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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.12.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-12-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981220020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898122002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898122002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-12
- Tag1898-12-20
- Monat1898-12
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Größere Schriften laut unserem Preis» verzeichniß. Tabellarischer und Zisfernja- nach höherem Tarif. Sptr«-Beilage« (gefalzt), unr mit d« Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderunx 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß für Ilnzeigen: Ab end »Ausgabe: BorrnittazS 10 Uhr. Worgen.AuSgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde frnher. Anzeigen find stets an die Srpeditimr zu richten. Druck und Verlag von E. Pol, in Leipzig btt. Dienstag den 20. December 1898. 92. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 20. December. Im Reichstag ist bekanntlich von dem Abg. Bass er mann mit Unterstützung zahlreicher nationalliberaler Ab geordneter ein Antrag auf Einführung kaufmännischer Schiedsgerichte eingebracht worden. Dieser Antrag betrifft eine Frage, deren Lösung durch die Neuerungen, die der bereits am l. Januar dieses Jahres in Kraft getretene sechste Abschnitt deS ersten Buches im neuen Handelsgesetzbuch für die Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge gebracht hat, dringlich geworden ist. Zur Zeit werden Streitigkeiten zwischen Principälen und Handlungsgehilfen und Lehrlingen durch die ordentlichen Gerichte entschieden. Dabei ist dem richterlichen Ermessen weiter Spielraum gelassen, namentlich bei der sogenannten Concurrenzclausel, bezüglich deren insbesondere zu entscheiden ist, ob die Beschränkungen der späteren ErwerbS- thätigkeit deS Handlungsgehilfen nach Ort, Zeit und Gegen stand auch innerhalb der Grenzen der Billigkeit stehen. In den meisten Fällen müssen darüber Gutachten von sach verständiger Seite eingeholt werden und dazu werden in der Regel Principale herangezogen. Das Gleiche gilt im Falle der Ueberweisung dieser Fragen an die Kammern für Handelssachen. Uebersteigt der Streitgegenstand den Betrag von 300 Mark, so wird die Sache an das Landgericht verwiesen und hier, wenn auch nur eine der Parteien eS verlangt, von der Kammer für Handelssachen abgeurtheilt, die aus einem gelehrten Richter und zwei dem Stande der Principale entnommenen Handelsrichtern zusammen gesetzt ist. Der Antrag Bassermann beschränkt sich darauf, die grundsätzliche Forderung kuufmännischer Schiedsgerichte zu erneuern. Die Entscheidung über die Ausgestaltung der selben ist im Antrag offen gelassen. Ueber diesen Punct sind sich auch die Meistinteressirten, die Handlungsgehilfen, nicht völlig einig. Strittig ist noch immer, ob die Gerichte als selbstständige Schiedsgerichte, vielleicht in Anlehnung an die Gcwerbegerichte errichtet oder ob sie den ordentlichen Gerichten au gegliedert werden sollen. Die Mehrzahl der Gehilfen ist für daS Letztere. Die Gerichte sollen ähnlich den Schöffengerichten construirt und neben dem Richter mit je einem Principal und einem Gehilfen besetzt werden. Ob diese Beisitzer ernannt oder von den Betheiligten gewählt werden sollen, ist auch noch strittig. Die Vorarbeiten zur Klärung dieser Streitfragen sind seit geraumer Zeit im Gange. Schon vor der Einbringung deS Entwurfes deS Handelsgesetzbuchs im Jahre 1896 haben die ver bündeten Negierungen Erhebungen darüber veranstaltet und zahlreiche Gutachten von Principale» und Hand lungsgehilfen veranlaßt. Die weiteren Vorarbeiten wurden vom ReichSamt deS Innern und dem Reichsjustiz amt gemeinsam geführt. Am 31. Januar dieses IabreS erklärte der Reichsiustizsecretair, das von ihm vertretene Amt werde, sobald man wieder etwas von den dringendsten Arbeiten aufatbmen könne, sich mit der „näheren Prüfung" der Angelegenheit befassen; er fügte hinzu, daß die Frage eine „keineswegs so einfache" sei. Im März d. I. theilte dann die Regierung in der PetitionScommission mit, die Er örterungen schwebten zur Zeit im ReichSamt deS Innern; die von dieser Stelle geführten Verhandlungen mit den Bundesregierungen seien noch nicht abgeschlossen. Da die Vorarbeiten seither fortgesetzt worden sind, so läßt sich hoffen, daß der vorstehende Antrag dazu beiträgt, die Vorarbeiten bald zu einem gedeihlichen Abschluß zu bringen. Wie der Telegraph bereits gemeldet hat, ist gegen den ordentlichen Professor an der Berliner Universität vr. Hans Delbrück wegen seiner Aeußerungen über die Aus weisungen auS Nordschleswig im letzten Hefte der „Preußischen Jahrbücher" aus Grund deS tz 2 des preuß. Gesetzes vom 21. Juli 1852 über die Dienstvergehen der nicht richter lichen Beamten daS DiScipli narverfahren eingeleitet worden. Aus den unS beute vorliegenden Berliner Blättern ersehen wir, daß diese Maßregel mehrfach als ein Eingriff in die Freiheit der Wissenschaft bezeichnet und deshalb scharf getadelt wird. So schreibt die „Tägl. Rundsch": „Wir sind sowohl in der Dänen- wie in der Polenfrage ent schiedene Gegner des Professors Delbrück und haben nie ein Hehl daraus gemacht, daß wir nur mit großem Bedauern einen hervor ragenden Gelehrten, dessen ehrliche Meinung in nationaler Beziehung uns über allen Zweifel steht, in dieser Frage aus Wege wandeln sehen, die wir nur als Abwege bezeichnen können. Dennoch halten wir das Vorgehen gegen ihn für gänzlich verfehlt und be- dauern eS, daß die Regierung sich in dieser Beziehung hat übel berathen lassen. Wenn der Begriff des „Beamten" so gefaßt wird, daß selbst der Historiker und Politiker von Beruf nicht mehr seine ehrliche Meinung sagen kann, nur weil er vom Staat bezahlt wird, dann steht es traurig bei uns." Dazu ist zu bemerken, daß Prof. Delbrück die Aeußerungen, aus Grund deren das DiSciplinarversahren eingeleitet worden ist, nicht in Ausübung seines wissenschaftlichen Lehramts, sondern lediglich als Herausgeber der „Preuß. Jahrbücher" gethan hat. Als solcher hat er jene Ausweisungen nicht nur aus den Ausfluß eines „nationalen Fanatismus" bezeichnet, „der glaubt, die Gesetze der Menschlichkeit mit Füßen treten zu dürfen, und den nationalen Gedanken, dem er zu dienen vermeint, unüberwindlichen Schaden zufügt"; er hat nicht nur von einer „Brutalität" gesprochen, „die uns zum Ab scheu der Welt macht", sondern er hat auch als „peinliche" Wahrheit hinge stellt: „ES war alle» Kinderspiel, waS die Dänen damals gethan haben und waS den sittlichen Zorn des damaligen deutschen Volkes erregte, gegen die Gewaltsamkeit, mit der wir heute selber jene Landschaft regieren". Daß der artige Beschimpfungen der preußischen Regierung dem Herausgeber der „Preußischen Jahrbücher" straflos hin gehen müßten, weil er nicht nur politischer Publicist, sondern auch ordentlicher Universitätsprofessor ist und als solcher vom Staate bezahlt wird, sehen wir nicht ein. Anderen politischen Publicisten, die nicht Universitäts professoren und nicht vom Staate bezahlt sind, läßt man solche Aeußerungen auch nicht durchgehen. Aber eben weil Prof. Delbrück lediglich als Herausgeber und Mitarbeiter der „Preuß. Jahrbücher" und nicht in seiner lehramtlichen Thätigkeit sich vergangen hat, so hätte man unseres Erachtens zunächst gegen ihn als Herausgeber dieser Zeitschrift vorgehen, d. h. den Staats anwalt siegen ihn aufrufen sollen. Nach erfolgtem Richterspruche wäre eS am Platze ge wesen, der Frage näher zu treten, ob der Universitäts professor außer seinem Amte sich vergangen bat. Wäre er — WaS wir nicht bezweifeln — als politischer Publicist von der Strafkammer eines Landgerichts wegen Beleidigung deS preußischen Ministeriums verurtheilt worden, so würde eS sicherlich kein Mensch, der nicht der verwunderlichen Ansicht ist, daß ein nichtrichterlicher Beamter wegen seiner Eigenschaft als Universitätslehrer ein Beschimpfungsprivileg als Schrift steller besitze, für verfehlt angesehen haben, wenn auf Grund einer solchen Verurtheilung daS DiSciplinarversahren gegen den Herrn Professor eingeleitet worden wäre. WaS die DiSciplinarbestrafung für nichtrichtcrliche Beamte anlangt, so erfolgt sie durch Verhängung von Ordnungsstrafen (Warnung, Verweis, Geldstrafe und gegen untere Beamte Arrest bis zu höchstens 8 Tagen) oder durch Entfernung aus dem Amte (Strafversetzung und Dienstentlassung). Erstere steht innerhalb bestimmter Grenzen jedem Dienst vorgesetzten zu; der letzteren muß, soweit eS sich nicht um bloS widerruflich angestellte Beamte bandelt, ein förmliches DiSciplinarversahren vorauSgehen. Die erste Instanz bildet für die vom Könige oder von den Ministern angestellten Beamten der Disciplinarhof in Berlin, für alle übrigen Beamten die vorgesetzte Provinzialbehörde. Die Berufung geht an das Staatsministerium. Urtheile, durch welche die Entlastung eines vom König ernannten oder bestätigten Be amten endgiltig ausgesprochen wird, bedürfen der königlichen Bestätigung. Die gestrige Sitzung der französischen Deputirten' kammer, über deren Schluß an anderer Stelle berichtet wird, war für die TreyfuS-Affaire von hervorragender Be deutung. Bisher hieß es immer, ein geheimes in den Händen des Kriegsministeriums befindliches Dossier, daS „ultrasecrete", existire überhaupt nicht, oder wenn eS existire, so enthalte es völlig wertblose gefälschte Dinge, die kaum einen Bezug auf den Proceß Dreysus hätten. Jetzt hat zum ersten Male die französische Regierung durch den Mund ihres Ministerpräsi denten und ihres Knegsministers officiell erklärt: ein solches Dossier ist thatsächlich vorhanden, aber der Cassationshof kann ebenso wie der Vertheidiger DreyfuS' nur unter der Bedingung Einsicht davon nehmen, daß er eine absolute Garantie für die Nichtveröffentlichung der in ihm enthaltenen Actenstücke gewährt, da diese die Sicherheit des Staates berühren. Dupuy erklärte ferner, der Castationshof selber stehe aus diesem Standpunkt. Daß die Actenstücke nach Ansicht der leitenden Persönlichkeiten Beweise für die Schuld des Ercapitains enthalten, geht aus dem ganzen Zusammenhänge des KammerberichtS, sowie aus der Aeußerung deS früheren Kriezsnnnister Cavaignac hervor, er habe Brisson, da er diesem die geheimen Actenstücke nicht habe zeigen können, andere angeboten, welche nicht minder über zeugende Elementecnthalten haben sollen.DieKammererklärte sich mit ungeheurer Mehrheit — in der Minderheit blieben nur die Socialisten und die extremen Radikalen — mit der Haltung der Regierung einverstanden und votirte ihr das Vertrauen. Die Interpellation, welche zu der aufklärenden Beantwortung der beiden Minister führte, ging von antisemitischer, also DreyfuS feindlicher Seite aus. Sofort wurde von dieser die ganze Verhandlung der Sache vor dem Castationshof als Komödie bezeichnet, da dieser ohne Einsichtnahme in alle Actenstücke kein Urtheil fällen könne. Aber nicht genug damit, die antisemitische Liga fühlt auf einmal wieder Oberwasser und droht mit Revolution, wenn die Regierung der „Komödie" kein sofortiges Ende mache. Man berichtet uns darüber: * Paris, 20. December. (Telegr.) Die antisemitische Liga Frankreichs läßt in Paris eine Proclamation anschlagen, in der daraus hingewiesen wird, daß die Regierung gestern in der Kammer erklärt hat» eS existire im Krieg-Ministerium ein geheimes Dreyfusdoisier, das nicht mitgethrilt werden könne, ohne die Sicherheit de» Lande» zu gefährden. Die Proclamation schließt darau«, daß DreyfuS als Berräther zu Recht verurtheilt worden ist, und fordert deshalb die Regierung auf, die Revisiou deS Processe» gegen den über- führten Berräther einstellen zu lassen und gegen di« Beleidiger der Armee vorzugehen. Wenn die Regierung dieses nicht thuc, so werde daS Bolk zur directen Ausübung seiner unver- jährbareu Rechte greifen, indem eS das Vaterland in Gefahr erklären und gegen seine Feinde vorgehen werde Der Aufruf der Liga folgert aus der Existenz eines ge heimen DreyfuS-DossierS, daß DreyfuS schuldig und zu Rech: verurtheilt sei. Dieser Schluß ist jedenfalls sehr gewagt. Es beweist nur, daß Mitglieder einer Reihe von aufeinander folgenden Ministerien DreyfuS auf Grund LeS Dossiers für einen Berräther gehalten haben und noch halten. Aber der richterliche Beweis dieser Schuld ist noch nicht geführt. Oder sollte die Verurtheilung DreyfuS' s. Zt. erfolgt sein auf Grund der Mittheilung des geheimen Dossiers oder eines Thcils desselben an die Richter, ohne daß der Verurtbeilte und sein Vertheidiger Kenntniß davon erhielten? Aller Wahrscheinlich keit nach ist dies der Sachverhalt. Dann aber ist die Cassa tion deS kriegsgerichtlichen Unheils nothwendig und Dreysus müßte auS der Verbannung zurückgerufen werden, wenn auch darüber, ob er thatsächlich schuldig oder unschuldig, in Form Rechtens immer noch nichts entschieden wäre. Ob ter Castationshof weiter gehen und die Unschuld DreyfuS' wird beweisen können, erscheint nunmehr allerdings fraglich, denn eS ist nicht abzusehen, welche Garantien er, wenn er auch selbst daS Amtsgeheimniß aufs Strengste wahren Wirt, dafür bieten kann, daß der Vertheidiger DreyfuS' und dieser selbst von den geheimen Aktenstücken, wenn sie ihnen vorgelegt werden, keinen Gebrauch machen. ES hat also den Anschein, als solle daS Dunkel, das über der Dreyfus-Tragödie liegt, niemals anfgehellt werden. Als nicht von sachlichem Belang, aber ein Beweis dafür, mit welchen Mitteln die DreyfuS- gegner arbeiten, mag daS Zugeständniß deS verflossenen Kricas- ministerS Cavaignac festgenagelt werden, er habe seinem Chef die geheimen TreyfuSacten vorenthalten! Der Commissar der Mächte für Kreta, Prinz Georg von Griechenland, ist nach der Insel unterwegs. Wie uns au« Athen gemeldet wird, ist der Prinz gestern nach Abhaltung eines TedeumS in der königlichen Capelle in Begleitung der königlichen Familie mittels ExtrazugeS unter Ovationen der Menge nach dem Piräus abgefahren. Er wird sich auf der königlichen Jacht „Amphitrite" nach der Insel MiloS und von dort am Mittwoch nach Kreta be geben. Zu seinem Empfang veröffentlicht der bisherige Nationalausschuß ein Manifest, in welchem eS heißt: „Mit derselben Stunde, zu welcher dem NationalauSschusse die Ernennung deS Prinzen Georg mitgetheilt wurde, hatte für die christ- lichenBcwohner der Insel der Kriegszustand aufgehört. Heute empfangen sie den königlichen Prinzen als friedliche Bürger, ohne Waffen und ohne jeden Groll wegen der vergangenen Leiden. ES sind bereit- in allen Bezirken Hilfsausschüsse eingesetzt, welche den muham- m«dänischen Mitbürgern, wenn sie nach ihren Heimathsitzen zurück kehren, nicht nur ihr Eigenthum zurückerstatten, sondern auch in jeder Weise zur Wiedererrichtung ihrer Wohnstätten Hilfe leisten werden. Prinz Georg betritt also ein Land, welches sich danach sehnt, durch eine gute Verwaltung die Segnungen de» Friedens in Ruhe genießen zu können." So leicht wird die Beruhigung und Befriedigung der arg mißhandelten Muhammedaner schwerlich vor sich gehen. Wie aus anderer Ouelle berichtet wird, ist ihre Position gegen wärtig sehr kritisch. Ihre Wiederansiedelung soll nirgends gelingen, da die Männer, die die Dörfer besucht haben, sich weigern, mit ihren Familien zurückzukehren. Bei den letzten Festen soll die Haltung der christlichen Bauern in Cane» be- Feirrlletoii. HeUersdorff. 3j Novelle von Hedda von Schmid. Nachdruck »«rbolin. „Das ist eine ganz unnöthige Furcht, Herr von Nydegg", ver sicherte Irene, und lud durch eine Handbewegung den Gast ein, Platz zu nehmen. „Als Harald's bester Freund waren Sie mir selbstverständlich von vornherein willkommen. Ein ganz Frei»-' der sind Sie mir auch nicht, Harald und Tante Hermine haben häufig von Ihnen gesprochen; ich halte mich an das Urtheil der Beidin, denn Sie scheinen mir eine zu schlechte Meinung von sich selber zu hegen." „Zu gütig, gnädige Frau." Nydegg machte, sich halb von seinem Sitz erhebend, eine leichte Verbeugung. „Leider muffen Sie für's Erste mit meiner Gesellschaft vor lieb nehmen", fuhr Frau Irene fort; „Harald und Tante Her mine sind gleich nach dem zweiten Frühstück fortgefahren, um die Felder, welche Sie dort durch jene Lichtung schimmern sehen, zu inspiciren. Nachher wollten Sie noch zur Buschwächterei." „Ah, Fräulein Hermine intereffirt sich für Landwirthschaft", warf Arend ein; „sie war stets sehr vielseitig — aber das ist eine neue Errungenschaft der von mir sehr verehrten Dame, dieses landwirthschaftliche Interesse." j Der Ton, in dem diese Worte gesprochen wurden, streifte ans Ironische, doch Arend's Gesichtsausdruck war gleichzeitig ein so ernster und respectvoller, daß Irene nicht wußte, wie seine Aeuße rung aufzufassen war, und im Zweifel darüber blieb, ob Arend das alte Fräulein wirklich so hoch schätzte, wie er vorgab. „O, Tante Hermine intereffirt sich für Alles, was Harald angeht", sagte Irene, und in ihren Worten lag wiederum etwas, was Arend aufhorchen machte. War es Bitterkeit, oder düntte es ihm nur so? — Doch ein wenig scharf hatten diese harmlosen Worte jedenfalls geklungen. „Darf ich Ihnen eine Erfrischung anbietcn? Sie müssen ganz erschöpft sein von der Hitze. Wir gehen erst nach zwei Stunden zu Tisch. Nehmen Sie bis dahin mit Dem vorlieb, was ich gleich hierher beordern will. Vielleicht ist es Ihnen auch angenehm, sich ein wenig vom Wegestaub zu befreien? Ihr Zimmer steht bereit. Darin ist Tante Hermine unübertrefflich — sie sorgt, prophetischen Sinnes, für Mes zur rechten Zeit. Es ist, als habe sie Ihre heutige Ankunft vorauSgeahnt, Ist eS Ihnen also recht, Ihr Zimmer aufzusuchen, bevor Sie einen Imbiß einnehmen? Der Diener soll Sie sofort geleiten." Frau von Rembden erhob sich mit leichter, graciöser Be wegung, drückte auf den Knopf der elektrischen Klingel, und be fahl dem gleich darauf erscheinenden Bedienten, „den Herrn Baron in das blaue Fremdenzimmer" zu führen. Der wohlgeschulte Andres machte Kehrt und schritt dem sich von der jungen Frau mit einer Verbeugung verabschiedenden Gaste voran. Es ging durch einen großen, hübschen Salon und dann durch einen schier endlos langen Corridor, zu dessen beiden Seiten sich zahlreiche Thüren befanden. Die Gastzimmer in Hellersdorff lagen im Hochparterre des Hauses. Eine der Corridorthüren stand offen, und »Arend be merkte im Vorübergehen, daß zwei Mägde im Zimmer damit beschäftigt waren, die beiden Betten, welche drinnen unter alt modischen, geblümten Baldachinen standen, herzurichten. „Wurde auf Hellersdorff noch Besuch erwartet? Scheint beinahe der Fall zu sein", dachte Arend, „wie fatal —" Er hatte sich auf einen ungestörten Sommer gefreut, denn Harald hatte ihm geschrieben, daß sie nur zu Vieren sein würden. Und nun Besuch — am Ende gar Damenbesuch; welche Unruhe, welche Verpflichtungen brächte dieser für den wegmüden Afrikareisenden mit sich. Arend hatte sich zwar noch vor wenigen Minuten selber einen unruhigen Geist genannt; doch im Grunde sehnte er sich nach wohligem Ausruhen, nach einem gemüthlichen, zwanglosen „Sich- gehenlassen" im Kreise bekannter, sympathischer Menschen. Harald Rembden war sein liebster Jugendgenoffe, Tante Hermine kannte er ebenfalls von früher her sehr gut und meinte zu wissen, wie sie in ihrer Eigenart zu nehmen war. So blieb nur noch Frau Irene als einziges fremdes Element . . . Allein der erste Eindruck, den Arend von ihr empfangen, war ein so guter, ihr herzlicher Willkommensgruß hatte ihn so wohlthuend berührt — gewiß, auch mit ihr würde er bald sympathisiren. Sie war ohne Zweifel eine liebenswürdige Hausfrau, und von einer solchen hängt ja meist das Behagen der Gäste ab. Der Diener hatte inzwischen Arend in ein hohes luftiges Ge mach geleitet, in welchem Alles vorhanden war, dessen ein staubiger Reisender zur Auffrischung seines äußeren Menschen bedarf. In seiner leichten Reisetasche führte Arend Alles, was er an kleinen Toilettenutensilien nöthig hatte, mit sich. Erfrischt, mit einem verbindlichen Lächeln auf den Lippen, lehrte er nach zehn Minuten auf die Veranda zurück, wo ihn ein Tablet mit allerhand Eß barem und Trinkbarem erwartete. „Frau Irene muß eine vorzügliche Wirthin sein", dachte er, während er behaglich ein Glas gekühlten Weine» schlürfte, welches die junge Frau ihm eingeschenkt. Und während er aß und trank, saß sie ihm gegenüber, eifrig an etwas Hellblauem, da» wie ein Kinderröckchen auSsah, häkelnd. Wer die Beiden so dafitzen sah, konnte sie für ein glückliches Ehepaar halten. Nachdem Arend sich gestärkt, kamen sie inS Plaudern. Frau Irene sprach wenig, besaß jedoch in hohem Grade die Gabe, liebenswürdig zuzuhören, und verstand es, durch Zwischenfragen Arend zu Schilderungen aus seinem Reiseleben, welches er wäh rend der letzten Jahre geführt hatte, anzuregen. Arend haßte cs eigentlich, wenn man sich ihm gegenüber — wie er behauptete — gleichsam verpflichtet 'fühlte, ihm aufs Steckenpferd zu helfen, wenn man voraussetzte, daß er mit seinen zum Theil mit Ge fahren verbundenen Wanderungen im Lande der Wilden sich zu brüsten liebe. Im Verkehr mit Fremden wich Arend gern solchen Unter haltungen au»; doch hier, mit Frau Irene, erging es ihm anders. Sie verstand cs eben, so hübsch und interessant zu fragen, und da strömten ihm die Worte nur so von den Lippen. Drittes Caprtel. Zwei Stunden verstrichen wie im Fluge. Da vernahmen die Beiden auf der Veranda Hundegebell und das Geräusch über den Kiesweg daherknirschender Wagenräder. Die Vorfahrt des Hauses lag links von der Veranda, aus einem der Bogenfenster konnte man daS sich rasch nähernde Jagdgefährt erblicken. Tante Hermine und Harald kehrten von ihrer Felderinspection heim. Der elegante Wagen war mit zwei schönen, isabellfarbenen Pferden bespannt, ihm vorauf rannte in tollen Sprüngen eine prachtvolle Ulmer Dogge. „Gehen wir meinem Manne entgegen", forderte Frau Irene auf und erhob sich. Arend folgte. Gleich darauf lagen sich die Jugendfreunde in den Armen. Etwas umständlich kletterte Tante Hermine, vom herbei- geeilteü Diener unterstützt, vom hohen Wagensitz. Arend bemerkte, als er sie begrüßte, daß die Dame mit den Jahren etwas stark geworden — eine imposante Erscheinung war sie jedoch noch immer, trotz überflüssiger Körperfülle. „Wir Rembden» haben alle schöne Gestalten, und eine gute Figur ist die Hauptsache beim äußeren Menschen", lautete einer der selbst bewußten Autsprüche Tante Herminens. Seinen Freund Harald fand Baron Nydegg ebenfalls ver ändert. ES waren ja auch fünf Jahre vergangen, seit sie sich zum letzten Male gesehen. Damals war Harald ein schmächtiger Junge von vierundzwanzig Sommern gewesen. Nun, das Leben als Großgrundbesitzer schien ihm gut zu bekommen. Er war ein breitschulteriger Mann geworden, und die schöne Figur der Rembdens kam jetzt bei ihm zu voller Geltung, Hkur sein Gesicht, von der Sonne gebräunt, war nach wie vor schmal, und seine Augen hatten einen schwermüthigen Blick, auch dann, wenn er lächelte. „Ein wolkenloses Glück sieht nicht gerade so aus", sagte sich Arend, und fand im Laufe des Nachmittags und Abends Ge legenheit, sich diese Behauptung zu wiederholen. Man ging bald zu Tisch. Das Eßzimmer war, wie sämmtliche Räume im Hause, hoch und kühl, die Wände waren getäfelt, die Einrichtung prunklos, aber gediegen. Baron Nydegg liebte es, in einem Raum, der ihn sympathisch anmuthete, zu speisen; weit davon entfernt, ein Gourmand zu sein, war er gleichwohl kein Kostverächter — konnte sich aber, wenn cs sein mußte, und auf seinen Reisen war dies oft der Fall gewesen, auch mit der allergeringsten und einfachsten Nahrung tagelang begnügen. Er fand das Menu auf Hellersdorff vor trefflich. Alle Achtung vor Frau Irene, sie scheint ihren Haushalt gut in den Zügeln zu haben — und doch konnte sich Arend nicht ver hehlen, daß es ihm auffiel, daß Irene, seit ihr Mann und Tante Hermine zurückgekehrt, ganz zu vergessen schien, daß ihr Haus frauenpflichten oblagen. Tante Hermine spielte nun die Haus frau so, ols ob sich dies von selbst verstände. Ueberhaupt, was war mit Irene geschehen? Sie war einsilbig und mischte sich nur knapp in das allgemeine Gespräch bei Tische. Arend nahm wahr, daß der aufwartende Diener sich seine Anweisungen nicht von der Hausherrin, sondern von Tante Her mine holte. Diese war es auch, welche den Kaffee hinaus auf die Veranda beorderte und ihn einschenkte. Sie machte fortan dem Gaste die Honneurs. Arend und Harald rauchten ihre Cigarren und tauschten lausend gemeinsame Erinnerungen aus. Es saß sich so behaglich in der köstlichen Luft, die Wipfel der Parkbäume rauschten leise, der schwüle Tag begann einem herrlichen Abe,nd zu weichen. Die beiden Freunde halten einander unendlich viel zu er zählen — das Fragen und Antworten wollte kein Ende nehmen, und Tante Hermine saß mit einer Häkelarbeit daneben und hatte auch allerlei zu fragen und miizuredcn. Unwillkürlich verglich Arend die Art und Weise der allen Dame mit dem liebenswürdigen Zuhören Irenens. Tante Her minens Fragen nach Afrika und seinen Bewohnern waren mit unter recht drastisch, so daß Arend ein Lächeln kaum unterdrücken konnte. Irene hatte die Veranda verlassen, nnd kehrte erst nach gc-
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