiken haben über die Vcrtheilung der einzelnen Natio nalitäten Klarheit geschaffen. Es sind 4 788 969 Schulkinder — 86,82 v. H. vorhanden, die nur deutsch reden, 647 722 Kinder — 11,76 v. H., die nur polnisch oder polnisch und deutsch, 92 Kinder, die kafsubisch, 20 162 Kinder — 0,37 v. H., die litauisch Fettilleton. Äetherion. Das neue Gas der Atmosphäre und des Weltenraumes. Von Rudolf Curtius. Es gehört zur Signatur "des seinem Ende zueilenden Jahr hunderts, daß alle Zweige des menschlichen Wissens in einer rapiden Fortentwickelung begriffen sind, wie sie gleich reißend schnell zu keiner anderen Zeit stattgefunden hat. In erster Linie gilt dies von den Naturwissenschaften, deren Studium einstmals ihren Jüngern Bannstrahl und Scheiterhaufen eintrug, während sie heute die Träger der Fahne de- Fortschrittes geworden sind. Ein treffliches Beispiel für die Richtigkeit dieser Behauptung sind unsere Kenntnisse über die Zusammensetzung der Atmosphäre, der uns so äußerst nothwewdigen Lebenslust. Wer vor drei Jahren die Schule verließ, erhielt von der Wissenschaft auf die Frage nach den Bestandtheilen der Atmo sphäre die altbekannte Antwort, daß sich dieselbe aus 21 Raum- theilen Sauerstoff und 79 Raumtheilen Stickstoff zusammen setze; und wer etwa» tiefer eindrang, erfuhr, daß außerdem noch darin Kohlensäure im Verhältniß von ein Dreitausendstel, dann Wasierdampf, sowie Spuren von Ozon, Ammoniak, Schwefel säure, Chlor, Sumpfga» u. f. w. vorhanden seien. Seit dieser kurzen Zeit ist aber auf diesem Gebiet Entdeckung auf Ent deckung gefolgt, und nicht weniger als sechs neue Stoffe, ver- muthlich durchweg» gemischte Element«, sind uns dabei bekannt geworden, welche sich ständig in unserer anscheinend so einfach zusammengesetzten Atmosphäre befinden. Schon Cavendish bemerkte bei seinen Luftanalhsen, daß nach Absorption des Sauerstoffes und Stickstoffe» ein Rückstand blieb, über dessen Beschaffenheit man nicht» wußte, und 120 Jahre lang blieb diese Thatsache unbeachtet, bi» Lord Raleigh und Professor Ramsay im Jahr« 1896 erkannten, daß der Haupt- bestandtheil diese» Rückstandes ein neue» gasförmige» Element sei, welche» seitdem unter dem Namen Argon bekannt geworden ist. Wenn die Technik in der kurzen Zeit, welch« seit dieser Entdeckung verstrichen ist, au» ders«lben auch noch keine wichtigere praktische Verwendung für diese- überau» träge Element ge funden hat, so war doch damit der Weg für weitere Forschungen eröffnet, welche in schneller Aufeinanderfolge zur Entdeckung de» Krypton, Neon, Metargon, Coronium und Aetherion führten. Die Mehrzahl dieser Stoffe, welche noch einer genaueren Untersuchung bedürfen, sind zur Zeit für den Nichtsachmann nicht viel mehr al» Name und Schall, denn dir sinnliche Vorstellung fehlt. Das zuletzt genannte Aetherion aber, das erst vor wenigen Wochen aufgefunden wurde, ist so überaus merkwürdig und von allen unseren bisherigen Vorstellungen über Kraft und Stoff so abweichend, daß man von dem näheren Studium des selben mit Sicherheit eine Umwälzung in unseren physikalischen Anschauungen erwarten kann. Der Entdecker desselben, der amerikanische Professor Brush, wurde durch einen Zufall auf das neue Gas geführt, als er Unter suchungen über die Wärmeleitungsfähigkeit verschiedener Gase unter wechselndem Druck anstellte. Die Beschreibung des dazu nöthigen Apparates würde zu weit führen und in Ermangelung tieferer physikalischer Kenntnisse auch unverständlich bleiben; es genügt daher, zu erwähnen, daß der wichtigste Theil desselben eine Glasröhre ist, die innen ein Thermometer enthält und die nahezu absolut luftleer gepumpt werden kann. Wenn man be denkt, daß bei den höchsten Bergbesteigungen und Ballonfahrten, welche jemals unternommen worden sind, der atmosphärisch« Luftdruck sich auf höchsten» di« Hälfte bis «in Drittel de» am Erdboden herrschenden Drucke» erniedrigte, wird man immer «rst eine schwache Vorstellung von der feinen Vertheilung der Gase in