Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.11.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-11-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981117027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898111702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898111702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-11
- Tag1898-11-17
- Monat1898-11
- Jahr1898
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezug-Preis Al Ur Hauptexpedition oder de» im <6tadt» bezirk und de» Vororten errichteten Au«- oabestrllen ab geholt: vierteljährlich^ 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« Hau» 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteffährlich 6.—. Directe tägliche Kreuzbandsendung tu« Aulland: monatlich 7.50. Die Morgen-AuSgabe erscheint «m '/,? Uhr, hie Abend-Aulgabe Wochentag« um b Uhr, NeLartion «nd Lrpeditiou: Johanne-gaffe 8. Die Expedition ist Wochentag« »»unterbrach«» geöffnet vou früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Mialen: vtt» Klemm'« Gartim. (Alfred Hahn), UniversitätSstratze 3 (Paulinum), Louis Lösche, Katharinenstr. 14. Part, und König-Platz 7. 583. Abend-Ausgabe. WpMcr Tagr-l alt ArtzeigenPreiS die 6 gespaltene Pefiizeile 20 Pfg. Reklamen unter dem Ncdacllonsstrich Kur spalten) 50vor den Familiennachrichtea (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis» verzeichniß. Tabellanscher und Ziffernsay nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefvrderun^ 60.—, mit Postbesürderung 70.—. Anzeiger. Amtsökatt -es königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes und Nolizei-Ämtes -er Lta-L Leipzig. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag vou E. Polz in Leipzig, Donnerstag den 17. November 1898. 92. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzi,, 17. November. Als zu Anfang des August 1896 auf dem internationalen Socialistencongreß stürmische EntbrüderungSscenen sich ab spielten, wurde der socialdemokratischen „Leipziger VolkSztg." auS London u. A. geschrieben: „Zu bedauern ist, daß der Antrag, die Stellung der Socialtstcn zur auswärtige» Politik zu präcisiren, nicht zur DiScussicn gelangt ist. Der Wunde Punct der Demokratie ist die aus wärtige Politik, da sie ihre gan;e Kraft der inneren Politik zuwendet. Dies gilt noch mehr für die Socialdemokratie, für die die auswärtige Politik viel fach eine torr» incognitL, ein unbekannter Boden, ist. Die socialdemokratische Presse Deutschlands zeigt in solchen Dingen manchmal eine Unwissenheit, wie sie nur bei Chinesen zu finden sein sollte. Eine derartige DiScussion hätte sehr belehrend wirken können". Mit einem heitern, einem nassen Auge hat dcimals der „BorwärtS" diese Kritik theoretisch gebilligt; praklisch ihre Berechtigung zu erhärten, hat er sich seitdem ebenso angelegen sein lassen, wie die „Leipz. BolkSztg." selbst, selten aber mit solchem Feuereifer wie jetzt in einem Leitartikel „Zur Weltlage". Darin rutscht daS socialdemokratische Centralorgan, nm in seiner Sprache zu reden, vor England in einer Weise am dem Bauche, die beim besten Willen nicht anders als hündisch genannt werden kann. Während der Ausgang des Streites um Faschoba doch weiter nichts als die Schwäche Frankreichs offenbart hat, erblickt der „Vorwärts" in ihm den Beweis für die gigantische Größe Englands; wäbrcnd Rußland als die Heimath des Hungertyphus gemall wird, geschieht der hungernden, der Bubonenpest verfallenen Indier und der auSgesogenen Irländer mit keinem Worte Erwähnung; während Rußland als die Macht gebrandmarlt