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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.12.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-12-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981227029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898122702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898122702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-12
- Tag1898-12-27
- Monat1898-12
- Jahr1898
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Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffer»!«- nach höheren! Tarif. Ertra»Vrilagcn (gefalzt), nur ,nit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderun^ Ä.—, mit Postbeförderung ^l 70.—. Ilnnahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Hei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von L. Pol, in Leipzig- 855. Dienstag den 27. December 1898. 92. Jahrgang. Der Rücktritt Fatk's. Mit Bezug auf Bismarck's „Gedanken und Erinnerungen" veröffentlicht der Oberlandesgerichtspräsident Staatsminister vr. Falk in Hamm in der „Deutschen Revue" ohne weiteren Eommentar folgende Schriftstücke: Die Gründe, welche mich im Jahre 1879 zum Rück tritte von dem Ministeramte bestimmten, und die daran sich knüpfenden amtlichen Erörterungen ergeben sich aus folgenden Schriftstücken: I. Entlassungsgesuch an Seine Majestät den Kaiser und König vom 29. Juni 1879: (Am 29./6. N.-M. 3'/. Uhr zur Cab.- Exp. für Ems gesandt.) Eurer Kaiserlichen und Königlichen Majestät bitte ich allerunter- thanigst das Folgende ehrfurchtsvoll vortragen zu dürfen. Allerhöchstbiefelbcn und mit Ihnen alle Freunde des Vaterlandes wünschen die Herstellung friedlicher Zustände auf kirchenpolitischem Gebiete. Seit Langem schon neigte ich zu der Ueberzeugung, daß meine Person für eine gedeihliche Mitwirkung zur Erreichung dieses Zieles nicht geeignet sei, vielmehr hierfür ein ernstes Hinderniß abgeben müsse. Die seit dem Sommer vorigen Jahres gemachten Erfahrungen haben in dieser Beziehung mir jeden Zweifel beseitigt. Sodann hat die Entwickelung der öffentlichen Verhältnisse überhaupt die allgemeinen Anschauungen, die Parteien im Lande und im Parlamente, ihre Bedeutung, ihre Stellung zu einander und zu Eurer Majestät Regierung derartig verändert, daß ich auch aus diesem Grunde mich der Erkenntniß nicht verschließen kann noch Lars, wie ein anderer Mann an meine Stelle gehört. Ich erfülle daher meine Pflicht gegen Eure Majestät, das Land und gegen mich selbst, wenn ich das mir huldreichst anverlraute Amt in die Allerhöchsten Hände zurücklege. Ich würde diesen Schritt schon eher gethan haben, wenn ich nicht besorgt hätte, daß dies vielleicht auf die Durchführung der wirthschaftlichen und finanziellen Pläne der verbündeten Regierungen im gegenwärtigen Reichstage von unerwünschtem Einflüsse sein könne. Diese Besorgniß glaube ich jetzt nicht mehr hegen zu sollen. Indem Eurer Majestät ich den tiefempfundenen Dank für die Gmrde mrterthämgst ausspreche, mit welcher Allcrhöchstdiefelben mir vor länger als sieben Jahren einen großen Wirkungskreis zu er öffnen geruhten, und für die reichen unvergeßlichen Beweise Aller höchster Huld, deren Eure Majestät mich in diesen Jahren theilhastig machten, bitte ich ehrfurchtsvoll, mich aus meinem Amte als Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medincinalangclegcnheiten in Gnaden entlassen und