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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.12.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-12-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981214024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898121402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898121402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-12
- Tag1898-12-14
- Monat1898-12
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S4S2 scheint mau an leitender deutscher Stelle da- Heil Kretas in der von den Mächten beliebten Neuordnung der Dinge nicht zu erblicken. Auch da« entspricht unserer Ueberzeutzung. Hoffent lich bleibt r« für alle Zukunft bei unserer Politik der völligen „Enlbaltsamkeit" in orientalischen Dmgen. Wir vermuthen, Vax England die Entente mit Deutschland dazu auSzunuyea versuchen wird, un» im Orient zurAufnabme eine« „EriSapfrtS" zu verlocken. Es dürste ihm nicht gelingen, da man in Berlin dem Grundsatz buldigt: .Völkerrecht bleibt Völkerrecht auch gegenüber der Türkei", und da gerade England e« ist, welches dem Sultan gegenüber alles Recht und alle Rücksicht bei Seite gesetzt hat. Das dürfte der erste Anstob für die englisch-deutsche Entente werden. Auf der anderen Seile aber sehen wir auch keinen Grund, daß Deutschland sich jemals dafür über Gebühr in« Zeug legen soll, baß im Orient kein .Scheinsrleve, sondern wahrer Friede" werde. Wir haben gesehen, daß unser guter Rath in der Kretafrage nichts ver mocht hat, er wird auch in den übrigen der Lösung harrenden Fragen nicht zum Ziele führen; dafür wird schon der Egoismus und die Eifersucht der betheiligten Mächte sorgen. Lassen wir, wenn eS nicht anders lein kann, ruhig .dahinten in der Türkei" die Völker aufeinander schlagen. Ein directes Interesse au der Gestaltung der Dinge un Orient haben wir nicht; unsere Stellung hat daher die der striktesten Neutralität zu sein. Deutsches Reich. 6. Letpji«, 14. December. Wie von uns bereits mitgetheilt, findet kommenden Montag vor der Strafkammer IV des hiesigen Landgerichts die Hauptverhandlung in der Simplicissi- mus-Anklage statt. Zu verantworten hat sich der Zeichner Heineaus München wegen Majestätsbeleidigung in zwei Fällen, während die Drucker HesseundBecker nach Z 21 des Preß gesetzes unter Anlage gestellt sind. Der Schriftsteller Wedekind und der Verlagsbuchhändler Langen sind bekanntlich nach dem Ausland geflüchtet. Die Anklage vertritt Herr Oberstaatsanwalt Oberjustizrath Häntzschel, die Vertheidigung führt Herr Rechtsanwalt vr Zehme. Die Verhandlung wird voraus sichtlich unter Ausschluß der Oeffentlichleit geführt werden. ex Berlin, 13. December. Der Centralvorstand der nationalliberalen Partei hielt am Sonntag im ReichS- tagSgebäude unter dem Vorsitz des Herrn l)r. Hammacher eine Sitzung ab, in welcher die vorliegenden organisatorischen Fragen eingehend behandelt wurden und eine kurze Erörterung der politischen Lage stattbatte, die einen allseitig befriedigenden Verlauf nahm. Die nächste Sitzung des Central-VorstandeS findet im Januar statt, sobald sich auch die national liberale Fraktion des Landtags constituirt hat und dann die statutenmäßige Neuconstituirung dcS CentralvorstandeS erfolgen kann. Auf die Beratbungen folgte ein gemeinsame« Mahl im Kaiserhof; in der Mitte der Tafel saß der Senior der Partei, Herr Geb. Commerzienrath Vr. Oeckelbäuser, der 79 Jahre in Ehren und beneidenswertber Rüstigkeit trägt. Den ersten Trinkspruch brachte der Abg. v. Eynern als Gesä'äfissübrer der preußischen LandtagSfraction auS, auf vr. Oechelhäuser, dessen anerkannte Verdienste um