Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.11.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-11-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981126018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898112601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898112601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-11
- Tag1898-11-26
- Monat1898-11
- Jahr1898
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezugSPrei^ In der Hauptexpeditton oder den im Stadt bezirk und den Bororten errichteten Av-- gabrstellen ab geholt: vierte'.jährlich^ls.üO, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« Haus 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Leslerreich: vierteljährlich 6.—. Directe tägliche Kreuzbandienduug ins Ausland: monatlich X 7.50. Die Morgen-NuSgabt erscheint um '/,? Uhr. hie Abend-Ausgabe Wochentags um b Uhr. Nkdartion und Lrvedilio«: JohanneSgaffe 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbroch« geöffnet von früh 8 bis Abend« 7 Uhr. Filialen: Ltt* Klemm's Lortim. (Alfred Hahn), Uiiiversitätssrraße 3 (Paulinus), Loui« Lösche. Satbarinenstr. 14, pari, und KörigSplatz L 5SS. Morgen-Ausgabe. MpMer TagMM Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Sonnabend den 26. November 1898. AttzeigenPreiS die 6 gespaltene Petitzeile 80 Pfg. Reklamen unter dem Redactionsstrich (4g«> spalten) 50/H, vor den Familiennachrichte» (6 gespalten) 40/H. Größere Schriften laut unserem Preis» ve^zeichuiß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit de« Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mrt Postbeförderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4UHL. Bei den Filialen und Annahmestelle« je et« halb« Stunde früher. Anzeigen siad stets an df« Expedition zu richten. Druck uud Berlaa vo» L. Pol» ia Leipzig SL Jahrgang. Äus Lismarck's „Gedanken und Erinnerungen" Am 29. d. M. erscheint bekanntlich im Verlag der I. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger in Stuttgart daS schon lange mit Spannung erwartete Werk: „Gedanken und Er innerungen von Otto Fürst von Bismarck". Schon vorher hat der Verlag eine Anzahl von Zeitschriften in die Lage versetzt, einzelne Capitel aus diesem Vermächtniß des größten deutschen Staatsmannes zu veröffentlichen; er untersagt aber mit Recht den Nachdruck dieser Eapitel durch andere Zeitungen, um zu verhüten, daß den Lesern besonders nachdruckeifriger Blätter das ganze Werk zum Nachtheile seines Absatzes noch vor seinem Erscheinen bekannt werde. Auch uns hat der Verlag unter dieser Voraussetzung freundlichst eine interessante Probe des Werkes übermittelt, die wir der Reihe von Artikeln über dasselbe voraussenden, welche sein Heraus geber, Herr Professor I)r. Horst Kohl, für das „Leipz. Tagebl." zu verfassen sich bereit erklärt hat. Die „Garten laube" sagt von seinem Antheil an dem Werke: „Horst Kohl, der erste Kenner der schon so umfangreichen Bismarck- Literatur, hat als Herausgeber der „Gedanken und Erinne rungen" dafür gesorgt, daß auch die letzten von Bismarck's Hand herrührenden Abänderungen dem Bucke einverleibt werden." Er ist also der berufenste Interpret des Werkes, dem wir selbstverständlich auch die Würdigung desselben über lasten. Die uns vom Verlage mitgetheilte Probe aus dem zweiten Bande lautet: Nachdruck verboten. „Versailles". ... Die Annahme des Äaisertitels durch den König bei Er weiterung des Norddeutschen Bundes war ein politisches Bedilrfniß, weil er in den Erinnerungen aus Zeiten, da er rechtlich mehr, faktisch weniger als heut zu bedeuten hatte, ein werbendes Element für Einheit und Centralisation bildete; und ich war überzeugt, daß der festigende Druck auf unsere Reichsiustitutiouen um so