diesem Apparate erhalten, durch welchen e» ermöglicht wird, den Gasdruck im Inneren der Röhre auf ein Drei-Milliontel des außen herrschenden Drucke» herabzusetzen, d. h. mit anderen Worten von drei Millionen im Glasröhre befindlichen GlaS- theilchen zwei Millionen neunhundertneunundneunzigtausend neunhundertneunundneunzig durch Auspumpen zu entfernen, so daß nur ein derartige» Theilchen in derselben verbleibt und sich dementsprechend auSdehnt. Als Brush, um die Gründe eines irregulären Arbeiten» seines Apparate» zu prüfen, ein besonders feine» und reine» bleifreies Glaspulver in die Röhre brachte und erhitzte, ent wickelte sich bei sehr niedrigem Drucke au» dem Glaspulver rin Ga», welche» die Wärme außerordentlich viel schneller leitet al» jede bisher bekannte Gasart. Obgleich Brush mehrere Lage hintereinander da» Glaspulver «rhitzte und die Luft sammt dem unbekannten Gase au» der Röhre auSpumpte, gab da» Glaipulver immer wieder neu« Mengen diese» Gase» ab, von welchem daher angenommen werden mußte, daß e» in inniger Verbindung mit und zwischen den Molekülen de» Glaspulver» vorhanden sei. Al» sich dann die GaSentwickelung endlich erschöpft«, genügte «», da» Glaspulver einige Zeit der gewöhnlichen Luft auszusetzen, um im Apparate wiederum große Mengen de» Gase» zu entwickeln; «» blieb also nur die Annahme übrig, daß da» Ga» in der Erd- atmosphäre enthalten und nunmehr wiederum vom Glaspulver aufgesogen worden sei. Alle anderen Stoffe, welche man im Apparate in gleicher Weise untersuchte, gaben da» gleiche eigenthümliche Ga»; ein Stückchen Holzkohle enthielt dasselbe in ungeheuren Mengen, ebenso ferner weißer Kiesrlsand, welchen man nach landläufigen Begriffen wohl al» frei von fremden Beimengungen anzusehen geneigt Ist. Endlich erhielt Brush den wunderbaren Stoff auch ohne Zuhilfenahme seines Apparates direct aus der Luft, indem er diese durch eine unglasirte Porzrllanplatt« hindurchpreßte, deren Poren durch eine besondere- Behandlung nahezu gänzlich verschlossen waren. Absolut rein vermochte er es freilich auch auf diesem Wege nicht darzustellen, aber doch so weit rein, daß es nur höchstens 3 Procent fremde Beimengungen enthielt. Dies genügte aber, um die Eigenschaften desselben mit Sicherheit festzustcllen. Dieser phänomenale Stoff besitzt nur ein Zehniausendstel der Dichtigkeit des leichtesten bisher bekannten Gases, des Wasser stoffes, und ist, da dieser wieder vierzehnmal leichter als Lust ist, also 140 000 Mal leichter als unsere Luft, und im Vergleich zum Wasser rund 100 Millionen Mal leichter als Letztere». Da» sind aber Eigenschaften, die unsere seitherigen Anschauungen von der Feinheit der Materie einfach über den Haufen werfen und bisher unerklärliche Räthsel de» Weltalls wie mit Zauberkaft lösen. Nach den Gesetzen der kinetischen Gastheorie, welche lehrt, daß die Moleküle eines jeden Gase» in fortwährender Bewegung sind und uns auch Mittel giebt, diese ganz kolossalen Geschwin digkeiten zu messen, bewegen sich die Moleküle des neuentdeckten Gases bei der zu Vergleichen gewöhnlich benützten Temperatur des schmelzenden Eisens mindestens hundert Mal schneller als diejenigen des Wasserstoffes, nämlich mit einer Geschwindigkeit von 168 Kilometer in der Sekunde. Daß nun dieses Ga», welches so viele tausend Male leichter ist als olle anderen be kannten Gase und auch einen dementsprechend starken Auftrieb in -dem schweren Gasgemeng« des uns umgebenden Luftmeeres hat, trotz alledem sich noch nicht verflüchtigt hat, spricht mit zwingender Nothwendigkeit dafür, daß das neue Gas in einem viele hundert Mal weiteren Radius unserer Erde als Hülle um- giebt, al» er gewöhnlich für die Höhe unserer Atmosphäre aus praktischen Gründen angenommen wird und daß e» überhaupt auch dort noch in feinster Verdünnung vorhanden ist, wo die An ziehungskräfte zwischen den einzelnen Himmelskörpern sich das Gleichgewicht halten. In diesem Umstande aber liegt die ungeheure Bedeutung der