das Vater land auf dem Gebiete der nationalen Einheitspolitik, des Gewerbefleißes und der schönen Literatur Abg. v. Eynern in herzlichen und beredten Worten prie«. Bewegt dankte vr. Oechelhäuser, indem er ausführte, daß auch der heutige Tag wieder einmal ihn mit den besten Hoffnungen auf die Zukunft der Partei aufs Neue erfüllt bade, und antwortete mir einem Hoch auf die nationalliberale Partei. Mit launigen Worten antwortete vr. Sattler, indem er dem Wunsche Ausdruck gab, daß sich der Nachwuchs der Partei die Hingabe und die Arbeitskraft der Alten zum Muster nehme. 6.V. Berit», 13. December. (Die Arbeitgeber und die Gewerbeinspectoren.) Die Mittheilungen der Gewerbeinspectorcn des deutschen Reiches über ihr Ber- hältniß zu den Arbeitgebern bieten zum größten Theil ein recht günstiges Bild und lassen abermals einen Fortschritt gegenüber dem Vorjahr erkennen. In enger Beziehung zu der Tbatsache, daß der Verkehr der Beamten mit den AetriebSinhabern von Jahr ru Jahr reger wird, siebt stcbt die Erscheinung, daß die Beziehungen sich immer freundlicher gestalten. Aus den Berichten ist zu entnehmen, daß ein großer Tbeil der Jnspections- beamten sich allmäblich eine Vertrauensstellung bei den Fabrikbesitzern zu erwerben gewußt hat; die Gewißheit, bei den Beamten Rath und Au«kunft nicht nur in den Fragen de« unmittelbaren Arbeiterschutzes zu erkalten, sondern auch bereitwillige« Entgegenkommen in Sachen der Ein richtung des Betriebes und der BetriebSstätlen, bei Lobn- rtnv LehrlingSstreitigkeiren, sowie in den verschiedensten anderen Fragen des gewerblichen Leben« zu finden, hat offenbar dazu beigetragen, das ursprüngliche Borurtbeil der Betrieb«inhaber zurücktreten oder womöglich ganz schwinden zu lassen. Dem entspricht e«, daß in der Regel die Durch führung der von den Beamten getroffenen Anordnungen keinen erheblichen Schwierigkeiten begegnet ist und daß die Fälle immer seltener werden, in denen die Anwendung von Zwangsmitteln sich nicht umgehen läßt. Andererseits haben aber die Be amten nickt stets und unter allen Umständen aus der Durch führung ihrer Anordnungen bestanden, sondern mitunter eine Milderung der ursprünglichen Forderung hinsichtlich der Art oder Zeit der Ausführung eintrrten lassen, sei e«, weil die Unternehmer sich in gedrückten Verhältnissen befanden, sei e«, weil sonstige sachliche und triftige Gegengründe vorgebrackt wurden. In den Bergrevieren wurde da« harmonische Berhältlsiß zwischen den Aufsichtsbeamten und den Arbeit geber« oder den Beamte» in keiner Weise getrübt. . — Der Präsident de» Reichstage« Graf Ballestrrm wird am bevorstehenden Donnerstag ein Essen geben, zu dem u. A. die College» im Vorstände Einladungen erhalten haben. — In der „Germania" lesen wir zu dem Thema Socialdemokratie und Wohnungsfrage Folgende«: In einem Versammlungsbericht des „Vorwärts" wird über ein Referat des Herrn Bebel wörtlich gesagt: „Der Redner weist auf die Hannoversche Versicherungsanstalt hin, di« au- privaten und staatlichen Unternehmungen die Summ» v-n vier Millionen zum Bau von Arbeiterwohnungen vorgestreckt habe. Arbeiterwohnungen aber fesseln den Arbeiter, machen ihn gesilgig. Die Arbeiter müssen also da» Geld, das sie jum großen Theil selber ausbringen, zu ihrer eigenen Versklavung benutzen lasten." Die Anschauung, aus der die vorstehenden unbeweisbaren Behauptungen entsprungen sind, ist durch da« Bedürfniß ge kennzeichnet, zu verhüten, daß Zufriedenheit unter den Arbeitern aufkomme. Demselben Bedürfniß entsprachen die Abstimmungen der socialdemokratischen Fraktion gegen die Krankenversicherung, die Unfallversicherung, die Invalidität«- und