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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.11.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-11-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981130020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898113002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898113002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-11
- Tag1898-11-30
- Monat1898-11
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Die Morgen-AuSgabe erscheint «m '/,7 Uhr, di« Sbeud-Au-gabe Wochentag« um 5 Uhr. NrLaction und Expedition: JohanneSgasse 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen gröfsurt vou früh 8 bis Abends 7 Uhr. VezugS^Prei- t» der tzauptexpedttion oder den tm Stadt» bezirk und den Bororteu errichteten AuS- gobestellen abgeholt: vierteljährlich 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau« 5.50. Durch die Post bezogen für Deutfchland und Oesterreich: viertehährlich S.—. Directe tägliche Kreuzbandsendung tuS Ausland: monatlich ^li 7.50. Filialen: Ltt» Slemm'S Sortim. (Alfred Hahn), UniversitätSstratze 3 (Paulinum), Louis Lösche, Katbarinenstr. 14. part. i.ud KönigSplah 7. Abend-Ausgave. KiWgcr Tageblatt Anzeiger. Amtsblatt des A'ömgtichm Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Motizei-Ämtes der Stadt Leipzig. Anzetgen-Prei- die Sgespaltme Petitzeile SO Pfg. -ieclamru unter dem RedactionSstrich (4g»> spaUen) 50^, vor den Familiennachrichte» (6 gespalten) 40-^. Brößere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernlatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit de. Morgen.Ausgabe, obne Postbeförderunx 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: BormüiagS 10 Uhr. Marge »«Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei deu Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeige» sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Pol, in Leipzig 807 Mittwoch den 30. November 1898. S2. Jahrgang. Die Ausweisungen aus Schleswig. Ueber die Gründe der von ihm verfügten Ausweisungen aus der Provinz Schleswig-Holstein hat sich der Oberpräsidenl der Provinz v. Köller einem Berichterstatter des dänischen Blattes „Politiken" gegenüber folgendermaßen geäußert: „Die Gründe der Ausweisungen sind rein örtliche. Man hat gefabelt von Miquel's Politik, von Befehlen ans Berlin, Rache für die Wahlniederlage, von Verbindung mit den Ausweisungen in Polen, Elsaß und an der holländischen Grenze. Tas ist Alles Er« sindung deutscher Blätter, welche niemals Bescheid wissen. Nein, die Ausweisungen sind von Landräthcn nach mein en Befehlen und aus folgenden Gründen ausgeführt: Ich kam vor einem Jahre hierher. Früher bin ich Staats« fccretair in Elsaß-Lothringen gewesen und bin daher genau mit Greuzverhältnissen bekannt. Ich sah mir daher die Tinge im ersten Jahre still an und bemerkte, wie die Dänen überall die Deutschen reizten. Ich beobachtete aufmerksam die Aus flüge der Schleswiger nach Täncmark, die Nadsahreraus« slüge mit dem demonstrativen Entfalten des Tannebrog sofort nach dem Uebcrschreiten der Grenze. Ich las die Berichte über Versammlungen, worin u. A. dänische Offiziere auf traten. An einer Stelle sprach ein dänischer Amtmann auf eine Weise, wie ich niemals einem meiner Landräthe gegen Dänemark zu sprechen erlaubt haben würde. Scavenius empfing „Südjüten", welche Lcmonstrirtcn; als früherer Minister hätte er mehr Vernunft haben sollen. Dänische Professoren kamen über die Grenze und hielten aufreizende Reden, worüber schieswigsche Blätter ausführliche Berichte brachten. Endlich gab eS da noch die täglichen Reizungen, welche zu erkennen gaben, daß die Dünen mich glaubten an der Nase hcrumführen zu