02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.12.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-12-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981221021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898122102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898122102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-12
- Tag1898-12-21
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Herz erleichtern würde, diese Wohlerzogenheit ist die Brücke, welche uns über peinliche Situationen hinüberhilft. Es sind ja verjährte Geschichten, die von einer Mädchenstimme heut' in mir wachgerusen.... Verjährt — aber nicht vergessen. . . . Arend, betrügt Dich selber nicht! Soll denn der alte Kampf noch einmal beginnen? Hat derselbe überhaupt je ganz auf gehört?" Arend blickte auf seine Uhr — es war noch früh am Tage — die erste Frühstücksstunde in Hellersdorff fiel auf Neun. Ver- muthlich hatten die Damen sich noch nicht erhoben. Harald, dies wußte Arend, hatte heute einen weiten Wirthschaftsritt zu er ledigen, wollte ledoch zum Frühstück zurück sein. Arend schritt langsam durch den teppichbelegten dämmerigen Corridor. Sein Auge streifte flüchtig die beiden Thüren, die neben der, welche zu seinem Gemach führte, lagen. Hinter den selben schlief Elisabeth Traun — Arend straffte seine schlanke Gestalt höher empor und warf mit einer hastigen Bewegung seinen Kopf in den Nacken. Hätte er geahnt, mit wem er hier in Hellersdorff zusammen treffen würde, zweifellos hätte er einen Grund gefunden, um seinem Freunde zu schreiben, daß er seinen Besuch auf einen späteren Zeitpunkt verschieben würde. Sollte er noch heute oder morgen abreisen? Nein — das wäre Feigheit. Er war nicht der Mann, der vor einem Mädchen, welches er nicht heiß geliebt und das er jetzt unerwartet wiedersah, die Flucht ergriff. Also er blieb. Selbstverständlich! Mit diesem Entschluß betrat er die Veranda, und als er vor dem gedeckten FrühstückStfsch nur leere Stöhle sah, zog er sich in den an die Veranda stoßenden Salon zurück, einen geschmack vollen Raum mit schönen, alten Möbeln und Bildern. Auf einem großen runden Tisch lagen neben anderen Prachtwerken auch eine Mappe mit Ansichten von Florenz. Arend, ein warmer Freund der Kunst, vertiefte sich in den Inhalt der Mappe; in einem bequemen Sessel hingcstreckt, mochte er eine halbe Stunde mit dem Anschauen der Photographien verbracht haben, als ibn wiederum die Stimme, welche ihm den Morgenschlaf geraubt, auffahren ließ. Es war wie die Berührung eines elektrischen Schlages, welche er empfand, sobald Elisabeth Traun's Stimme an sein Ohr drang. Er gehörte zu den Menschen, welche für Stimmen empfäng lich sind, und die Elisabeth'- war eigenthümlich schön in ihrer Klangfarbe. Frau Irene antwortete — die Thür zum Nebenzimmer war nur leicht angelehnt. Arend war es peinlich, den unfreiwilligen Lauscher abzugeben; aber eia Etwas, da- stärker war als sein Wille, bannte ihn auf seinen Platz auf dem tiefen, ledergepolsterten Sessel hinter dem japanischen Wandschirm. „Sehr liebenswürdig und rücksichtsvoll von Deiner Mama, Elisabeth, in ihrem Briefe an Tante Hermine extra zu betonen, daß Niemand von uns zu Eurem Empfange wach zu sein brauche. Mir hätte es nichts ausgemacht, ein paar Stunden früher auf zustehen." „Mama ist nichts schrecklicher, als