Altersversicherung, die GewerbeschievSgerickte, da« Arbeiter- sckutzgesetz rc. Je mehr Kritik die Socialdemokratie an den socialen Zuständen üben kann, um so lieber ist e« ibr; des halb muß jeder sociale Fortschritt, wie er in dem Bau von Arbeiterwohnungen unter den in Rebe siebenden Umständen unzweifelhaft sich vollzieht, den Arbeitern „verekelt" werden. — Von dem Abg. C. Haußmann (südd. Volkspartei) erhält die „Nat. Ztg." aus Stuttgart folgende Zuschrift: „Es ist nicht wahr, daß ich in der RcichStagssitzung vom 7. December während des Nachruf« des Präsidenten von Ballestrem zum Gedächtoiß Bismarck's die Worte de« Präsidenten mit ostentativem spöttischem Lächeln begleitet, oder i» sonstiger Weis« gegen jenen Nachruf demonstrirt habe; unwahr ist auch, daß irgend einer meiner Parteifreunde bei Beginn de» Nach rufs den Saal verlassen hätte. Von der bevorstehenden Kundgebung im Voraus unterrichtet, batte ich mich mit meinen Freunden ver ständigt, an derselben theilzunehinen; danach konnte eS uns nicht bei fallen, durch Verlassen de» Saales oder in irgend welcher anderen Form gegen einen parlamentarischen Act zu demoustriren, an welchem Antheil zu nehmen wir selbst beschlossen hatten." Di« „Nat. Ztg." bedauert, ebenso wir, daß ihr die un richtige MilthrUung (von einem Mitglied« des Reichstage«) zugegangen sei. — Die Justiz-Uaterbeamten beabsichtigen, noch vor Beginn der Landtag«-Session eine Commission an dir einzelnen Fractionen zu entsenden, um ihnen dieselben Wünsche zu unterbreiten, welche in der vorjäbrigen Petition Prebm und Genossen zum AuSvruck gebracht hatten. Sie bitten um Gleichstellung mit den College« in den Ministerien, also 1800 Gehalt und 400 WohnungSzuschuß. — In der Angelegenheit de- Amerikaners Frank Knaak, der am 24. November in einer hiesigen Weinstube wegen angeblicher MajestätSbeleidigung verhaftet worden ist, steht nunmehr am 20. d. M. vor der vierten Strafkammer Termin zur Hauplverhandlung an. Rechtsanwalt vr. Schwinbt hat 11 Zeugen laden lassen, die bekunden sollen, einerseits, daß der Angeklagte an dem fraglichen Tage sehr stark gezecht hat, andererseits, daß er sich in normalem Zustande stet» sehr ehrfurchtsvoll über den Kaiser und sehr anerkennend über die freundschaftlichen Beziehungen der Amerikaner zu den Deutschen geäußert hat. — Fürst Herbert Bismarck batte gestern eine längere Unterredung mit dem Grafen Ballestrem, um ihm für die Gedächtnißrede vom letzten Mittwoch zu danken. — Dem nach vollendetem 6ü. Lebensjahre verstorbene« Vor tragenden Rath im Reichsschatzamt Lieber widmet der „Reichs anzeiger" einen ehrende» Nachruf. — Der deutsche Botschafter in London, Graf Hatzfrldt, hat sich nach längerem Ausenthalt in Berlin wieder auf seinen Posten begeben. Der hiesige japanische Gesandte Katsunosukr Inonytz ist für einig« Tage nach Brüssel gereist. Während seiner Abwesenheit fungirt der LegationSsecretair T. Miywka als Geschäftsträger. — Der LultuSMinlster vr. Bosse ist nach Quedlinburg gereist, um der Beerdigung seiner dort verstorbenen Mutter beizuwohnen. * Flensburg, 13. December. Die erste Strafkammer verurtheilte beute acht Dänischgesinnte, welche bei einer politischen Versammlung in Broen« am S. März ein den Redakteur Jessen vom FlenSdurger „Avis" verherrlichende«, aufreizendes Lied gesungen hatten, zu je 30 Geldstrafe und außerdem zur Tragung der Kosten. Fünf Angeklagte wurden freigesprochen. * Kiel, 13. December. Prinz Waldemar war gestern fieberfrei. Er wird nack ärztlichem Gutachten bald daS Bett verlassen können. * Hmnbnrg, 13. December. Ueber die Reich«v«rfassung und den lipptfchen Tbronstreit veröffentlichen die „Hamb. Nachr." ein ausführliches Gutachten de« Vr. Kekule von Stradonitz, welche« ve» freisinnigen Antrag auf In kompetenz de« Lundesrath« ie. al« juristisch unhaltbar nach zuweisen sucht. (D Wittmund, 13. DeceMber. Der frühere LandtagS- abqeordnete Auditor Onken ist in Folge eine« Schlag anfalle« gestorben. * Edßerttz t. Al., 13. December. Ein au« dem hiesigen Kriege,verein ausgeschlossener „Genosse" rächte sich dadurch, daß er noch mehrere Mitglieder des Verein« bei der KreiS- direction Cötben al« Socialvemokraten denuncirte. Daraufhin wurde dem Verein Seiten« der Be hörde aufgegeben, die genannten Mitglieder — 10 an der Zahl — aus dem Verein zu entfernen oder diesen aufzulösen. Gegen dies« Maßregel ist der „Halleschen Ztg." zufolge nun von dem Verein sowohl al« auch von dem anbaltischen Kriegervrrbande Beschwerde eingelegt worden, weil die bloße Denunciation al« kein Beweis und kein Grund zu einer solchen Maßregel angesehen werden könne. (-) BreSlau, 13. December. Das Gesammtresultat der diesjährigen Stadtverordneten-Ersatzwahlen ist nach den beute beendeten Stichwaklen folgendes: Es wurden ge wählt: 24 Freisinnige, 14 Mitglieder der Cartellparteien, 2 Socialisten. * München, 13. December. Frhr. v. Herkling bleibt der Liebling de« bayerischen Centrum«. Die „Neue Bayer. Ztg.", da« neue Münchener CentrumSorgan, stellt ihm folgendes Zeugniß auS: „Wir meinen, wenn Frhr. v. Hertling in diesem Jahre seinem Lehramt mehr oder weniger entzogen war, so lag das im Interesse de« bayerischen Staat«-. Darüber besteht von den Spitzen deS Staate« sicherlich Uebereinstimmung. Die Vertretung dr» bayrrischen MilitairrrservatS machte sein« Anwesenheit in Berlin durchaus erforderlich, seine Bemühungen in dieser Frage sind bekannt, aber mehr noch, al- öffentlich wahrzunehmrn gewesen, war er nichtöffentlich thäiig, die Frage im Sinne Bayern- lösen zu helfen." Auch die bayerische Regierung hat die Verdienste de« Frbrn v. Hertling anerkannt: sie bat ihn in die ReichS- ratbskammer berufen und sie hat ihn an Orden nicht leer ausgehen lassen. Vielleicht ist er noch zu höheren Dingen auSerwahlt, denn wie die „Neue Bayer. Ztg." versichert, ist von seiner Wahl zum ReichStag-präsidenten nur deshalb Ab- stand genommen worden, weil er selbst und zwar brieflich darum gebeten hatte. Oesterreich-Ungarn. GemeinSeraths-Lcandal. * Wte», 14. December. (Telegramm.) Ja der gestrigen Sitzung de- Gemetnderathr» kam eS wiederholt zu tumul» tuarischrn Scenen. AlS Oberbürgermeister Lueger bekannt machte, jeder Redner müsse sich persönlich beim Schriftführer zum Worte melden, entspann sich eine längere Debatte über die Geschäfts ordnung, di« sich so stürmisch gestaltete, daß di« Gemeinderäthe Förster, Brix und Mittler von der gestrigen und den drei nächsten Sitzungen ausgeschlossen wurden. Förster und Mittler wollten sich nicht aus dem Saale entfernen und wurden durch den Amtsdiener, Ersterer htnau-getragen. Letzterer hinauSgeführt. Brix hatte den Saal bereit- freiwillig verlassen. * New Asrk, 14. December. (Telegramm.) Gestern wurde in der St. Patriks-Kathcdrale ein feierliches Hochamt für Calirto Garcia abgehalten. Erzbischof Jreland hielt die Gedächtnißreve. Arbeitslosen-Demoiistrattsn. * Prag, 13. December. Heute Mittag zogen vor da« Ratbhau« mehrere hundert Arbeitslose, besetzte» die Treppen und Gänge, verlangten stürmisch Arbeit und schlugen an die Thür des Bürgermeisteramtes, bis die Polizei sie vertrieb. Der Bürgermeister versprach einer Ab ordnung, Arbeit zu verschaffen. (Mgdb. Ztg.) Lage in Ungarn. * Pest, 13. December. Die Regierungspartei richtet morgen gleich den oppositionellen Parteien einen Aufruf an« Volk, worin es heißt: „Im ganzen Lande herrscht tiefe Ruhe und Ordnung, nur im Abgeordnetenbau« Verwirrung und auch da nur bei der Minderheit. Das Land fordert Ruhe, die Parlamentsminderheit will Revolution." Die Negirrung-partei richtet nun an da« Volk die Frage, ob die Revolution siegen soll. Die Regierungspartei sei entschlossen, vor keiner Macht zu weichen. Großbritannien. Hareaurk » Rücktritt. * London, 13. December. Sir William Harcourt hat in einem an John Morley gerichteten Schreiben erklärt, daß er die Führerschaft der liberalen Partei «ieb«r- lea«. Harcourt meist in dem Schreiben darauf hin, daß Rosebery und er in einer von ihnen beiden nach dem Rück tritte Gladstone'S «inberufenrn Partriverfammlung da« voll kommene Festbalten an der Politik, die Gladstone'« Ver- mächtniß bildete, verkündet hätten. Er erinnert daran, wie nach der großen Wahlniederlage von 1895 er und Mörlen vi, gesprengten Neiden ver liberalen Partei wieder gesammelt und der Regierung sogar in Angelegenheit der UntrrricktSbill eine bemerkenswertbe Niederlage bereitet hätten. „Unsere Erfolge", fahrt Harcourt fort, „waren der Loyalität und dem geeinigten Vorgehen der Partei verdankt. Nur wenn starker Geist herrscht, kann von einer politischen Partei Alle« geleistet werden. Eine Partei, die durch Gruppen streitigkeiten und persönliche Interessen gespalten ist, ist eine solche, die Niemand bereit sein kaNn, zu feiner eigenen Ehre und zum Vortheile de» Lande« zu führen." Er habe stet« versucht, schließt Harcourt da« Schreiben, die Einigkeit des Vorgehens herbeizuführen und die Meinungs verschiedenheiten bei den Männern, mit denen zu handeln seine Pflicht war, zu versöhnen. Er habe niemals durch persönliche Erwägungen sein Vorgeben beeinfluffen lassen. Er sei weder, noch wolle er jemals Bewerber um irgend eine bestrittene Stellung sein. Er betheilige sich nicht an solcher Erniedrigung de« Tone« de« öffentlichen Leben«. — John Morley beantwortete, über dieses Schreiben mit einem Briefe, in welchem er sagt, er habe nicht die geringste Ueberrasckung empfinden können, daß eS Harcourt schließlich unmöglich war, in der unerträglichen Lage und gegenüber der unwürdigen Unterstellungen, er sei durch persönliche Erwägungen bei der Beibehaltung der Führerschaft beeinflußt worden, Schweigen zu bewahren. Orient. Die bedrohliche Lage tn Rordmakedonteir. 1.6. Konstantinopel, 13. December. Auch die von tür kischer Seite auS dem Vilajet Äofsowo kommenden Berichte lassen die dortige Lage als recht bedenklich erscheinen. Die Meldung, daß die Pforte Reformen rinzuführen gedenke, welche die Vorrechte der Albanesen einschränken würden, hat unter den Letzteren eine hochgradige Erregung hervor gerufen. Im Allgemeinen würde man derartige Reformver suche nicht weiter beachten; aber man fürchtet, daß alsdann die Großmächte einschreiten und die thatsächliche Durchfüh rung der Reformen erzwingen werden. Eine sehr stark be suchte Notabelnversammlung der Albanesen, welche vor Kurzem in Prizrent abgebalten wurde, bat deshalb be schlossen, daß, wenn die Pforte VerwaltungSmaßregeln ergreifen wolle, um die Vorherrschaft deS an Zahl überlegenen albane- sischen Elementes in Norvmakedouien zu beseitigen, die Alba nesen unbekümmert um die Regierung zu den schärfsten Mitteln der Abwehr greifen würden. Kreta. * Loudon, 13. December. Der „Manchester Guardian" bat auS Canea die ofsicielle Mittheilung erhalten, daß Droz die Stellung als Ratbgeber veS Prinzen Georg und Organisator der neuen Verwaltung angenommen habe. Seine Ernennung sei die endgiltige Garantie für den Erfolg der autonomen Regierung. Die Christen seien befriedigt darüber, daß eine Person an der Spitze sein werde, die die hellenische Idee repräsentirt; auch die Mubamedaner setzen in einen europäischen Administrator von bewährter Fähigkeit Ver trauen. (Frkf. Ztg.) * Canca, 13. December. Neueren Mittbeilungen zufolge wird Prinz Georg nach erfolgter Verständigung mit Numa Droz am 2l. d. M. hier eintreffen. Die Admirale meldeten ihren Regierungen, daß sie fünf Tage darauf Kreta verlassen würden. — Eine telegraphische identische Note der Admirale an ibre Regierungen erklärt, falls der Prinz eine Amnestie erlassen sollte, so werde diese unmöglich auf die durch die Kriegsgerichte wegen der in Candia verübten oder solcher Verbrechen Verurtheilten Anwendung finden können, die auf Todesstrafe gelautet und in Freiheitsstrafe umgewandelt seien, weil sonst die Sicherheit derjenigen Personen, welche in den betreffenden Processen als Zeugen auftraten, schwer gefährdet erscheine. Fortschritte in Rumänien. * Bukarest, l4. December. (Telegramm.) DerSenat beschloß in seiner gestrigen Sitzung nut großer Mehrheit, den von der Regierung als Antwort auf die Thronrede angenommenen Adreßentwurf in Erwägung zu zieben. — In der Deputirtenkammer, die gleichfalls die Adresse berietb, hob der Ministerpräsident Sturdza die großen Fortschritte hervor, die daS Land gemacht habe. Sir seien dem König und den Staatsmännern der national liberalen Partei zu verdanken. * Sofia, 13. December. Der Unterrichtsminister Bazow hat seine Entlassung gegeben. „Werden Sie heute keinen Spazierritt unternehmen?" „Nvin, eS ist zu heiß." Sie starrte dabei krampfhaft auf das Lunte Blumenbeet unter dem Fenster, nur um seinen Blicken nicht AU begegnen. Er seufzte leicht auf, womit er wohl seine Un geduld ausdrücken wollte, sprang auf und trat rasch ans Fenster. «Capri blieb starr und bewegungslos, als ob sie plötzlich in Marmor verwandelt wäre; ihr Herz jedoch flammte heiß auf. Einen Augenblick verweilten Beide in ihrer Stellung, dann durch maß Guy einige Male erregt das Zimmer, blieb plötzlich vor einem Büchertisch stehen, nahm das erste beste Bändchen in die Hand; es war Henry Carey's Uebersetzung von Dante'» „Vision der Hölle", mit Illustrationen von Gustave DorS. Ein neuer Gedanke schien ihn zu beseelen. Er ließ sich wieder an Capri's Seite nieder, öffnete das Buch und neigte sich darüber. Sein volles, weiches Haar streifte ihre Hand, ihren Körper über lief ein Zittern, das sie nicht zu verbergen vermochte. ... „Gefallen Ihnen diese Illustrationen?" fragte er ruhig. Schon oft begann ein Gespräch mit Gemeinplätzen und. endete tragisch. „Einige davon, ja", entgegnete sie, sich vollbewußt, daß diese Frage mit seinen wahren Gedanken ebenso wenig gemein hatte, wie ihre Antwort mit den ihrigen. „Er ist ein vorzüglicher Zeichner." „Das behaupten Biele." „Gefallen Ihnen seine großen Bilder?" „Der Einzug in Jerusalem ist wunderbar." „Betrachten Sie nur dieses Bild: FranceSca da Ramini und Paolo Malatesta. Meiner Ansicht nach ist die« die beste Leistung - DorS's." . Er hielt ihr da« Buch hin und sie blickte mit einem Ausdruck de» tiefsten Erbarmen» in ihren träumerischen Augen auf das eng aneinander geschmiegte, ermordete Liebespaar. : ,ES ist rührend und schön", flüsterte sie. Der Ton, tn dem sie daS sagte, bewegte ihn unaussprechlich. : . i „Darf ich Ihnen diese schöne Stelle vorlesen?" fragte er. „Ich mochte mit Francesca'S Worten beginnen, darf ich?" Sie nickte bejahend. Er la« mit seiner tiefen, klangvollen Stimme die bekannte Liebesgeschichte, bi« in einem vergangenen Jahrhundert spielte. Sie lauschte den von seiner eigenen Leiden- . schäft durchglühten Worten, die sich ihr ins Herz brannten und wagte kaum zu athmen. Als er FranceSca't Rede beendet, legte . er das Buch zur Seite, eine peinliche Pause entstand, Capri war seltsam bewegt und vermochte ihrer Stimmung nicht Herr zu werden. Plötzlich änderte sich Guh'S GesichtSausdruck und mit einer von verhaltener Leidenschaft bebenden Stimme fragte er: „Was ist vorgefallen, daß Du heute so kalt gegen mich bist?" Sie erbleichte, ein eigenthiimliches Feuer blitzte in ihren Augen, das Herz klopfte ihr zum Zerspringen und doch schwieg sie. Bittend legte er seine Hand auf die ihrige, welche eiskalt war und sah ihr ängstlich forschend in« blaffe Antlitz. Sie schlug die Augen nieder und wandte das Haupt zur Seite. Jede Fiber ihres Körpers zitterte. Ein heftiger Kampf tobte in ihrem Innern, während sie sich zwang, äußerlich ruhig zu er scheinen. „Warum antwortest Du mir nicht? Wa» habe ich Dir ge- than, Capri?" „Bin ich wirklich kalt?" Nur mühsam entrangen sich die Worte ihren Lippen, als ob sie ihr Qualen verursachten. „Du fragst noch? O, wie Du mich folterst! „Ich Dich? Warum bist Du heimgekehrt? Hast Du mir nicht versprochen, mich zu meiden?" rief sie schmerzlich au«. „Weil ich ohne Deinen Anblick nicht länger zu leben ver mochte!" Ein leichter Seufzer hob ihre Brust, ein warmer Strahl leuchtete aus ihren Augen, doch verschwand er eben so schnell, Wit er aufgetaucht; sie kämpfte noch immer gegen die Leidenschaft, die sie zu überwältigen drohte, und die sie selbst für strafbar hielt. „Ich habe mich in der Welt Herumgetrieben, um Dich zu ver gessen", fuhr er dumpf fort. „Gott allein weiß, wie ich mich bemüht habe, die Liebe au» meinem Herzen zu bannen — aber vergeben«, sie ist stärker al« ich. Selbst wenn mir Dein Anblick den Tod gebracht hätte, — glaube e» mir, ich wäre doch ge kommen." Sie schwieg noch immer. Nur ihr Busen hob und senkte sich stürmisch. „Capri", bat er sanft, „sei nicht grausam .... Wenn Du wüßtest, wie tverthlo» das Leben für mich ist, wenn ich nicht in Deiner Nähe weilen darf, Du würdest mich nicht fragen, we»halb ich heimgekehrt bin!" Er blickte ihr in« Gesicht, dem leidenschaftlichen Feuer seiner Augen vermochte sie nickt Stand zu halten, und sie bedeckte dasselbe mit beiden Händen, deren Finger konvulsivisch zuckten. Sanft nahm er ihre Rechte in die semige, al» er sortfuhr: „Da« Schicksal war ungerecht und grausam, Dich in di« Arme eine« Gatten zu treiben, der Dich nicht versteht. Dich nicht so lieben kann wie ich. Willst Du auch grausam sein und mich au« Deiner Nähe bannen? Ich verlange ja nicht«, al« Dich von Zeit zu Zeit zu sehen. Deine Stimme hören und Deine süße, kleine Hand in der meinigen halten zu dürfen!" Dabei hauchte er glühende Küsse auf ihre Hand. Ihr Athem ging heiß und schwer, sie erbleichte und erröthete abwechselnd, und wie in einem bangen Schrei entrangen sich ihr die Worte: „Wenn Du mich wirklich liebst, dann fliehe, fliehe weit weg von mir und suche mich nie, nie wieder auf!" „Capri, um der Barmherzigkeit willen, sprich die Wahrheit, verursacht Dir mein Anblick wirklich Pein —" „O nein, nein! Aber Du darfst nicht in meiner Nähe bleiben Verlasse England und suche zu vergessen, wie ich mich bemühen will zu vergessen, daß wir uns jemals begegnet sind." „Ich Dich vergessen — niemals!" Er preßte die Zähne krampfhaft aufeinander, seine Augen glühten, das Blut raste wie flüssiges Feuer in seinen Adern, seine Kehle war wie zugeschnürt, die Hände eiskalt. Nach einer Weile stammelte er erregt: „Warum sollten sich zwei Seelen von einander trennen, die für einander geschaffen worden? Warum die Qual der Tren nung ertragen? ... . Warum sollen wir einem grausamen Schicksal gestatten, un« für ewig von einander zu reißen — be denke, für ewig! — wenn unsere Herzen Eins sind?!* Sie lauschte seinen Worten mit weit aufgerissenen, entsetzten Augen, ihre Hand zitterte heftig in der seinen, während er immer leidenschaftlicher fortfuhr: „Du kannst e» nicht wissen, Geliebte, welche Hölle dar Leben ohne Dich für mich wäre! Ich liebe Dich, nein, ich bete Dich al« meine Gottheit an!" Ein schwerer Seufzer entrang sich ihrem gepreßten Herzen. „Um ein armseliges Jahr an Deiner Seite leben zu dürfen, würde ich den Rest meine» Leben» freudig opfern. . . . Endlose Qualen der Hölle wollte ich erdulden, nur sage mir, daß Du mich liebst —" „O Himmel, ich bin verloren!" schrie fie in wilder Verzweif lung auf. „Ja, ja, ich liebe Dich mehr al» mein Leben! Al» ich Dich da« erste Mal sah, erfüllte mich eine unbestimmte Angst vor Dir, denn mein Herz schlug Dir schon damal« entgegen, ohne daß ich e« wußte. Später, al« wir un« in Rom trafen, ahnte ich schon, daß meiner Seele Gefahr droh«. ... Ich wollte treu und stark bleiben und kämpfte gegen die unselige Leidenschaft, die mich erfaßte, ober ich kämpfte vergeben«." „Mein Leben, mein Alle»!" jubelte er. „Mein ganze« Dasein ist ein Hohn, ein Unrecht gegen den Mann, der mir seinen Namen und sein Herz geschenkt. . . ., Ich unterliege der Versuchung, in die mich meine Liebe für Dich geführt, — doch ich kann, ich will nicht länger lügen!" Wie die Klagerufe einer verdammten Seele kamen die Worte aus Capri's Munde. Sie streckte die Arme nach ihm aus und er zog sie zärtlich an sein Herz. „Mein Liebling, jetzt gehörst Du mir allein! Niemand und nichts kann uns mehr trennen als der Tod!" Ein Schauer überflog ihren Körper. Sie lehnte ihr Köpfchen müde an seine Schulter, heiße Thränen näßten ihre Wangen. Waren es Freudenthränen? Siebenundzwanzig st eS Capitel. An demselben Tage, an dem sich daS vorerwähnte Ereigniß abspielte, sollte Mademoiselle Sarah Bernhardt im Gaiety- Theater als „Cameliendame" auftreten. Schon lange vorher hatte Capri eine Loge bestellt, da sie die berühmte Tragödin sehen wollte. Beim Frühstück hatte sie ihren Gatten daran erinnert, damit er sich für den Abend freihalte, denn sie besuchte niemals ein Theater ohne ihn. Kurz vor dem Lunch kam Lord Harrick heim und traf Guy Rutherford auf der Treppe. „Ah, Rutherford, eben habe ich an Dich gedacht", sagte der Vicomte, dem Freunde herzlich die Hand reichend; dieser zögerte erst einen Moment, doch schlug er dann kräftig ein. „Du willst doch nicht schon fortgehen? Nein, daraus Wird nichts, Du bleibst zum Lunch bei uns!" „Ich danke, aber ich kann nicht, denn es ist spät gewotden und ich habe um zwei Uhr eine Verabredung. Die Zeit ent schwand so rasch, während ich mit Lady Harrick plauderte." „Du hast ihr daS hoffentlich gesagt." „Nein." „Pflegst Du bei Damen keine Complimentc anzubringen?" „Nicht bei allen." Lord Harrick, der in vorzüglicher Laune war, schlang den Arm Guy'S in den stinigeN und entführte ihn ins Speisezimmer. „Aber ich bitte Dich, Guy, bleibe zum Gabelfrühstück bei uns", bat er noch einmal. „Ich kann wirklich nicht, mein Bankier erwartet mich um zwei Uhr und es handelt sich um eine wichtige Angelegenheit. Mein Besuch galt eigentlich Dir, da Du aber ausgegangen warst, machte ich Deiner Frau meine Aufwartung und habe mich verspätet." „Ich will nicht zudringlich sein, aber nicht wahr, einen Ge fallen erweisest Du mir doch noch heute?" ,Menn eS in meiner Macht steht, herzlich gerne." (Fortsetzung folgt.)
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