Entdeckung für di« naturalistische Weltanschauung. Denn sie giebt uns den Schlüssel zu dem größten Räthsel, vor welchem die moderne Naturwissenschaft bisher hilflos dagcstanden hat, nämlich der Fernwirkung von Kräften über den leeren Raum hin. Wärme, Schallwellen, Licht und Elektricität sind nicht selbst ständige Dinge, welche für sich allein bestehen, sondern sind wie jede Kraft an den Stoff gebunden, von dem sie ausgehen und um in die Ferne zu wirken, bedürfen sie wiederum als Leiter der Materie, über welche sie in eigenthümlichen Wellenbewegungen der Atome hingleiten. Der menschliche Geist, der nicht durch Annahme eines Wunder» von vornherein auf jede mechanische Er klärung der Naturerscheinungen verzichtet, vermag sich in keiner Weise vorzustellen, wie die obengenannten Kräfte einen absolut leeren Raum zu überspringen vermögen, den man sich früher zwischen den einzelnen Himmelskörpern dachte. Man hat daher die Existenz eines überall den Raum erfüllenden Weltäthers angenommen, welcher di« Wellenbewegungen übermittelt. Dieser > Weltäther sollte nicht nur zwischen den Himmelskörpern vor handen sein, sondern auch die Lücken zwischen den einzelnen Atomen jeder Materie erfüllen. Man schrieb ihm also sehr reale Eigenschaften zu. Der Umstand, »daß die Umlaufszeiten der Erde um die Sonne sich, so weit unsere Messungen zurückreichen, auch nicht um den Bruchtherl einer Sekunde verkürzt haben, was der Fall sein müßte, wenn der Weltenraum von einem irgendwie gröberen Gase erfüllt wäre, führte aber andererseits zu der Annahme, daß dieser Weltäther unendlich fein, ja eigentlich überhaupt gewichtlos (imponderabel) und ohne Zusammenhang der Atome unter einander sein müsse. Das sind aber Eigenschaften, welche in logischem Widerspruch« stehen, und die Wissenschaft strebte dahin, diesen unmöglichen Weltäther durch einen anderen, wäg- und meßbaren Stoff zu ersetzen. Die Entdeckung des „Aetherion", wie man unser neues Gas nennt, scheint diese Lücke der Wissen schaft auszufüllen. Tausende von Meilen Uber der Erdfläche umgiebt auch noch eine gasige Hülle den Erdball, nur mit der Modifikation, daß die dortige Luft bereits viele Tausend Mal dünner sein muß als am Erdboden. In gleichem Maße ver dünnt sich unter abnehmendem Drucke auch das ohnehin schon so leichte Aetherion, da» in diesen Entfernungen Hunderte Millionen Mal dichter sein muß als unsere Erdenluft, und wenn es die endlosen HimmelSräume in dieser Verdünnung erfüllt, in der That den Bedingungen genügt, der Bewegung der Gestirne keinen meßbaren Widerstand entgegenzusetzen und doch stofflich genug zu sein, um die Wellenbewegungen der Naturkräfte zu über mitteln. Auch für die Erkenntniß vom Wesen der Schwerkraft, welch« zur Zeit sie räthselhafteste Naturkraft ist, weil wir von ihr nichts weiter wissen, als daß sie existirt, wird die Entdeckung des Aetherion von großer Bedeutung werden. Nicht zum Wenigsten aber wird die moderne Chemie durch die neue Erkenntniß befruchtet werden. Daran, -aß die als Elemente bezeichneten Körper wirklich Grundstoffe seien, welche sich in keiner Weise mehr in weitere einfachere Bestandtheile zerlegen lassen, glaubt heute ernsthaft überhaupt kein Chemiker mehr. Daß sich die Natur den Luxu» erlaubt haben sollt« — so weit unsere Kenntnisse reichen — mindestens 80 Grundstoffe zu schaffen, widerspricht dem vernünftigen Denken und wahrscheinlich siwo sämmtliche Elemente entweder Verdichtungen eines einzigen oder verschiedenartige Verbindungen einiger weniger Urstoffc. Bis her hat man alle derartigen Hypothesen auf dem Wasserstoff als dem leichtesten der bekannten Gase ausgebaut. Mit dieser wich tigen Rolle de» Wasserstoffes ist es auf* minier vorbei und es läßt sich mit Sicherheit erwarten, daß di« Chemie in neue Bahnen einlenken wird, je mehr das wundersame Aetherion, von dem uns natürlich das Wenigste bekannt ist, in seinen Eigenschaften er kannt werden wird.
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