mir die Eompetenzcn huldreichst gewähren zu wollen, welche mir für diesen Fall nach 32jähriger Dienstzeit gesetzlich zustehen. In tiefster Ehrfurcht Eurer Majestät allerunterthänigster Falk. Abschrift vorstehenden Gesuches ist am 29. Juni 1879, Nach mittags 6 Uhr, „an den Präsidenten des Königlichen Staats ministeriums Herrn Fürsten v. Bismarck" mittels II. folgenden Schreibens abgesandt worden: Am Anfänge dieses Monats habe ich dem Herrn Staatsminister v. Bülow') eine eingehende Mittheilung über die Gründe gemacht, ') Vertreter des Fürsten v. Bismarck. aus welchen ich meine Stellung als Minister der geistlichen rc. l Angelegenheiten für unhaltbar erachten müße. Ich darf voraus- I setzen, daß Hochdieselbcn hiervon Kenntniß erhalten haben und daß daher mein Entlassungsgesuch Eurer Durchlaucht weder überhaupt, noch im Hinblick aus die Klärung, welche die schwebenden Reichs angelegenheiten gefunden haben, der Zeit nach unerwartet kommt. Ebenso glaube ich in der Annahme nicht zu irren. Laß auch Sie ineinen Rücktritt ans dem Ainte für angezeigt erachten. Jedenfalls ist derselbe für mich eine Nothwendigkeit. Die Dankbarkeit, welche Eurer Durchlaucht ich aus so vielen Anlässen schulde, würden Hochdieiclten erhöhen, wenn Sie — wie ich bitte — Seiner Majestät zu einer baldigen Gewährung meines Gesuches geneigtes) rathen wollten. Nicht blos der Wunsch, meine persönlichen Verhältnisse neu ordnen zu können, dictirt diese Bitte, sondern auch die Gewißheit, daß bei Hinausschiebung der erbetenen Allerhöchsten Entschließung, die Eurer Durchlaucht bekaunten Diffe- renzen zwischen Seiner Majestät und mir'), wie die Dinge leider wieder liegen, in neuer Schürfe hervortreten würden, — daß es aber mir am Herzen liegen muß, nicht auch unter solchen Diffe renzen aus dem Amte zu scheiden, wird Niemand stärker emfinden als Eure Durchlaucht. Wollen Hochdiejelben mir schließlich noch die Bemerkung gestatten, daß ich um die Entlassung aus Seiner Majestät Dienste überhaupt habe bitten müssen, weil zunächst dieselben Gründe, welche mich zum Rücktritte aus dem Ministeramte nöthigcn, und sodann meine Ver- mögcnsverhältaisse mir die Uebernahme eines anderen entsprechenden Slaatsamtes nicht gestatten. Wie immer in unwandelbarer aufrichtiger Verehrung Eurer Durchlaucht ganz ergebener Falk. III. In meinen tagebuchartigen Auszügen findet sich unter dem 2. Juli 1879 Folgendes eingetragen: Vorgestern gegen Mittag sandte Bismarck seinen Sohn Herbert") zu mir, um mich zu einer Unterredung einzuladen. Dieselbe sand um 1'/, Uhr statt und dauerte beinahe 1'/, Stunden; zuletzt wurde sie in Gegenwart Eulenburg'-?) gepflogen. Es ist schwer, vielleicht gor. nicht möglich, d eu Lauf einer so springenden Unterhaltung z.. skizziren, es kommt auch nicht auf die Einzelheiten an, sondern auf Hauptsachen und Ergebnisse. Bismarck zeigte sich Anfangs verletzt. Er warf mir vor, daß ich die Demonstr.