können. Deshalb schlug ich los. Die Ausweisungen bedeuten also nichts Anderes, als Len wirklichen Begin» »reiner Präsidentschaft. Persönlich feindliche Gefühle gegen das Dänenthum hege ick; durchaus nicht. Ich habe mich mit dänischer Geschichte beschäftigt und würde gern die Sprache lernen. Ich habe Kopenhagen besucht und mich in die Erinnerungen eines alten, edlen Volkes verliest. Ich kenne persönlich König Christian, der von Wiesbaden aus oft Frankfurt besuchte, wo ich früher Präsident war. Verhehle» will ich vor Ihnen nicht, daß König Christian über dass unkluge Auf treten der Südjüten ebenso betrübt ist wie ich, namentlich wenn Mitglieder des Königshauses sich rücksichtslos in die Agitation einmischen, so z. B. wenn Südjüten dem Kronprinzen eine Gabe senden mit der Inschrift, daß sie niemals von Dänemark geschieden werden wollen. Jeder vernünftige Mensch muß das lächerlich finden, denn ohne uns in Einzelheiten der neueren Geschichte zu vertiefen, ist es Thatsache, daß Schleswig zu Preußen gehört. Wie weit ich mit den Ausweisungen zu gehen gedenke? Es giebt hier zusammen gegen 26000 Dänen und Optanten. Von diesen sind bisher nur 117 ausgewicsen, davon 40 wegen verhängter Strafen (grober Unfug), 77 wegen Agitation. Von Optanten sind bisher uur Einzelne wegen Uebertretnngcn von Gesetzen ausgewicsen. Tie ganze sogenannte Massenausweijung ist bisher nur ein Probe versuch, und erst wenn ich die Wirkungen wahrgenoinmen habe, werde ich meine weiteren Bestimmungen treffen. Optanten (Schles wiger, die sich für die dänische Staatsangehörigkeit erklärt haben. T.N.) kann ich überhaupt nicht in größerem Maße ausweisen, wenn sie sich nicht gegen die Gesetze vergehen. Was die dänischen Dienst boten betrifft, so haben sie nichts begangen, aber durch ihre Aus weisungen werden die fanatischen Dienstherrschaften betroffen, die selber ich nicht ausweisen kann. Was die vermeintliche Vernichtung der schleswigschen Landwirtschaft betrifft, so finden sich deutsche Arbeitskräfte im Uebersluß in den Städten, aber ruhige dänische Dienstherrschaften können übrigens gern ihre Leute behalten. Wollen dänische Südjüten der Ausweisung entgehen, so sollen sie sich von Ausflügen nach D än emark, von den Hochschulen, von dänischen Vereinen, von Versammlungen und Agi tation fernhalten. Niemand wird blos deshalb ausgewiesen, weil sein Dienstherr für Gustav Johannsen stimmt. Ich gedenke Keinen seiner politischen Rechte zu berauben. Was chadet ein einziges dänisches Mitglied im Reichstage dem Deutsch- thuin? Die Ausweisungen zielen besonders auf die örtliche Agitation. Wenn Deutsche sich in Dänemark aussührten, wie die Südjüten in Deutschland, würden sie auch auSgewiesen werden. Ich rufe nach Dänemark hin: Haltet Frieden, und auch wir werden Frieden halten. Sie sind der erste Däne, mit dem ich übcrSchleswig spreche, und Sie sehen,ichkann mit Ihnen überdieDinge sprechen, obgleich sie Däne sind und ich Dcutschcr.Warum sind G n st av Johannsen, Hanssen-Nordermühle und Jessen niemals zu mir gekommen mit offenem Visir? Weil sie alle Drei ein schlechtes Gewissen haben; sie wissen, daß sie mir persönlich gegenüber Unrecht haben. Johannsen ist ein liebenswürdiger Alaun, de» ich vom Reichstage her kenne, Haussen und Jessen treibe» Beruf-Politik. Sie sind gewerbsmäßige Unruhe stifter. Ich lese jeden Tag, was sie schreiben. (Der Minister zog hier ein umfangreiches Heft mit Zeitungsausschnitten hervor, worunter Berichte über die Einspruchsversammlungen in Kopen hagen, und sagte, aus die Ausschnitte deutend:) Wünschen Sie mehr Ausweisungen, so halten Sie nur mehr Dcmon- strationsversaininlungen in Kopenhagen ab!" Aus die Frage, ob er beabsichtige, eine völlige Germanisirung Nordschlcswigs zu erzwingen, und welche Mittel er anwenden wolle, antwortete der Oberpräsidcnt, er wolle die dänische Sprache keineswegs ausrotten, sondern im Gegenthcil erhalten. Mit Freuden habe er beim persönlichen Besuche »ord- schleswigschcr Schulen bemerkt, daß die Kinder zu ihrem Vortheil beide Sprachen verständen, die eine durch das Haus, die andere durch die Schule. Das durch die innere Kraft des Dcutschthums erfolgende Fortschreiten der deutschen Sprache gegen die Grenze zu bedürfe keiner künstlichen Mittel. „Ob aber nicht der Landrath vr. Mauve in Hadersleben mit unmenschlicher Strenge vorgehe, die an dem Unglück vieler Familien Schuld sei?" — „Die (dänische) Presse hat", so antwortete der Oberpräsident, „die Bedeutung Mauve's übertrieben. Er ist einer meiner Landräthe, der nach meinen Befehlen handelt. Er ist ein strenger, aber persönlich ehrcnwerther Mann. Ta er auf Wider- stand stieß, so handelte er, wie gegen einen spectakelndeu Kutscher: Man wirst ihn aus der Thür. Auch die Ausweisung des Kauf manns Outzen in Haderslebcn gehört hierher. Ec war fanatisch dänisch gesinnt und forderte dazu auf, nicht bei Deutschen zu kaufen." Im Ganzen dauerte die Unterredung eine Stunde. Aus die Schlußfrage des Berichterstatters, ob er de» Lesern in Dänemark mittheilen dürfe, daß die Ausweisungen vorläufig eingestellt seien, rief der Präsident aus: „Nein, Sie können sagen: Die Dänen haben den Krieg begonnen; ich habe kein Interesse, ihn zu führen, aber ich verlangt, daß daS Friedenssignal in den schleswigschen Blättern gegeben wird, und erhalte ich das nicht, so werde ich Ruhe schassen. Es soll Ruhe werden!" Diese Erklärungen des Oberpräsidenten lassen die Aus weisungen als daS erscheinen, was man von einem ruhigen, wohlwollenden, aber gewissenhaften Beamten, wie Herr v. Köller eS ist, erwarten durfte. Es sind reine Defensiv- maßregelii, ergriffen, um die deutsche Bevölkerung gesellschaft lich und wirthschafllich gegen die vom Ausland her aufgesetzten Dänen zu schützen und die durch eine frech am Hellen Tage sich zeigende Losreißungsprvpaganda gefährdete Autorität der Staatsbehörden zu befestigen. Man muß auch anerkennen, daß die Ausweisung von 77 Ausländern — die Bestraften kommen nicht in Betracht, da deren Entfernung einer all gemeinen Uebung entspricht — in der That nur ein den Charakter einer Berwarnung tragender Bersuch ist. Von „Massenausweisungen", welche die mit nie versagendem anti nationalen Jnstincl jederzeit die Partei des Auslandes nehmende freisinnige Presse gemeldet hat, kann keine Rede sein. Man darf aber hoffen, Laß Herr v. Köller seine An kündigung verwirklichen und zur Ausdehnung seiner Maß nahmen schreiten wirb, wenn die Dänen innerhalb und außerhalb, namentlich aber die außerhalb des Reiches, nicht Ruhe halten. Daß die den Frieden des Landes störenden dänischsprechenden Reichsangchörigen durch die Ausweisung ihrer fremd ländischen Knechte und Mägde daran erinnert werden, daß sie sich nicht in Dänemark befinden, ist sehr verständig, mag auch die deutsche Demokratenpresse, auf die Gedankenlosigkeit ihres Publicums speculirend, noch so sehr gegen diese wirksame Vorkehrung wettern. Mit dieser Sorte Zeitungen hat eS Herr v. Köller nun ganz verschüttet, nachdem er ihnen der Wahrheit gemäß altestirt, daß sie bös willig erfinden und „niemals richtig Bescheid wissen". Ihnen, nicht der deutschen Presse überhaupt, wie ein Berliner Fort- schrittsblatt die Worte des Oberpräsideuten fälscht. Wie wir aber Herrn v. Köller zu kennen glauben, wird ihm die ge steigerte Ungnade der demokratischen „Patrioten" nicht sonderlich nahegehen. Es zeigt sich, wie s. Z. in Frankfurt a. M., das der rechte Maiin am rechten Platze. Bei der Umsturz-Campagne ist er das nicht gewesen. Die war aber unter Caprivi so schlecht vorbereitet und durch ein, nicht von Herrn v. Köller verschuldetes Entgegenkommen gegen die ausschweifendsten ultramontanen Wünsche an sich so unglück lich gerathen, daß wohl auch ein anderer Minister des Innern ihr Schicksal nicht hätte wenden können. Politische Tagesschau. * Leipzig, 30. November. Von Jahr zu Jahr wird der Mißbrauch, den die Tocialvcmokratic mit den staatlichen LvohlfahrtScinrtch- tuttgcn treibt, gröblicher und systematischer. Neuerdings haben die Führer der Remscheider Socialdemokraten einen Streik angefangcn, weil die dortigen Fabrikanten, in Wahrung des Rechtes der freien Aerztewahl, von der ihnen nach dem Krankencassengesetz zuslehenden Be- fugniß, Betriebs- oder Fabrik-Krankencassen zu errichten, Ge brauch gemacht haben, um dem Vorgehen der in der Orts- krankencasse herrschenden Sccialdemokratie bezüglich Ein führung des Systems fest besoldeter, von ihnen abhängiger Cassenärzte ein Paroli zu bieten. Das ist in Kürze der Sachverhalt betreffs einer Angelegenheit, die ge eignet ist, die Handhabung der im Interesse der Ar beiter geschaffenen socialpolitischen Institutionen durch die Socialdemokratie zu Parteizwecken in ein Helles Licht zu rücken. Die Tbatsache, daß die Leiter des Remscheider Streiks sich mit einem Aufruf an die gesammte Arbeiterschaft Deutsch lands gewandt haben, in welchem sie die Angelegenheit als eine Machtfrage bezeichnen, bei der sich daS Solidaritäts gefühl der Arbeiterschaft bekunden müsse, vervollständigt nun daS Bild, daS dieser Mißbrauch einer WoblfabrtSeinrich- tung zu politischen Parteizwccken darbietet. Jedenfalls haben die Vorgänge in Remscheid gber auch das Gute, di« Gefahr dieses Mißbrauches, auf welche von besonnenen Männern bereits bei Schaffung des KrankencassengesetzeS hin gewiesen wurde, recht deutlich zu machen und eine Warnung für die Zukunft zu geben. ES ist vaS System der Socialdemokratie, sociale Wohlfahrtseinrichtungen, die für die Arbeiterschaft geschaffen sind, ihrem Kampf um die Mackt dienstbar zu machen. So hat sich diese Partei auch der Gewerbcgerichte, wo es ging, bemächtigt, um sich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu schieben. Jetzt kommen die Kranke ncassen an die Reihe, nachdem man den entscheidenden Schritt auf diesem Felde sorgsam vo>- bereitet hat. Es wird nickt lange dauern, so werden die Gesellenausschüsse, welche daS Handwerksorganisations gesetz vorsieht, von der socialdemokratischeu Agitation in Au griff genommen werden. Diese Entwickelung muß zu schweren Bedenken Anlaß geben; im eigensten Interesse der Arbeiter liegt es, sich dagegen aufzulehnen, daß staatliche Wohlfahrts einrichtungen gewissermaßen gesetzlich geschützte Agitations herde der Umsturzbewegung werden; die ganze Weiter führung der Socialpolitik wird durch solche Mißbräuche er schwert. Wenn man nach den Gründen forscht, aus denen die bayerischen CentrumSleute ihre Unzufriedenheit mit dem Abkommen über de» obersten MiltlairgerichtShof in so auffälliger und drastischer Weise äußern, so kann man nur zwei finden: erstens, daß die Herren ihre Position durch den Bauernbund und die Socialdemokratie mehr und mehr unterwüblt sehen und sie sich nur retten zu können glauben, wenn sie womöglich nock schärfer als diese Parteien blau-weißen Patriotismus und ParticulariSmuS zur Schau tragen; und zweitens, daß sie dem Prinzen Ludwig, der nach menschlichem Ermessen in nicht allzu ferner Zeit die Krone Bayerns tragen wird, die Ansicht beibringen möchten, die Hoheitsrechte der Wittelsbacher würden durch preußische Anmaßung verkümmert. Ein particularistisch gesinnter Herrscher- Bayerns aber müßte sich den Klerikalen mit Leib und Seele verschreiben. Dieses edlen Zwecks halber hascht das bayerische Centrum geradezu nach jeder Gelegenheit, sich particularistisch zu geberden, und cs ist ihm herzlich gleichgültig, ob der ReichS- gedanke darüber zum Teufel gehl. Die Herren sind eben dieselben geblieben, die sie 1870 bei der Kriegserklärung waren. Trotz der Unbedenklichkeit in der Wahl des Mittels werden aber auch dies mal die Ziele nicht erreicht werden. Bauernbund und Social demokratie übertrumpfen daS Centrum genau ebenso in Parti - cularisti scher Verhetzung, wie im übrigen Deutschland die Socialdemokratie die freisinnige Volkspartei bezw. die Süd deutsche Volkspartei an allgemein oppositioneller Ver hetzung übertrumpft. Und wie die Volkspartei mit ihren steten Angriffen auf die Negierung der Socialdemokratie den Boden bereitet und überall Terrain an sie verliert, so wird auch die bayerische Centrumspartei nichts erreichen, als daß sie ihre radicalen Rivalen fördert. WaS den Prinzen Ludwig anlangt, so besitzt er neben seinem unzweifelhaft starken FeniHeton. Die Lettelmaid. 17j Roman von Fitzgerald Molloy. Nachdruck verboten. Es bereitete ihm großes Vergnügen, an all' das zu denken, aber nicht aus Eitelkeit, sondern von dem Wunsche beseelt, seiner angebeteten Capri ein Heim bereiten zu können, so schön und glücklich, wie Geld, Kunst und eine treue, aufopfernde Liebe es zu bereiten vermochten. Sie als sein Weib in seinem Hause schalten und walten zu sehen, war ein Preis, um den er gerne kämpfte. Er wußte sich wahrlich kein höheres Glück! Wie eine Vision tauchte plötzlich Capri's Gestalt vor seinem inneren Auge auf, er sah ihre feuchtschimmernden Märchenaugen zärtlich auf sich gerichtet, fühlte den Duft ihres Haares und hörte, wie ihre melodische Stimme ihn mit Kosenamen rief. „Ah, Capri, wenn Du wüßtest, wie unaussprechlich ich Dich liebe und wie ich mich nach Deinem Anblick sehne!" gab er plötzlich seinen Gedanken laut Ausdruck. Ja, er liebte sie mehr als sein Leben, aber ahnte sie es auch? Gestanden hatte er es ihr nie und doch fühlte er, daß sie kraft ihres weiblichen Jnsiincts längst errathen haben müsse, wie es mit ihm bestellt sei. Er hatte ihr nie gesagt, daß ihre Liebe das höchste Glück aus Erden für ihn bedeute, aber seine Augen und sein Benehmen sprachen beredter, als Worte es vermocht hätten. Jeder verliebte Mann verräth unbewußt gar leicht seine heißen Gefühle und Wünsche und das Weib, dem sie gelten, erräth sie noch viel leichter. Das ist ein Vermächtniß Frau Evas, welches sich von Geschlecht zu Geschlecht vererbt. Als echter, rechter Mann wollte Marc seine Liebe nicht früher gestehen, als bis es ihm gelungen, so viel zu verdienen, wie er glaubte verdienen zu müssen, um seinem Weibe ein sorgenfreies, behagliches Dasein zu sichern. An seiner Seite sollte sie nur des Lebens Annehmlichkeiten und Freuden kennen lernen. Jedes Steinchen, das ihr auf ihrem künftigen Lebenswege den Fuß verletzen könnte, wollte er sorgsam wegräumen; für sie zu schaffen und zu ringen, erschien ihm Wollust. Sein Name sollte in der Kunstwelt berühmt werden, — würde sie ihn doch tragen! Der erste Schritt auf dem dornigen Pfade des Erfolges war durch die Vermittelung seiner Gönnerin gemacht, und nun wollte er all seine Kraft und Begabung aufbieten, um sich möglichst rasch Unabhängigkeit und Ruhm zu sichern, die Capri zu Gute kommen sollten. Während er so von Capri träumte, hatte er all ihre egoistischen Gedanken, ihre epikuräischen Gelüste, ihre Sucht nach Reichthum vergessen, die so oft schon sein Gefühl verletzt hatten. Er schmückte sie mit allen Attributen der Tugend aus. Sie erschien ihm als das beste, edelste, schönste und treueste Weib, das jemals einem Manne ihre Liebe geschenkt, als ein Meisterwerk der Schöpfung, das von der Vorsehung auserlesen ward, ihn zu beglücken! Der Kuß, den sie neulich in ihrer kindlich-unschuldigen Art auf seine Lippen gedrückt, als sie Abschied von ihm nahm, ehe sie ihre Stellung bei der Ameri kanerin angetreten, bereitete ihm jetzt noch ein eigenartiges Wonne gefühl. Solcher Küsse harrten seiner in Zukunft noch viele! Sie sah an jenem Tage bestrickend aus, denn die Hoffnung auf eine glückliche Zukunft leuchtete aus ihren Augen und ver setzte sie in eine weiche, freudig-träumerische Stimmung; er fühlte, daß sie trotz ihrer erzwungenen Heiterkeit tief ergriffen war und nur mühsam die Thränen zurückdränge. Er mußte ihr versprechen, sic oft in ihrem neuen Heim zu besuchen, und sie versicherte ihn, daß sie nie, was auch kommen möge, die fröhlichen und glücklichen Stunden, die sic in seinem Atelier verbracht, während er die Bettelmaid gemalt, vergessen würde. Die Armuth Beider habe nun ein Ende erreicht, sie würden bald reich, vielleicht gar berühmt werden, versicherte sie ihn in halb neckender, halb ernster Weise, aber die Erinnerung an die gemeinsam verbrachten Stunden würde ihr stets wie eine Oase in der öden Wüste der Vergangenheit erscheinen. „Und unsere freundlichere Zukunft werden wir Beide der Bettelmaid zu verdanken haben; versprich mir, lieber Marc, das niemals zu vergessen", bat sie mit von Thränen erstickter Stimme, „und nicht wahr, Du bist mir nicht böse, daß ich MrS. Lordson's Antrag annehme?" Nein, er war ihr nicht böse; es freute ihn sogar, daß sie aus den kleinlichen Verhältnissen, die ihr so wenig behagten, in bessere komme. Lange würde er sie doch nicht in der abhängigen Stellung bei der reichen Amerikanerin belassen; er war fest ent schlossen, sie heimzuführen, sobald es seine Umstände erlaubten. Einen Augenblick beschlich ihn etwas wie Eifersucht. Würden sich nicht in der neuen Lebenssphäre ihre Gesinnungen und auch ihr Geschmack ändern, denen er, wenn sie erst sein Weib geworden, vielleicht gar nicht Rechnung tragen könnte? Würden die vielen bewundernden Männerblicke, denen sie ausgesetzt war, sie nicht eitel machen? Nein, nein, seine Capri würde aus allen Ver suchungen cngelsrein hervorgehen, ihr neues Leben mit all' seinem Glanze würtzt ihr nur beweisen, daß es für die Befriedigung der menschlichen Seele etwas Höheres und Besseres giebt als welt liche Genüsse. „O Capri, mein süßes Weib, wie glücklich wollen wir in unserer unbegrenzten Liebe sein!" rief er plötzlich laut aus, dann bemerkte er, daß er während seiner Träumereien zu malen ver gessen, und wollte eben den Pinsel eintauchen, als Jemand an die Thür« pochte. „Herein!" rief er nicht gerade freundlich, denn er mochte in seinen angenehmen Gedanken nicht gestört sein. Das Hausmädchen trat ein und überreichte ihm ein veilchenduftendcs Briefchen: „Ein Lakai brachte dies für Sie, Mr. Phillips. „Danke! Sie können gehen", dann öffnete er hastig das Couvert, denn er erkannte sofort Mrs. Stonex Handschrift und murmelte: „Wahrscheinlich eine Einladung zu einem Souper .... Ah! ein Briefchen!" Er las: „Lieber Herr Phillips! Wenn es Sie nicht zu sehr stört, bitte, besuchen Sie mich heute gegen 12 Uhr, ich habe eine ge schäftliche Angelegenheit mit Ihnen zu verhandeln, und es wäre mir sehr lieb, wenn ich es mündlich thun könnte. Es grüßt Sie Felice Stonex." „Ich könnte wetten, meine Gönnerin hak mir von irgend Jemandem einen Auftrag verschafft", rief er und tanzte vor Freude in seinem Stübchen umher, denn er sah sich schon im Besitze einer Reihe von Aufträgen, die ihn seinem ersehnten Ziele näher rückten. Er konnte kaum die Stunde erwarten, denn er brannte vor Neugier, zu wissen, was Mrs. Stonex ihm zu sagen habe. Als die benachbarten Kirchenuhren die zwölfte Stunde verkündeten, saß er in sorgfältigster Toilette in dem Morgenzimmer der Dame, einem sehr hübschen, kosigen, künstlerisch eingerichteten Gemach. Auf dem weichen, weißen Teppich verhallten die Fuß tritte, schwellende, mit mattgrünem Sammet überzogene Stühl chen luden zum Sitzen ein, ein kleiner Wintergarten, dessen ge öffnete Glasthüren mit Schäfern und Schäferinnen bemalt waren, grenzte daran und strömte einen angenehmen Blumen duft aus. Auch auf dem kleinen Theetischchen stand ein schöner Maiblumenstraub. Marc hatte Zeit, seine Augen bewundernd umhcrschweifen zu lassen; seine größte Aufmerksamkeit erregte das bekannte Bild Sarah Bernhardt's: „Das junge Mädchen und der Tod." Er starrte das blühende, jugendfrische Wesen, dessen Augen ihn unwillkürlich an Capri erinnerten, mit einem bangen Gefühl an. War's der höhnisch grinsende Knochenmann, dessen schleppende, Weiße Todtenkleider sich mit den farbigen des lebensprühenden Geschöpfes mengten, der ihn so unangenehm be rührte? Er wußte es nicht, aber wie gebannt hafteten seine Blicke darauf, bis sich eine kleine Tapetenthüre leise öffnete, durch welche Mrs. Stonex geräuschlos eintrat und ihn freundlich griißrc. Es lag etwas in dem Wesen dieser Frau, das ihm wohlthat und beruhigend auf ihn wirkte. Er glaubte, sie schon seit Jahren zu kennen, Alles an ihr schien ihm schon so vertraut, und er wunderte sich selbst über den freundlichen Ton, in dem sie trotz der kurzen Bekanntschaft miteinander verkehrten. Sie hatten Beide die englische Zurückhaltung und Gemessenheit Fremden gegenüber schon bei ihrem ersten Zusammensein ab gestreift. „Sie haben doch mein Briefchen erhalten?" begann sie die Unterhaltung. „Erzählen Sie mir nun, was Sie über Ihr Bild gelesen und gehört haben?" Ein sonniges Licht tauchte bei diesen Worten in ihren grauen Augen auf, das dem Künstler nicht entging. Zum ersten Male bemerkte er, wie schön diese Augen seien. Doch sie senkte sie sofort, als sie den seinigen be gegneten, und neigte ihr Haupt über den Maiblumenstrauß. Jetzt bemerkte er auch, wie edel geformt ihr Kopf sei, wie anmuthig er auf ihrem schlanken, weißen Halse saß, und wie gut zu ihrer hohen Figur das weiche griechische Gewand paßte, in das sie gehüllt war. Das wellige, volle, goldbraune Haar endigte hinten im Nacken in einem Knoten und wurde von einem kleinen Dolch festgehalten. In ihrem Wesen lag eine Frische, die sein Künstler auge erfreute. Jeder andere Mann hätte sich in dieses vornehme und doch sinnige Weib verliebt und Ware von ihrer Liebenswürdigkeit, ihrer Anmuth und ihrer feinen Schönheit, die man erst nach und nach entdeckte, bezaubert gewesen. Phillips aber betrachtete sie nur mit rein künstlerischem Interesse. Der Liebesgott hatte bereits sein Herz getroffen und ihn mit Blindheit und Taubheit ge schlagen, so daß er nur die Reize Capri's sah. Ich habe so viel über den Erfolg „der Bettelmaid" gehört und gelesen, daß ich meinen Besuch zu lange ausdehnen müßte, wenn ich Ihnen Alles erzählen wollte", antwortete er lachend. „Der eine Theil unserer Presse behauptet, das Gesicht und die Fleisch - töne seien das Gelungenste auf dem Gemälde, der andere Theil hingegen, daß nur das Gewand vom künstlerischen Standpunct Beachtung verdiene." „Wegen der Uneinigkeit der Presse brauchen Sie sich kein graues Haar wachsen zu lassen", sagte sie ermuthigend; „ohne gegenseitige Widersprüche würde sie bald an Interesse ver lieren, denn wenn alle Zeitungen dasselbe meldeten, brauchte ja der brave John Bull nicht mehrere zu lesen, und sein Spleen würde ins Unendliche wachsen. Die Hauptsache ist, daß das
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