nachhaltiger sein müßte, je mehr der preußische Träger desselben das gesäbrliche, aber der deutschen Vorgeschichte innelebende Be streben vermiede, den anderen Dynastien die Ueberlegenheit der eigenen unter die Augen zu rücken. König Wilhelm I. war nicht srci von der Neigung dazu und sein Widerstreben gegen den Titel war nicht ohne Zusammenhang mit dem Bedürfnisse, gerade das überlegene Ansehn der angestammten preußischen Krone mehr als das Les Kaisertitels zur Anerkennung zu bringen. Die Kaiserkrone erschien ihm im Lichte eines übertragenen modernen Amtes, dessen Autorität von Friedrich dem Großen bekämpft war, den Großen Kurfürsten bedrückt hatte. Bei den ersten Erörterungen sagte er:' „Was soll mir der Charakter-Major?" worauf ich u. A. erwiderte: „Ew. Majestät wollen doch nicht ewig ein Neutrum bleiben, „das Präsidium"? In dem Ausdrucke „Präsidium" liegt eine Abstraktion, in dem Worte „Kaiser" eine große „Schwungkraft". Auch bei dem Kronprinzen habe ich für mein Streben, den Kaisertitel herzustellen, welches nicht einer preußisch.dynastischen Eitelkeit, sondern allein dem Glauben an seine Nützlichkeit für Förderung der nationalen Einheit entsprang, im Anfänge der gvn- stigeu Wendung des Krieges nicht immer Anklang gesunden. Seine königl. Hoheit hatte von irgend einem der politischen Phantasten, denen er sein Ohr lieh, den Gedanken ausgenommen, die Erbschaft des von Karl dem Großen wiedererweckten „römischen" Kaiser» thums sei Las Unglück Deutschlands gewesen, ein ausländischer, für die Nation ungesunder Gedanke. So nachweisbar letztere- auch geschichtlich sein mag, so unpraktisch war die Bürgschaft gegen analoge Gefahren, welche des Prinzen Rathgeber in dem Titel „König" der Deutschen sahen. Es lag heut zu Tage keine Gefahr vor, daß der Titel, welcher allein in der Erinnerung des Volkes lebt, dazu beitragen würde, die Kräfte Deutschlands den eignen Interessen zu entfremden und dem transalpinen Ehrgeize bis nach Apulien hin dienstbar zu machen. Das aus einer irrigen Vor stellung entspringende Verlangen, das der Prinz gegen mich aus sprach, war nach meinem Eindrücke ein völlig ernstes und ge schäftliches, dessen Inangriffnahme durch mich gewünscht wurde. Mein Einwand, anknüpsend an die Coexistenz der Könige von Bayern, Sachsen, Württemberg mit dem intendirten Könige in Ger manien oder Könige der Deutschen führte zu meiner Ueberraschung auf die weitere Consequenz, daß die genannten Dynastien aushören müßten, den Lönigstitel zu führen, um wieder deu herzoglichen an- zunehmen. Ich sprach die Ueberzeugung aus, daß sie sich dazu gutwillig nicht verstehen würden. Wollte man dagegen Gewalt an wenden, so würde dergleichen Jahrhunderte hindurch nicht vergessen uud eine Saat von Mißtrauen und Haß ausstreuen. In dem Gefscken'schen Tagebuche findet sich dir Andeutung, daß wir unsere Stärke nicht gekannt hätten; die Anwendung dieser Stärke in damaliger Gegenwart wäre die Schwäche der Zukunft Deutschlands geworden. Das Tagebuch ist wohl nicht damals auf den Tag geschrieben, sondern später mit Wendungen vervollständigt worden, durch die höfische Streber den Inhalt glaublich zu machen suchten. Ich habe meiner Ueberzeugung, daß es gefälscht sei, und meiner Entrüstung über die Intriganten und Ohrenbläser, die sich einer arglosen und edlen Natur wie Kaiser Friedrich aus drängten, in dem veröffentlichten Jmmediatberichte Ausdruck ge geben. Als ich diesen schrieb, hatte ich keine Ahnung davon, daß der Fälscher in der Richtung von Gefscken, dem hanseatischen Welfen, zu suchen sei, den seine Preußenfelndschaft seit Jahren nicht gehindert hatte, sich um die Gunst des preußischen Kronprinzen zu bewerben, um diesen, sein Haus und seinen Staat mit mehr Erfolg schädigen, selbst ober eine Rolle spielen zu können. Gefscken gehörte zu den Strebern, die seit 1866 verbittert waren, weil sie sich und ihre Bedeutung verkannt fanden. Außer den bayrischen Unterhändlern befand sich in Versailles als besondrer Vertrauensmann der Königs Ludwig der ihm als Oberststallmeister persönlich nahestehende Gras Holnstein. Der selbe übernahm auf meine Bitte in dem Augenblick, wo die Kaiser- frage kritisch war und an dem Schweigen Bayerns und der Abneigung König Wilhelm's zu scheitern drohte, die Ueberbrtngung eines Schreibens von mir an seinen Herrn, das ich, um die Beförderung nicht zu verzögern, sofort an einem abgedeckten Eßtische auf durchschlagendem Papiere und mit widerstrebender Tinte schrieb. Ich entwickelte darin den Gedanken, daß die bayrische Krone die Präsidialrechte, für dieldie bayerische Zustimmung geschäftlich bereits vorlag, dem Könige von Preußen ohne Verstimmung des bayrischen Selbstgefühls nicht werde etnräumen können; der König von Preußen sei rin Nachbar deS König- von Bayern, und bei der Verschiedenheit der Stammesbeziehungen werde die Kritik über die Concessionen, welche Bayern mache und gemacht habe, schärfer und für die Rivalitäten der deutschen Stämme empfindlicher werden. Preußische Autorität innerhalb der Grenzen Bayerns ausgeübt, sei neu und werde die bayrische Empfindung verletzen, ein deutscher Kaiser aber sei nicht der im Stamme verschiedene Nachbar Bayerns, sondern der Landsmann; meines Erachtens könne der König Ludwig die von ihm der Autorität des Präsidiums bereits ge machten Concessionen schicklicher Weise nur einem deutschen Kaiser, nicht einem Könige von Preußen machen. Dieser Hauptlinie meiner Argumentation hatte ich noch persönliche Argumente hinzugefügt, in Erinnerung an das besondere Wohlwollen, welches die bayrische Dynastie zu der Zeit, wo sie in der Mark Brandenburg regierte (Kaiser Ludwig), während mehr als einer Generation meinen Vor fahren bethätigt habe. Ich hielt dieses argumentum »ck bominem einem Monarchen von der Richtung des Königs gegenüber für nütz lich, glaube aber, daß die politische und dynastische Würdigung des Unterschied- zwischen kaiserlich deutscheu und königlich preußischen Präsidialrechten entscheideud ins Gewicht gefallen ist. Der Graf trat seine Reise nach Hohenschwangau binnen zwei Stunden, am 27. November, an und legte sie unter großen Schwierigkeiten und mit häufiger Unterbrechung in vier Tagen zurück. Der König war wegen eines Zahnleidens bettlägrig, lehnte zuerst ab, ihn zu em- Pfanyen, nahm ihn aber an, nachdem er vernommen hatte, Laß der Graf in meinem Auftrage und mit einem Briese von mir komme. Er hat daraus im Bette mein Schreiben in Gegenwart des Grafen zweimal sorgfältig durchgelesen, Schreibzeug gefordert uud das von mir erbetene und im Concept entworfene Schreiben an den König Wilhelm zu Papier gebracht. Darin war das Hauptargument für den Kaisertitel mit der coercitiven Andeutung wiedergegeben, daß Bayern die zugesagten, aber noch nicht rati- ficirteu Concessionen nur dem deutschen Kaiser, aber nicht dem Könige von Preußen machen könne. Ich hatte diese Wendung aus- drücklich gewählt, um einen Druck auf die Abneigung meines hohen Herrn gegen den Kaisertitel auszuüben. Am siebenten Tage nach seiner Abreise, am 3. Drcember, war Graf Holnstein mit diesem Schreiben des Königs wieder in Versailles; eS wurde noch au demselben Tage durch den Prinzen Luitpold, jetzigen Regenten, unserm Könige osficiell überreicht und bildete ein gewichtiges Moment für das Gelingen der schwierigen und vielfach in ihren Aussichten schwankenden Arbeiten, die durch das Widerstreben des Königs Wilhelm und durch die bis dahin mangelnde Feststellung der bayrischen Erwägungen veranlaßt waren. Der Graf Holnstein hat sich durch diese in einer schlaflosen Woche zurückgelegte doppelte Reise und durch die geschickte Durchführung seines Auftrages in Hohenschwangau ein erhebliches Verdienst um den Abschluß unserer nationalen Einigung durch Beseitigung der äußeren Hindernisse der Kaiserfrage erworben. Eine neue Schwierigkeit erhob Se. Majestät bei der Formu- lirung des Kaisertitels, indem er, wenn schon Kaiser, Kaiser von Deutschland heißen wollte. In dieser Phase haben der Kronprinz, der seinen Gedanken an einen König der Deutschen längst fallen gelassen hatte, und der Großherzog von Baden mich, jeder in seiner Weise, unterstützt, wenn auch keiner von Beiden der zornigen Ab- neigung deS alten Herrn gegen den „Charakter-Major" offen widersprach. Der Kronprinz unterstützte mich durch passive Assistenz in Gegenwart seines Herrn Vaters und durch gelegentliche kurze Aeußerungen seiner Ansicht, die aber meine Gefechtsposition dem Könige gegenüber nicht stärkten, sondern eher eine verschärfte Reiz barkeit deS hohen Herrn zur Folge hatten. Denn der König war noch leichter geneigt, dem Minister, als seinem Herrn Sohne Eon- cessionen zu machen, in gewissenhafter Erinnerung an Verfaffungs- eid und Ministerverantwortlichkeit. Meinungsverschiedenheiten mit dem Kronprinzen faßte er von dem Standpunkte deS Mer tamilias auf. In der Scklußberathung am 17. Januar 1871 lehnte er die Bezeichnung Deutscher Kaiser ab und erklärte, er wolle Kaiser von Deutschland oder gar nicht Kaiser sein. Ich hob hervor, wie die adjektivische Form Deutscher Kaiser und die genitivische Kaiser von Deutschland sprachlich und zeitlich verschieden seien. Man hätte Römischer Kaiser, nicht Kaiser von Rom gesagt; der Zar nenne sich nicht Kaiser von Rußland, sondern Russischer, auch „gesammt- russischer" (wssrossislci) Kaiser. Das Letztere bestritt der König mit Scharfe, sich daraus berufend, daß die Rapporte seines russischen Regiments Kaluga stets „pruskomu" adressirt seien, was er irrthümlich übersetzte. Meiner Versicherung, daß die Form der Dativ des Adjec» tivums sei, schenkte er keinen Glauben und hat sich erst nachher von seiner gewohnten Autorität für russische Sprache, dem Hofrath Schneider, überzeugen lassen. Ich machte ferner geltend, daß unter Friedrich dem Großen und Friedrich Wilhelm II. aus den Thalern Lorussorum, nicht Lorussiao rer erscheine, daß der Titel Kaiser von Teutschland einen landesherrlichen Anspruch auf die nicht preußischen Gebiete involvire, den die Fürsten zu bewilligen nicht gemeint wären; daß in dem Schreiben des Königs von Bayern in Anregung gebracht fei, daß „die Ausübung der Präsidialrechte mit Führung des Titels eines Deutschen Kaisers verbunden werde"; endlich daß derselbe Titel auf Vorschlag des BundesratheS in die neue Fassung des Artikel 11 der Verfassung ausgenommen sei. Die Erörterung ging über aus den Rang zwischen Kaisern und Königen, zwischen Erzherzogen, Großfürsten und preußischen Prinzen. Meine Darlegung, daß den Kaisern im Princip ein Vorrang vor Königen nicht eingerüumt werde, fan^ keinen Glauben, obwohl ich mich darauf berufen konnte, daß Friedrich Wilhelm I. bei einer Zusammenkunft mit Karl VI., der doch dem Kurfürsten von Branden burg gegenüber die Stellung des Lehnsherrn hatte, als König von Preußen die Gleichheit beanspruchte und durchsetzte, indem man einen Pavillon erbauen ließ, in den die beiden Monarchen von den entgegengesetzten Seilen gleichzeitig eintratcn, um einander in der Mitte zu begegnen. Die Zustimmung, die der Kronprinz zu meiner Ausführung zu erkennen gab, reizte den alten Herrn noch mehr, so daß er auf den Tisch schlagend, sagte: „Und wenn es so gewesen wäre, so befehle ich jetzt, wie es sein soll. Die Erzherzoge und Großfürsten haben stets den Vorrang vor den preußischen Prinzen gehabt, und so soll es ferner sein." Damit stand er auf, trat an das Fenster, den um den Tisch Sitzenden den Rücken zuwendend. Dir Erörterung der Titelsrage kam zu keinem klaren Abschluß; indessen konnte man sich doch für berechtigt halten, di« Ceremonie der Kaiserproclamation anzuberaumen, aber der König hatte befohlen, daß nicht von dem Deutschen Kaiser, sondern von dem Kaiser von Deutschland dabei die Rede sei. Diese Sachlage veranlaßte mich, am folgenden Morgen, vor der Feierlichkeit im Spiegelsaale, Len Großherzog von Baden auszu suchen, als den ersten der anwesenden Fürsten, der voraussichtlich nach Verlesung der Proklamation das Wort nehmen würde, und ihn zu fragen, wie er den neuen Kaiser zu bezeichnen denke. Ter Großherzog antwortete: „Als Kaiser von Deutschland, nach Befehl Sr. Majestät." Unter den Argumenten, dir ich dem Großherzoge dafür geltend machte, daß das abschließende Hoch auf den Kaiser nicht in dieser Form auSgebracht werden könne, war das durch- schlagendste meine Berufung auf die Thatsache, daß der künftige Text der Reichsverfassung bereits durch einen Beschluß des Reichs tag- in Berlin präjudicirt sei. Die in seinen konstitutionellen Ge- dankenkreis fallende Hinweisung aus den Neichstagsbeschluß bewog ihn, den König noch einmal aufzusuchen. Die Unterredung der beiden Herren blieb mir unbekannt, und ich war bei Verlesung der Proklamation in Spannung. Der Großherzog wich dadurch aus, daß er ein Hoch weder auf den deutschen Kaiser, noch auf den Kaiser von Deutschland, sondern auf den Kaiser Wilhelm aus brachte. Se. Majestät hatte mir diesen Verlauf so übel gcnommen, daß er beim Herabtreten von dem erhöhten Stande der Fürsten mich, der ich allein auf dem freien Platze davor stand, ignorirte, an mir vorüberging, um den hinter mir stehenden Generalen die Hand zu bieten, uud in dieser Haltung mehrere Tage verharrte, bis allmälig die gegenseitigen Beziehungen wieder in daS alte Ge leise kamen. Deutsches Reich. * Dresdc», 25. November. Die von der General versammlung des konservativen Landesvereins im Königreich Sachsen in Sachen deS Kartells ein stimmig angenommene Resolution lautet dem „Vaterl." zufolge wörtlich: „In der Erwägung, daß im Interesse deS öffent lichen Wohles ein ferneres Zusammengehen der staats erhaltenden Parteien, wie dasselbe bisher bei Reichstags- und Landtags-Wahlen sowohl zum Wohle des engeren wie des weiteren Vaterlandes bestanden hat, dringend erwünscht er scheint, zu beschließen: daß der Conservative Landesverein alsbald mit den Leitungen der übrigen staatserhaltenden Parteien zum Zweck der Aufrechterhaltung deS Cartells in Vernehmen tritt." /r verltn, 25. November. (Ein Vorgehen in der Besteuerung der Waarenhäuser.) In Benthen, O.-S., haben die städtischen Behörden die Einführung einer WaarenhauSsteuer beschlossen und zwar einerseits nach Maß gabe der beschäftigten Personen, andererseits nach der Höhe der Miethe. Von den absoluten Gegnern der Besteuerung der Waarenhäuser wird nun die Berechtigung des Vorgehens der Beuthener Stadtbehörden bestritten, indem man sich auf eioen Artikel der „Berliner Politischen Nachrichten" beruft, nach welchem die Unmöglichmachung bestimmter kaufmänni scher Betriebe mit der reichsgesetzlichen Regelung der Gewerbe freibeit nicht in Einklang zu bringen ist. Man hätte den Fenilleton. Spezia. N-Ldruck ««riotni. „So ist es also, wenn ein sehnend Hoffen, Dem höchsten Wunsch sich traulich zugerungen, Erfüllungspsorten findet slügelofjen!- Ein langjähriger Wunsch hat sich mir erfüllt, ohne daß jene Enttäuschung Faust's 'der Erfüllung gefolgt wäre: ich kenne jetzt La Spezia, der herrliche Fleck Erve ist mein geistiges Eigen- thum. Ich stehe nicht wie die meisten deutschen Jtalirnreisenden mit beiden Füßen im Italien der Vergangenheit, ich halte dafür, daß man auch dem heutigen Italien fein Recht geben muß und »heile, was das anziehende, begabte und arbeitsame — wenn die Möglichkeit zur Arbeit gegeben ist — italienische Volk betrifft, nicht die heute so vielfach vertretene Anschauung vom unaufhalt samen Niedergang der lateinischen Rasse. Zum Mindesten weiß ich nicht, wer die Aufgaben übernehmen sollte, die den Völkern der lateinischen Raffe bis heute zufallrn. Beguemt man sich solchen Gesichtspunkten an, so ist, auch abgesehen von der Schönheit der Riviera, welche über diesen ihren südlichsten Punkt noch einmal all« ihre Schätze verschwen derisch ausgießt, der Besuch des vom Strom der Reisenden wenig berührten Spezia warm zu empfehlen. Denn hier pulsirt die jenige Seite des italienischen Lebens, welche für dir Geltung Italiens im Völkerleden maßgebend ist, am stärksten, hier liegen di« Wurzeln seiner maritimen Wehr kraft. La Spezia ist technisch der ausgiebig gesicherte Haupt« kriegshafen und dir Crntralstätte de» Kriegsschiffsbvue» Italiens, strategisch der Schutz- und Ausfallhafen für seine Westküste, ins besondere für diejenige Ligurien» und LoScanas. Mit wenigen Worten muß auf seine Bedeutung namentlich nach ersterer Richtung hin eingegangen weiden. Es ist bezeichnend, daß schon Napoleon I. den Hafen zu einem Flottenstützpunkt ersten Ranges erheben wollte. Seine Pläne wurden dann Ende der 50er Jahre von Cavour wieder aus genommen, also etwa zu der Zeit, als unser Wilhelmshafen entstand. In General Chiodo, dessen Denkmal den Platz vor dem Arsenal ziert, fand Cavour den energischen Gestalter seiner Ideen. Die Natur begünstigt hier in liebevollster Weise das Streben des Menschen, seinen Schiffen einen sicheren Port zu schaffen. Die von Norden, Osten und Westen durch hochragende Bcrgzüge, Vorberg« der Apenninen, gegen Wind geschützt« Rhede umfaßt 2600 Hektar und besitzt eine Tiefe, die den mächtigsten Schiffen genügt. Parlamentarische Bewilligungen des Jahres 1882 erlaubten dann auch noch den Bau eines schützenden Wellen brechers von 2300 Meter Läng«, der nur zwei schmale Ein fahrten frei läßt. Man bedauert jetzt, ihn nicht noch mehr nach dem Eingang der Bucht vorgeschoben zu haben, um so auch der gesammten italienischen „Flotte der Zukunft" einen durchaus ge sicherten Vereinigungspunct und Ankerplatz zu bieten. Die eigentlichen Hafenanlagen umfassen eine Million Quadratmeter, von denen etwa 200 000 Quadratmeter durch zwei Bassins für Ausrüstung und Reparatur von Kriegsschiffen eingenommen sind; sie enthalten sechs Trockendocks. Unter den Marine anstalten, welche weißschnnmernd die ganze Bucht umkränzen, sei nur da« gewaltig« Arsenal erwähnt. Es ist eine Welt für sich, in die man eintritt, übrigens nur, wenn man mit ge wichtigen Empfehlungen versehen ist, eine Welt, in der das Leben von etwa 4000 Officieren, Beamten, Matrosen und Ar beitern sich abspielt, «ine Welt der geistigen und körperlichen Verarbeitung aller drr großen Erfindungen der Technik unseres Jahrhunderts. Ja jenem unscheinbaren Hause arbeitet der sinnvolle Apparat, vermittrlst dessen Parafinmodelle von Schiffen auf «inem Exp«rim«ntirbassin von 150 M«ter Länge mit absoluter Genauigkeit die Widerstandsverhältniffe des Wassers feftstellen, welche das fertige Schiff finden wird. Wie andere Staaten hat auch Deutschland sich hier für seine schwim menden Festungen Auskunft geholt. Hier zimmert der Tischler an den einfachen Kasten für Versendung von Munition, dort fließt die glühende Bronze in Formen, um als zierliches Mitrailleufrngeschoß wieder ans Licht zu kommen, dort endlich arbeitet rastlos, still und hartnäckig die Maschine, welche dem Geschützrohr die „Seele" einbohrt, die Hauptsache beim Geschütz wie beim Menschen. Durch Werkstätten und Bureaux, Schuppen und Maschinenräume, durch Straßen und über Plätze, welche die ruhmreichen Daten auch der älteren italienischen maritimen Geschichte festhalten, wie Piazza Don Juan d'Austria, via Marc Antonio Colonna, wandert man zu den Trockendocks, in denen ältere und neuere Schiffe den nach mehreren Jahren des Dienstes nothwendigen Reparaturen und Reinigung des Kielbodens sich unterziehen, zu den beiden der riesigen Panzer schiffe „Dandolo" und „Duilio", welche vor etwa 20 Jahren als stärkste Schiffe der Welt den Stolz Italiens bildend, jetzt veraltet sind und «inem übrigens leider recht kostspieligen Umbau unterworfen werden. An anderer Stelle ist der Bau eines neuen riesigen Panzerschiffes nach den Plänen des kürzlich ver storbenen Marineministers Brin, der „Regina Margherita", be gonnen. Alle Erfahrungen des japanisch-chinesischen, des spanisch-amerikanischen Krieges werden für den Bau des stolzen Schiffes benutzt werden, aber trotzdem, wie bald wird auch der Typ „Benedetta Brin" veraltet sein? Um so wichtiger erscheint es, daß der italienische Schiffsbau in den letzten Jahrzehnten sich vollkommen vom Ausland emancipirt hat und in ganzem Umfange nationale Arbeit und Bereicherung darstellt. Eine Ufereisenbahn verbindet alle die Marineanstalten, von denen wir nur auf eine «ingehen konnten und einen Theil der Uferforts. Nach Süden und Westen am meisten vorgeschoben, würde das Jnselfort Palmaria voraussichtlich zuerst mit dem Feinde in Berührung kommen. In Verbindung mit dem gegen überliegenden Fort Maralunga deckt es die südliche und westliche Hafeneinfahrt und deshalb sind in beiden Forts Armstrong- Panzerthürme mit Krupp'schen 40-C«ntimeter-Geschützrn auf gestellt. „Angesichts Vieser beiden treuen Wächter wird der Traum eines gewaltsamen Einbruches in den Golf von Spezia, den unsere französischen Brüder träumen, ihnen voraussichtlich theuer zu stehen kommen." Diese Worte eines italienischen Mtlitairblattes kennzeichnen den Geist, aus dem heraus Spezia das geworden ist, was es heute ist. Die Gesammtzahl der Forts und Batterien, welche den Kriegshafen zu Lande und zu Wasser schützen, wird mit 50 nicht zu hoch angegeben sein; auch auf dec Weiterfahrt nach Florenz entdeckt das militairisch gesckMlte Auge noch oft das Kahlmauerwerk von Befestigungen Es widerstrebt fast, in italienischer Umgebung so gründlich wie deutsche Gründlichkeit es nahelegt und deutsche Leser es erwarten, zu beobachten und zu berichten. Das italienische Leben, das hier schon in allen Beziehungen national und cha rakteristisch ist, hat jenen Stich ins Sorglose, der leichten Lebens führung, welcher den oberflächlichen Beobachter entzückt unv mit fortreißt, den tiefergehenden ab und zu wohl auch mit Be- sorgniß erfüllt, gerade dann, wenn er sich als warmen Freund des liebenswürdigen verbündeten Volkes fühlt. Drr frühe Morgen meines zweiten Tages in Speziv war mit flüchtiger Besichtigung eines kleinen Theiles des Arsenals vergangen, das in der Hauptsache für den folgenden Tag Vorbehalten blieb. Um 10 Uhr schloß sich nun eine entschiedene Dergnügungsnummer meines militairischen Programmes an, «ine Parade der ge summten Garnison von La Spezia. Veranlassung derselben: Die Abreise de» bisherigen commandinnden Admirals Accinni behufs anderweiter dienstlicher Verwendung und Bewillkomm nung seines Nachfolgers. Localrahmen: Dre südliche Vegetation von in Kraft strotzenden Palmen, Cedern, Limonen und anderen südlichen Bäumen und Gewächs«» d«s gUmUoo publica vor»
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite