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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.11.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-11-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981128012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898112801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898112801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-11
- Tag1898-11-28
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So wechselnd wie die Schreibweise des Ortsnamens sich gestaltete, ebenso wechselvoll waren -die Geschicke dieses Geme'indetvesens: Verheerungen aller Art in Kriegs- und Jriedenszeiten stellten wiederholt das Dasein des Ortes in Frage; nur der Ausdauer und dem muthigen Ausharren der verschont gebliebenen Bewohner, sowie deren Umsicht und rastlosen Schaffenskraft war es zu danken, daß Leisnig nicht auch zu jenen wüsten Marken zählt, die dem Wanderer heute auch bei einer Wanderung durch unser Vaterland begegnen. lieber die Bedeutung des Namens Leisnig ist schon viel geschrieben worden, die Einen machen es sich bequem und sagen, der Name entstammt der sorbischen Sprache und bedeutet „Waldort, Waldherm". Wenn man sich aber auf geschichtlichem Boden stellt und berücksichtigt, daß die Gegend vor den Sorben von Deutschen besiedelt war, so wird man zugestehcn müssen, daß die erste Silbe „Leis" deutsch ist und sich auf ein alteingesessenes Geschlecht der Gegend bezieht, die zweite aber aus dem Slawischen der deutschen Silbe angehängt ward. Das geschah, als die Slawen sich zu -Herren der Umgebung machten, sie setzten der Silbe „Leis" die Silbe „itz" zu, und als sich die Bewohnerzahl ferner mehrte, wurde die slawische Pluralform angehängt, urw so entstand Leisnici. Wann die Gründung von Leisnig erfolgte, läßt sich — wie dies ja bei den meisten Städten der Fall ist — nicht nachweisen. Urkundlich wird es zuerst um 1040 erwähnt. Unterm 0. December 1040 schenkte König Heinrich III. dem Bischof Hunold von Merseburg und dessen Stifte ein Gut in der Burg wartei Leisnig. Noch vor dieser Zeit fand sich schon in der Muldenaue, da, wo die Dörfer Altleisnig und Tragnitz sich aus breiten, ein volkreicher Ort, der ein sorbisches Städtchen gewesen sein mag, dem wohl die Stadtmauern fehlten, dafür waren aber Wassergräben vorhanden, die dem Orte Schutz gewährten. Ur kunden aus 'den Jähren 1210, 1266, 1268 und 1286 lassen er kennen, daß Altleisnig bereits Stadt war. Mit der Burg Leisnig entstand auch 'das neue Leisnig, die ersten An siedlungen entstanden da, wo jetzt die Vorstadt Neusorge sich ausbreitet. Man nimmt allgemein an, -daß die sächsischen Kaiser die Gründer 'oer Neustadt Leisnig waren. Kaiser Heinrich IV. beschenkte Wiprecht von Groitzsch eigenthümlich mit der Burggrafschaft Leisnig im Jahre 1083. Der neue Herr sorgte für das Ansehen der Stadt und für deren Aufblühen. Er ließ aus Rom für die Kirche Reliquien kommen, unter anderen den Arm und 'das heilige Blut des Laurentius. Am Todestage Les heiligen Laurentius, der 10. August, ward diese Reliquie aus gestellt, und es sanden sich viele Wallfahrer in Leisnig ein. Aus diesen Wallfahrten entstand der Läurrntiusjahrmarkt, der heute noch in Leisnig alljährlich abgehalten wird. Bis zum Jahre 1700 war es der einzige Jahrmarkt, den Leisnig abhalten durfte. Erwähnte Reliquie Hot sich bis auf den heutigen Tag erhalten, sie wird in der Sammlung des Leisniger Alterthums- vereins aufbewahrt. Wiprecht von Groitzsch erbaute auf der Spitze des in das Müldenthal hinausragenden Felsens eine neue, steinerne, stattliche Herrenburg. Als Wiprecht 1124 im Kloster zu Pegau feine müden Augen schloß, hatte er schon die Herrschaft Leisnig an seine Tochter Bertha vererbt, diese überließ sie ihrer Tochter Mechthild. Graf Rabodo von Abensberg, der Gemahl oer Mechthild, verkaufte die Herrschaft Leisnig an Kaiser Friedrich Barbarossa für 500 Mark Silbers (23 000 <--(), der sie 1157 zu einer Reichsburggrafschaft erhob und mit einem Burggrafen besetzte. Solcher Burggrafen hat es in Leisnig neun gegeben; einer der letzten war Heinrich III. Wegen Befehdung des Klosters Buch ward er 1365 von dem Mark grafen zu Meißen, Wilhelm von Wettin, mit Krieg überzogen. Er unterlag und mußte die Herrschaft Leisnig dem Sieger als Kampfpreis überlassen, und die Herrschaft Leisnig ward der Markgrafschaft Meißen rinverleibt. Von nun an blieb Leisnig unterderHerrschaftdes Hauses Wettin. Obwohl die Burggrafen ihren Wohnsitz von Leisnig nach Penig und Rochsburg verlegten, nahm die Stadt einen ansehnlichen Aufschwung; wiederholt wird erwähnt, daß Leisnig nächst Meißen in der Markgrafschaft die be deutendste Stadt gewesen sei. Die über Deutschland herauf ziehenden Hussiten kamen auch vor Leisnig, ihrem Grundsatz gemäß, nur das zu nehmen, was schnell zu erreichen war, verwüsteten sie zwar die Umgebung der Stadt, das feste Schloß, das den Bürgern zum Schutz dient«, konnten sie aber nicht nehmen. Nach den Hussitenkriegen machte sich großer Geld mangel fühlbar, die Prerse waren äußerst niedrig. Es kostete im Jahre 1453 ein Scheffel Korn 2 Gr. 6 Pfg., ein Pfund Karpfen oder Hecht 2 Pfg., Rindfleisch 4 Pfg. Zu Ende des 15. und zu Anfang des 16. Jahrhunderts ward Leisnig wieder holt von großen Unglücksfällen heimgesucht. Die P e st wüthete 1495 und von 1502 bis 1508. Besonders traurig war das Jahr 1504, nach einem harten Winter kam ein heißer, sehr heißer Sommer, 17 Wochen lang fiel kein Regen. Zur Pest gesellte sich die Theuerung. Um -das Unglück noch zu verschlimmern, brach am 22. Juli 1510 ein großer Brand aus, der von den damals in Leisnig vorhandenen 156 Häusern -die Hälfte in Asche legte. Der Schmalkaldische Krieg zog auch Leisnig in Mitleidenschaft. Am 21. April 1547 traf Kaiser Karl V. mit seinem Gefolge in Leisnig ein. Kurz vor ihm war der Oberst Graf Tolodo mit vier Fähnlein Fußvolk und drei Geschwadern leichter Reiterei «ingerllckt. Spanische Soldaten plünderten unter Anführung zweier Officiere, es waren dies die Schwiegersöhne des Grafen Toledo, «in zu Leisnig gehöriges Dorf, wobei eine Jungfrau erstochen ward. Voller Ingrimm fchaarte sich die Leisniger Bevölkerung zusammen und erschlug die beiden Offi ciere. Die Folge davon war, daß Graf Toledo anordnete, die Stadt Leisnig solle in Brand gesteckt werden, doch -davon wußten nur wenige Officiere. Unter die Bürgerschaft ward Stroh in großen Mengen vertheilt, das dieselbe auch gern annahm, nicht ahnend, daß sie mit diesem Geschenk selbst ihr Verderben vor bereitete. Nachdem am 22. April Kaiser Karl V. mit seinem Gefolge abgerückt war, sollte dir Stadt in Flammen aufgehen. Da sprengt Hauptmann Falkenberg an den Kaiser heran und meldet ihm, daß er sich in der vergangenen Nacht in dec Ge burtsstadt seines Vertrauten, des Peter Apian, -befunden habe, es sei noch Apian's Bildniß, sein Wappen und sogar die Stube vorhanden, in der er geboren worden sei. Nach dieser Meldung erging sofort der kaiserliche Befehl, „daß es ihm nicht lieb sei, daß man den fürnehmen Apianum also betrüben und seine Vaterstadt in Unglück setzen wolle". Infolge dieses Befehls unterblieb die Jnbrandsteckung, es wurde sogar ausgerufen, daß kein Soldat einen Bewohner der Stadt beleidigen oder ihm das Geringste nehmen solle. So verdankte Leisnig an diesem Tage feine Errettung feinem großen Sohne Petrus Apianus- Bennewitz. In dankbarer Erinnerung und zum ehrenden Andenken ist der Lindenplatz rechts der Chemnitzer Straße auf Anregung des Leisniger Geschichts- und Alterthumsoereins „P e t er-A p ia n - P l a tz" benannt worden. In schrecklicher Weise suchte der unheilvolle Drei big- jährigeKrieg Leisnig heim. Die ersten feindlichen Truppen zeigten sich im September 1632 vor der Stadt; sie bekannten dieselbe, konnten sie aber nicht nehmen, da sich die Bürgerschaft tapfer vertheidigte, was die Kaiserlichen der Stadt nicht hatten anthun können, das mußten dir umliegenden Dörfer büßen. Bis zum Jahre 1634 gelang es der Bürgerschaft, die wilden Horden durch Geldgeschenke abzuhalten und so die Stadt vor größerem Unglück zu bewahren. Am 21. October dieses Jahres kam der kaiserliche Obrist Abraham Schönnickel mit drei Re gimentern zu Fuß und zu Roß vor Leisnig an, er bat um Nachtquartier und gab das Versprechen, Niemandem ein Leid anzuthun, er fei ja Landeskind und selbst Lutheraner. Ver trauensselig öffnete man die Thore, kaum aber war er in der Stadt, so machte er sich zum Herrn derselben und eine vier tägige Plünderung begann. Die geängstete Bürgerschaft rettete sich auf das Schloß, da aber eine Besatzung fehlte, mußte sich 'das Schloß am folgenden Tage auch ergebtn. Schönnicket verlangte 4000 Thaler Brandschatzung, begnügte sich aber nach längerer Verhandlung mit 1500 Thaärn. Diese Summe schoß der Amtsschösser Horn vor, dieser verlor sein gesummtes Geld und Silberzeug, außerdem auch noch 2704 Gulden herrschastliche Gelder, die er der Unsicherheit 'der Straßen wegen nicht hatte in Sicherheit bringen können. Die entmenschten Schaaren Schönnickel's hausten in der Stadt in rohester Weise, auf dem Rathhause raubte man 1500 Gulden Steuergelder, die Stadt kirche ward erbrochen und Alles, was Geldeswrrth hatte, geraubt. Haus um Haus ward geplündert, Frauen und Jungfrauen gemartert und geschändet, da sich viele vornehme Personen in die Stadt geflüchtet, so rechnet man den Schaden der Plünderung auf 200 000 Gulden. Um die Stadt vor Einäscherung zu be wahren, mußte sich das Schloß ergeben; Diejenigen, die sich hierher geflüchtet, mußten Schönnickcl fußfällig um Gnade bitten und sich mit Geld auslösen. Im November kamen aber mals vier Regimenter nach Leisnig, die die Plünderung fort setzten; am Abend vor Weihnachten stellten sich zwei -Compagnien Reiter ein, die der geängsteten Stadt unerschwingliche Kontri butionen auferlegten, so daß viele Bürger gänzlich verarmten und Haus und Hof verließen. Ein gleichfalls unheilvolles Jahr war das Jahr 1637. Banner, der schwedische Mordbrenner, verlegte sein Hauptquartier nach Leisnig. Starke Einquartirungm drückten dir Stadt, ferner forderte er von der schon verarmten Stadtgemeinde 30 000 Thaler Kontribution, auf demüthigrs Bitten und Flehen ermäßigt« er dieselbe auf 20 000 Thaler, mit den größten An strengungen brachte die Bürgerschaft einige Tausend Thaler zusammen; als er den Rest am 6. Februar nicht erhalten konnte, nahm er bei seinem Abzüge den Bürgermeister Clauß und den Schreiber des Amtsschössers als Geiseln nach Torgau mit, wo der Bürgermeister Clauß bald starb. Bereits am 14. Februar kamen wieder 150 schwedische Reiter in Leisnig