sich in chiffonirter Frisur und zerdrückter Toilette fremden Augen zu zeigen. Und nach einer Reise sieht man gewöhnlich nicht frisch aus. Da hast Du das Motiv zu Mamas Rücksicht, Hrene. Sieh mich nicht so strafend an — ich bin unverbesserlich — mir thut Mama oft leid, daß sie eine Tochter besitzt, welche es nicht unterlassen kann, überall die nackte Wahrheit herauszufinden. Du kennst mich ja von unserem gemeinsam in Florenz verbrachten Winter her zur Genüge, Irene, und weißt, ich kann mich nicht anders geben, als so, wie ich nun einmal bin. Doch reden wir nicht mehr von mir. Die Menschen sind langweilig, welche immer nur ihr eigenes Ich in den Vordergrund schieben, und der Meinung leben, daß alle Welt DaS, was sie angeht, interessant finden müsse. Erzähle mir von Dir, Irene; wollen wir diese- ungestörte Morgen stündchen ausnutzen. Laß doch den Kaffee, Irene, er läuft uns nicht davon, ich bin wirklich noch nicht hungrig. — Ich habe Dich seit Deiner Derheirathung nicht gesehen, erzähle mir von Dir und Deinem Leben." „Da ist nicht viel zu berichten." Die Antwort klang herb und bitter. „Du bist doch glücklich?" „Dies ist eine Gewissensfrage, Elisabeth." „Verzeih' — ich wollte nicht indiskret sein, aber meine Frage entsprang aufrichtiger Liebe und Theilnahme für Dich." „Wer wäre wohl wolkenlos glücklich unter den Menschen", sprach die junge Frau leise; „man muß mit Dem, was Einem das Schicksal bescheert, zufrieden sein." „Also immer noch Fatalistin", rief Elisabeth Traun. „Es ist Alles im Leben Bestimmung", erwiderte Frau Irene. „Weißt Du — ich bin recht neugierig, Deinen Mann näher kennen zu lernen", plauderte das junge Mädchen weiter — „damals, in Florenz, lernten wir einander nur flüchtig kennen. Mama strebte zum Carneval nach Venedig, und ich fand, daß man ein Brautpaar so wenig als möglich stören dürfe. So war ich mit unserer schnellen Abreise au- Florenz ganz einverstanden. Nun habe ick, was das Kennenlernen Deines Herrn und Ge bieters betrifft, viel nachzuholen." „Du wirst von Harald nicht viel zu sehen bekommen — er ist sehr beschäftigt — „ein Mann der Arbeit", wie Tante Hermine ihn nennt. Hellersdorff ist ein sehr großes Gut, dessen Bewirth schaftung Zeit und Umsicht erfordert." „Da wirst auch Du gewiß viel zu thun haben, und unter stützest Deinen Mann." „Ich? Wie käme ich dazu?" „Nun, das muß ich gestehen! Du bist doch die Nächste dazu, wie Onkel Bräsig sagen würde." „DaS fragt sich doch noch sehr, ob ich die Nächste dazu bin", erklang die in unverkennbar bitterem Tone gegebene Erwiderung. „Aber Irene!" rief Elisabeth erschrocken. Hastig, gleichsam einlenkend, fuhr die junge Frau fort: „Ver stehe mich nicht falsch, — ach, Elisabeih, Du bist nicht ver heirathet — se,i es erst und Du wirst einsehen, daß man sich als Mädchen meist ganz falsche Vorstellungen von der Ehe macht." „Kann sein — aber, wenn ich heirathen sollte, was jedoch nie der Fall sein wird" — dieses „nie" klang besonders stark be^ tont — „dann, nun dann würde mich auch nichts und Niemand daran hindern, meinem Manne immer die Nächste zu sein und zu bleiben. Alles würde ich mit ihm theilen — jeden Ge danken; und wenn wir Beide auch nicht stets gleicher Ansicht sein würden — das wäre ja kaum möglich —, so würde ich mir doch Mühe geben, seine Anschauung, von seinem Standpunkt aus ge