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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.11.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-11-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981119025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898111902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898111902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-11
- Tag1898-11-19
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Wer diese unterrichtete Stelle ist, wird leider nicht gesagt und damit Wird der Ableugnung um so mehr jede Bedeutung entzogen, je unwahrscheinlicher eS ist, daß die Ableugnung aus der Umgebung des Kaisers stammt. Und nur von dieser Seite kann Aufklärung kommen. Beruft sich doch der Verbreiter dcS Gerüchtes auf Abmachungen, die im Jahre 1891 anläßlich der Tbeilnabme des deutschen Kaisers an den Waldviertlcr Manöver» getroffen worden feien, zu einer Zeit also, in der sich, wie die „Berl. N. N." in Erinnerung bringen, wiederholt Dinge ereigneten, von denen „die unterrichteten Stellen" nichts wußten. Gerate diese Berufung aus Abmachungen, die während eines Besuches des deutschen Kaisers am öster reichischen Kaiserhofe getroffen worden sein sollen,, macht eS ausfällig, daß von Wien aus Stimmung für den Eintritt deS Erbprinzen von Cumberland in die preußische Armee und für die braunschweigische Erbfolge der Welfen gemacht wird. So schreibt man von dort der „Allgem. Ztg.": „Ueber die jetzt viel erörterten Beziehungen Les Herzogs von Cumberland zur deutschen Reichsregierung wurde in letzter Zeit manches geschrieben, waS den Thatsachen nicht entspricht. Man hat den Herzog in reichsfeindlichem Lichte erscheinen lassen, wozu kein Anlaß war. Erst jüngst wurde behauptet, er habe in Braunschweig die Erklärung abgebeu lasse», daß er seine Ansprüche auf Hannover und Braunschweig ausrecht erhalte, es stellte sich aber heraus, daß einfach ein Bries seines Hof marschalls vorlag, der die Bitte des Redacteurs eines »elfischen Blattes um eine Audienz beim Herzog ablehnend erledigte, mit dem Hinweise darauf, daß sich in der Haltung des Herzogs in letzterer Zeit nichts geändert habe. Diese ganz formelle Erklärung beweist weder für noch gegen die Absichten des welfischen Houses, in seinen alten Stammsitz Hannover zurückzukehre». Thatsache ist, daß der Herzog dieselbe» gesellschaftlichen Beziehungen mit der deutschen Botschaft in Wie» unterhält, wie andere vornehme Herren anS dem Lande, in dem er Gast- freuudschast genießt. Selbstverständlich lassen sich aus der That sache, daß er ei» oder das andere Ballfest beim Botschafter Grafen Eulenburg mitmachte, keine Schlüsse auf seine Beziehungen zur deutschen Reichsregierung ableiten. Ter Herzog kehrt übrigens bei neutralen Veranlassungen stets hervor, daß er sich als deutscher Fürst fühle unter, wie sich eigentlich von selbst versteht, voller Würdigung der dem deutschen Kaiser durch die Reichsvcrsossung gewährten hoben Stellung. Es muß nun nicht erst gesagt werden, daß das deutsche Reich uud seine Institu tionen eine förmliche Anerkennung durch irgend Jemand weder bedürfen noch auch anstreben. Wenn der Herzog seinen ältesten Sohn in die deutsche Armee eintreten lassen will, so dürsten von deutscher Seite keine grundsätzlichen Einwendungen dagegen erhoben werden. Gleiches gilt ja auch von Len Angehörigen anderer mediatijirten Fürstenhäuser, welche im Bewußtsein nationaler Zugehörigkeit unter die Fahnen des Reichs getreten sind oder zu treten beabsichtigen." FettsHrton. Die Lettelmaid. sj Roman von Fitzgerald Molloy. Nachdruck verbot««. „Mrs- Gtoncx gefiel das Bild", begann der Künstler mit er zwungener Ruhe, denn der Anblick dieses in seiner Erregung entzückenden Wesens ließ all' seine Pulse höher schlagen. „Ich glaube, es war Dein Gesicht, das sie entzückte. Sie ist in Kunst kreisen sehr einflußreich und hat mich gefragt, ob ich ausstellen möchte, wenn sie mir eine Einladung von der „Grosvenor" er wirken könnte." „Mrs. Stonex muß eine außerordentlich liebenswürdige Dame sein; ich fühle das, trotzdem ich sie nicht kenne. Sie wird Dein Schutzgeist, Marc." „Vielleicht ist sie es schon." „Wenn ich daran denke, daß „die Bettelmaid" in der Aus stellung hängen, daß Dein Name im Kataloge stehen, ganz London bewundernd mein Bild anstarrcn und meinen Namen von Mund zu Mund flüstern wird, stockt mir der Athem vor Freude! . . . das ist ja beinahe ebenso viel Werth, wie wenn ich eine fashionable Schönheit wäre, deren Photographie in allen Schaufenstern, zwischen irgend einem bekannten Bischof und einer berühmten Ballettänzerin ausgestellt ist. Und zu wissen, daß er so rasch gekommen, denn ich wußte, daß er früher oder später kommen müsse!" sprudelte sie, die Worte überstürzend, hervor. „Wer?" „Der Erfolg." „Für Dich oder für mich?" „Für uns Beide." „Aber wird Dein Vater gestatten, daß ich das Bild einschicke?" fragte der Künstler zweifelnd. „Gestatten! das will ich meinen, überhaupt wenn es ihm nichts kostet; aber ich würde nichts darnach fragen, selbst wenn er es nicht gestatten sollte", sagte sie mit einer Entschlossenheit und Festigkeit, wie sie der Künstler noch nicht an ihr wahr genommen hatte. Nach einer kurzen Pause fuhr sie sanfter fort: „Dies ist der erste Schritt in meinem neuen Leben." Dabei hatten ihre Augen einen ängstlichen Ausdruck. „Welcher?" fragte Newton, der das Mädchen mit stummem Erstaunen beobachtet hatte. Daß diese Darstellung unbestreitbare Thatsache» einfach ignorirl, berarf kaum des Beweises. Der Herzog Hal nickt nur seine Ansprüche auf Hannover aufrecht erhalten, er hat auch „seine treuen Hannoveraner" unmittelbar aufgefordert, für seine Ansprüche weiter zu agitiren. Damit hat er a.n- gefangen, und kein Wort auch nur eines Einspruchs von seiner Seite ist laut geworden, als vor wenige» Wvcken, am 2l. September, an seinen: Geburtstag folgerichtig die welfischen Organe, den kurz vorher dem Kaiser und König von Preußen' in Hannover bereiteten Einfang freck verhöhnend, ihn, den Herzog von Cumberland, als ihren „König" in Anspruch nahmen und welfische Agitations vereine ihm HuldigungStelegramme „unter Versicherung unwandelbarer Treue" nach Schloß Bernstorf bei Kopenhagen sandten, wo er sich damals gerade aushielt. Kein Wort eines Einspruchs von seiner Seite hat bislang die bezeichnende Erklärung der CbesS seiner Verwaltung eingeschränkt, der doch Glaubwürdigkeit genug besitzt, wenn er Welsen, die eine Audienz haben wollen, versichert, daß in den Erklärungen des Herzogs eine Aenderung nicht einzetreten sei. Also auch nickt bezüglich des „Vorbehalts der Rechte, welche ihm in Beziehung auf Hannover von den Vorfahren überkommen sind". Als Träger dieser Ansprüche ist auch der Erbprinz von Cumberland zu erachten, so lange die Ansprüche auf Hannover nicht ein für alle Mal in bindender Form aufgegeben werden. Und daher ist es einfach naiv, ihn mit Mitgliedern eines mediatisirten Hauses zu ver gleichen, die von keinem Bundesstaat ein Stück für sich ver langen, in keinem Bundesstaat eine politische Agitation gegen dessen Bestand protegiren und olme Vorbehalt reichstreu Dienste in der Armee thun. Begreiflich würde diese Naiveiät freilich, wenn wirklich unter österreichischem Einfluß ein Ab kommen zu Stande gebracht worden wäre, daS die braun schweigische Frage zu Gunsten des Erbprinzen von Cumber land erledigte. So lange Lies nicht von berufener Seite und in bündigster Form in Abrede gestellt wird, werden daher auch weder die Gerüchte, noch die Wiener Preßinterventionen verstummen. Je näher der Zusammentritt des neuen Reichstags rückt, um so nachdrücklicher sollten seine Mitglieder an die Pflicht erinnert werben, die ihnen durch das Treiben der Anarchistc» anferlegt wird. Das Zlttarchistcnblatt „Neues Leben" nimmt auch in seiner letzte» Nummer die Ver- nrtbciluilg Luccheni's zum Anlaß, dem Verbrecher die Theilnahme und das Bedauern seiner Genossen kund zu thun: „Armer Luccheni, die Kerkerthür hat sich hinter Dir ge- schlossen. Durch den Verlust Deiner „Freiheit" mußt Du Deine That büßen. Verdamme Dich, wer will, ich kann eS nicht! Tenn Du bist nur ein Product unserer heutigen gesellschaftlichen Zustände. Aber eine Mahnung solltest Tu der herrschenden Classe sein." Kein Wort davon, die Verurteilung möge den Anarchisten eine Mahnung sein, Mordthaten, wie die von Luccheni begangene zu unterlassen! Vielmehr statt deren die indirekte Anreizung zur Begebung solcher Verbrechen, zum Mindesten die stillschweigende Billigung derselben; denn mit der Phrase, Luccheni sei „nur" ein Product unserer gesell schaftlichen Zustände, ist jeder anarchistische Frevel entschul digt. Beachtung verdient auch eine in derselben Nummer des „Neuen Lebens" abgedruckte Correspondenz aus „Die Ausstellung meines Portraits in der besuchtesten Ge mäldegalerie." „Aber woher wird das Publicum wissen, wessen Gesicht „die Bettelmaid" trägt?" „Das fragen Sie. ein gewiegter Schriftsteller? In weniger als einer Woche wird es die geschwätzige Presse entdeckt und ihren neugierigen Lesern mitgetheilt haben." Sie schritt unruhig im Zimmer umher. Plötzlich blieb sie vor dem Maler stehen. „Ich weiß, Marc, daß es der erste Schritt ist. Der Vorhang wird aufgehen und das Spiel kann früher, als ich zu hoffen gewagt, beginnen." Sie kauerte auf dem abgetretenen Kaminteppich zu seinen Füßen nieder und blickte ernst ins Feuer. Jede Spur von Auf regung war aus ihrem schönen Gesicht verschwunden, ihre dunkeln, mandelförmigen Augen leuchteten vor Freude. „Ich werde beinahe verrückt vor Entzücken, wenn ich an diese Aussicht denke", flüsterte sie vor sich hin, als ob sie die Anwesen heit der Freunde vergessen hätte. „Wie sie sich an das Bild herandrängcn! „Capri Dankers" geht's von Mund zu Mund. Ö, Marc", wandte sic sich plötzlich wieder an diesen, „Du hast mich aber auch schön gemacht auf dem Bilde! Du wirst sehen, daß alle illustrirten Zeitungen Stiche davon bringen, alle Photo graphen cs in ihren Fenstern ausstellen, alle Kritiker es besprechen werden. O, dieses Glück! Auch für Dich, mein Freund, wird es von großem Nutzen sein, denn es wird Dich bekannt machen. Die Götter sind doch gut und die Menschen nicht halb so schlecht, wie man oft denkt." Sie lachte hell auf und es lag ein so kindliches Frohlocken darin, daß der Maler den Egoismus, der aus ihren Worten sprach, überhörte. Ihn sowohl als auch Marrix erfreute ihre Lebhaftigkeit und sie beobachteten gespannt den fortwährenden Wechsel im Ausdruck ihres Gesichtes, der jeden ihrer Gedanken widerspiegelte. Marcus hatte sie noch niemals so berückend ge funden wie am heutigen Abend. Als sie jetzt wieder plötzlich auf sprang und mit ihren schlanken, weichen Fingern durch sein Haar fuhr, fühlte er, wie sein Blut heiß aufwalltc und er mußte all' seine Selbstbeherrschung aufbieten, um sie nicht stürmisch in seine Arme zu schließen. „Komm, Newton, es ist spät, wir müssen gehen!" sagte er gepreßt. „Was? Du glaubst dock nicht, daß ich Dich an einem solchen Abend so schnell entlasse? Nichts da. Wir wollen den Göttern ein Kawaunenopfer darbringen und ihr Jünglinge noch nebstbei Reichenbach in Sachsen, die sick mit den Gewerk schaften beschäftigt und in der eS heißt: „Obwohl schon in verschiedenen centralistischen Gcwerkichasts- organijationen (Währungen vorzekommen sind, welche für uns Anarchisten interessant waren, so kommen jetzt im Deutschen Textilarbeiter-Verband Sache» vor, welche hier sestgenagelt werden sollen! In Anbetracht, Laß eine große Zahl unserer Genossen im obigen Verband die Gewerkschaftsbewegung principiell, wie finanziell gefördert haben und es noch heute thun, müssen sie es trotzdem mit offenen Augen mit ansehen, daß Alles zu Gunsten der S ocialdemokraten ausgebeutct wird. Das Fachblatt, welches auch mit unserem Gelde bezahlt wird, vertritt socialdemokratische und konservative Tendenzen, auf unsere jahrelange Mitgliedschaft nehmen diejenigen, die dort den Ton angeben, keineRncksicht, was ich durch folgende Beispiele wahrheitsgetreu wiedergeben und beweisen will. Unsere Genosse» in Görlitz hatten wegen der vorhandenen Mcinnngsverschiedenheitc» innerhalb der Filialen des deutschen Textilarbciter-Vcrbandes eine eigene Filiale gegründet. Was bringt nun unser Fachblatt dafür für eine Erklärung? Es sei nur das Machwerk einiger anarchistischer Phrasenhelden u. s. w. und daß das langjährige Mitglied P. Frauböje aus dem Verband ausgeschlossen sei. Aber von Langenbielau, wo fortwährend die Lass« betrogen ist, kommt kein Wort, dort handelt cs sich auch um einen Socialdemokraten, wie im letzten Falle, wo ein tüchtiger Socialdemokrat und Anarchisten- Fresscr die Easse um ll5 Mark erleichtert hat. In Reichen- bach sind von Filialen Gelder, jetzt wieder für einen Redner aus Langenbielau 20 M ark bezahlt, um vor 30—40 Mann rin Referat zu halten. Wenn diese Zustände unseren Genossen nicht paffen und diese sich dagegen auslehnen, so sind es Phrasenhelden u. s. w. Be- zahlen und das Maul halten, ist auch bei denen im Verband die Devise". Man ersieht hieraus, daß die Anarchisten in der Gewerk schaftsbewegung eine Rolle spielen, da und dort den Ton angeben und nach der Führung streben. Der Social demokratie, die bekanntlich den Glauben zu erwecken sucht» daß die Gewerkschaften mit Politik gar nichts zu thun hätten, und sehr entrüstet ist, wenn die Behörden anderer Meinung sind, wird cs nach diesem anarchistischen Ein- geständniß eines Wettbewerbes von Socialdemokraten und Anarchisten innerbalb einzelner Gewerkschaften schwer werden, die Behörden zu überzeugen. Am 16. November fand in Kopenhagen eine von dem liberalen Wähiervcrein veranstaltete öffentliche Protest versammlung gegen die Ausweisungen aus Nordschleswig statt, an der einem Bericht deS „Berl. Tagebl." zufolge über 7000 Personen theilgenommen haben sollen. Wie nicht anders zu erwarten war, wurden die Maßnahmen der preußischen Regierung, gegen dir alle Dänen ohne Unterschieb der Parteistellung protestiren müßten, als durchaus ungerechtfertigt bezeichnet. Man construirte davon weiter einen Gegensatz zwischen dem Vorgehen der preußischen Negierung und der Stimmung deS deutschen Volkes, bei dem sich die nordschleswigscke Dänenbevölkerung wegen ihrer ruhigen Haltung (!) allgemeine Sympathien erworben habe. Der Redner, der diese Behauptungen auf stellte, Sckulinspector Johann Ottesen, scheint nur einen geringen Bruchtheil des deutschen Volkes zu kennen und seine Kenntniß von dessen Stimmung den Blättern zu ver ein Trankopfer, bestehend aus Bier. Nur wieder Platz ge nommen, meine Herren! Gleich bin ich wieder hier." Noch ehe die Beiden antworten konnten, war sie verschwunden und rannte die Treppe hinunter, um mit ihrer Hausfrau wegen des Abendbrodes zu verhandeln. Vor deren Wohnzimmerthür blieb sie einen Moment stehen, um sich zu beruhigen. Sie strich ihr Haar zurück, glättete ihren Rock und klopfte bescheiden an. Als sie die Schwelle übertrat, war sie nicht mehr das impulsive, leb hafte Kind, sondern eine gesetzte junge Dame. Mrs. Fums flickte gerade Wäsche, während ihre beiden Töchter ihre Aufgaben für den folgenden Tag lernten. Capri, aus Erfahrung wohl wissend, daß sic das Herz der Mutter am leichtesten erobere, wenn sie gegen deren Kinder liebevoll war, neigte sich zu dem älteren Mädchen und küßte es auf die Wange, erkundigte sich an gelegentlich, was es lerne und bat es, falls es ihr mit den Vo kabeln nicht zusammenginge, nur zu ihr hinauf zu kommen, sie wolle ihr dieselben schon beibringen. Jetzt erst trat sie zur Alten heran und brachte ohne Zögern ihren Wunsch vor: „Droben sind zwei Herren, die Papa eine gute Nachricht brachten, und da ich weiß, daß er mir sehr böse wäre, wenn ich sie wegliebe, ehe er sie gesprochen, mußte ich sie bitten, zum Abend brot» zu bleiben." Sie sagte das in einem Tone, der deutlich erkennen ließ, daß ihr die Beiden nicht sehr willkommen seien, sie fuhr auch weiter so fort: „Jetzt muß ich auch Sie noch belästigen. Wollten Sie nicht die große Freundlichkeit haben, die Kaldaunen, die ich gekauft hab«, zuzubererten und etwas Bier holen zu lassen?" „Wenn Sie mich nicht darum bäten, Fräulein Capri, würde ich es wahrlich so spät am Abend nicht thun. — Uebrigens habe ich Ihrem Herrn Papa die Rechnung bereits zweimal diese Woche hinaufgeschickt und er hat nicht einmal Notiz davon genommen", entgegnete Frau Fums unwillig. „Seien Sie nur nicht böse darüber; ich versichere Sie, Papa sagte mir heute, daß er es sehr bedauere, Sie nicht befriedigen zu können", beruhigte sie Capri, ihre Phantasie zu Hilfe nehmend, „die nächste Woche wolle er di« ganze Summe auf einmal be zahlen". „Wenn er wenigstens gekommen wäre, um sich zu entschul- digen!" „Sie wissen, es ist ihm stets peinlich, über «»bezahlte Rech nungen zu sprechen. Er schämt sich", sagte Capri in ihrem sanf testen Ton und Mrs. FumS, die bislang beim Hauptmann noch nichts bemerkt hatte, was einem Zartgefühl ähnlich gesehen hätte, war liebenswürdig und gutmüthig genug, seiner Tochter nicht danken, die eine instinktive Abneigung gegen alle nationale Politik haben und auch jetzt den würdigen Verlauf der Kopenhagener Versammlung nicht genug betonen könncn. Die Rübe, die die Versammlung bewahrte, war wohl dce der Resignation, wenn auch ein anderer Redner damit drohte, daß sich Dänemark kulturell und wirtbschastlich jetzt mehr an England anschließen werde. Der Präsident Les liberalen WLHlervereinS Hansen glaubte noch besonders darauf Hinweisen zu müssen, daß Dänemark dem schlechten Beispiel Preußens nicht folgen uud die Rück sicht auf die Gesetze der Gerechtigkeit und Gastfrei heit gegenüber den im Lande ansässigen Deutschen nicht außer Acht lassen werde. Der Redner vergaß dabei nur, daß die Dänen ln Nordschleswig sich eben nicht derart gerirt haben, wie eS der Herr des HauseS von seinen Gästen verlangen kann, und es ist wobl zweifellos, daß die dänische Regierung im umgekehrten Falle ihren deutschen Gästen den Stuhl längst vor die Thür gesetzt haben würde. Am l7. November hielten die Socialdemokraten noch specielle Versammlungen ab, auf denen sie in gleichlautenden Reso lutionen gegen die Ausweisungen protestirten, in denen sie natürlich den Ausdruck des kapitalistisch - militaristische» Systems erblicken. Der französische Marineetat für Ikstst sieht eine Reibe wichtiger Maßnahmen zur Verstärkung der LeistungSfähigkeil deS Staates zur See vor. In erster Linie verdient die Neueintheilung der Seestreitkräste im Atlantischen Ocean und im Mittelmeer Erwähnung. Das Mittelmeergeschwadcr wird im nächsten Jahre auf sechs Hochseepanzer gebracht. Auch die Zahl der Kreuzer erfährt eine Vermehrung auf drei Panzerkreuzer anstatt deS bisherigen einen und auf drei Kreuzer II. Classe anstatt der bisherigen zwei. Die Reservc- division deS MltlelmcergcsckwaderS wird durch eine Uebungs- division, bestehend aus drei Panzern und dem Kreuzer „Caledonien" ersetzt. DaS Nordgeschwader wird sechs statt bisher fünf Panzer umfassen und die vier KüstenvertbcidigungSschiffe des laufenden JahreS werden durch ebensoviele weitere Hochseepanzer ersetzt werden. Die Zahl der dem Geschwader beigegebenen Kreuzer bleibt die selbe wie im laufenden Jahr. Die Zusammensetzung des Atlantischen Geschwaders bleibt zwar numerisch unverändert, aber an die Stelle der geringwerthigen Schiffe älteren Typs treten durchweg moderne Bauten. Die Stauonirung zweier Torpedoboote in Fort de France, dem Stützpunct deS Atlantischen Geschwaders, ist bereits erfolgt. Die Flottendivision deS Pacific erfährt keine Aenderung, das zu Beginn dieses JahreS formirte Geschwader LeSFernen OstcnS aber wird ausgelöst; an seineStelle treten drei Kreuzer modernen Typs, zwei Kanonenboote und ein Transportschiff. Die Flottendivision des indischen Oceans wird um ein Depeschenboot vermehrt, welche- für bydrozrapbische Messungen an der Küste MadagaScarS Ver wendung finden soll. Für die Marine-Infanterie siud folgende Verstärkungen vorgesehen: l DivisionSgeneral, 2 Brigadegenerale, 3 Obersten, 2 Oberstlieutenants, 8 Majore, 28 Hauptleute, 100 Lieutenants, 100 Feldwebel und 4000 Unterofficiere und Mannschaften; die Marine- Artillerie erbält einen Zuwachs von einem Brigadegeneral, 2 Obersten, 2 Oberstlieutenants, 3 BatterieckefS, 12 Haupt leuten, 14 Lieutenants, 4 Adjutanten, 60 Ouartiermeistern, 53 Untcrofsicieren, 22 Handwerkern und 1600 Mann. widersprechen zu wollen. Sie erhob sich, um die Kaldaunen zu zubereiten. Capri nickte ihr dankbar lächelnd zu, neigte sich zur jüngeren Tochter, küßte sic auf die Wange und schlüpfte wieder zur Thür hinaus. Während sie die dunkle Treppe hinaufeilte, lächelte sie über ihre eigene Heuchelei und murmelte: „O, Du gutes, albernes, altes Weib, wenn Du wüßtest, wie glcichgiltig mir Deine beiden pausbäckigen Töchter sind und wie mich mein jetziges erbärmliches Leben anekelt! Aber cs soll am längsten gedauert haben." „So, da bin ich wieder! Ich sehe, Ihr habt Euch während meiner Abwesenheit nicht gelangweilt", sagte sie eintretend. „Wenn Ihr wollt, spiele ich Euch etwas vor, bis Papa und das Abendbrot» kommen." „Das ist reizend!" rief Marc und schob den niederen Stuhl vors Clavier. „Was soll ich spielen?" fragte sie in ihrer lebhaften Weise. „Jmprovisiren Sie wieder einmal", bat Newton, der dieses, ihr Talent kannte. „Ach ja, wir werden mäuschenstill zuhören", versicherte der Maler. „Nun gut; ich hoffe, daß mir die Inspiration kommen wird." „Sic muß kommen, wenn w i r hier sind", rief der Schrift steller und schürte das Feuer, das fast ganz heruntergebrannt war; die aufleuchtende Flamme warf einen Hellen Schein auf Capri's schelmisch lächelndes Gesicht. Sie schlug die Tasten mit festen, sicheren Fingern, und Ton vermählte sich mit Ton. Man glaubte anfangs aufjubelnde Triumphruse zu ver nehmen, doch allmählich gingen sie in sanfte, harmonische Klänge über, die dann in einen schrillen Accord ausklangen, der sich wie ein erstickter Seufzer in der Kehle eines Sängers anhörte. Unter dem Einfluß der Musik schloß Marcus die Augen, lehnte sein Haupt auf die Lehne des Stuhles zurück, und seltsame Ge danken kreuzten sein Gehirn. Doch plötzlich sprang Capri wieder zu einer aufrührerischen, marsckähnlichen Tonart über, um dann, ihrem Impuls folgend, in sanften, träumerischen Tönen auszu klingen, die wieder wilden, leidenschaftlichen Weichen muhten. So ging es eine Weile fort, von der höchsten Leidenschaft bis zur tiefsten Melancholie, bis sie schließlich mit einem schrillen dishar monischen Accord endete. Es war eine höchst charakteristische Musik, und die Zuhörer empfanden es auch, die ihr wirklich mäuschenstill und wie gebannt lauschten; die ganze Eigenart des ungewöhnlichen Geschöpfes offenbarte sich in ihr. „Für heute ist's genug", rief Capri aufspringend, „denn ich fühle, daß wenn ich noch länger fortführe, ich entweder laut auf-
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