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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.12.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-12-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981214013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898121401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898121401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-12
- Tag1898-12-14
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W» Viorg«n-A«»gabr erscheint «m '/,? Uhr. H» Abend-An-gabe Wochentag» um 5 Uhr. Nedarttim und Er-editto»: -Otzennie««affe S. Dt»Ex-^tti»n ist Wochentag» ununterbrochen geöfstre« vs» früh 8 bis Abend» 7 Uhr §MalÜ.r Dtt» Kkeimn's Eortt». (Alfred Pcktzn), Uni»ersität»stratz« S (Paulianss-I LouiS Lösche, Aatbarknenstr. Ich pari, und KSiigSplatz 7. Morgen-Ausgabe. MpMer Tageblatt Anzeiger. Amtsblatt des Aöaigüchen Laub- und Amtsgerichtes Leipzig,- bes Aathes nub Volizei-Ämtes der Ltabt Leipzig. 832. Mittwo^ den 14. DecemLer 1898. Auzeiseu-Peeis h -le 6 gespaltene Petitzeile so Pfß. Netlaniea unter dem Redactton-stnch (4g» spalten) LO/ij, vor den Familiennachrichtr» (6 gespülte») 40 H. Brötzere Schriften laut unserem Preis« ve^etchni'b. Tabellarischer und Zissernsatz nach höherem Tarif. Extra »Beilagen (gesalzt), nur Mit de« Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung SO.—, mit Postbesörderung 70.—. Runahmeschluß fir Atyeigen: Nbrud-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4Uh«. Bei de» Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stund« früher. Anzeige» sind stet« an d« Erpehitto» zu richten. Druck und Verlag vo» E. Polz t» Leipzig SL Jahrgang. Fürst Lismarck's Gedanken und Erinnernngen. Xll. Der Gasteiner Vertrag war nur ein Nothbehelf. Der in der Tiefe gährende Gegensatz zwischen Oesterreich und Preußen drängte zum Kriege; mit gebieterischer Nothwendigkeit brach er im Juni 1866 auS. Fürst Bismarck verliert in den Gedanken and Erinnerungen kein Wort weder über die unmittelbaren Ver anlagungen zum Kriege noch über seinen Verlauf: die Acten liegen offen vor Jedermanns Augen in den diplomatischen Korre spondenzen und den triegsgeschichtlichen Darstellungen der am Kriege beiheiligten Staaten. Das 20. Capitel: Nikolsburg handelt nur von der politischen Lage nach der Schlacht bei Königgrätz und von den diplomatischen Erwägungen, die für BiSmarck'» Rathschläge entscheidend waren; darin aber liegt gerade der besondere Reiz. Durch Sybel ist verbürgt, daß BiSmarck am Abend des Sieges von Königgrätz zum Könige sagte: „Die Streitfrage ist entschieden; jetzt gilt es, die alte Freundschaft mit Oesterreich wieder zu gewinnen." Ein staatsmännisches Wort, frei von jedem militairischen und politischen Chauvinismus, und darum so ganz charakteristisch für Bismarck, der immer nur das Erreichbare er strebte und dadurch so große Erfolge erzielte. Es leitete ihn bei der Normirung der Bedingungen, die Oesterreich im Friedens schlüsse aufzuerlegen seien, und in den schwierigen Verhand lungen mit dem Könige, der im Rausche des Sieges und unter den Einwirkungen ehrgeiziger Militairs den klaren Blick für das Mögliche sich trüben ließ. Die an sich einfache Lage verwickelte sich durch die von Oesterreich angerufene Vermittelung Frank reichs, die Napoleon III. willkommene Gelegenheit gab, Wasser in den preußischen Wein zu gießen. Der französische Kaiser hatte das Duell zwischen Oesterreich und Preußen gern gesehen in der Erwartung, daß bei der vorausgesetzten Gleichheit der militairischen Kräfte die Entscheidung ihm anheimfallen werde; seine guten Dienste wollte er sich dann in gewohnter Weise be zahlen lasten. Der schnelle Sieg Preußens fand ihn noch un gerüstet, immerhin hätte eine französische Kriegserklärung vor Beilegung des österreichischen Krieges und unter dem be ängstigenden Fortschritt der Cholera alle Erfolge des böhmischen Feldzuges in Frage stellen und den Rheinbundsgelüsten der deutschen Kleinfürsten einen mächtigen Rückenhalt geben können. Bei den MilitairS begegnete Bismarck einer Unterschätzung Frankreichs und seiner militairischen Kraft, die er nicht iheilen konnte, und keinem Verständniß für seine Bedenken: Moltke hielt Preußen für stark genug, den Krieg gegen Oesterreich defensiv an der Elblinie weiter zu führen und die Hauptmaste seines Heeres gegen Frankreich zu werfen und zwar in der Offensiv«. Dir lange Dauer des deutsch-französischen Krieges, in dem die numerisch überlegenen Heere des vereinigten Deutschland die glänzendsten Siege davontrugen und dann einen Monate langen, in einzelnen Momenten sehr schwierigen Krieg gegen die fast un erschöpfliche Defensivkräfte der Republik zu führen hatten, hat bewiesen, daß die Bedenken Bismarck's begründeter waren, als die SiegeSgewißheit des Strategen. BiSmarck wurde durch die militairische Perspective eine» nach zwei Seiten hin zu führenden Krieges zu lebhafteren Anstrengungen im Sinne des Frieden bestimmt. Der Politiker muß die Zukunft im Auge haben, eine allzu scharf gespannte Sehne platzt. Für unsere späteren Beziehungen zu Oesterreich kam e» BiSmarck darauf an, tränkende Er innerungen nach Möglichkeit zu verhüten, wenn es sich ohne Be einträchtigung der deutschen Politik thun ließ. Darum war er gegen einen siegreichen Einzug des preußischen Heere» in die feindlich« Hauptstadt, der zwar dem Ehrgeize der militairischen Führer geschmeichelt, gleichzeitig aber das Ehrgefühl deS Ueber- wundenen empfindlich verletzt hätte, sowie gegen Abtretung von Land und Leuten deS österreichischen Staates, durch welche dieser beständig an seine Niederlage erinnert worden wäre. Als voraus schauender Politiker mußte er mit der W a h r s ch e i n l i ch t e i t eines französischen Krieges rechnen und mit der M ö g l i ch k r i t eines russischen. In beiden Fällen war ein auf den Tod ver feindetes Oesterreich der natürliche Bundesgenosse der Feinde Preußens, ein mild behandeltes dagegen blieb vermuthlich neutral, konnte sogar unter Umständen zumKampfgenossen gegen Frankreich oder Rußland gewonnen werden. Für solche Erwägungen fand er beim Könige zunächst kein Gehör. Der König skizzirte un mittelbar nach Eingang de» Telegrammes Napoleon's die Friedensbedingungen in folgender Weise: Bundesreform unter preußischer Leitung, Erwerb Schleswig-Holsteins, Oestcrreichisch- Schlesiens, eines böhmischen Grenzstriches, Ostfrieslands, Er setzung der feindlichen Souveräne von Hannover, Kurheffen, Meiningen, Nassau durch ihre Thronfolger; später wuchsen noch seine Wünsche: er wollte Theile von Sachsen, Hannover, Hessen annectiren, besonders aber Ansbach und Bayreuth, deren Rück erwerb ihm sein starkes Familiengefühl nahelegte. Die Annexion sächsischen Gebietes freilich machte die bestimmte Erklärung de» Grafen Karolyi unmöglich, daß Oesterreich die Integrität Sachsens als conditio sios qua non festhalten müsse, die Annexion Oefierreichisch-SchlesienS verbot die Weigerung Oester reichs, irgend einen Theil seines Gebietes abzutreten; mit um so größerer Zähigkeit hielt der König an der Forderung fest, die fränkischen Fürstenthümer für Preußen zu gewinnen, obwohl Bismarck ihn darauf aufmerksam machte, daß in dielen Ge bieten die Liebe zur bayerischen Dynastie fester wurzele, als die Erinnerung an die vorübergehende Herrschaft der Hohenzollern, und daß ein verstümmeltes Bayern bei dem starken Selbstbewußt- fein deS bajuwarischen Stamme- schwer zu versöhnen sein und also ein Hinderniß der zukünftigen Einigung Deutschlands werden würde. Noch am 24. Juli 1866, nachdem schon die Friedens verhandlungen mit Oesterreich in Nikolsburg ihren Anfang ge nommen hatten, war der Widerstand des Königs gegen eine schonende Behandlung Bayerns ohne Gebietsabtretung so stark, daß Minister v. d. Pfordten unverrichteter Dinge wieder abreisen mußte. Tags zuvor war Nikolsburg der Schauplatz eines Ring kampfes zwischen König und Minister gewesen, in dem es sich thatsächlich um die höchsten Fragen der deutschen Zukunft handelte. Der „Questenberg km Lager" war den Militairs, die das Ohr des König» mehr besaßen, al» der Diplomat, ein un bequemer Verderber ihrer militairischen Erfolge. Im Kriegs rath (oder General-Vortrag) vom 23. Juli platzten die Meinungen hart aufeinander. Bismarck blieb mit seiner Ueberzeugung, daß auf di« von Oesterreich gebotenen Bedingungen (des Austrittes aus dem Bunde, der Anerkennung aller durch Preußen in Nord deutschland zu treffenden Einrichtungen, vorbehaltlich der Inte grität Sachsen») der Friede geschlossen werden müsse, allein; der König trat der militairischen Mehrheit bei. Da vermochten Bismarck'S Nerven dem Drange der auf sie rinstürmenden Ge fühle nicht mehr zu widerstehen: er ging schweigend in» an stoßende Schlafzimmer, warf sich auf sein Bett und schluchzte im Weinkrampf wie ein Kind. Unterdes entfernte sich der Kriegs rath. BiSmarck brachte alle Erwägungen, die für den Friedens schluß sprachen, zu Papier und bat den König, bei Weiterführung des Krieges ihn aller seiner Aemter zu entheben. Mit diesem Schriftstücke begab er sich zu dem Könige und entwickelte ihm noch einmal alle politischen und militairischen Gründe, die gegen die Fortsetzung des Krieges und für eine schonende Behandlung Oesterreichs sprachen. Der König gab das Gewicht seiner Be denken zu, erklärte aber die vorliegenden Bedingungen für un genügend, da Oesterreich und seine deutschen Verbündeten wegen ihrer Feindschaft gegen Preußen streng bestraft werden müßten. Bismarck's Einspruch, daß Preußen eine deutschnationale Ein heit unter Leitung des Königs von Preußen herzustellen oder an zubahnen, nicht aber des Richteramtes zu walten habe, blieb ohne Eindruck, ja sein Widerstand gegen die Wiederaufnahme deS Krieges reizte den König so, daß Bismarck die Erörterung ab brach und in dem Gefühle, daß seine Auffassung abgelehnt sei, das Zimmer verließ. Heimgekehrt in seine Wohnung, war ihm zu Muthe, als ob er durch Sturz aus dem Fenster sein Leben enden sollte; er kehrte sich nicht um, als er die Thüre öffnen hörte. Der eintretende Kronprinz ward sein rettender Engel Die Hand ihm auf die Schulter legend, sprach er: „Sie wissen, daß ich gegen den Krieg gewesen bin. Sie haben ihn für noth- wendig gehalten und tragen die Verantwortlichkeit dafür. Wenn Sie nun überzeugt sind, daß der Zweck erreicht ist und jetzt Friede geschloffen werden muß, so bin ich bereit, Ihnen beizustehen und Ihre Meinung bei meinem Vater zu vertreten." Nach einer kleinen halben Stunde brachte er die Zustimmung des Königs in einem Marginale zu einer von Bismarck's letzten Eingaben, dessen Wortlaut dem Fürsten Bismarck im Gedächtniß geblieben ist. ES lautete: „Nachdem mein Ministerpräsident mich vor dem Feinde im Stiche läßt und ich hier außer Stande bin, ihn zu er setzen, habe ich die Frage mit meinem Sohne erörtert, und da sich derselbe der Auffassung deS Ministerpräsidenten angeschlossen hat, sehe ich mich zu meinem Schmerze gezwungen, nach so glänzenden Siegen der Armee in diesen sauren Apfel zu beißen und einen so schmachvollen Frieden anzunehmen." Bismarck stieß sich nicht an die unverbindliche Form, hat die harten Worte dem König, den er liebte, auch niemals nachgetragen: „Von dem erwähnten Marginale", schreibt er in den „Gedanken und Er innerungen", „blieb mir als einziges Residuum die Erinnerung an die heftige Gemllthsbewegung, in die ich meinen alten Herrn hatte versehen müssen, um zu erlangen, wa» ich im Interesse des Vaterlandes für geboten hielt, wenn ich verantwortlich bleiben sollte." Wer könnte ohne Rührung diese schlichten Worte lesen, dieses Bekenntniß einer Liebe zu seinem „Herrn", die im Inter esse der Sache des Vaterlandes auch den härtesten Vorwurf schweigend erträgt, ohne zu grollen? Nach Unterzeichnung der Präliminarien mit Oesterreich fanden sich auch di« Bevollmächtigten von Württemberg, Baden und Großherzogthum Hessen in Nikolsburg ein. Während die der beiden letzten Staaten empfangen wurden, mußte sich Herr von Varnbüler, der bei Ausbruch des Krieges Preußen da drohende Vao vietis? zugerufen hatte, zunächst eine Abweisung gefallen lassen. BiSmarck traute der württembergischen Politik Rheinbundsgelüste zu, die bei den nahen verwandtschaftlichen Be ziehungen des württembergischen Hauses mit der Napoleonischen Dynastie nahe genug lagen. Vielleicht hat gerade die ablehnende Haltung -Bismarck's bewirkt, daß sich Herr von Varnbüler bei den späteren Verhandlungen in Berlin den preußischen Forderungen auch in deutsch - nationaler Beziehung gegenüber um so entgegenkommender zeigte: er war der Erste, der seinen Namen unter einen der Schutz- und Trutzverträge setzte, durch welche die außerhalb des Norddeutschen Bundes stehenden süd deutschen 'Staaten sich für den Fall eines französischen Angriffe» zu gemeinsamer Abwehr verpflichteten. Dank der Napoleonischen Einmischung, die den Einfluß Preußens in Deutschland durch die Mainlini« beschränkte, konnte sich nur erst das nördliche Deutschland in festerem Bunde organi siren (21. Capitel: Der Norddeutsche Bund). Das Provisorische eines solchen Zustandes wurde von Jedermann empfunden, am meisten von Bismarck selbst. Daß aber das letzte Ziel, die Einigung Deutschlands, ohne einen Waffengang mit Frankreich nicht zu erreichen sein würde, lag auf der Hand für jeden Kenner der Napoleonischen Prestigepolitik, wie viel mehr für einen Staatsmann vom Schlage Bismarck's. Bei allen Fragen der inneren Politik hatte er demnach die auswärtigen Beziehungen im Auge zu behalten. Den Krieg mit Frankreich zu provociren, lag nicht im Interesse Preußens und des Nord deutschen Bundes, er mußte von selbst kommen, wenn die Un haltbarkeit der durch den Krieg von 1866 und die französische Intervention geschaffenen Lage sich offenbarte, aber er durfte nicht zu früh kommen. Daher vermied Bismarck Alles, was das miß günstige Ausland reizen konnte, und widmetePch nach Kräften dec Konsolidation des Norddeutschen Bundes und des durch stattlichen Zuwachs erweiterten preußischen Staates. Mißgünstig aber war nicht Frankreich allein, das im Falle des Krieges auf den Bund von Oesterreich und Italien rechnen konnte, mißgünstig war auch Rußland, wo Fürst Gortschakow nach glaubhafter Ueberlieferung im Juli 1866 einen gemeinsamen Protest Rußlands und Frank reichs gegen die Beseitigung des Deutschen Bundes anregte, der nur unterblieb, weil Napoleon seine Mitwirkung ablehnte. Die Freundschaft Englands aber, die sich niemals zu aktiver Theil- nähme an einem Kriege aus preußischer Seite verdichtet hätte, konnte in ihrer platonischen Form europäischen Koalitionen gegen über nichts nützen. Unter dem Einflüsse dieser Erwägungen auf dem Gebiete der auswärtigen Politik entschloß sich Bismarck, „jeden Schachzug im Innern danach einzurichten, ob der Eindruck der Solidität unserer Staatskraft dadurch gefördert oder ge schädigt werden könnte". Darum betrieb er, entgegen den reaktionären Anträgen der äußersten Rechten, die an sich dem Könige sympathisch waren, die Versöhnung im Innern durch die Jndemnitätsvorlage, die der fortschrittlichen Opposition auf dem Gebiete der Theorie Recht gab, nachdem sie soiben durch die Praxis von der Thorheit ihres Widerstandes gegen die Armeereorgani sation überzeugt worden war; darum widerstrebte er jeder breiteren Erörterung des nationalen Zieles, die das Ausland reizen konnte und auch beim Könige Anstoß erregte, weil er eben nur König von Preußen sein wollte und ohne jede ehrgeizige Berechnung nach der deutschen Seite hin war; darum warf er aber auch „die damals stärkste der freiheitlichen Künste, das all gemeine Wahlrecht, mit in die Pfanne", „um das monarchische Ausland abzuschrecken von Versuchen, die Finger in unsere nationale Omelette zu stecken". Wie oft ist gerade aus der Ein führung des allgemeinen Wahlrechtes dem Fürsten Bismarck ein schwerer Vorwurf gemacht worden; man vergißt dabei, daß er es gab als „eine Waffe im Kampf« gegen Oesterreich und weiteres Ausland, im Kampfe für die deutsche Einheit", zugleich als „eme Drohung mit letzten Mitteln im Kampfe gegen Koalitionen", und in der Hoffnung, daß das deutsche Volk stark und klug genug sein werde, sich von dem allgemeinen Wahlrechte wieder frei zu machen« Wenn es dasselbe als eine schädliche Institution erkannt haben würde; man ignorirt weiter, daß die Heimlichkeit der Wahl erst durch den Antrag Fries in das Wahlgesetz hineingebracht, dadurch aber der Agitation die weiteste Möglichkeit zur Verhetzung der Massen gegeben worden ist. Fürst Bismarck hält auch noch in Zwetschkenkuödel. Von Earl Wolf in Meran. *) Beim Kugler-Bauern in der Gank war eS. Da saßen die Knechte am Sonnabend nach Feierabend in der Küche, auf dem Herde theil», oder auf „der Anricht", dem Hackstock und so weiter. Die Viehmagd hatte in einem mächtigen Kessel au» Heu abfällen und Grischen**) ein „Trankl" über dem Feuer für die kranke Kuh und verwendete auf di« Zubereitung dieser Recon- valescentenkost alle Sorgfalt. „Mei", erzählt« sie den zuhorchrnden Knechten, „mei, wenn's g'rad sehen könnts, wie einen die arme, kranke Blaß anschaut im Stall drent. Zum derbarmen ist'», gradau» zum derbarmen. Und i laß mir'» nit nehmen, angrhext ist dem armen Viech die Krankheit worden. Seitdem i ins Trankl allweg» a Eßlöffel voll St. Jgnaziwaffer eini khu, da sollt» sehen, wie die Krankheit im Bauch von der Blaß umfahrt, wie a Mau» in der Fall." Ganz hinten auf dem alten Stammplatz des Herde», auf der *) Wir entnehmen diese humorvolle kleine Geschichte mit Zu stimmung der Ver1ag»handlung der soeben erschienenen vierten -ammlung der »GeschichteaauSTIrol- von LarlWols t^nntbruck, A. Edlioger» Verlag). — Gleich den drei seither erschie nenen Sammlungen enthält auch dieser Band wieder eine ganz« Reihe prächtiger Darstellungen au» dem Leben der Tiroler Bauern, voll Humor und Gemüt», di« dem Dichter, der nicht mit Unrecht eia Defregaer mit der Feder» genannt wurde, sicherlich wieder die bet- tälltgst« U»»r1r»nung alter u»d neuer Freund» seiner volk»tbllmlichen Muse Einträgen werden. Di« Red. ") «leie. Hühnerfieige, hockten, au» ihren Pfeifen schmauchend, der Sixt und der Hartl. Einer der Knechte, der Schellenkranz-Hans, war in der Stadt gewesen und hatte von dort einen Sack voll Neuig keiten in» Hochthal nritgebracht, und die beiden Burschen brannten schon förmlich auf den Bericht. „Ja, mei Liebe", sagte Hartl zur Magd, „mit 'n St. Jgnazi- wasser, das ist so eine Sach. Selb hilft lei, wenn man beim Zurichten von dem Trankl kein Wort reden thut, nit ein Sterbenswort." Etwas ungläubig schaute die Magd allerdings auf den Burschen, aber sie getraute sich doch kein Wort mehr zu sagen. Zufrieden mit diesem Erfolg, wendete sich Hartl nun an den Schellenkranz-Hans. „Alsdann red, Mensch, wa» machen die Leut in der Welt draußt?" Der Hans bog sich erst weit vor, langte ein brennendes Scheit unter dem Kessel heraus und begann sein Pfeifchen an- zukenten. *) Dann setzte er sich auf dem Hackstock zurecht und sagte: „Ja, 'S Reuigste werd frei sein, 'S Deutsche werd ab- g'schafft i-m Land." Dann entstand eine lange Pause. Gedankenvoll stierten die Leute in dir Gluth und man hätte meinen mögen, die Nachricht deS Han» habe gar kei»e Wirkung, wenn wicht der Sixt plötzlich herauSgefahren wäre: „Jetzt soll mi der Teufel kloanwei» holen, all« Stund a Stuck meinetwegen, wenn i Di versteh'«, thu, HanS." Abermals ein« lange Paust. Auch mit dem AuSspruche de» Sixt beschäftigten sich di« Leute, denn nach einer längeren Zeit bemerkte Hartl: „Halt nit Zeit nehmen thät sich der Teufel, mitn Stuckw«irholen, weil er Dt früher oder spater decht als a ganzer bekummt." *) anzu,linden. „Halt Dein' Kaukasien", ärgerte sich Sixt. „Aber jetzt sag, Hans, was ist's denn mitn Deutschen abschaffen?" „Ja, die Sach ist halt a so", berichtete nun der Hans: „In der Stadt huck i beim Bräu«r und trink mei Bier, die Halbe zu zehn Kreuzer. Und nachher thut ma halt seine Ohrwaschlen auf, daß ma 'was hört und vernimmt. Und da ist so a Mensch g'wesen und der hat den Leutnen erzählt, in Böhmischen drein wölln sie 's Deutsche abschaffen. Die Böhmen haben a zureigne Sprach und a so schön dunkt sie ihnen, daß sie den Leutnen nimmer erlauben, deutsch zu reden Und ganz b'sunders auf oan Gattung Leut haben sie's abgesehen. Warum, sell hab i nit außerbracht. CurioS genug ist's. Auf die Anstreicher und Maler haben sie a b'sundere Tückn in Prag. Denen verbiaten sie, auf der Straßen Farben zu tragen. Und mit der Sach muß e» sei Richtigkeit haben, denn er hat'» au» ar Zeitung außrrg'lesen. Drunter und drüber geht'» im Böhmischen, drunter und drüber. Die Kinder sollen böhmisch tauft werden, und a neue Gattung Knödel haben sie auskopft, a Zweschben *) ist mitten drinn stattn Speck. In die Höll, kimmst, glattweg in die Höll', wenn D' nit Böhmisch kannst, weil lei mehr die Sprach in Beichtstuhl gelten soll, und a Student soll verhungert sein, tief in Böhmischen drin. In kuan WirthshauS hat er 'wa» arrfrieme» **) könnt auf Deutsch und nix geben haben sie ihm. Ueberall werd 's Deutsch« abgeschafft. Bei un» im Landl, hat er g'sagt, der Herr, g'nau so geht'» mitn Walschen, wie drent im Böhmischen die Sprach, alleweil werter breitet sie sich au» und hast mi nit g'sechen, werd oam 'S Deutschreden da a verboten." „Kalt krabbelt nur'» über'n Buckl auffi, wenn i mi b'sinn, in die Knödel a Zweschb. Na, na, Leut, sell darf net sein, daß solche unhoamliche Sachen aufkemmen", sagte Hartl. „Und der Walsche", berichtete der Gchellenkranz-HanS, „der Walsche ist gl«i a bei der Sach dabei, hat un» der Herr aufklärt. *) Pflaume. **) bestellen. Mitn türkenen Plentn*) sein s' so wie so nimmer zufrieden und so breiten sie sich auf der deutschen Seite g'rad so aus, wie die Böhmen im Böhmerland, und hast mi nit g'sechen, ist die Stadt draußen walsch." „Sakra", fluchte nun Hartl dazwischen hinein. „Sakra, sell darf nit sein! Sell dürfen mir nit zugeben. Leutnen, de in an guaten Knödel a Zwetschb eini thuan, de die beste Gab Gottes a so verschandlen, denen ist Alles zuzutrauen." O mei, o mei", jammerte hinten aus der Ecke die alte Ein legerin. „O mei, o mei, 's Landl soll wieder walsch werden, wie Anno Neun. Daß Gott derbarm, die heiligen Abläß walsch, di« Predig walsch und der liebe Vaterunser a. I sag's alleweil, der Antichrist kummt, der Antechrist." „Gott verzeich Dir de Sund'", warf der Sixt erschrocken ein. „Der Walsche soll lei kemmen und soll amal rügglen bei inserer guaten deutschen Sprach'! Mitn kluan Finger soll er insere Knödel antupfen." „Oder 's G'selchte soll er abschaffen, der Walsche", grollte nun Hartl. „Knödel, Krapfen, Nocken und schwarzer Plent**) sein insere vier Element. Dös ist inser Gemüath, du dulden mir kein' Eingriff. Dös kost mi an Lacher, wenn ma mir sagt, der Walsche will bei ins herinnen a so auftreten, wie der Böhmische im Böhmerland", höhnte Sixt. Du machte der schellenkranz - HanS ein ganz bedenkliches Gesicht. „Geh amal außi in an Sunntig auf Saltaus", sagte er. „Zelm sein die Brunnenschachtgraber. Mach sie auf, Deine Ohrwaschlen und los', ob D' a deutsches Wort vernimmst." Da wurde es auf einmal still wie in einer Kirche. Man Härte da» Krachen der Fichtenäste unter dem Kessel und das * Polenta, türkischer Weizen. **) Bochweizea,
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