an, um den Rest der Contribution zu holen. Man hatte ihnen den Rest zum Theil bereits ausgehändigt, als sie plötzlich von kur sächsischen Reitern und Kaiserlichen -überfallen wurden; von den Schweden blieben nur 27 Mann übrig, da sie betrunken gewesen und im tiefen Schlafe gelegen hatten. Da die Schweden an nahmen, der Ue-berfall sei im Einverständniß mit der Bürger schaft ausgesührt worden, so sollte es das arme Leisnig schwer, sehr schwer büßen. Am 20. März kamen 2000 Schweden nach Leisnig und zündeten die Stadt an. Niemand Durfte löschen, so ging die gesammte Stadt bis auf wenige Häuser in Flammen auf; der durch den Brand verursachte Schaden ward auf 204 000 Gulden geschätzt. Zu all dem Unglück gesellten sich auch noch bösartige Krankheiten, so daß nur 29 Ehepaare am Leben blieben. Leisnig und Umgebung waren vollständig verarmt und ausgeplündert. Um die Aecker einigermaßen bestellen zu können, mußten sich die Frauen nebst Kindern vor den Pflug spannen, während der Mann denselben nachschob. Bis zum August 1645 blieb Leisnig der schwedischen Bedrückung ausgesetzt, am 15. August zogen sie ab, nur eine kleine Besatzung blieb zurück, die sich am 9. September 1645 auch noch zurückzog. Die Stadt war aber so verwüstet, daß der Amtsschösser in Leisnig keine Wohnung finden konnte, denn auch das Schloß war vollständig zur Ruine umgewandelt, er mußte einige Jahre in Dresden Wohnung nehmen. Am 26. November 1648 konnte man auch in Leisnig gleichwie im ganzen Lande das Dank- und Friedens fest feiern. Wohl war es nun Friede, aber es war der Friede eines Friedhofes, überall Verwüstung, Verarmung und Krankheit. Nur allmählich erholten sich die Orte, für Leisnig trafen zum Glück die nach dem großen Brande von 1637 gesammelten Gelder ein, womit man zunächst den Ausbau und den Aufbau des schönen Rathhausthurmes bestritt und den Aufbau der geist lichen Gebäude vornahm. Bis zu Ende des 17. Jahrhunderts hatte sich Leisnig so ziemlich wieder erholt, die Industrie blühte, wohlfeile Zeiten hatten sich eingestellt. Es kostete 1683 ein Scheffel Weizen 1 Thaler 3 Groschen, ein Scheffel Korn oder Gerste 18 Groschen, Hafer 12 Groschen, das Schweinefleisch 9 H, Rindfleisch 8 und Kalbfleisch 6 H. Ein Unglücks- jahr war wiederum das Jahr 1700. Am 5. October brach bei dem Hufschmied Johann Gruhl Feuer aus, welches innerhalb sechs Stunden sich über die ganze Stadt verbreitete und 308 Häuser in der Stadt und drei auf dem Lichtenberge in Asch; legte. Die meisten Bürger maren auf der Leipziger Messe, wes halb es an Löschkräften fehlte. Schon stand die Kirche in großer Gefahr, denn die Spille des Thurmes brannte bereits; in höchster Gefahr steigt rin muthiyer Mann, der Obermüller Valentin Schanze zum Thurmdache hinaus, löst das Blech an der Thurmspille und sägt diese -durch, so daß sie brennend mit dem Thurmtnopfr hernirderfiel. Groß war nun wiederum die Noth in Leisnig. Der Landesherr erließ der Bürgerschaft auf rin undeinhalb Jahr sämmtliche Abgaben, eine Collrcte ward im Lande für Leisnig gesammelt, der Landesfürft selbst gab an sehnliche Geldgeschenke, und wohlthätigc Privatpersonen ließen es an Unterstützung nicht fehlen. Damit ähnliche große Brände in Zukunft möglichst unterdrückt würden, ward bestimmt, daß die Gebäude möglichst aus Stein aufgeführt und mit Brand giebeln versehen würden. Neue Kriegsplagen brachte das Jahr 1706. König Karl XII. überzog Sachsen mit Krieg. Noch lebte in der Er innerung vieler Einwohner Leisnigs der Schrecken an die Schwedenzeit aus dem Dreißigjährigen Kriege, deshalb flohen Biele mit ihrer Habe in die nahen Wälder. Am 17. September 1706 kamen 2000 Mdnn Schweden mit 2600 Pferden in Leisnig an, die Stadt mußte für die Verpflegung auftommen und hierfür 2950 Thaler verausgaben. Ende September ward das schwedische Hauptquartier nach Leisnig verlegt. Es erschien König Stanislaus von Polen mit Gefolge und später auch noch König Karl XII. von Schweden, an die Bewohner Leisnig» wurden hohe Anforderungen gestellt, in Summa kostete der Stadt diese Verpflegung 24 741 Thaler 4 Gr. 2 Pfg. Die Schweden benahmen sich höchst anständig, da Karl XII. auf strenge Mannszucht hielt. Auch der Siebenjährige Krieg brachte über Leisnig manches Ungemach, doch standen die Kosten in keinem Vergleich zu den früheren Kriegsleistungen. Eine Schreckensnacht war die Nacht vom 10. zum 11. August 1803. In Leisnig ward gerade der alte Laurentius- markt abgehalten, deshalb waren viele Fremde mit ihren Waaren in der Stadt anwesend. Gegen 10 Uhr Abends brach in einer Scheune Feuer aus, das sich mit Windeseile verbreitete. Bald loderte der ganze Markt, wo 'das Feuer in den auf gestapelten Wbvren und in den Jahrmarktsbuden reichliche Nahrung fand. Das Rathhaus ging mit in den Flammen auf, so daß sich um den Markt her «in schauerliches Flammenmeer ausbveitete. Als am anderen Morgen -die Sonne am Himmel emporstieg, -beleuchtete sie eine vernichtete Stadt: vier öffentliche Gebäude, 195 Wohnhäuser mit ihren Hintergebäuden und 43 Scheunen lagen da in rauchenden Trümmern. Ein Augen zeuge schildert diese Schreckensnacht wie folgi: „Diese Nacht war «ine der schrecklichsten. Das Wüthen des Feuers, di« vielen 'des Jahrmarktes -wegen anwesenden Fremden, die, wie die unglücklichen Einwohner ihre Habe, so auch ihre Waaren retten wollten, das Geschrei der Menge uno Wimmern der Kinder, das Krachen der einstürzenden Häuser, das Brüllen des Viehes und der rollende Donner am Himmel vermehrte das Grauen volle dieser Nacht." Ohne reichliche fremde Hilfe konnte sich die schwer heimgesuchte Stadt nicht wieder aus den Trümmern erheben, doch diese blieb nicht aus. Schon am Morgen nach 'der Schreckensnacht eilten die Bewohner der umliegenden Orte mit Lobensmitteln herbei, im In- und Auslande wurden 30 000 Thaler für die Abgebrannten gesammelt. Rasch ging man an 'den Aufbau der Stadt, so daß schon im kommenden Winter einige Neubauten wieder bezogen werden konnten. Im nächsten Frühjahr wollten dir Zimmerleute nicht mehr für den festgesetzten Lohn arbeiten, nur unter Androhung militairischer Maßregeln konnten sie wieder zur Ordnung gebracht werden. Mit dem Jahre 1809 begannen sich in Leisnig die Napoleonischen Kriege bemerklich zu machen. Am 29. Apiil kamen 800 Mann sächsische Truppen an, um gegen Oesterreich zu kämpfen; zur Beförderung mußte Vas Amt Leisnig 100 Wagen stellen. Als im Juni König Hieronymus von West phalen mit 5000 Mann in Hartha eintraf, mußte Leisnig zur Verpflegung -drei Viertel Bier, 1000 Brbde, zwölf Centner .Heu sechs Scheffel Hafer, 200 Pfund Rindfleisch und zwei Schock Stroh liefern. Wegen 'Reorganisation der sächsischen Armee fanden in den Jahren 1809 und 1811 in Leisnig starke R«crutirungen statt, und zivar mit einer noch nie da gewesenen Strenge, dasselbe wiederholte sich 1812 zur Bildung Feiiillrtsn. Ansichtspostkarten. Humoreske von Max Hirschfeld. Nachdruck verboten. In einem Zimmer des Pensionats Recamier befanden sich zwei Backfische, welche als eine Miniaturausgabe von Krimhild und Brunhild erschienen, schon äußerlich, denn Hedwig war hoch, stark und brünett, wie Brunhild, Gertrud dagegen zart und blond, etwa so, wie man sich Krimhild vorstellen möchte. Auch ihr Charakter war dem ihrer Vorbilder ähnlich, wenigstens war .Hedwig auf jeden Vortheil neidisch, den Gertrud errang; Letztere jedoch zeichnete sich vor Krimhild dadurch aus, daß sie ettvas Iveniger gefühlvoll, dagegen ein wenig schlauer war, als die Gemahlin Gunther's. Beide Backfische hatten ihre Postkarien-Sammelmappen vor sich liegen, und mit der größten Eifersucht blickte Hedwig auf die ihrer Mitschülerin, denn Gertrud hatte das Glück, Postkarten aus allen fremden Welttheilen zu erhalten, und die waren natürlich die gesuchtesten. „Wir fängst Du es mir an, solche Mengen ausländischer Karten zu kriegen?" fragt« Hedwig begierig. „Ach, es sind alte Bekannte, die in dem Hause meiner Eltern verkehrten und deren ich mich jetzt erinnere", erwiderte Gertrud gleichgiltig. Hedwig 'begriff wohl, daß diese Angabe erdichtet war, und sie ruhte nicht eher, als bis st« die Art und Weise ermittelt hatte, auf welche Gertrud zu ihren exotischen Postkarten gelangte. Die Letztere hatte nämlich in einer Conditorei eine Export-Zeitschrift aufgestNbert, in der sich ein Verz«ichniß überseeischer Firmen befand. An diese Adressen hatte sie geschrieben, und die meisten Adressaten hatten ihren Wunsch um Zusendung einer Ansichts postkarte erfüllt Eines Tages bemerkte Hedwig in der Hand deS Dienst mädchens des Pensionats ein« größere Anzahl Postkarten mit der Ansicht des Pensionates. „Aha, die Karten sollen Sie wohl für Fräulein Gertrud in den Postkasten 'werfen, Minna?" errieth Hedwig mit sicherem Instinkt. „Ja, Fräulein!" „Fräulein Gertrud sagte mir, sie hätte die Adressen auf den Karten ungenau gemacht und möchte sie noch einmal zurückhaben. Warten Sie hier, ich bring« Ihnen die Karten gleich wieder." Damit nahm sie dieselben dem Dienstmädchen aus der Hand, eilte auf ihr Zimmer und schrieb schnell auf jede Karte einige Worte. Dir Backfische einer Pension haben bekanntlich alle die gleiche Handschrift, was den Handschriftendeutern schon oft große Ver legenheit bereitet hat und von den bedeutendsten graphologischen Gelehrten als ein wichtiges Problem aufgefaßt wird, wie etwa in der Mathematik di« Quadratur des Cirkels. Einige Wochen waren vergangen, als Gertrud plötzlich vor dir strenge Pensionsvorsteherin citirt wurde. Dieselbe hielt einige Karten in der Hand und begann in furchtbarem Tone: „Sagen Sie mir, Gertrud, in welchem Verhältnisse stehen Sie zu Don JosS y Braganzos?" Gertrud erbleicht«. Welches jung« Mädchen würde nicht er bleichen, wenn man rin« derartige Frag« an sie richtete? Vielleicht würde man sagen, sie erbleichen nicht, sondern sie erröthen. Aber der strenge Psychologe bleibt in Folge seiner Beobachtungen dabei, in einem solchen Malle, wie dem hier gegebenen, erbleichen sie, denn das Gefühl, das hier in Betracht kommt, ist nicht Scham, sondern Zorn. Gertrud war erzürnt, daß dieser Vorwurf sie so vollständig ungerechtfertigt traf. „Wenn es wenigsten» wahr wäre!" dachte sie innerlich seufzend. „Den kenn« ich nicht", rief sie entrüstet. „Gut", sagte die Vorsteherin, „ich will ihr Leugnen für diesen Brasiliamr gelten lassen. Wie steht es aber mit dem Inhaber der großen Schweineschlächterei in Cincinnati, Mr. Rapper?" Gertrud blickte die Dame verständnißlos an. „Ich will zugeben", sagte sie endlich, „daß ich Mir neulich ein viertel Pfund Schweineschinken vom Schlächter hab« holen lassen, denn die Leberwurst, mit d«r unser Brod belegt war, kann ich durchaus nicht —" „Darum handelt es sich nicht", unterbrach sie die Dame heftig. „Ich möchte wissen, wie dieser Mr. Rapper dazu kommt, an Sie zu schreiben: „Geliebte, harre mein, bald bin ich bei Dir. Tausend Küsse u. s. w." „Ja, das möchte ich auch wissen", erwiderte Gertrud. „Stellen Sie sich nicht so unschuldig an. Sie haben einen Grad der Verderbtheit erreicht, wie ich ihn in meiner Pension nicht für möglich gehalten hätte. Nicht genug an dem Brasilianer und dem Uankre, — hier schreibt noch ein französischer Plantagen besitzer von der Jns«l Mauritius «ine mit Zärtlichkeiten ungefüllte Karte an Sie, ein Colonialbeamter der Insel Zanzibar macht Ihnen hier eine Liebeserklärung " Jetzt ging Gertrud endlich ein Licht auf. „Aber das sind ja alle Diejenigen, an welche ich eine Bitte um Ansichtskarten gerichtet habe und deren Namen ich in einer Export-Zeitschrift fand." „Ich will zur Ehre meines Institutes annehmen, daß Sie die Wahrheit sprechen, Gertrud. Dennoch bleibt immer noch der eine Punct dunkel, daß alle Schreibenden sich so — wie soll ich sagen — so zärtlich ausdrücken." „Auch mir ist das unbegreiflich." „Die einzig richtige Antwort, die Sie verdient haben, Gertrud, giebt Ihnen ein Herr aus der Capstadt. Er schreibt: „Mein Fräulein, ich bin jetzt siebenzig Jahre alt und daher nicht im Stand«, irgend welche liebenden Gefühle zu heucheln. Vielleicht thäten auch Sie besser, sich mehr den häuslichen Arbeiten, als dem Ansichtskartensport zu widmen. Genehmigen Sie u. s. w." „Diese sehr vernünftige Karte", fuhr Madame Recamiir fort, „werden Sie zur Strafe ins Französische und Englische übersetzen und in jeder Sprache zehnmal abschreiben." Hochroth vor Zorn kehrte Gertrud zu ihren Freundinnen zurück, und da Hedwig natürlich geplaudert hatte, wurde es der schwer Betroffenen leicht, zu erfahren, daß Hedwig auf die nach den fremden Ländern gehenden Karten ihrer Freundin die Nach schrift hinzugefügt hatte: „Bitte, schreiben Sie, als ob Sie an Ihre Braut schrieben. Es handelt sich um einen Scherz." * * * Zwei Jahre waren vergangen. Aus den Backfischen waren junge Damen geworden, -die sich vübt mehr in der Pension, sondern im Hause ihrer Eltern befanden und ihre Freier abwiesen, erhörten oder — in den meisten Fällen vergeblich erwarteten. Besuchen wir zum Beispiel Hedwig, welche erregt in ihrem Zimmer auf und ab schritt und sich in ihrer heftig«« Gangart auch nicht unterbrach, als Alma, eine frühere Pensionsfreundin, eintrat. „Also in schlechter Laune?" fragte diese. „Nun, ich hab« allen Grund dazu", rief Hedwig, ihr Taschen tuch zwischen den Fingern zerreißend. „Denke Dir, vor zwei Jahren in der Pension machte ich mir einen Scherz mit Gertrud. Ich veranlaßte, daß die Ansichtspostkarten, welche sie aus fremden Ländern erhielt, mit lauter Liebeserklärungen beschrieben waren." „Ich erinnere mich, es war ein reizender Scherz. Aber jetzt lerne ich Dich von einer neuen Seite kennen, — Du fühlst nach zwei Jahren Gewissensbisse?" „Nicht gerade Gewissensbisse, aber Reue, liebe Alma, tief« Reue! Denke Dir, diese Gertrud hatte den Einfall, auf einige ihr zugesandte Liebeserklärungen zu antworten. Daraus ent wickelte sich eine Correspondenz zwischen ihr und einem stein reichen und bildschönen Amerikaner. Jetzt ist er hierh«x ge kommen und hat sich mit ihr verlobt, — soll ich da nicht aus der Haut fahren, wenn ich daran denke, daß ich dieser Person ein solches Glück verschafft habe?"
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