wird, „durch deren wahnsinnige Eroberungssucht die Kriegsgefahr herausbeschworen wirb", gedenkt der „Vorwärts" der seit Jahrhunderten un stillbaren Ländergier Großbritanniens mit keiner Silbe. Die Krone aber setzt der „Vorwärts" seinen weltpolitischen Be trachtungen dadurch auf, daß er für Deutschland einen Krieg mit Frankreich und Rußland zusammen für weniger gefährlich erklärt als einen Krieg mit Frankreich allein, „wenn England nicht unser Freund wäre". „Im Falle eines Kriege« mit Frankreich und Rußland dagegen hätten wir unzweifelhaft die direkte oder indirekte Unterstützung Englands." Daß wir bei einem Kriege gegen Frankreich allein die direkte oder indirecle Unterstützung Englands mindestens ebenso „unzweifel haft" hätte», darauf geht der „Vorwärts" nicht ein, obwohl er die Erbitterung Englands gegen Frankreich feststellt; auch der Dreibund existirt für ihn nicht, ihm ist der Weisheit letzter Schluß, daß Deutschland sich sozusagen unter das Protectorat Großbritannien S begiebt! Da Fürst Bismarck bekanntlich anderer Meinung war, sieht sich der „Vorwärts" zu der köstlichen Bemerkung bewogen, daß Bismarck „für die Weltpolitik stets sehr wenig Verständniß gehabt hat"! Vermuiblich aus Freude darüber, dem Fürsten Bismarck an weltpolitischem Verständniß himmel hoch überlegen zu sein, vergißt der „Vorwärts" seinen Wider stand gegen die letzte Mar ine Vorlage, indem er für den Fall eines Krieges zwischen Deutschland und Frankreich allein, in dem England nicht „unser Freund" wäre, Folgendes prophezeit: „Wir wären durch die weit überlegene Flotte Frankreichs von der See und von allen überseeischen, für die Ernährung unseres Volkes und unserer Armee unentbehrlichen Getreidezufuhren abgeschnitten, und dadurch kämen die Franzosen in einen Vortheil, den auszugleichen für uns äußerst schwierig sein würde." — Wirksamer kann die Noth- wendigkeit für die Verstärkung unserer Flotte nicht ver anschaulicht werden! Wenn im neuen Reichstage wirklich so viele treue An hänger des Bundes der Landwirthe säßen, wie die „Deutsche TageSztg." behauptet, und wenn alle diese Anhänger ganz so wie dieses Blatt dächten, so drohte bei der Erneuerung des Quinquennats der zweijährige» Dienstzeit und damit der bäuerlichen Bevölkerung des Reiches eine ernste Gefahr. Die „Deutsche Tagesztg." schreibt nämlich: „Heftige Kämpfe wird nach menschlicher Voraussicht die Frage der zwei jährigen Dienstzeit erregen, es sei denn, daß die Negie rung überzeugend Nachweisen könne, daß sie sich bewährt habe und vollkommen unbedenklich sei. Schwer wird der Nachweis zu führen sein." — Die dem Bunde der Landwirthe nahestehende Presse sucht immer wieder den Nachweis zu führen, daß die bäuerliche Bevölkerung in viel höherem Maße diensttauglich sei, als die städtische. Gesetzt nun, daß diese Behauptung richtig wäre, so würde unter der Wieder verlängerung der Dienstzeit die ländliche Bevölkerung am meisten zu leiden haben. Hierzu kommt noch, daß erfahrungs mäßig der Aufenthalt in den größeren Städten während der Militairzeit den Bauernsöhnen oft die ländliche Arbeit verleidet und sie veranlaßt, nach Ablauf der Dienstzeit den Versuch zu machen, in der Stadt Arbeit zu finden. Je länger nun der Auf enthalt in der Stadt während der Dienstzeit dauert, desto größer ist selbstverständlich die Gefahr, daß die Bauernsöhne ihrer länd lichen Heimath entfremdet werden. Diese Gefahr wcrd noch da durch verstärkt, daß bekanntlich den Soldaten im dritten Dienst- jabre der Dienst sehr leicht fällt und daß sie deshalb um so weniger Lust haben, zu der barten ländlichen Arbeit zurück zukehren. Wenn die bündlerische Presse immer behauptet, baß der Bund der Landwirthe keineswegs nur die Interessen der Großgrundbesitzer fördere, sondern auch die bäuerlichen Interessen nach Kräften unterstütze, so ist die von der „Deutschen Tageszeitung" gegen die zweijährige Dienstzeit gerichtete Attacke kein sehr schlagender Beweis für die Fürsorge deS Bundes für die bäuerliche Bevölkerung. Die Bauern können sich aber damit trösten, daß kaum der vierte Theil deS Reichstags in dieser Hinsicht die Anschauungen des bündlerischen Organs theilt. Nun hat auch der englische Colonialminister Chanibcrlat» über Vic Weltlage gesprochen. Den auf Egypten bezüglichen Theil seiner Rede haben wir schon mitgetheilt. Er bestätigt nur, was wir stets betont haben, daß England den ganzen e zyprischen Sudan beansprucht und von Frank reich absolute Resignation fordert. Neu war die Bemerkung, daß England überall auf colonialen Wegen der rücksichtslosen Feindschaft Frankreichs begegne, auch dort, wo das letztere keinerlei materielle Interessen habe. Die englisch-französischen Differenzen sind also viel weiter und tiefer gehende, als man nach dem Faschodazwist vielfach angenommen hat. Nach einem Hinweis aus das freundschaftliche „Einvernehmen zwischen den Vereinigten Staaten und England" fuhr Chamberlain, der die Hoffnung aussprach, dasselbe werde noch vollkommen werden und beide Völker in den Stand setzen, den Frieden und die Civilisation der Welt zu sichern, weiter fort: Großbritannien wünsche nur solche Borbereitungen in China, als nothwendig seien, um seine maritime Stellung zu garan- tiren. Großbritannien halte es nicht für nöthig, den Bestrebungen anderer Mächte Hindernisse zu bereiten, vorausgesetzt, daß sie nicht gegen jenes große Princip verstoße», Laß die Märkte Chinas dem ehrlichen Wettbewerb offen gehalten werden. In der Frage der dem Auslande in China gewährten Concessionen habe England bisher keinen Grund zur Klage. Redner gebe indessen zu, cs bestehe einige Gefahr, daß Großbritannien von einigen offenen Märkten in Zukunft ausgeschlojsen werde. Ein Abkommen mit Rußland sei Wünschenswerth, aber er habe mit solchen Abkommen die Erfahrung gemacht, daß keines andauernd seine Geltung behaupten könne, wenn es nicht im Interesse beider Parteien liege, daran festzuhaltcn, oder wenn nicht eine Partei stark genug sei, das Festhalten an dem Abkommen zu erzwingen. Thatsachlich wünsche Großbritannien eine bessere Garantie, um der Politik eine offene Thür zu sichern, als das auf dem Papier stehende Ucbereinkommen. Eine solche aber könne nur in einem allgemeinen Uebereinkommen der Nationen ge funden werden, die in China eine liberale Handelspolitik befolgten: Deutschland, Japan und die Vereinigten Staaten stünden dieser Politik günstig gegenüber. Japan habe in den letzten wenigen Jahren Vorbereitungen getroffen, die ihm bald die Macht geben, die in keiner Combination im Orient vernachlässigt werden dürfe. Chamberlain äußerte seine Freude über die Be ziehungen zu Deutschland und den Vereinigten Staa ten, die enger und herzlicher geworden seien, als sie es bis vor Kurzem waren. Die Interessen dieser beiden Länder seien dieselben, wie die Großbritanniens, aber es sei keine Rede von einem formellen Bündnißvertrage, den Groß britannien nicht brauche. Großbritannien sei fähig, für sich allein zu stehen, aber wenn es eine Allianz eingehe, könne es ebensoviel geben, als es erhalte. Gleichzeitig fuhr Cham berlain fort, die freundlichen Beziehungen zu den Mächten zu betonen, deren Interessen mit den Großbritanniens überein stimmen, und drückte deshalb namentlich seine Freude aus, daß solche Fortschritte in den Beziehungen zu Deutschland gemacht worden seien. Er könne keinen Platz in der Welt sehen, wo die deutschen Interessen im ernstli ch en Widerspruch mit denen Großbritanniens ständen. Er halte es deshalb für möglich, auch ohne eine ständige Allianz zur all gemeinen Verständigung mit Deutschland zu gelangen. Also das Ideal Cbamberlain's ist eine Verständigung oder ein Uebereinkommen Englands, den Vereinigten Staaten, Japans und — Deutschlands, das zunächst in Ostasien wirksam werden soll. Daß dasselbe gegen Rußland und indirect gegen Frankreich gerichtet ist, geht mit wünschens- werther Deutlichkeit daraus hervor, daß Chamberlain dasselbe gegen diejenige ostasiatische Macht engagirt, welche eine liberale Handelspolitik nicht verfolgt, von der „offenen Thür" nichts wissen will und dabei ist, England von einigen offenen Märkten, wie Niutschwang, zu verdrängen: das ist aber keine andere als Rußland! Das Charakteristischste an Chamberlain'S Manchester-Rede ist das dreimalige nach drückliche Betonen der enger und herzlicher gewordenen Be ziehungen zwischen England und Deutschland. Ein formeller Bündnißvertrag, sagt der Minister, ist weder mit densVereinigten Staaten noch mit Deutschland geschlossen worden, aber er giebt deutlich zu erkennen, daß England einem solchen, einer „ständigen Alliance", keineswegs abgeneigt sei, ja daß es dieselbe den beiden Mächten förmlich anbietet. Darf man nun aber daraus, daß eine ständige Alliance mit Deutschland noch nicht besteht, schließen, daß eine solche für einen einmaligen bestimmten Zweck perfect geworden ist? Chamberlain scheint dies andeuten zu wollen, und somit hätten wir die Bestätigung der Nachricht von einem deutsch-englischen Ueber einkommen, das angeblich nur Afrika betreffen soll, und das auf Grund der Beobachtung geschlossen wurde, daß englische und deutsche Interessen nirgends in der Welt collibiren. Diese Behauptung ist so ost widerlegt Wörden — Englands Interessen collibiren mit allen seinen überseeischenjNachbarn, die sich seinen jAnsprüchen nicht fügen —, daß eine Wider legung überflüssig ist. Ein Zusammengehen mit England würde also auf irrigen Voraussetzungen basiren und uns nicht nur keinen Vortheil bringen, sondern auch die von Deutsch land bisher erfolgreich innegehaltene Politik freunvnachbar- licher Beziehungen zu Rußland über den Haufen werfen. Nnßland bietet uns nichts, aber eS hat auch kein Interesse, uns etwas zu nehmen. England bietet trotz Chamberlain'S gegentheiliger Versicherung ebenfalls nichts, aber cs ist lüstern nach unserem afrikanischen Colonialbesitz. Wie eine uns telegraphisch übermittelte Depesche der römischen „Tribuna" aus Neapel meldet, läuft dort mit Hartnäckigkeit daS Gerücht um, daß in den letzten Tagen ein französisches Schiff die Küste von Raheita (afrikanische Rolhemeerküste) angelaufen und dort einen französischen Officier und einige französische Sol daten an Land gesetzt habe. Der italienische Com- mandant in Raheita habe sie benachrichtigt, daß das Gebiet ein unter italienischem Schutze stehender Platz sei. Der französische Officier soll darauf zwar einige Vorbehalte gemacht, sich aber mit seinen Leuten wieder eingeschifft haben. Der Vorfall habe peinlichen Ein druck hervorgerufen, da man annehme, er sei eine Folge der Jntriguen des Er-SultanS von Raheita und des russischen Anspruchs, daß daS italienische Protectorat über die ge nannte Küste nicht anzuerkennen sei. Die „Tribuna" be merkt zu dieser Meldung, diese Gerüchte seien auch in Rom in unklarer und unsicherer Form aufgetreten, doch hält daö Blatt dafür, daß eS sich um eine irrige Deutung der Aufgabe des in Raheita geankerten Schiffes bandle. Niemand werde bei den gegenwärtigen italienisch-französischen Beziehungen glauben, daß Frankreich Gründe zu einer Meinungsverschiedenheit zwischen den beiden Ländern Hervor rufen solle. „Wir erfahren übrigens", schließt die „Tribuna", „daß unsere Regierung, ohne dieser Sache eine übertriebene Bedeutung beizulegen, unsere Interessen und unsere Würde nachdrücklich wahrzunehmen wissen wird." Eine Meldung der osficiösen „Agenzia Stefani" aus Massaua stellt den Fall folgendermaßen dar: An einem zum Sultanat Raheita gehörigen Puncte an der Küste hatte der französische Kreuzer „Scorpion" einen französischen Commissar mit sechs Matrosen und zwei Ascaris gelandet. Der die Garnison von Raheita befehligende italienische Officier begab sich mit einer halben Compagnie an Ort und Stelle und verlangte Aufklärung von dem französischen Com missar. Dieser antwortete mit der Behauptung, daß dieser Punct bereits auf französischem Gebiete liege. Er erklärte sich jedoch bereit, mit den Matrosen an Bord des I „Scorpion" zurückzugehen, ließ aber die beiden Ascaris an I Land und theilte ihnen einen seiner Civiibeamten zu. Der I italienische Officier ließ nur einen Zug an Ort und Stelle I zurück in der Erwartung, daß der Vorfall zwischen den beider- Die Settelmaid. 6j Roma» von Fitzgerald Molloy. Nachdruck verbot«». „Da ist sie übrigens in eigener Person", rief Capri lachend. Sie hatte zwei, drei Stufen auf einmal genommen und stand jetzt mit wogendem Busen und sanftgerötheten Wangen wie «in Bild zwischen Thür und Angel. Ihre dunklen Augen blitzten vor Erregung, ihr glänzendes schwarzes Haar umrahmte ein Antlitz, wie es ein griechischer Bildhauer des Alterthums keiner Göttin schöner und vollendeter hätte verleihen können. „Hier bin ich, Marc, um Dir das Atelier in Ordnung bringen zu helfen, ehe Deine vornehmen Gäste erscheinen. Das weibliche Auge vermag in dergleichen Dingen Wunder zu wirken, Mister Marrix." „Es vermag auf jeden Fall mehr, als die Arm« zweier unge schickter Männer", «ntgegnete dieser, indem er bewundernd auf das Mädchen blickte. „O, wie freundlich von Dir, daß Du gekommen", rief Marc erfreut, während eine heiße Blutwell« seine Wangen röthei«. Er blickte innig in ihre Augen und dann wieder auf ihr Ebenbild auf der Staffelei. Es war ihm gelungen, ein beinah« vollkom menes Portrait von ihr zu entwerfen, und doch lag ein gewisses Etwas in ihrem Gesicht, das er nicht wiederzugeben vermocht«. Er bemerkte es jetzt und seufzte auf. „Ich bin nicht im Stande, Dich zu malen, wie Du wirklich aussiehst", sagte er unzufrieden und berührte daS Bild leicht mit dem Pinsel. „Du bist undankbar gegen Deine Muse, lieber Freund. Ich bin mit Deiner Leistung zufrieden, und wenn sie meiner weib lichen Eitelkeit genügt —, so sollte Dir das die beste Gewähr leistung für die Genialität Deiner Arbeit sein." Bei diesen Worten trat sie an seine Seite; er sah zu ihr auf und lächelte beglückt. „Du hast Recht, Capri", flüsterte er. „ES ist bei Weitem Deine beste Arbeit, altes Haus", mischte sich Newton ins Gespräch, „aber Du hast zu viel vom echten Künstler in Dir, um jemals mit Dir zufrieden zu sein." — Er gesellte sich jetzt ebenfalls zum Künstler und seinem Modell und alle Drei starrten da« Bild «in« Weil« schweigsam an ... Capri ergriff zuerst das Wort. „Ich bin neugierig, was ich nach vierzig Jahren dazu sagen würde. Jetzt ist es mein leibhaftiges Ich. Dann werde ich viel leicht meine Wangen mit ebenso viel Farbe belegen, wie jetzt die Leinwand belegt ist und ebenso nach meiner verblühten Jugend seufzen, wie ich jetzt nach Reichthum seufze." Sie lachte hell auf und zwei Reihen tadelloser weißer Zähne kamen zum Vorschein, im nächsten Augenblick jedoch stahl sich ein ernster Ausdruck in ihre feuchtschimmernden Augen. „Wozu an die Zukunft denken?" meinte Newton. „Sie haben Recht", «ntgegnete Capri. „Lassen Sie uns lieber an di« Arbeit gehen." „Womit sollen wir beginnen?" fragte der Schriftsteller und schürzte seine Hemdärmel noch höher hinauf. „Verfügen Sie über Ihre ergebenen Unterthanen, schöne Königin Cophetua." „Wollen Sie mir in Allem gehorchen?" „Mit größtem Vergnügen!" „Bringen Sie di« Bettelmaid und alle anderen Studien und Skizz«n in Marc's Heiligthum — ins Schlafcabinet — damit wir hier ungehindert schaffen können." „Zu Befehl, Majestät!" „Ich habe mit Deiner Wirthin gesprochen, Marc, und sie hat sich gnädigst herbeigelassen, Dir für den Nachmittag einen großen türkischen Teppich zu borg«n." „Einen türkischen Teppich!" riefen die Freunde gleichzeitig, und Newion ließ einen langgezogenen Pfiff zwischen den Zähnen ertönen, d«r das Uebermaß seines Erstaunens ausdrucken sollte. „Ja, und noch dazu einen funkelnagelneuen! Doch da kommt er, Ihr könnt Euch von seiner Pracht sofort selbst überzeugen." Sie riß die Thür weit auf, damit das Dienstmädchen, das ihn die Treppe heraufbrachte, eintretrn könne. „Eine herrliche Idee!" ries Newton begeistert und zerrte ihn eigenhändig mit solchem Eifer ins Zimmer, als ob es sich um einen Halbertrunkencn handelte, den er eben aus den Wellen retten wollte. „Jetzt noch schnell fort mit den Pinseln, die Du in der Hand hast!" commandirt« Capri. „Aber, Marc, wie unordentlich bist Du, eben hast Du auf Deinen besten Pinsel getreten!" Newton Marrix hatte alle Bilder in» Schlafzimmer getragen und die Drei breiteten jetzt den Teppich in die Mitt« des Ateliers. „Er bedeckt glücklicher Weis« die meisten Oelfleck« auf dem Fußboden", rief Marc triumphirend. „Wo ist Deine zerbrochene Vase? Ich habe einen Strauß Primeln mitgebracht. Ach, da steht sie, aber sie ist mit Stiftchen, Stecknadeln und allerlei Knöpfen angefüllt. Du armer Jung geselle! Wie hilflos und unordentlich würden selbst die Besten unter Euch sein, wenn sich nicht das schöne Geschlecht Eurer er barmte, jeder Einzelne würde schließlich zu Grunde gehen!" „So ist's", stimmte der galante Newton zu. „Ihre Worte haben mich bekehrt und ich bin entschlossen, dem Junggesellen- thum abzuschwören." „Lassen Sie den Spott, mein Herr. Ihr Männer von der Feder seid bekanntlich die schlechtesten Ehegesponse und ich wun dere mich nur, daß Ihr überhaupt noch Gattinnen findet." — „Ihre Majestät urtheilt gar zu streng." „Aber wahr. . . Diese Terracottavase sicht zwar sehr alt aus, aber sie wird ihren Zweck doch erfüllen", sagte sie und ord nete die ersten Frühlingsboten so geschickt, daß die zerbrochene Stelle gänzlich verdeckt wurde, sprang auf ri-nen Stuhl, stellte Vie Vas« auf ein kleines Wandbrettchen und sprang rasch wieder hinunter, ehe einer der Herren ihr behilflich sein konnte, und be wunderte die Wirkung, die das reizende Arrangement hervor brachte. „Wie duftig die Primeln in dem alten rothen Gefäß aus sehen!" rief Newton begeistert. „Ja, ich bin mit meinem Werke zufrieden, aber Marc, wo sind Deine Kreidezeichnungen?" „In der Mappe", antwortete dieser. „Was willst Du mit ihnen beginnen?" „Welche Frage! Ich werde den Hercules, die Venus de Medici und einige andere Perlen an die Wand hängen, um der ärm lichen Dachstube ein künstlerisches Aussehen zu geben." „Sie entwickeln heute ganz prachtvolle Ideen, schöne Königin", lokle Newton. „Rasch heraus mit den Zeichnungen, mein Jung«. Wenn das so fort geht, werden wir Deine Klause gar nicht wiedererknnen." „Ich werde sie zu einem gemächlichen Künstlerheim umge staltet haben", sagte Capri mit Befriedigung. „Ihre Anwesenheit verleiht ihr erst die Weihe." „Sie da, vorhin waren Sie ironisch und jetzt werden Sie poetisch und machen mir gar Complimente. Falschheit, Dein Name ist Mann!" „Das ist eine neue Deutung eines alten Satzes." „Und zwar eine richtige. Nur weil Shakespeare »in Mann war und die Vorurtheile seines Geschlecht» theilt«, konnte er sagen: Schwachheit, Dein Name ist Weib!" „Ich schweige." „Wenn Sie das könnten, würden wir nur gewinnen." „Wie unfreundlich! Aber gestatten Sie trotzdem, daß ich Ihnen die Kreidezeichnungen aufhängen helfe", sagte der Schrift steller und reichte ihr den Hercules. Capri befestigte, auf ein«m Stuhle stehend, die Studien mit kleinen Stiften, die sie zwischen ihren Rosenlippen hielt, und plauderte dabei fortwährend. Marcus Phillips sprach dabei kein Wort, sondern beobachtete aufmerksam jede ihrer Bewegungen. Ob sie nun die Arme über den Kopf erhob, diesen wandte, um eine Frage zu stellen, oder ihren schlanken Hals neigte, ihre Stel lung war stets klassisch und lieblich in ihrer Anmuth. „So, Marc, jetzt kannst Du die Bilder herausbringen", be fahl sic, vom Stuhl hüpfend und noch rasch einige Gipsarme uns -Füße abstaubend. Die jungen Leute überboten sich in ihrem Diensteifer. Zu rrst brachten sie zwei Seebilder zum Vorschein, sodann eine Skizze, die das Innere der Kathedrale von Canterbury vorstellt, von der sich der Künstler selbst in den Tagen der herbsten Noth nicht zu trennen vermochte, weil er sie noch während seiner thea tralischen Laufbahn entworfen, als er mit seinem ersten Bühnen^ lehrer in dieser Stadt gastirte. Auch einige kleine Studien, idyllische Landschaften bei Son nenaufgang oder Mondschein, die Dämmerung am Meer und dergleichen mehr wurden zur Schau gestellt. Aus diesen Bildern konnte man di« verschiedenen Stadien der Entwickelung des Künstlers beurtheilen und alle trugen mehr oder weniger den Stempel des Genies. Zuletzt kam „Die B«ttelmaid" an die Reihe und Capri's lebenswahres Portrait verlieh dem Atelier erst den rechten Glanz. Es schien wirklich, als ob eine gütig« Fee diesen Raum plötzlich verwandelt hätte: Die satten, Hellen Farben des türkischen Tep pichs gaben ihm einen behaglichen Anstrich, der große Strauß gelber Primeln stach vortheilhaft von der dunklen, verblaßten Tapete ab; di« Kreidezeichnungen, die so angebracht waren, daß sie dem Eintretenden sofort ins Auge fallen mußten, nahmen sich sehr künstlerisch aus. Zwei Pastellbilder und mehrere Gips abgüsse zierten den Kaminsims. Der Gesammteindruck war in der That ein malerischer. Die drei Freunde standen am entgegen gesetzten Ende des Zimmers und prüften dasselbe mit kritischen Augen. Newton Marrix mit zur Seite geneigtem Haupte wie ein nachdenklicher Canarienvogel. Capri's lebhafte Augen wanderten von «in«r Ecke zur anderen, um vielleicht noch etwas zu entdecken, das einer Veränderung bedurfte. MarcuS starrte nur^auf das Bild der Bettelmaid. „Ich glaube, es bleibt uns jetzt nichts mehr zu thun übrig, al» «twa» Weihrauch anzuzünden", unterbrach Newton da»
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite