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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.11.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-11-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981117018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898111701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898111701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-11
- Tag1898-11-17
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Wie Morgen-AuSgab« erscheint um '/,? Uhr. dir Abeod-Ausgabe Wochentags um b Uhr. Filialen: Ltt« Klemms Cortim. (Alfred Hahn), Univcrsitätssiraße 3 (Pauling), Louis Lösche, »atharinenstr. 14, Part, und Üü iigSpIatz 7. Nrdaction und Ervediliou: IohanntSuasse 8. Dir Expedition ist Wochentags ununterbrochen -rösfuet von früh 8 bis Abend- 7 Uhr. BezttgS-Prei^ der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich^ 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau- 5H0. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich >^i L.—. Direkte tägliche ttrcuzbandiendun- In- Ausland: monatlich 7.50. Morgen-Ausgabe. KiWgtr TagMM Anzeiger. Amtsvkatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig» des Rathes und Nolizei-Ämtes der Stadt Leipzig. Nnreigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg. Neclamen unter dem NrdactionSstrich (-ge spalten) 50^, vor den Familtennachrichtei (6gespalten) 40/^. Vröstere Schriften laut unserem PreiS- ve-^eichniß. Tabellarischer und Zisfernsatz nach höherem Tarif. Sxtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung ^l 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen.Ausgabe: Nachmittags 4 Ulst. Bei den Filialen und Annabmestellen je eia« halbe Stunde früher. Luzeigcn sind stets an Ls« Expeditios zu richten. Druck und Verlag von E. Polz tu Leipzig 582. Donnerstag den 17. November 1898. 92. Jahrgang. Welt- und LebcnsanschlUinngen einiger berühmter Männer. Von Dr. Bruno Stübel. Nachdruck vcrbolk». Wenn Goethe in Wilhelm Meiskr's Lehrjahren bei Ge legenheit einer Theatervorstellung das Publicum in rohe, ge bildete und ganz ausgebildete Menschen eintheilt, d. h. in solche, dir zufrieden sind, wenn sie im Theater nur etwas vorgehen sehen, in solche, die empfinden wollen, und in solche, denen das Nachdenken angenehm ist, so können wir diese Eintheilung in ähnlicher Weise auf die Menschen übertragen, insofern sie sich eine Welt- und Lebensanschauung bilden. Der rohe, gewöhnliche Mensch, denn der fogrannte gebildete Mensch bemißt diese im Allgemeinen nach der Stellung, die er im Leben einnimmt, oder nach der äußeren Lage in «der er sich befindet. Je nachdem seine Lage beschaffen ist bezw. sich gestaltet, ist er Optimist oder Pessimist. Er ist mit der Welt zufrieden, er hat an der Welt ordnung nichts auszusetzen, wenn es ihm nach seinen Wünschen gut geht, und er ist es nicht, er hadert mit der Weltordnung, wenn das Gegentheil der Fall ist. Ein behagliches Wohl befinden ist das höchste Ziel, nach dem er strebt. Von einem höheren Standpunct aus Welt und Leben zu betrachten, sich ein klares und selbstständiges Urtheil darüber zu bilden, liegt ihm meist fern. Er beneidet den, der sein Leben genießen kann, er gehört gewissermaßen zu jenem gewöhnlichen Thcaterpublicum, das nur unterhalten sein, nur etwas vorgehen sehen und em pfinden will. Anders der denkende oder der im Goethe'schen Sinne ganz ausgebildete Mensch. Allerdings ist auch seine Welt- und Lebens anschauung in gewisser Beziehung abhängig von seiner äußeren Lage, abhängig von seiner jeweiligen Geistes- und Gemüths- stimmung. Aber indem er den Drang in sich fühlt, über die ewigen Gesetze der Weltregierung und des Lebens nachzudenken und den Zweck des menschlichen Daseins zu ergründen und zu erforschen bestrebt ist, gewinnt er doch allmählich ein eigenartiges Bild, und erhebt sich über die Anschauungsweise gewöhnlicher Menschen. Die Erforschung der Welt- und Lebensanschauungen außer ordentlicher Persönlichkeiten übt nun unstreitig einen großen Reiz auf den menschlichen Geist aus, wobei wir bekanntlich nicht selten die Erfahrung machen können, daß gerade Menschen in hervorragender Lebensstellung mit reifster Geistesbildung die Nichtigkeit und Unvollkommenheit des menschlichen Daseins stark betonen. Ein Beispiel eines hochgradig düsteren Pessimis mus liefert uns da die Anschauung eines der gewaltigsten Päpste des Mittelalters, des Papstes Jnnocenz III., der von 1198 bis 1216 auf «dem Stuhle Petri saß. Als junger Cardinaldiakon verfaßte Lothar Graf von Segni, so lautet Jnnocenz' Familiennamen, eine Schrift, natürlich in lateinischer Sprache, die er ,.De coutcutu muucki sivc üs -mworiu lluuuuius cvuüitiouis", „lieber die Verachtung der Welt oder über das Elend des mensch lichen Seins", nannte, und welche im Wesentlichen auf einer Zusammenstellung von Bibelcitaten beruht. Da heißt es unter Anderem: „Elend ist des Menschen Loos. Aus Erde gebildet, in Schuld empfangen, zur Strafe geboren, begeht er Böses, was er nicht sollte. Schändliches, was sich nicht ziemt, Eitles, was nicht frommt, und wird dann eine Speise der Würmer, ein Raub der Verwesung. Vögel und Fische sind aus edlerem Stoffe ge bildet, als der Mensch, der vor dem Thier« nichts zum Voraus hat. — Als Mißgestalten, mit Gebrechen werden Manche, ohne Kenntniß, ohne Sprache, ohne Tugend — jämmerlich schwach, unbehilflich, unvollkommen, hilfloser als die Thirre — Alle ge boren. O wie glücklich Diejenigen, welche sterben, bevor sie leben. — Das Leben ist ein Kriegsdienst; ringsum Feinde, Ge fahren. Wo ist Einer, der auch nur einen einzigen Tag in reiner Freude durchlebt hätte, ohne Gewisscnsschuld, ohne Aufwallung des Zornes, ohne Regungen der Begierden? Wie schnell oft folgt nickst Leid auf Lust, Trauer auf Freud«? Unablässig droht der Tod; Träume schrecken, Gesichte verwirren; wir zittern für Freunde, für Verwandte; ehe wir uns dessen ver sehen, schleicht Mißgeschick herbei, stürmt Unglück ein, befallt uns Krankheit, durchschneidet der Tod den Lebensfaden." Ebenso sind seine Predigten von Schmerz über das traurige Loos des Menschengeschlechtes erfüllt. „Wie das Meer bitter und wogig ist, so herrscht Bitterkeit und Wogendrang durchs zeitliche Dasein. Nirgends Friede und Sicherheit; nirgends Rast noch Ruhe, überall Bangen und Beben, Mühsal und Schmerz mischt sich ins Lachen, Trauer in die Blüthen der Freude. — So kurz das Leben, so ist es doch voll Elends, und wo finden wir Trost dagegen? Es martert sich ab in Arbeit, es ängstigt sich in Furcht; es quält sich in Leiden. Dieses Elend ist lang, denn es dauert bis ans Ende, es ist anhaltend, denn nicht ein Tag ist dessen frei. — Was denken, beginnen, thun wir Elende den ganzen Tag? Wir weben Spinnwebe, wir zerfleischen uns selbst, zehren unsere Tage auf, bringen unsere Zeit hin mit eitlen Trachten, in Weltfreuden, in «den Eitelkeiten des Ver gänglichen. — Die ganze Welt zerfließt beinahe in Lastern und Sünden. — Das Leben Les Menschen ist ein« stete Versuchung; tausend Feinde stellen überall ihm nach, um ihn zu sahen, ver folgen ihn auf allen Wegen, um ihn zu erlegen." — So dachte oer Mann, der «dann als Stellvertreter Gottes und Christi auf Erden die Welt regierte, in dem die Idee des Papst- thums und deren Ausführung zur höchsten Vollendung gedieh. Wenn nun allerdings seine Anschauungen einigermaßen beein flußt sind durch die von mönchischer Askese durchtränkte Welt anschauung des Mittelalters, wie sie die Kirche vertrat, so hat doch auch die neuere Zeit Männer auf dem Throne gesehen, die nicht minder durch ihre Thaten die Bewunderung der Welt erregten, und die trotzdem nicht minder hart über das Loos des Menschen und über die Nichtigkeit des Lebens dachten wie Jnnocenz III., so z. B. Friedrichden Großen. Die Eindrücke der harten Schule, in welcher der große König aufgewachsen war, machten sich während seines ganzen, an ge waltigen Kämpfen mit dem Schicksale so reichen Lebens geltend, und je älter er wurde, desto düsterer gestalteten sich seine An schauungen. In einem Briefe an d'Alembert vom Jahre 1782 schreibt Friedrich unter Anderem: „Alles gab uns zu erkennen, wie wenig wir sind, und in tvelche Unendlichkeit wir uns ver senken werden. Und in einer solckM Lage haben wir noch die Frechheit, uns anfzublähen, uns fast der Gottheit beizugesellen, von Würden, Hoheit, Majestät und anderen solchen Thorheiten zu reden, die Jeden anekrln müssen, welcher die Natur des Menschen, seine Eitelkeit, sein Nichts erkennt." Noch schärfer drückt er sich in folgenden Worten aus: „Wenn man die Welt kennen gelernt hat, kann man sich ruhig anschicken, sie zu verlassen, man verliert wenig dabei. Jugend und Un erfahrenheit mag sich an das Leben halten, aber Wahrheit und Erfahrung enttäuscht gar bald. An Stelle des vermeintlichen Glückes sieht man das Nichts der menschlichen Eitelkeit. Unser Dasein ist weniger als ein Zwinkern unserer Augen, zu gering, um bemerkt zu werden. Wer sollte glauben, daß ein erbärmliches Wesen, in dem elendsten Zustande vegetirend, in seinem Stolze sich den Göttern gleichstellt?" Und ein Jahr vor stimm Tode, also 1785, fällt er in einem Briest an seine Schwester, der Herzogin Charlotte von Braun schweig, mit kurzen Worten dasselbe Urtheil über das menschliche Leben, wie es Jnnocenz III. ausführlich in Schrift und Predigt gefällt hat, nämlich, daß wir beständig zwischen vielem Kummer und wenigen Augenblicken der Zufriedenheit schwanken, daß die Todten den Dorther! haben, im Schutze zu sein vor allen Schlägen des Geschickes, und daß Vir, dir wir im Leben bleiben, unaufhörlich solchen ausgesetzt sind. Von ganz besonderem Interesse wird es nun aber immer sein, die Anschauungen über Welt und Leben, wie sie große Dichter und Schriftsteller äußern, zu verfolgen, zu sehen, wie auch bei diesen so oft die Klage und der Schmerz über di« Nichtigkeit und Vergänglichkeit alles Irdischen zum Ausdrucke kommt. Natürlich muß bei den Dichtern die jeweilige Situation der Persönlichkeit, der sie ihre Ansichten in den Mund legen, in Betracht gezogen werden, wenn man die Gegensätze in den Anschauungen richtig verstehen will. Unter den Dichtern 'ms klassischen Alterthums wollen wir hier nur Sophokles als Beispiel anführen. Sophokles hält den Menschen für den glücklichsten, dem ein kurzes Leben beschirden ist, der vor Allem vor den Gebrechen, den Leiden des Alters ver schont bleibt. Wer das längere Lebenstheil Wünscht, nicht achtend des kürzeren, Der bleibt thörichtem Unverstand Ewig ergeben nach meinem Urtheil.* Denn viel herbe Bekümmernih Führt langdauerndes Alter Dir Herbei, doch eS gewahrt der Blick Nirgend lautere Freude mehr, Wenn Einer längeres Leben sich Allzusehr wünscht, ohne Genügen, Bis sich am Ziele, Ohne Brautlied, ohne Reigen, Ohne Lauten, Tod vom Hades, Allen gemeinsam einstellt. Am besten ist es, gar nicht geboren zu sein. Nie geboren zu sein, ist der Wünsche größter; und wenn Tu lebst, Ist das Andere, schnell dahin Wieder zn gehen, woher Du kamst. Tenn so lange die Jugend blüht, Leichten, thörichten Sinnes voll, Wer lebt ohne Bekümmerniß? Wo blieb eine Beschwert»' ihm fern? Mord, Hader, Aufruhr, Kriegeskampf, Neid und Haß: am Lüstern Ende Naht sich verachtet, Oede, kraftlos, aller Freunde Leer, das Alter, dem sich jedes Wehe des Wehs gesellt hat. Glücklich sind nur Li« Götter, Lenen ni« das Alter nah', niemals «der Tod: Doch alles Andere stürzt die Allgewalt der Zeit; Die Kraft der Erde welkt, es welkt des Leibes Kraft; Hin stirbt die Treue, Treuebruch sproßt hoch empor, *) Nämlich nach dem des ChorS in Oedipus auf Kolonos. Fsurlleton. Plaudereien über deutsche Thiernamen. Von Karl von Stein. Nachdruck verboten. I. „Nur nicht langweilig!" sagte der Redactionschef, als ich ihm mittheilte, daß ich sprachliche Plaudereien für sein Blatt zu schrei ben beabsichtige. Ich ersuchte ihn, sich deutlicher auszusprechen, da ich mich stets bemüht habe, mit dem Nützlichen Angenehmes zu verbinden. Alsdann bat er mich, lexikographische Gleichförmigkeit und fachwissenschaftliches Stelzengehen zu vermeiden. Mit dem Ausruf „topp!" meinerseits gingen wir auseinander. „Topp"? — ja topp! Topp ist aus dem Altnordischen ins Spanische und von da ins Französische (toper) gedrungen und Spieler haben es in Deutsch land eingeführt. Auf den Anruf des Bankhalters „mässe" (von masscr, „sagen, um welchen Beitrag man spielen will"), z. B. mässe äix Irnnes, erwidern die Spieler durch „tope!" daß sie den Einsatz halten wollen. Der Begriff von toper wurde später verallgemeinert und jetzt ist topp im Deutschen ein Empfin dungslaut der Einwilligung oder Zustimmung. — Der Wunsch der Redaction ist für mich bei Abfassung nach stehender Plaudereien maßgebend gewesen. Dies möge die Schärfe Derer mildern, die an dem Mangel planmäßiger Glie derung Anstoß nehmen sollten. — Also: Hund und Katze sind die ersten Thiereindrücke, die der deutsche junge Erdenbürger, nachdem er das Licht der Welt erblickt hat, empfängt. Die Katze sucht man freilich aus dem Zimmer, wo die Wiege steht, fern zu halten; da sie sich aber unverdrossen immer wieder dort einfindet, so duldet man sie den Tag über; Nachts ist der Hausboden ihr Jagdbezirk. — Das Wort Hund umfaßt beide Geschlechter; es bezeichnet das männliche und weibliche Thier, und nur bei besonderer Hervor hebung bedient man sich der Ausdrücke „Hündin" oder „Petze, Betze, Bätze". Ob letzterer mit dem gleichbedeutenden englischen ditell und dem französischen biede, einer Abkürzung von lmbiesse, „krauszottiges Hündchen, Las gern schwimmt", zu- sammenhängt, steht dahin. Die niederdeutschen Bezeichnungen Teve, Tiffe, in Hessen Ziwwe, im Fuldaer Land Zopp, im Osnabrücki- schen Tiene, im Hannöverschen Tache haben einen Beigeschmack Les Verächtlichen und werden in diesem Sinn« vielfach auf Men schen (Frauenzimmer) übertragen. Die Jndogermanen kannten schon in ihrer Urheimath den Hund (als vom Wolf verschieden). DaS gemeingermanische Wort Imncker (gothisch Kuricks, eng lisch lronnsi, „Jagdhund", niederländisch llonck) stimmt zu dem in dogermanischen knn, dessen K->Laut sich noch im Griechischen, Altlateinischen und Romanischen (italienisch osrrs, französisch cdien) findet. Die Grundbedeutung der Wurzel ist wahrschein lich: fruchtbar sein. „Nach dem Talmud jammerte es den Schutzengel Adam's, daß von der Erde, aus welcher der Stammvater der Menschen ge bildet war, noch hier und La Ueberreste Herumlagen, und er bat Gott, solche zu minder edlen Gebilden verwenden zu dürfen. DieS ward ihm gestattet. Er nahm den Thon und bildete zuerst den Affen. Der aber konnte nicht warten, bi» der Schwanz fer tig war, und entschlüpfte auf einen Baum. Nun machte der Engel den Hund und gab ihm den bereits fertigen Affenschwanz, der von feinerer Erde war. Daher liegt des Hundes physiqgno- mischer Ausdruck weniger im Gesicht als im Schwänze. Dieser hängt nieder in Traurigkeit, ringelt sich beim Gefühl der Kraft, steht straff und steif in der Entrüstung und wedelt bei Freude, Liebe und Schmeicheleien." — Zusammensetzungen mit Hund bezeichnen die einzelnen Rassen entweder nach ihrer Aehnlichkeit mit anderen Thieren in Kopf bildung oder Fell, z. B. Wolfshund, Tigerhund rc., oder häufiger nach ihrer Verwendung: Schäferhund, Hirtenhund, Schlachter hund, Hühnerhund, Kettenhund rc. Nach den neuesten For schungen stammen unsere Hunde weder vom eigentlichen Wolf, noch vom Fuchs ab, sondern mittelbar vom kleinen Schakal, und die älteste gezähmte Form ist der Torfhund, der Ahnherr aller Pinscher (vom französischen pineer, „abkneifen, stutzen"), Ratten fänger, Wachtel- und Dachshunde (Dächsel, daraus verderbt: Teckl). Dem Torfhund am nächsten steht der Spitz (zum Haupt wort erhobenes Eigenschaftswort: „spitz"). Alle größeren Jagdhunde und die Pudel stammen vom Bronzehund ab. Der Pudelhund, verkürzt: Pudel oder Wasserhund, hat seinen Namen von seiner Vorliebe für das Wasser und steckt in dem Wort Pudel der Grundbegriff, „durch Wasser oder Schmutz in einen unordentlichen Zustand gerathen zu sein". Wie kommt es, daß Hund, dessen vorzügliche Eigenschaften, wie bei keinem anderen Thier, von Alters her anerkannt und laut gepriesen worden sind, stets als ein unter Kraftmenschen beliebtes Schimpfwort sich findet? Diese Thatsache muß ich auf einen allgemein empfundenen Beweggrund stützen, der in der Eigenthümlichkeit (in dem „Hündischen") des Hundes wahr- sch«inlich liegt. Diese besteht aber in seiner Kriecherei, in seinem der Manneswürde schnurstracks widerstreitenden Sclavensinn. In dem französischen Wort canaille, unserem Hundepack, steckt der lateinische osnis, Hund, und wo für Hund in der Volks sprache Rüde — „ein Hatzhund, der besonders auf Sauen gehetzt wird^ daher man am häufigsten von Saurüden spricht" — in allgemeinerem Gebrauche noch lebt, ist „Rüde" natürlich auch ein Scheltwort. Auch der in Bezug auf Treue und Wachsamkeit aus der Art geschlagene Windhund dient als Bezeichnung eines unzuverlässigen, leichtfertigen Menschen. Das Wort „Windhund" ist übrigens eigentlich ein überladener Ausdruck. Im Mittel hochdeutsch:» und Althochdeutschen bedeutete ein und dasselbe Wort „vmt" die Luftströmung (ventus) und Las Windspiel, den Windhund. Auch Luther gebraucht noch das einfache Wind in den Sprüchen Salomo's 30, 31: „Ein Wind von guten Lenden" statt der Zusammensetzung „Windhund", in der „Hund" nur zur Verdeutlichung des ersten Wortes steht, welches bereits etwas ungebräuchlich geworden („außer Curs gekommen") war. Aehn- lic^s findet sich bei Maulesel, insofern mlll im Mittelhoch deutschen schon allein das Maulthier bezeichnete. Unter dem alten, deutschen, schon frühe in die romanischen Sprachen übergegangenen Wort „Bracke", dar in mittelhoch deutschen Gedichten so oft begegnet, wird jetzt meist ein Jagd hund — ein Spürhund, der auf der frischen Wildfährte laut jagt und das Wild den Jägern zutreibt — verstanden. Früher war „Brack" daS Männchen gewisser Thiere, besonders der Hunde, im Gegensatz zu Mäh, dem Weibchen. In Bayern hat Brack sich noch erhalten, und bayerische Waldbewohner (<m der Nab und Dilz) machen sich nichts darau», dem Priester, der bei der Taufe nach dem Geschlecht deS Kindes fragt, zu antworten: „ES ist ein Bracke!" oder „eS ist ein Matzel". — In Männerkreisen hört man auch wohl di« Ausdrücke „Köter" und „Thöle" für Hund. Beide stammen au» dem Niederdeutschen und bezeichnet der Köter «igentlich den „vauernhund" und gehört zum nieder deutschen Lots, „Hütte, kleiner Bauernhof", woraus das eng lische oot, „Haus, Hütte", entsprungen ist, von dem eottaxe, „Häuschen, Landhaus", als Ableitung mit romanischer Endung sich findet. Von den vielen mit Hund zusammenhängenden Redensarten heben wir drei hervor: 1) „Auf den Hund kommen". Den Sinn dieser Wortver bindung kennt Jeder, aber der geschichtliche Nachweis über ihre Entstehung fehlt. Wahrscheinlich ist, daß nach dem bekannten „Vom Pferd auf den Esel" in einer Gegend, wo Esel selten, Hundefuhrwerke aber gebräuchlich sind, der Hund anstatt des Esels das Herunterkommen bezeichnen soll. Wie Mancher stolzirt in feiner Equipage und muß sich später mit einem Hundefuhr werk begnügen! Ausgeschlossen ist jedoch die Möglichkeit nicht, daß „auf den Hund kommen" auf die alte Strafe des Hunde- tragens zurllckzuführen ist. 2) „Da liegt der Hund begraben". Knüpft man an die alte Sage an, daß Hunde auf verborgenen Schätzen, sie bewachend, gern liegen, so hätten wir es hier nur mit einer nicht undenkbaren Redefigur zu thun: der Hüter (Hund) stände für das Gehütete (Schatz). Größere Wahrscheinlichkeit hat jedoch die Anlehnung an die frühere Sitte, bei Neubauten einen getödteten Hund in die Grundlage (Fundament) zu legen, um das Gebäude sinnbildlich unter treue Obhut und Wache zu stellen. Die Redensart wurde ursprünglich ganz harmlos bei Klarlegung einer verborgenen Sache gebraucht; mit der Zeit hat sich dies insofern geändert, als man sich jetzt dieses Ausrufes nur bedient, wenn man auf eine unvorhergesehene Schwierigkeit stößt. 3) „Hundehaare auflegen". Clemens Brentano sagt: „Von Neuem trinken, um den Katzenjammer zu Lberteuftln, heißt Hundehaare auflegen." Einen Schaden mit etwas zu heilen suchen, was der Ürsache, durch die der Schaden hervorgerufen ward, entsprach, war schon lange vor Hahnemann ein in der Arzneikunde vertretener Gedanke. So suchte man denn z. B. den Biß eines Hundes dadurch zu heilen, daß man Hundehaare auf die Wunde legte. Da man den Rausch mit dem Biß eines tollen Hundes verglich, so lag es nahe, seine üblen Folgen durch Hunde haare, die in diesem Falle daS erneute Trinken bedeuteten, zu beseitigen. Im Dictionary tsse kev. L Dodtinm Dreier findet fick» Aebnliches: u man das tmä » äedaucd, Ke is »ckviseä to take next morninx „a lmir ok tke ssme äog", in »Fusion to »n «ncient nokion ttmt tko burnt kair ok n clog is »n untickote to its dite. Lord Byron ließ seinem Neufundländer die Grabschrift setzen: „Hier ruhen die Ueberreste eines Wesens, das Schönheit besaß ohne Eitelkeit, Kraft ohne Ueberhebung, Muth ohne Wildheit, alle Tugenden de» Menschen ohne seine Laster." Einem französischen Dichter aber entnehmen wir sogar ein Gemälde über die Zukunft diese» Thiere» im Jenseits: „Sollte rs nicht in einer anderen Welt auch elysäische Gefilde für solch' edle Thiere geben? Ich spreche hier nicht vom koketten Uukas, um deren Knurren süße Damen sich abkümmern, oder von jenen King Charles, von Havanesen mit seidenem Haar, die auf weichem Flaum liegen, in Chaisen spazieren fahren und sich von BiScuit nähren. Ihr glückliche» LooS ist e», sich pflegen und ver zärteln zu lassen; sie haben ihr Paradiek auf dieser Welt. Aber jene wackeren, geduldigen Proletarier deS Hunde geschlechte»! Der Schäferhund, der Hund de» Blinden, der Hund de» Eskimo, de» nördlichen Sibirien», ohne den die Be wohner dieser kalten Gegenden gar nicht leben könnten, der Hund, der sich in Vertheidigung des Lebens oder des Gutes seines Herrn tödten läßt; der Baby von Neufundland, dessen Andenken im Schlosse von Windsor immer noch fortlebt, der berühmte Barry von St. Bernhard, der vierzig Menschen das Leben errettete und an seinem Halse eine Ehrenmedaille trug! -— alle jene sanften, bescheidenen, wohlwollenden Gefährten des Menschen, die uns so bewundernswerthe Beispiele von Muth, Geduld, Ergebung, Anhänglichkeit geben, sie alle sollten, wie sich ein englischer Dichter einmal ausdrückte, weiter nichts sein als belebter Staub? Nein, ich wiege mich gern in dem Gedanken, daß sie nach ihrem Tode wieder in einem glücklichen Asyle aufwachen, in einem Garten voller Blüthen und Früchte, voll duftigen Weiden und laubigen Gebüschen, hier und da kleine Wäldchen, durchrieselt von krystallhellen Bächen. Und vor der Pforte dieses Gartens denke ich mir einen unfruchtbaren, nackten Felsboden und auf denselben gebannt den Kärrner, der seine Pferde mißhandelt, den Geizhals, der sein Vieh Hunger und Durst leiden ließ, den Jäger, der aus eitler Lust seine Hunde zu Tode hetzt, kurz Alle, welche ihre Gewalt über die Thiere mißbraucht haben. Ich sehe sie in meinen Träumen vor diesem Paradiese der Thiere, das sie sehn süchtig betrachten, ohne dahin gelangen zu können; ich sehe sie Hunger und Durst, Hitze und Kälte ertragen, lechzend blicken sie nach den klaren Quellen, nach den saftigen Früchten, nach dem kühlen Schatten — ein Trunk Wasser, eine einzige Frucht, ein Augenblick Ruhe — vergebens!" Mein« Phantasie und die des Franzosen arbeiten an dem selben Gemälde, aber die seinige ist — warum sollte ich es nicht eingestehen? — idealer als die meinige; denn während er die Hunde im Jenseits derartig vergeistigt, daß sie im Anblick einer schönen Landschaft das Ziel und den Höhepunkt aller ihrer B gierdrn erreicht finden, kann ich den Wunsch nicht unterdrücken, daß sie doch auch durch einen besonderen „Hundekuchen", durch ein« Art Hunde-Ambrosia ausgezeichnet werden möchten. Diesen empfindsamen Betrachtungen gegenüber bildet di: Thatsache einen schrillen Gegensatz, daß mancher fette Hund, in-: besondere mancher Mops oder (süddeutsche) Moppel — vom eng lischen to rnop — schiefes Maul machen, Gesichter ziehen, ver achtungsvolle Miene aufsehen — in recht- oder unrechtmäßiger Weise verspeist wird. Die Verwendung der Hunde al- Nahrungsmittel nimmt von Jahr zu Jahr zu; die „Hundefresier" vermehren sich. Diese Bezeichnung führt uns unwillkürlich auf das Wort „Kannibale", über das man wohl liest, es stecke der lateinisch« eanis, „Hund", darin. Dies wird von Fachgelehrten verneint. Kannibale ist ursprünglich die Bezeichnung für einen Menschenstamm im westindisch«,, Archipel, der sich durch Fleisch essen hervorthat und Obkvevsl oder XiiLnevälL hieß. Da auf den Inseln fast alle Säugethiere fehlten, wogegen die Pflanzenwelt außerordentlich reich war, so verfielen die Bewohner darauf, Menschenfleisch zu genießen. Die Spanier rotteten diesen Stamm der Karaiben fast gänzlich auS. Aus dem Eiaennamen entwickelte sich da» Gattungswort „Kannibale", das die Bedeutung eines wilden, rohen Menschen, ja eines Menschenfressers, er hielt. — Lessing spricht von einem Seelenkannibal („ein Atheist ist .... ein Bieh, daS dummer ist als ein Vieh, ein Seelen kannibal, «in Antichrist"), worunter er einen Atheisten versteht, den der alte Atta Troll (bei Heine) als einen „Unbär ohne Ehr furcht vor seinem Schöpfer" kennzeichnet.
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