rechnet, gerecht zu finden." „Oder ihn zu der Deinen zu bekehren. Ich glaube, Elisabeth, Du bist eine arge Despotin." „Keineswegs. Hätte ich Anlage dazu gehabt, im täglichen Verkehr mit meiner Mama wäre mein Wille doch niemals zur Geltung gekommen. In großen Dingen, in Lebensfragen, da freilich behalte ich meinen Kopf für mich, und ich fürchte, ich habe der armen Mama durch meinen Starrsinn letzthin noch viel Kummer bereitet. Davon erzähle ich Dir einmal später — doch jetzt sag' mir, womit vertreibst Du Dir die Zeit, wenn keine Haus frauenpflichten Dich beschäftigen? Ich denke, eine aus dem Lande lebende Frau müßte vor Langeweile vergehen, fände sie nicht Thätigkeit und Befriedigung durch den sich ihr in ihrem Haus halt bietenden Wirkungskreis." „Du siehst — ich lebe noch — ich lese viel und gehe viel spazieren, täglich zum Kirchhof, Du weißt" — Frau Irenens Stimme zitterte — „dort schläft mein Kleinod — mein Kind — das süßeste Geschöpfchen, das ein Mutterauge je gesehen. Ach, hätte ich mein Kind behalten dürfen, wie glücklich wäre ich; nichts, gar nichts wollte ich dann vermissen." (Fortsetzung folgt.) Abend-Ausgabe npMer TllMM Druck und Verlag von E. Pol, in Leipzig- K46 Mittwoch den 21. December 1898. »o Feuilleton 2625 Die Morgen.AuSgabe erscheint «m '/,? Uhr. die Abend-Ausgabe Wochentag- um ü Uhr. >r. u 104,80 88.20 101,50 87,80 87,10 59,— SO ¬ KO 90 88,60 n 4 4 4700 1110» 12300 8250 8800 3850 570 870 1725 3300 1550 2700 2900 14L0O 215,70 212,65 215,8!. 102.- 133.80 164,75 134.80 > 9,tv>. iS). cmbnrx o« kir. 'm rt»-6»„tt r etoä wo «n. kru.r t»1oLl,'. creetU I , »U. Nize, 108,80 78,40 13» — SO.LO Ännahmeschluß für Anzeige»: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Lei den Filialen und Nnnabmeslcllen je rin« halbe Stunde früher. Anrei-en sind stets an die Er-tditiB» zu richten. Anzeigen-Prel- die 6 gespaltene Petikzeile 20 Pfg, Reklamen unter dem Redartionsstrick (4««» spalten) 50^, vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40/H. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zifferniatz nach höherem Tarif. Ne-action und Erve-Mo«: JohanneSgaffe 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- Abend- 7 Uhr. Filialen: vtt» Klemm'» Sortim. (Alfred Hahn), Universitätsstraße 3 (Paultnuig), Loni» Lösche, Katharinenstr. 14, pari, »d König-Platz 7. 2325 360,1 SSO 2950 ISO 25450 164» 2150 13200 700 , 3300 ! 4400 7025 Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbrsörderu»^ 60.—, mit Postbesürderung .Si 70.—. ,oo - : so 75 40 »40 >60 >25 >50 50 ^75 >75! >oo >30 Anzeiger. Amisktatt des Aömgtichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rattzes nnd Notizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Hellersdorff. Novelle von Hedda von Schmid. NaAdrock verboten. Bitte, laß jetzt die Vorwürfe, Mama, der Diener mit dem von Dir gewünschten Thee kann in jedem Moment eintreten. Soll er Zeuge einer jener Sccnen werden, welche Du so oft herausbeschwörst und welche mir jedeSmal Qual bereiten?" Beim Klange der ersten Stimme war Arend Nydegg in seinen Kiffen aufgefahren, alle Traumverworrenheit war momentan von ihm gewichen. Die Morgcnsonne schien hell — ein Strahl derselben lugte durch den nicht ganz sorgfältig geschloffenen Fenstervorhang. Bleich — athemlos — lauschte Arend. Vergeblich wartete er auf ein weiteres Erklingen der Stimmen im Nebengemach — er ver nahm nur, daß eine Thür geschloffen wurde. Der erwartete Besuch — es waren statt, wie Arend vermuthet, einer Dame — ihrer zwei — mußte sich in das anstoßende Logir- gemach begeben haben. Kein Stimmenlaut ward mehr vernehm bar. „Elisabeth", murmelte Arend Nydegg — „Elisabeth Traun" .... Und er fand keinen Schlaf mehr, trotz der frühen Morgenstunden, während welcher Alle- im Herrenhause — einiges Hin- und Hcrhasten dienstbarer Geister auf dem Corridor — wahrscheinlich wuroen die Koffer der Baronin Traun und ihrer Tochter gebracht — abgerechnet — noch tiefer Ruhe pflog. Vierte» Eapitel. AIS Arend Toilette gemacht und sich beim Umlegen seiner Eravatte im Spiegel beschaute, fand er, daß er wenig Vortheilhaft aussähe. In den schlaflosen Morgenstunden hatte er eine bedeut same Episode seines Lebens in all' ihrer Süße und all' ihrer Bitterniß geistig wieder einmal durchlebt. Und das hatte Spuren auf seinem Antlitz zurückgelaffen. In Arend's Augen lag ein Ausdruck, der aus Resignation und schlecht verhaltenem Feuer zusammengesetzt war. „Alte, begrabene Geschichten! die sollten Einen nicht aus dem seelischen Gleichgewicht bringen. Du bist doch ein wohl erzogener Mensch, Arend, und diese verdammte, lügenhafte, gesell schaftliche Wohlerzogenheit, die uns auch noch ein Lächeln auf- nöthigt, wo wir am liebsten weinen möchten, die uns zu einer höflichen Phrase zwingt, wo eine ungeschminkte Grobheit unser 2»»,— > 652, 58.40 I 199,75 200,50 124,75 »8,45 > 58 88 120 45 47,65 9.55 58,98 740 591 543 530 436 498 >Ir 625 8t«tix. r.> ,22'. >c> 76", W. Bezug-Preis A» der Hauptexpedition oder den tue Stadt« beitrk »ad den Vororten errickteten Aus gabestellen ab geholt: vierteljährlich^»4ckO, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus ö.50. Durch di» Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—-. Direkte tägliche Kreuzbandienduag 1»< Au-land: monatlich 7.50. sich auch den Leuten etwas blauer Dunst mit geringem Steuern und sonstigen größer» Freiheiten vermachen. Aus kiese Art kam die berühmte Petition zu Stanke, die, wie die Aubener „Fliegende Taube" in ihrem berühmten Deutsch damals berichtete, von 60—70 Proccnt verwachsenen Per sonen unterzeichnet war. Trotz dieser Petition giebt eS ui Neutral-MoreSnet Leute genug, die gar nickt für Belgien schwärmen, und der größte Tbeil der etwa 3400 Seelen betragenden Bevölkerung würde ebenso willig cine entgegen gesetzte Petition unterschrieben haben, wenn man ihnen ihre wahren Interessen plausibel gemacht hätte. Schritte in dieser Richtung sind leider damals nicht gcthan Worten, wohl schon deshalb, weil man kaum denken mochte, daß Preußen ganz auf das neutrale Gebiet verzichten würde. Neutral-Moresnct, d. b. die etwa 3000 Einwohner zählende Ortschaft — der übrige Streifen ist fast unbewohnt und besteht aus Wald und Haiveland — liegt dicht an der preußischen Grenze, nur durch die Aachen-Lütticher Landstraße von Deutschland getrennt, und ist in seinen Lebensinteressen ganz auf das zwei Stunden entfernte Aachen angewiesen, während die Beziehungen zu Belgien sehr untergeordneter Art sind. Zahlreiche Arbeiter auS dem neutralen Gebiete sinken in Aackener Fabriken Arbeit und Brod, fast alle Wirth- schaften und Geschäftsleute sind auf Fremdenbesuch von Aachen angewiesen, und die ganze Gegend wünscht seit Langem nichts sehnlicher, al- daß durch eine elektriscke Bahn die Verbindung mit dieser Stadt verbessert werde. Man hofft nicht mit Un recht, daß diese Bahn in mancher Beziehung zur Hebung des OrteS beitragen werde. Ohne Frage würde sie die Arbeits gelegenheit vermehren und die Löhne verbessern, den Fremden verkehr beben, vielleicht auch manche Aackener veranlassen, längeren Aufenthalt in der reizenden Gegend zu nehmen. Alles das, zumal die so dringend nvtbwendige Bahnverbin dung würde durch den Anschluß an Belgien in Frage gestellt. Und warum daS Alles? Weil einige Welsche die ängstlichen Gemüther mit den unerschwinglichen preußischen Steuern und einer allgemeinen Vertheuerung der Lebensmittel erschreckt haben. DaS war eS, was ihnen in die Glieder fuhr. Denn man denke sich die Neutralen beileibe nicht als Preußenfresser, wie so viele Luxemburger! Ein sehr großer Procentsatz sind ja ein gewanderte Deutsche, und deutsch sprechen sie alle. Soll denn wiederum ein Stück von, deutschen Bruder stamm ab gesplittert und ein Wald von Bäumen dafür eingetauscht werden? AuS Gefälligkeit gegen etliche Französ linge? Hoffentlich besinnt man sich noch rechtzeitig, daß es nicht nur in Brasilien, sondern auch da hinten bei Aachen Deutschlands Pflicht ist, einzutreten für deutsche Sprache und deutsches Wesen und ein Gebiet festzubalten, das jetzt noch durch mancherlei Beziehungen mit Deutschland verbunden ist, Vas aber durch Preisgabe an Belgien der Französirung zum Opfer fiele, ein LooS, das auch den übrigen deutsch redenden Gemeinden Belgiens auf die Dauer kaum erspart bleiben wird. Die Evangelisationsbewegung, die in Frankreich seit einem halben Jahre von den ausgetretenen Priestern (pretres svaäss) mit Ernst betrieben wird und deren Organ die Monatsschrift „le Lkiretieu krau^si»" ist, hat nach den interessanten Berichten dieses Blattes in den letzten Monaten namentlich in Paris und im Departement L'AiSne namhafte Fortschritte gemacht. Es sollen bereits mehrere lebenskräftige Gemeindebildungen gelungen sein. Die öffentlichen Versammlungen, die von den ausgetretenen Priestern Bourier, Philippot u. a. veranstaltet werke», er- rvs- s>- 27», »'« 38-, 87°, 120>^ 65>« 78-. >ev 86°, > 87«, > 3 Politische Tagesschau. * Leipzig, 21. December. Ein falscher Schritt, auf rechtem Weg getban, kann daS unbefangene Urtheil über die eingeschlagene Richtung nickt beirren. Die Einleitung deSDisciplinarverfahrenS wider den Berliner Professor und Herausgeber der „Preußischen Jahrbücher", vr. Hans Delbrück, läßt deshalb auch die Answeisungen auS Schleswig jetzt durchaus nicht in einem andern Lickte erscheinen, als vor dem Er greifen jener Maßregel der preußischen Unterrichts verwaltung. Mit Delbrück's sogenannter Kritik hat sich in Leipzig bereits am 2. d. M. eine vom Verein zur Förderung des DeutschthumS in den Ostmarken einberufene Versammlung beschäftigt und abgefunden. Wir haben diese brutale Heraus forderung der preußischen Regierung gestern nochmals gekenn zeichnet, zugleich aber betont, daß eS richtiger gewesen wäre, den Professor Delbrück so lange ungeschoren zu lassen, bis der Strafrichter über den Publicisten Delbrück sein Urtheil gefällt. Der gleichen Ansicht begegnen wir heute in einer großen Anzahl von Blättern. Die dänischen Agitatoren und die polnisch-jüdischen WirthschaftSschädlinge mögen sich aber nur nicht einbilden, daß ihnen bas Miß fallen über die Disciplinirung deS Professors Delbrück bei der öffentlichen Meinung Deutschlands zu Gute kommen könnte. Man ist vielmehr hier fester als je davon überzeugt, daß Herr v. Köller die richtigen Mittel anwendet, um die friedfertigen dänisch sprechenden Bewohner Schleswigs von dem Drucke der Verhetzer diesseits und mehr noch jen seits der Grenze und die Deutschen Schleswigs von ihrem Uebermuth dauernd zu befreien. Die Deutschen sind in ihrer erdrückenden Mehrheit mit den ergriffenen Maß regeln einverstanden. Keineswegs vereinzelt und ebensowenig in der Schärfe deS ToneS von anderen abweichend ist die Stimme eines Schleswigers, die wir nur deshalb beraus- hcben, weil sie in einem süddeutschen Blatte, den „M. N. N", laut wird. Dieser deutsche Mann schreibt, nachdem er daS Wesen der dänischen Wühlerei und die Fehler der bisherigen preußischen VersöhnungSpolitik beleuchtet, daS Folgende: „Ich sage, die preußische R^ierung hat ganz Recht, wie sie jetzt vorgeht; meiner Meinung nach kann man nicht streng genug gegen diese Dänen sein, von denen ja leider viele Tausende in Nord schleswig als Bürger sitzen und sich als Schleswiger geriren. Ich sage es nochmals und alle echten Schleswig-Holsteiuer, Jung und Alt, werden mit mir einstimmen: Hinaus mit den Dänen aus unserem Land, sie verbreiten dort nur Angst und Furcht vor der Wiederkehr des Tänenthums; dann werden unsere guten nordschles- wigschen, dänisch gesinnten Brüder, deren es ja doch nicht sehr viele mehr sind, wenn die Dänen erst daS Feld geräumt haben, bald wissen, wohin sie eigentlich gehören. Darum ist es höchste Zeit, wenn Preußen jetzt so vorgeht. Alles milde Ansassen wird dort als Furcht vor dem gewaltigen kleinen Dänemark mit seiner eventuellen Stütze, wie sie glauben — Rußland und Frankreich — aufgefaßt. Die richtige Faust zur rechten Zeit, das ist in Nordjckleswig am Platz. Man muß doch merken, daß nie daran gedacht werden kann, Preußen-Deutschland werde es jemals aufgeben." Daß die Dänisckspreckenden im Allgemeinen froh sind, von der Regierung der Nothwendigkeit enthoben zu werben, sich dem dänischen Terrorismus entweder zu unterwerfen, ober sich seiner zu erwehren, dafür hat die kurze Zeil seit dem Wechsel veS System- in der Provinz bereit» Beweise erbracht. Aber selbst die Dänischgesinnten beginnen schon andere Saiten aufzuzieben und die von unS erwähnte, durch dir Ausweisungen veranlaßte Gründung einer deutsch-skandi navischen Gesellschaft zeigt, daß man in nordischen Kreisen die dänischen Excesse kennt und ihre Fortdauer zu wünschen keine Ursache hat. In dem Aufruf der Begründer heißt es: „Die Aufgabe der Gesellschaft soll sein, einen versöhnenden und mäßigenden Einfluß auf daS Dänenthum auSzu- üben." ES wird also anerkannt, daß daS Dänenthum Mäßigung vermissen läßt. Wenn der Aufruf weiter sagt, eS solle auch auf die preußische Regierung eingewirkl werden, daß sie nickt durch Verwaltungsgrundsätze die Fortentwickelung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Skandinavien erschwere, so braucht die neue Gesellschaft nur ihre an die Spitze gestellte Ausgabe der Calmirunq deS DänenthumS in Dänemark zu lösen, um ihr zweite- Vorhaben gegenstandslos zu machen. Voraussetzung dafür ist, daß sie und daß die Dänen sich keiner Täuschung über die Bedeutungslosigkeit der für die weitere Duldung dänischer Dreistigkeit und Hochverrätherei eintretenden deuschen Blätter und Fraktionen hingiebt. DaS sind alles Zeitungen und Politiker, von denen man weiß, baß, wenn sie in den letzten fünfunddreißig Jahren Einfluß besessen hätten, Schleswig-Holstein heule dänisch, Elaß-Lothringen sammt der Rbeinprovinz französisch n äre und daß das deutsche Reich nicht bestände. Auf die Minderheit bei unS, die diese Entwickelung der eingetretenen vorziehen würde, wird man sich aber auch in Dänemark nicht verlassen wollen. Ebenso wenig auf die Aengstlingc, die, meistens anonym, von dem Abbruch vereinzelter geschäftlicher Beziehungen zwischen Deutschen und Dänen den Bankerutt Deutsch lands prophezeien. Wir wissen recht gut, daß die Dänen dasselbe Interesse haben, mit Deutschland Handel zu treiben, wie die Deutschen den geschäftlichen Verkehr mit Dänemarck nicht zu unterschätzen geneigt sind. Wenn aber jetzt ab und zu Störungen in dieser Beziehung vorkommen, so tragen daran nicht die Ausweisungen die Schuld, sondern die demokratische Presse, die falsche, die Dänen ermutbigende Vorstellungen von der Aufnahme dieser Maßregel in Deutsch land hervorgebracht hat. Im Sckoße der „regierenden" Partei beginnt es zu gäbren: die demokratischen und die particularistiscken Elemente bereiten eine Rebellion gegen die Eeutrum-partei des Reichstages vor. So ist z. B. die Bonner „Reicks zeitung" sehr ärgerlich über die Zurückhaltung der klerikalen Redner bei der ersten Berathung deS Etats. Wenigstens vom Abgeordneten Or. Lieber habe man erwartet, er würde nachbolen, was der Abgeordnete Fritzen über die Stellung des Eentrums zur Militairvorlage zu sagen versäumt hätte; aber selbst vr. Lieber habe nicht betont, daß die unaufhörlich sich steigernden Militairsordcrungen dem deutschen Volke Lasten auferlegten, welche die Frage berauöforderten, ob die mittleren und unteren Classen diese steigenden Lasten fernerhin tragen könnten. Auch darauf habe vr. Lieber nicht hingewiesen, daß angesichts der von Rußland vorgeschlagenen „Abrüstungskonferenz" die Forde rungen der Militairvorlage sich wie ein Hobn auSnälnnen. Ebenso hätte betreffs der „ZucktbauSvorlage" Stellung genommen werden müssen, vor Allem aber ist der „Neicksztg." unangenehm, daß so viel de» Langen und des Breiten vom Protectorat der Katholiken im Orient gesprochen und geschrieben werde. Daher kommt die „ReickS- zeitung" zu dem Schluß: „Die sonderbar verlaufene EtatSbcrathung scheint der Fraktion die Erwägung nahe zu legen, sorgsam darüber zu wachen, daß nicht durch die übermäßig „staatsmännischen" Anlagen Einzelner daS große Gut deS Vertrauens der katholischen Wähler gefährdet werde." — Noch energischere Töne schlägt der „Bayerische Kurier" an: „Das Zentrum hat noch den Föderalismus und die Volksrechte auf seinem Programm, aber diese Puncle werden in der Praxi» verborgen. . . . DaS Centrum . . legt sein Schiff „bei Wind!"" Deshalb ruft der „Bayerische Kurier" auS: „Ob nun damit daS katholische Volk zufrieden sein wird, oder ob sich nicht ein den Social demokraten verwandtes Volksprogramm ausbilden wird, das ist eben jetzt böchste Zeit, sich wohl zu über legen." — Vermutblich hat ein ungewöhnlich dreister Vorstoß, den die „Germania" an hervorragender Stelle „an die Adresse deS (preußischen) Ministers deS Innern" kicktet, den Zweck, die rebellirenden Gemüther durch confessionelleS Intransigententhum abzulenken und zu beruhigen. Die „Germania" zeigt sich nämlick äußerst erregt darüber, daß der Oberpräsident „der zum allergrößten Theile katholischen Rheinlande" in der AdvenlSzeit ein Ball fest gegeben bat! Der Oberpräsidcnt hätte wissen müssen, daß die Katholiken infolge ausdrücklicher Bestimmung der Kirche sich aller rauschenden Lustbarkeiten zu enthalten verpflichtet seieu; er habe aber durch die Veranstaltung deS Festes «ine große Anzahl von Katholiken geradezu veranlaßt, der kirchlichen Bestimmung zuwiverzubandeln. Darum fordert die „Germania", daß daS „Vorgeben" de- Oderpräsidenten im preußischen Land tage scharf gerügt und verurtheilt werde! — Da die „Germania" selbst es für „beschämend" erklärt, wenn Katholiken aus nichtigen Gründen bei derlei Gelegenheiten die Gebote der Kirche öffentlich übertreten, so hat sie ihrem Angriff auf den Oberpräsidenten selbst das Urtheil gesprochen. Denn kein einziger von den zum Oberpräsidenten geladenen Katholiken hätte etwas zu befürchten gehabt, wenn er unter Hinweis auf die kirchliche Vorschrift die Einladung abgelehnt hätte. Vollends vom Minister deS Innern zu verlangen, wie das durch die oben wiedergegebene Spitzmarke deS in Rede stehenden Artikels geschieht, er solle auf die Ver anstaltung oberpräsidialer Ballsestlickkeiten einen Einfluß ausüben, ist einfach absurd. Aber einen praktischen Zweck verfolgt ja die „Germania" nicht, sondern nur einen taktischen. Wir tbeilten schon mit, daß die Nachrichten von einer bereits erfolgten Entscheidung über daS Schicksal deS neutralen VcbtetcS von Moresnct irrig seien. Dieselben haben einen Kenner dieses Landstriches zu folgender, sehr sympathisch be rührenden Zuschrift an die „Köln. Ztg." veranlaßt: An Ort und Stelle ist nichts davon bekannt, daß Neutral-MoreSnet an Belgien fallen und Preußen dafür einen Theil des Her- togenwaldeS bei Eupen erhalten sollte. Es wäre vom deutschen Slandpunct aus auch sehr zu bedauern, wenn Preußen seinen Reckten auf Neutral-MoreSnet ent sagte, und eS giebt in dem strittigen Gebiete Leute genug, die diese Ansicht theilen und die zugleich in eigenem Interesse eine Preisgabe an Belgien sehr beklagen würden. Es heißt in den irrigen Zeitungsnachrichten, daß eine solche Regelung den Wünschen der Neu tralen entsprechen würde, und eS wird an eine BolkSversamm- lung und eine darauf folgende Petition an den König der Belgier erinnert, die sich für den Anschluß an Belgien auS- sprachen. Wie solche Volksversammlungen nnd Petitionen oft in Scene gesetzt werden, weiß man, zumal wenn einsluß- reiche Persönlichkeiten dahinterstehen, die auS persönlichen und andern Gründen für ihr Leden gern lieber auf belgischem als auf deutschem Gebiete wohnen möchten. Zugleich ließ 188,— 340,-- 157.75 302.80 280,— 122.75 138.75 178, 228,— 168.75 17L.75 179.50 139.25 2.! 200,10 78,- 136.25 117,20 333.50 35450 282,90 OK 327.75 1i-S,— 124,60 93 80 177,-- 223.50 100,- 97 40 212.50 188.50 176- 195.50 113 40 t 22,60 80,— 45,— ilovtkn- sen'Iillto-. verboten, lä I ki-lsi - > 6850 och — - > 4575 >00 5350 - 3100 >50 — >50 >90 50 !00! >10 >50 >0> >50 >50 !50. >75i >vertu z»- bvrir -tet 6 , K25 N-. b Ludlev
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