(ation) der National-Liberalen unterstütze, da ich gerade jetzt Len Antrag stelle, der ihm unerwartet komme. Bei meiner Gegenaussührung ward er ruhig und von da bewegte sich die Unterhaltung in freundlichstem Wege. Ich gewann den be stimmten Eindruck, daß er an sich mein Demissionsgesuch erwartet habe und nur durch die Wahl des Zeitpuncts unangenehm berührt sei. Namentlich erklärte er, man werde ihm Aufgabe der Position gegen Rom, resp. „Verschacherung" meiner Person an Las Centrum „für 30 Silberlinge, vorwerfen" und wünschte von mir einen Brief, in welchem er eine Bescheinigung hierüber und die Aus- ') Dieselben bezogen sich auf Angelegenheiten der evangelischen Kirche und hatten im Jahre vorher sogar zu einem von Seiner Majestät allerdings schließlich zurückgewiesenen Entlassungsgesuche meinerieits geführt. °) Der jetzige Fürst Bismarck. °) Graf Botho Eulenburg. spräche über die Gesichtspunkte wünschte, welche für meinen Schritt maßgebend waren. Diesen Brief habe ich B. gestern gesandt, selbst redend nach einem zurückgehaltenen Concept. Die folgenden 4'/, Zeilen beziehen sich auf die gleich zeitig zurücktretenden Minister Hobrecht und Friedenthal . Auf B.'s Wunsch erklärte ich mich dann bereit, daß mein Aus- scheiden erst mit dem Schlüsse des Reichstages erfolge. Daun kam, fortgesetzt in Eulenburg's Gegenwart, die Erörterung, daß ich Justizminister werden solle, wenn — was ich übrigens für zweifelhaft hielt — Leonhardt bald ausscheide. B. forderte mich ebenso wie Eulenburg auf, dies Ministerium zu übernehmen. Ich lehnte ab, betonend, daß ich, nachdem ich so lange ein politiiches Ministerium geführt, mich unmöglich in die Mauern des Ressorts einbannen könne, und daß ich ebensowenig durch Ueberstimmtwerden geschehen lassen könne, daß Grundsätze, für welche ich mit ganzer Kraft eingetreten, und die für das Volk wichtigste Fragen, das deutsche Volk geradezu an Herz und Nieren berührende Fragen beträfen, aus den Kopf gestellt würden. Noch weniger sei eS mir möglich, wie es zum Beispiel bei der Civilehe sei, in dieser Richtung positiv mitzuwirken. Ueberhaupt würde ich vielfach so vereinzelt stehen, Laß ich nach kurzen Monaten wieder auf den jetzigen Standpunkt käme. B- und E. hatten Len Vorschlag wohl nicht ohne Ernst gemacht, indessen war der Gang und Ton der Unter- redung doch so, daß ich nur annehmen konnte, daß sie das ablehnende Resultat vorausgesehen hatten. IV. Schreiben vom 1. Juli 1879 an den Fürsten Bismarck: Eure Durchlaucht gaben bei unserer gestrigen Unterredung der Meinung Ausdruck, daß mein Entlassunqsgeiuch den Schein erwecken werde, als stehe dasselbe mit Verhandlungen in Beziehung, welche Ew. Durchlaucht mit Bezug auf die im Reichstage schwebenden Fragen mit der Centrumsfraction gepflogen hätten, oder als hätten Hochdieselben den grundsätzlichen Standpunkt aufgegeben, welchen Sie — um mich kurz auszudrücken — bisher Rom gegenüber inne gehalten haben. Ist dem so, dann habe ich die Pflicht, einer solchen Auffassung entgegenzutreten, wo sich mir Gelegenheit dazu bietet. Denn ich allein kann ja bezeugen, daß ich mit der Einreichung jenes Gesuches nur einen seit längerer Zeit feststehenden Entschluß ausführte, der sich auf die Ueberzeugung von der Unhalt barkeit meiner ministeriellen Stellung gründete, und daß ich den jetzigen Zeitpunkt aus einem Grunde zu wählen gezwungen war, der zwar auf amtlichen Gebieten beruht, aber weder mit der römischen Frage noch mit Eurer Durchlaucht Person im entferntesten zu thun hat. Und ferner kann Niemand niit mehr Kenntniß und Sicherheit bekunden, daß in den vielen Jahren, in welchen ein hervorragender Theil meiner Amtslhätigkeit in der Wiedergewinnung der Stellung bestand, welche der Staat vordem der römischen Kirche gegenüber hatte, zwischen Eurer Durchlaucht und mir stets grundsätzliches Einverständniß bestand, daß ich niemals Ihrer dankbar emvfundenen Unterstützung entbehrte, und daß die Verhandlungen, welche Eure Durchlaucht seit dem Sommer vorigen Jahres mit Organen des päpstlichen Stuhles pflegen, in einem Sinne eingeleitet und fortgeführt sind, welcher dem entspricht, was in dieser Beziehung zwischen uns verhandelt worden ist. Ich sollte meinen, daß es für jeden, der die Entwickelung unserer öffentlichen Verhältnisse in den letzten Zeiten einigermaßen verfolgt hat, nicht schwer sein könnte, zu erkennen, warum ich meine amtliche Stellung nicht ferner für haltbar erachte. In der That haben Stimmen geachteter Preßorgane, freundliche und gegnerische, bei den verschiedenen Gelegenheiteu, welche Erörterungen über meinen etwaigen Rücktritt aus dem Amte oder mein ferneres Verbleiben in demselben veranlaßten, darauf hingewiesen, daß die Gesammthcit der Situation hierüber entscheiden werde. Und so ist es. Tie gestrige Unterredung wird Eurer Durchlaucht gezeigt haben, daß nicht dieses oder jenes einzelne Moment meinen Entschluß herbei führte, sondern die Gesammtheit aller für mich wesentliche» Punkte. Wenn eS sckon in mündlicher Darlegung nicht möglich war, alles EmflußreicheBzu erwähnen, so ist dies schriftlich noch weniger aus führbar, denn daß ich in den Grenzen eines Brieses bleiben und nicht in das Gebiet einer Abhandlung überschweifen will, das werden Hochdieselben wohl finden. Ich muß mich darum begnügen, einige hervorspringende Punkte zu berühren. Die schweres Kämpfe auf kirchcnvolitischem Gebiete haben weder Eure Durchlaucht noch ich geführt um ihrer selbst willen, sondern — wie wir ja so oft aussprachen — behufs eines Friedens, der solche Kämpfe fürder nicht nöthig mache. Von dem Augenblicke an, wo ich die Frage zu erwägen hatte, ob ich die zur Herbeiführung solcher friedliche» Zustände geeignete Person sei, habe ich die Frage verneint. Der Grund dafür liegt in der Auffassung, welche weite Kreise der katholischen Bevölkerung von meiner Person gewonnen haben, der Empfindung, welche sich mir gegenüber in ihnen gebildet und gefestigt hat. Die aus solcher Auffassung und Empfindung entspringenden Consequenzen find psychologischer Natur und bedürfen darum für jeden Ueberlegenden keiner weiteren Ausführung. Für mich haben die selben Len Grund zu der Ueberzeugung gelegt, Laß meine Person ein ernstes Hinderniß für die Herstellung der erwünschten friedlichen Verhältnisse sei. Die Richtigkeit dieser Auffassung ist mir von vielen, von maßgebenden Seiten bestritten worden. Wird sich dieselbe mit Erfolg noch bestreiten lassen, wenn die Vorkommnisse des letzten Jahres in Betracht gezogen werde»? Eure Durchlaucht wollen sich geneigtes) erinnern an die Einmütbigkeit der Presse der Centrumspartei, an die Haltung ihrer Führer im Landtag und Reichstag, in Plenum und Commission, vor Monaten und in den l tzten Tagen, an das, was zu wiederholten Malen von berufensten Vertretern der Curie, ja von dein Papste selbst über meine Person geäußert worden ist! Seit den Verhandlungen über die Zollfragen ist die Stellung der Centrumspartei zu den Negierungen, auch zur preußischen Ne gierung, eine andere geworden als bisher. Diese Partei bildet einen wesentlichen Theil der Majorität, welche den auch von mir im Großen für heilsam erachteten Plänen der verbündeten Regie rungen zur Geltung hilft. Sie hat sich damit — ich fasse nur die objektive Thasache ins Auge — ein Verdienst um Reich und Land erworben. Las zu ignoriren keine Regierung, wie ich meine, Las Recht und — die Macht hat. Schon die nächsten Landtagswahlen werden zeigen, welchen Einfluß dies äußerlich und innerlich auf die Bedeutung der genannten Partei übt. Ganz dasselbe gilt von einem andere» Theile der Majorität, welche im Reichstage den verbündeten Regierungen zur Seite steht — von den Alt- oder Hochconservativcn evangelischer Confefsion. Ja, ich denke, daß das Gewicht, welches sie in der neugebildeten l preußischen Landcsvertretung in die Wagschale werfen werden, im l Vergleich zu jetzt ein noch viel größeres fein wird, als das der I Centrumspartei. Die Strömung im Londe bürgt dafür. Fenillrton. Hellersdorff. 8j Novelle von Hedda von Schmid. Nachdruck verboten. Harald war gegangen, um den Befehl zum Anspannen des Breaks zu geben; das kleine Wortgepläntel zwischen seiner Tante und Elisabeth Traun schien ihm peinlich; der Baronin in- ocssen machte es Spaß, zu sehen, daß ihre „theure Hermine" sich ärgerte. Als Harald die Verandastufen herunterging, kamen seine Frau und Arend ihm entgegen. Er blieb vor Irene stehen. „Würde es Dir Vergnügen bereiten, Tante und mich hier und da zu begleiten auf unseren Wirthschaftsfahrten?" Mit einem Blick grenzenlosen Erstaunens schaut die junge Frau zu ihrem Manne Mpor. „Ach — ich würde Euch nur stören", sagte sie unsicher. „Aber, gnädigste Frau, es gäbe doch ein hübsches Kleeblatt", sagte Arend, der sich über seinen Freund in der kurzen Zeit seines Hellersdorffer Aufenthaltes schon mindestens zehn Mal geärgert, wenn er zusah, wie wenig Harald seine reizende Frau verstand. „Ihr habt mich ja noch niemals zum Mitkommen auf gefordert", versetzte Irene einfach, sich ihrem Manne zuwendend. „Aber heute fährst Du doch gern mit?" fragte Harald dringender. „Gewiß, ich freue mich sehr." „Und da müssen ihn erst andere Leute dazu bringen, daß er seiner Frau einmal eine Freude macht", sprach Arend in seinen Gedanken; „wahrhaftig, Freund Harald, unter Tante Herminens weiser Leitung scheint Deine Erziehung nicht zu Deinem Vor- theil ausgefallen zu sein." Sechstes Capitel. Es war eine hübsch« Fahrt durch den abendlichen Wald, hinter dessen Stämmen die Sommersonne zur Rüste ging. Die Baronin hatte es vorgezogcn, zu Hause zu bleiben, und erklärt, die Strapazen der längeren Eisenbahnfahrt noch nicht ganz überwunden zu haben. Irene erbot sich, ihr Gesellschaft zu leisten, doch davon wollte die Baronin nichts hören. „Sic um Ihr Vergnügen bringen, Herzchen? Das fehlte noch — nein, nein, ich bin ke.ne Egoistin. Ich habe mich mit Lectüre wohl versorgt und bin mit meinem Buch ganz gut aufgehoben." „Gott, was sollte ich wohl mit dieser weltfremden kleinen Frau reden in einem stundenlangen tete-st-töls?'' Das war der Grund, weshalb die Baronin so dringend und uneigennützig Irenens Anerbieten ablehnte. Mit einer Schale köstlicher Gartenerdbeeren neben sich — sie naschte gern — und einem noch unaufgeschnittenen französischen Roman in der Hand, installirte sich die Baronin im Schaukelstuhl auf der Veranda. Unterdessen trabten die Hellersdorffer Füchse, ein Viergespann, welches Seinesgleichen suchte — denn von Alters her erfreute sich die Pferdezucht auf Hellersdorff einer gewissen Berühmtheit — auf dem weichen, moosigen Waldweg dahin. Harald, den Groom neben sich, lenkte selber die Pferde. Bei dieser Hantirung kam seine kräftige, schöne Gestalt voll zur Geltung. Die dunkle Jagdjoppe und die kleine Schirmmütze standen ihm gut. Tante Hermine war übler Laune und hüllte sich während der ungefähr dreiviertel Stunden dauernden Fahrt in hoheitsvolles Schweigen. Irene schaute verträumt in den Wald, und Elisabeth und Arend trugen allein die Kosten der Unterhaltung. Die Hoflage wies einen ziemlich großen Complex von Ställen auf. Ausschließlich Jungvieh wurde in denselben gehalten. Tante Hermine behauptete, das Fahren im Break schlecht zu ver tragen, und ergriff, nachdem sie den Wagen verlassen, sogleich den Arm ihres Neffen. „Gehen wir zuerst zu den Grauweißen, Harald?" Damit übernahm sie di« Führung des Jnspectionsganges. Die anderen Drei folgten dem voranschreitenden Paare. Man ging von Stall zu Stall. Elisabeth, die, seit sie vor Jahren auf dem Gute ihres Oheims gewesen, dergleichen Land- wirthschaftkiches nicht gesehen, freute sich wie ein Kind über die hübschen Thiere, guckte in das Hühnerhaus, wo die gefiederten Bewohner desselben sich bereits anschickten, auf ihren Stangen der Nachtruhe zu pflegen, und war lustig und fast ausgelassen froh. — „Nein, auf dem Lande ist es doch herrlich!" rief sie; „ich be neide Dich ordentlich darum, Irene, Herrin so vieler geflügelter und vierbeiniger Geschöpfe zu sein. Sieh nur dieses entzückende Kälbchen. Ich an TKiner Statt würde jeden Tag hierher fahren, um mich am Wachsen und Gedeihen dieser Filiale von HellerS- dorff zu erfreuen." „Ich war vor zwei Jahren zuletzt hier draußen", sagte Irene; „damals lebte Harry noch", fügte sie leiser hinzu. Harald wandte sich brüsk nach seiner Frau um — weich' ein gramvoller Zug prägte sich eben in ihrem süßen Gesichtchen au». Unwillkürlich gedachte Harald des Gelübdes, welches er an seinem Hochzeitstage gethan: seine Frau es niemals fühlen zu lassen, daß nicht Herzensneigung ihn zu ihr getrieben — sondern ganz andere Motive, deren sich zu schämen er in der Folge niemals ganz aufgehört. Da redete er sich nun ein, es wäre seine Pflicht gewesen, den alten Familienbesitz anzutreten, ihn zu fördern und auf eine noch bedeutendere Höhe zu bringen. Und er nahm sich stets aufs Neue vor, nicht zu rasten, noch zu ruhen im Schaffen und Erwerben, im Erhalten und Neuaufbauen. Hatte er nicht einst gemeint, daß Diejenige, welcher der Besitz, das schöne, große Erbe doch rechtmäßig hätte zukommen sollen, ohne jede Testamentsclausel, daß Irene ihm in seiner Thätigkeit treu zur Seite stehen würde. Doch Tante Hermine hatte ihn bald davon überzeugt, daß Irene nicht dazu geeignet sei, einen so großen Hausstand zu leiten, daß es ihr überhaupt an praktischen Neigungen fehle. Und vollends, als Irene sich Mutter gefühlt, da hatte sie sich schonen müssen, und nach der Geburt des Kleinen, bei welcher die junge Frau dem Tode nahe gewesen, hatte sie sich erst recht schonen müssen, und da war es denn ganz von selber gekommen, daß Irene in ihrem eigenen Hause kaum noch eine Bestimmung zu treffen, ein Wort mitzureden hatte. „Tante Hermine hat Recht — Irene ist eine indolente Natur!" Zu diesem Resultate gelangte Harald, als er sah, daß seine aller dings nur mäßigen Versuche, sich nach dem Tode des kleinen Harry seiner ganz apathischen und niedergebeugten Frau zu nähirn, scheiterten. „Wie taktlos von ihr, den kleinen Verstorbenen jetzt hier zu er wähnen", dachte Tante Hermine ärgerlich, „sie verdirbt Harald's Stimmung. Sie ist und bleibt doch die echte Trauerweide." Irene stand vor einer schönen grauen Kuh und kraute leise das weiche Fell derselben. „Diese aus Holland importirten Kühe zählten zu Papas Lieblingen", sagte sie, „sie sollen einen schönen Milchertrag liefern." „Gutes Kind, davon verstehst Du doch nichts", versetzte Tante Hermine geringschätzig. Irene erröthete. „Du magst schon Recht haben, liebe Tante", entgegnete sie dann ohne jede Empfindlichkeit, trat aber rasch aus dem Stall ins Freie. Es schien, als schwebe Harald ein zurechtweisendes Wort seiner Tante gegenüber aus den Lippen, doch er preßte letztere zusammen und schwieg, sah aber sehr verstimmt auS und maltraitirte nervös seinen Schnurrbart. „Unfaßlich", murmelte Elisabeth leise, nur Arend'S scharfes Ohr fing die indignirte Aeußerung auf. Er hätte gar zu gern Tante Herminen, die, um dem in ihr kochenden Aerger über „das Mitkommen der ganzen Gesellschaft" endlich Luft zu schaffen, mit einer der Viehmägde zankte, eine scharfe Zurechlweisung zu Theil werden lassen — doch es lag ja nicht ihm, sondern Harald ob, die junge Frau vor Unfreundlichkeiten in Schutz zu nehmen. Hatte Arend vorhin davon gesprochen, daß das Kleeblatt, Irene, Harald und Tante Hermine als mütterlicher Schutzengel, sich hübsch ausnehmen würde, so fand er jetzt, daß, wenn besagtes Blatt ständig vorhanden wäre, dies nur vom Uebel sein könnte. Streit wäre nicht zu vermeiden und Frau Irene schien dem Stichelreden des alten Fräuleins nicht gewachsen. Und leider fand sie an ihrem Manne keinen kräftigen Schützer. D«r Abend war so warm und köstlich, daß man, auf Elisabeth's Vorschlag hin, beschloß, einen Theil des Nachhause Weges zu Fuß zurückzulegen. Tante Hermine nahm wie selbst verständlich wieder den Arm ihres Neffen und schlug eine» schnellen Schritt an. „Mr müssen das mit dem Verkauf der Schafe bereden, Harald, oder willst Du sie noch vorher auf die Thierschau nacr, W. schicken?" „Erlauben Sie, liebste Tante Hermine, daß ich von Ihrer Unterhaltung profitire, ich interessire mich nämlich glühend fü^ Schafzucht." Mit dem unschuldigsten Gesicht von der Welt schloß sich Elisabeth Traun den Beiden an. „Wirklich?" fragte Tante Hermine gedehnt und ärgerte sich über die endlosen Zwischenreden des jungen Mädchens, welche die zu erledigende Schaffrage in den Hintergrund zu drängen drohten. „Ein gräßlich vorlautes Geschöpf, diese Elisabeth", lautete das wenig liebevolle Uriheil des alten Fräuleins, und Elisabeth ihrerseits dachte: „Warle, Dir will ich diese stete rücksichtslose Beschlagnahme Deines Neffen verleiden, wo ich's nur vermag. Der sollte übrigens mein Gatte sein und Du meine Schwieger tonte — ich glaube — Beiden würde sehr bald der richtige Stand punkt klar gemacht werden." Arend und Irene folgten langsam nach. ES ging ihnen wie in den ersten Stunden ihrer Bekanntschaft. Sie waren bald in ein eifriges Gespräch vertieft; dies hinderte jedoch Arend nichl, die landschaftlichen Schönheiten, die ihm von allen Seiten ins Auge fielen, zu bewundern. „Fast wandelt mich die Lust an, mein Reiseleben definitiv abzuschwören und mich irgendwo hier im Lande anzukaufen, am liebsten in der Nähe des Meeres", sagte er plötzlich mit eigenem Lächeln. „Im richiigen Augenblick empfand ich es prophetischen Sinne-, daß ich zum Diplomaten nicht geschaffen sei. Ter
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