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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.12.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-12-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981229017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898122901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898122901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-12
- Tag1898-12-29
- Monat1898-12
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98V0 sängnißflrafe verhäugtrn Skraftuittrl« der Gefängnißarzt ein Wort mitzusprechen haben. * Berlin, 28. December. (Die dänischen Aus- weisungen vom nationalen Standpunkte.) Unter dieser Überschrift schreibt die „Westd. Zig.": „Es giebt Zeiten, wo sich in Deutschland hypcrhumane Ädern regen, das war u. A. der Fall in den siebziger Jahren, wo die Social- Demokratie mit einer Brutalität auftrat, die zum Himmel schrie. Schreiber dieser Zeilen befand sich zur Zeit des zweiten Attentates auf unseren ehrwürdigen Kaiser in der Hauptstadt des König reichs Sachsen. Da mußte er mit anhören, wie neben seinem Domicil die dort versammelten „deutschen" und tschechischen Sociakdemokraken dir Marseillaise sangen und ..Hoch die inter nationale Socialdemokratie" riefen. Als Bismarck aus dem activen Dienst geschieden war, machten sich die Humanitäts apostel auch in der Richtung breit, daß sie erklärten, es sei brutal, den Polen, Dänen, Elfaß-Lothringern den ausgiebigsten Ge brauch ihrer Sprache zu verwehren. „Im Anfang war das Wort", erklärten sie. Bismarck hatte immer auf dem Stand punkte gestanden, zu sagen: „Ich kann das Wort so hoch un möglich schätzen, im Anfang war die That." Und er handelte danach; Gott sei es gedankt. Auch jetzt wird wieder viel im Lande her umgeredet, daß in Schleswig-Holstein gegen dänisch gesinnte Leute brutal verfahren worden sei. Professor Delbrück, der von jeher in einem gemachten Bett gelegen und keine Ahnung davon hat, was es heißt, seine Haut zu Markte tragen, wo es sich um eine zwingende nationale Noihwendigkeit handelt, fühlte sich ge müßigt, auch zur Frage der dänischen Ausweisungen seinen Senf zu geben; er ist deshalb zur Rechenschaft gezogen worden. Jedem Redacteur einer kleinen Zeitung widerfährt dergleichen alle paar Monate, wenn nicht alle paar Wochen; da aber Professor Delbrück Das hat, was man einen Namen nennt und — Professor ist, und zwar rin solcher, der gern nach links schielt, wird ein großes Geschrei erhoben. Von der Brutalität, mit der di« Dänen in Schleswig-Holstein zu Werke gehen, weiß Professor Delbrück und wissen die meisten Deutschen ebenso wenig, wie von der, mit welcher die national-polnische Propaganda verfuhr, bis ihr von deutscher Seite so begegnet wurde, wie sie es verdiente. Ob dir preußisch-deutsche Grenze nach Osten hin, die sich 175 Meilen lang von Myslowitz bis Eydtkuhnen erstreckt, sich in polnischen oder deutschen Händen befindet, ist sicher nicht einerlei. Ebenso wenig ist es gleichgiltig, ob wir im Norden eine in nationaler Beziehung sichere oder unsichere Wacht haben. Es ist das Verdienst des jetzigen Oberpräsidenten der Provinz Schles wig-Holstein, des Herrn v. Köller, sehr bald nach dem Antritt seiner Stellung keinen Zweifel bestehen gelassen zu haben, daß er sein Amt von einem höheren nationalen Gesichtspunkt aus be trachtet. Wenn bei seinen Maßnahmen „Brutalitäten" im Sinne der deutsch-freisinnigen Deduktionen mit untergelaufen sind, so hat man deutscherseits keine Veranlassung, sich darüber auf- zrrregen. Die Dänen find ganz ebenso wie die Polen höchst brutal gegen Deutsche verfahren und Verfahren ununterbrochen in dieser Weise gegen unsere Landsleute, so daß wir wahrlich keine Ver anlassung haben, deswegen uns selbst als die Schlimmeren zu derrunciren. In Kopenhagen laufen die Fäden von sehr vielen deutschfeindlichen Jntriguen zusammen. Die Deutsch - Frei sinnigen und Socialdemokraten haben von jeher bewußter- oder unbewußtermaßen die Geschäfte unserer ausländischen Gegner be sorgt, sie bleiben sich lediglich selbst getreu, wenn sie auch jetzt die Partei ergreifen, die es nicht mehr mit dem alten Ziegler'schcn Worte hält, daß die preußische Demokratie jedesmal da zu finden sei, wo die preußischen Fahnen wehen." (7) Berlin, 28. December. (Telegramm.) Der Kaiser und die Kaiserin mit den fünf ältesten Prinzen unternahmen gestern Nachmittag eine Promenade im Lustgarten und dessen nächster Umgebung. Der Kaiser betrachtete gestern Abend die Mondfinsterniß vom Potsdamer Stadtschloß aus, während di« drei ältesten Prinzen sich in das Observatorium be gebe» hatten. Heute Bormittag hörte der Kaiser den Vor trag de» Chef» de» Civilcabinets. ö. Berlin, 28. December. (Privattelegramm.) Am S. Januar wird in Berlin eine Conferenz behufs Berathung eiuer Reform »er Prüfungsordnung für Aerzte im deutschen Reich zusammentreten. Als Grundlage der Beratbungen wird eiu schon vor Jahresfrist ausgearbeiteter Entwurf einer Borlage für den BundeSrath dienen, der neuerdings einige Abänderungen erfahren hat. Die geplante Reform soll der „Nat.»Zt." zufolge sich in der Richtung bewegen, daß von den zu prüfenden Candivaten eingehendere Kennt nisse in der Psychiatrie, Hygieiue und Bakteriologie gefordert werden, und daß vor Allem die jungen Aerzte nach bestandener Staatsprüfung ein sogenanntes „praktisches Jahr" an einer Universitätsklinik oder an einem von der Behörde bezeichneten öffent lichen Krankenhause zu absolviren haben, bevor ihnen die Approbation als Arzt auSgehändigt wird. Gemäß den Wünschen der ärztlichen SlandeSvertretunaen soll auch er wogen werden, wie dem unberechtigten Mißbrauch der Be zeichnung „Specialarzt" entgegengetreten werden könne, und ob e» sich empfehle, die Führung dieses Titels abhängig zu machen von dem Nachweis eingehender specialistischer Studien bezw. dem Nachweis einer viehrjährigen Assistenten zeit an einer specialistiscken Klinik. Endlich soll die Medicinal- Conferenz, gleich der Rectoren-Conserenz, ein Gutachten über die Zulassung von Frauen zum Studium der Medicin an deutschen Universitäten abgrben. — Durch Rundschreiben fordert ein Organ desBundes der Landwirthe die Verzeichnisse der Mitglieder der conservativen Vereine ein, um an jeden „organisirten Confervativen" Probenummer« de« Bündlerorgan« senden zu können, da die konservative Presse „nicht in die breiten Schichten des Mittelstand«» zu dringen vermöge." — Danach cheint die Streitaxt zwischen Bündlern und Conservativen nicht sehr tief vergraben zu sein. — In der neuesten Nummer de» „Vorwärts" ist zu lesen: „Die „Münch. Post" schreibt: Heute Vormittag wurde die 49 Jabre alte TagelöbnrrSwittwe Karolina Langwieser wegen eines Verbrechens der Kuppelei zu ein em Jahre Zuchthaus verurtbeilt. Sie hatte Kenntniß davon, daß der Geliebt« ihrer 17jäbrigeu Tochter einmal in ihrer Wohnung in Pasing bei dem Mädchen nächtigte. Die Fran bat händeringend, daß man sie doch nicht bestrafen solle, sie habe gar nicht gewußt, daß dies verboten sei. Der Vorsitzende erwiderte: daS Gericht muß Sie zu einem Jabre Zuchthaus verurtbeilen. Vielleicht ist ein Begnadigungsgesuch von Ersolg. — Hier ist der Gegensatz zwischen dem paragrapbirten Juristenrecht und dem Volks bewußtsein so groß, daß selbst der Richter bedauert, ver- urtheilen zu müssen. Da wäre eine Aenderung des Kuppelei paragraphen dringend erforderlich." — Auf einer anderen Seite der Nummer ist unter den Begnadigungsfällen, die offenbar als skandalös bezeichnet werden sollen, aufge führt: „Dem wegen schwerer Kuppelei zu einem Jahre Zuchthaus verurtheilten Ehepaar Wehofski wird, der „Neust. Zeitung" zufolge, diese Strafe auf dem Gnadenwege er lassen. (K. März.)" * Breslau, 27. December. Der ueuernannte Ober präsident der Provinz Hessen-Nassau, Staatsminister Graf von Zedlitz-Trützschler, widmet der schlesischen Land- wirthschaft folgende AbscbicdSworte: „Aus Allerhöchsten Befehl wiederum in eine active Dienst stellung berufen, muß ich auS meiner Heimath und mit ihr aus dem Amte eines Vorsitzende» der Landwirthschaftskammer für die Provinz Schlesien scheiden. Ich habe in diesem Amte mit besonderer Freudigkeit gearbeitet, da ich mich in ihm von dem Vertrauen meiner Berussgenossen in allen Schichte» und Besitzclassen getragen wußte. So trete ich aus demselben nur mit aufrichtigem Bedauern aus und mit der herzlichen Bitte, mir allseits rin freundliches Andenken bewahren zu wollen. Den zahlreichen Männern aber, welche mir in der Landwirthschaftskammer, den Kreiscommissionen, den Vereinen, in der Verwaltung mit ihren zahlreichen Instituten und Schulen in treuer Mitarbeit zur Seite standen, spreche ich tiefempfundenen warmen Dank für ihre Unter stützung, ihr Wohlwollen und ihre Nachsicht aus. Möge der Säm ling, den wir gemeinsam pflanzten und Pflegten, sich weiter ent wickeln zu dem Schatten bringenden und Frucht tragenden Baum einer kraftvollen landwirthschaftlichen Berufsorganisation." * Erefeld, 28. December. (Privattelegramm.) Heute schließen sich die Arbeiter zweier weiteren großen Sammet webereien dem Ausstand an. Die zehn übrigen Fabriken folgen, sobald an den nächsten Lohntagen den Arbeitern Mlttheilung von den Beschlüssen des VerbaudeS über die neuen Lohnsätze gemacht wird. Die Ortsgruppen des nieder rheinischen Verbandes christlicher Textilarbeiter beschlossen, bei allen Sammetfirmen vorstellig zu werden, die alten Lohn sätze beizubehalten, während andererseits dreizehn in Betracht kommende Firmen beschlossen, an ihrem Entschluß unbedingt festzuhalten. (Voss. Ztg.) * Köln, 27. December. In einer heute Nachmittag ab gehaltenen Versammlung des rheinischen Bauern vereins wurde der „Frkf. Ztg." zufolge beschlossen, die Petition, betreffend die Quebracho-Holz- und die Wein frage, die bereits im Vorjahre dein Reichstage eingereicht worden war, dem Reichstage abermals zu unterbreiten. In der Frage der „Fleisch nolh" stand die Versammlung auf einem verneinenden Standpunkte. Man beschloß nach längerer Debatte, sich der Petition des deutschen Landwirthschafls- ratheS anzuschließen. * Mannheim, 28. December. Die hiesige Strafkammer verurtheilte der „Voss. Ztg." zufolge den Rcdactenr Herz berg von der socialistisckcn „Volksst." wegen Beleidigung des Landwirthschaftsrathsmitglieds, CommerzienrathS Fer dinand Scipio in einer Kritik über die Fleischnoth-Debatte zu zwei Monaten Gefängniß; Redacteur Jaeckh wurde freigesprochen. (-) Straßburg, 28. December. (Telegramm.) Der Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe-SchillingSfürst ist in Begleitung der Prinzessin Elisabeth und des Prinzen Alexander mit Gemahlin heule Mittag hier einaetroffcn und am Bahn hofe vom Statthalter von Elsaß-Lothringen, Fürsten zu Hohenlohe-Langenburg, und den? Staatssecretair v. Putt- kamer empfangen worden. Der Reichskanzler beabsichtigt, um 4 Uhr Nachmittags seine Reise über Baden-Baden nach Berlin fortzusetzen. * Ulm, 27. December. Von dem Rechtsanwalt G. Pfizer in Ulm geht der „Allgem. Ztg." folgende Erklärung zu: „Die „Allg. Ztg." hat schon vor einigen Wochen die Mit theilung gebracht, daß ich gegen das Urtheil des Ehrengerichts der württembergischen Anwaltskammer Berufung eingelegt habe. Diese Mittheilung war verfrüht: ich wollte mich über die Einlegung des Rechtsmittels erst schlüssig machen, nachdem ich Kenntniß von den vollständigen Gründen des Urtheils erhalten haben würde. In den letzten Tagen ist mir die Ausfertigung des Urtheils zugekommrn. Zum Verzicht auf die Berufung hat mich dessen Begründung allerdings nicht veranlaßt, und ichhabe jetzt Berufung erhöben. Dagegen wird mich das Urtheil und seine Begründung wohl bestimmen, auf die Ehre, College der Ehktmichttr zu sein, zu verzichten. Wenn ich nicht sofort auf die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft verzichte, so hat dies seinen Grund darin, daß nach Zeitungsnachrichten auch die Staatsanwaltschaft Berufung gegen das Urtheil er hoben hat, wir meine Ausschließung zu erwirken; demgegenüber will ich mich nicht durch den sofortigen Verzicht einem billigen Spott aussetzen." Oefterreich'Ungarn. Landtage. * Wie«, 28. December. (Telegramm.) Der nieder österreichische Landtag wurde heute eröffnet. Der Statthalter Gras Kirlmannsegg verlas ein Schreiben des Kaisers, in dem dieser seinen Dank für die loyale Kundgebung des Landtages an läßlich seines 50jährigen Regierungsjubiläums aussprach und Labei betonte, daß dir darin zu Tage tretende dynastische Treue den Gefühlen der vom Landtage vertretenen Bevölkerung entspreche und das unverbrüchliche Festhalten an dem durch Gottes Vorsehung in vielhundertjähriger ruhmreicher geschichtlicher Entwickelung fest und kraftvoll gefügten Verbände der Monarchie in sich schließe. Sie biete somit eine zuverlässige Gewähr für den ungeschmälerten Bestand der Macht und des Ansehens des Staates. DaS Dank schreiben weist ferner auf den geistigen und materiellen Aufschwung des Landes hin und giebt der Hoffnung und dem Wunsche Aus druck, daß über alle Gegensätze der Anschauungen und Bestrebungen hinaus der ernste Wille zu sachlicher Förderung der geistigen und materiellen Wohlfahrt ein von gegenseitiger Rechtsachtung und Billigkeit getragenes Zusammenwirken aller Kräfte zeitigen möge.— Dieselbe kaiserliche Botschaft wurde an die übrigen, heute eröffneten Landtage geschickt. * Prag, 28. December. (Telegramm.) Der Landtag wurde durch den Oberst-Landmarschall Fürsten Lobkowitz eröffnet. Siimmtliche deutsche Abgeordnete fehlten. Nach der Be- grüßnng des Landtages durch den Oberst-Landmarschall gedachte dieser des Regierungsjubiläums des Kaisers und deS schweren Verlustes, den das Kaiserhaus durch die ruchlose That in Genf erlitten, und brachte ein dreimaliges Hoch aus den Kaiser aus, das mit Begeisterung aufgenomincn wurde. Der Statthalter verlas sodann die Kaiserliche Botschaft an den Landtag, die den gleichen Wortlaut hat, wie die an die übrigen Landtage gerichtete. Auf der Mensur. * Pest, 28. December. (Telegramm.) Der Zwei kampf auf Säbel zwischen Gajari und Szemere wurde heute Mittag ausgefochten. Im ersten Gange erhielt Szemere einen Kopfhieb, der von den Aerzte» verbunden wurde. Nach Wiederaufnahme des Zweikampfes erhielt beim zweiten Gange Szemere einen zweiten Kopfhieb, der einen starken Blutverlust verursachte. Gajari erhielt einen Hieb mit der flachen Klinge auf den Arm. Der Zweikampf wurde nun mehr für beendet erklärt, und die Gegner versöhnten sich. Frankreich. Siam; Petersburger Botschaft. * Paris, 28. December. (Telegramm.) Ueber das hier verbreitete Gerücht, in der neutralen Zone von Siam seien Unruhen auSgebroche», hat der Minister des Aeußeren keine Bestätigung erhalten. — Die Abberufung des französischen Botschafters in Petersburg Grafen Monte- bello kommt durchaus nicht in Frage. Die Gerüchte von seiner Ersetzung durch Bourgeois sind daher vollkommen un begründet. Svamen. Mintstertrtse. * Madrid, 28. December. (Telegramm.) „Jmparcial" und „El Tiempv" sprechen zwar ihr Bedauern über die Er krankung Sagasta's aus, erkläre» jedoch, das Wohl des Vaterlandes müsse Allem vorgehen, und man muffe daher die Ministerkrisis schleunigst beenden. „Liberal" versichert, die Carlisten suchten eine Anleihe in Spanien aufzunehmen. Rußland. Polenpolitik. .4. Warschau, 25. December. Die Enthüllung des Mickiewicz - Denkmals, welch«, wie kurz ge meldet, Sonnabend, den 24. December stattfand, verlief in ganz eigenthümlicher Weise, und zwar so, wie Wohl noch keine' Denkmalsenthüllung statt gefunden hat. Nicht blos die Hauptstraßen Warschaus, wie die „Neue Welt", die „Krakauer Vorstadt" und alle Straßen in der Nähe des Denkmals, sondern auch die cibgelegeneren Straßen waren mit einem dichten Cordon Soldaten besetzt und die Ge schäftsläden geschlossen. Die Soldaten und Gendarmen hatten den strengen Befehl erhalten, bei der geringsten Störung oder Unruhe scharf und ohne Pardon in die Menschenmengen zu feuern. Sämmtl-ich« Gratulationstelegra-mme, welche für das Denkmalscomite cintrafen, wurden von der Censur angehalten und den Comitßmitgliedern nicht ausgelsiindigt. Di« zahlreich von außerhalb anlangenden Kränze — es waren darunter etwa 20 silberne Kränze — durften am Denkmal nicht niedergelegt oder sonst an öffentlicher Stelle aufgehängt werden. Die silbernen Kränze sollen nach Krakau geschickt und im dortigen polnischen Nationalmuseum ausbewahrt werden. Die Denkmalsenthüllung dauerte, genau gerechnet, zwölf Minuten. Als die Hülle fiel, entblößte die gewaltige Menschenmenge, ohne daß eine Auf forderung ergangen wäre, wie auf Commando das Haupt und verharrte einige Minuten -in unheimlichem Schweigen. Auch in den entfernteren Straßen, wo die Massen sich drängten, nahmen die Männer dir Kopfbedeckung ab und die Menschenmassen stan den einige Minuten regungslos in eisigem Schweigen. In dem Augenblicke, wo die Denkmals-Hülle entfernt wurde, erfolgte doch Menschen bewundert öder gefürchtet, auf jeden Fall von Klio's Griffel tief eingegraben werden. Ein solcher Mann, außer irr seiner engeren Heimath nur Wenigen bekannt, war der „Dictator" Jacobsen in Schles wig vor nunmehr fünfzig Jahren und dessen hundertjähriger Getburtstag am 22. December uns Gelegenheit giebt, seiner zu gedenken, um so mehr, als Verwandte von ihm und Nachkommen seiner Mitkämpfer in unserer Stadt wohnen und so ein Binde glied zwischen jener Zeit und heute, zwischen unserer Stadt und oer Nordmart Herstellen. Vor fünfzig Jahren begeisterte sich die Leipziger Bürgerschaft für di« Nordmark in demselben Maße wie heut« für die gefährdete Ostmark, ja die Begeisterung war wohl inniger und treuer als heute, denn damals sangen wir noch die bange Frage in alle Welt hinaus: „Was ist des Deutschen Vaterland?" Damals ergriff noch alle Deutsche der Schmerz um die Schwäche des Vaterlandes, heute haben wir das ersehnte mächtige Vaterland und gönnen uns dafür Mäkelei und Kritik, Verunglimpfung deS deutschen Gedankens und recht haberisches Parteiwesen. Es scheint fast, als hätte sich unser Völk an der schnellen Umwandelung vom armen Bettler zum reichen Manne den Magen verdorben und müßte nun dafür büßen, daß der Held der deutschen Geschichte zu schnell arbeitete. Im Jahre 1460 wählten die schleswig-holsteinischen Stände Christian!, zu ihrem Herzog. 'Sch-ondamals machte ein lübeckischer Chronist seinem Aerger über diese Wahl Luft; als er in seinem Bericht« klagt«: Also wurden die Holsten Dänen. Das war nun allerdings nicht der Fall. Ebenso wenig als di« Ungarn durch die Personalunion Oesterreicher wurden, wurden die Schleswig-Holsteiner Dänen, und ausdrücklich wurde festgestellt, vaß die HerzogSwürd« nur im Mannesstamm« forterben könne. In dem Wahlproto-koll wurde das Recht der Stände frstgestellt, für alle Zukunft unter Christian's Nachkommen und Erben einen Nachfolger zu küren, wogegen der Herzog-König von Dänr- inark versprach, daß „die Lande ewig ungethei-lt bleiben sollten". Di« Schleswig--Holsteiner blieben also Deutsche, und wenn auch daS Deutschthum manchmal zurücktrat, so flammt« es doch später um so mehr auf. Leute, die dem Fremden schmeicheln und alle- Andere, nur keine Deutschen sein wollen, hat eS immer gegeben, und so nimmt e» kein Wunder, daß, als im Jahre 1773 da» -herzogliche Aniheil von Holstein mit dem königlichen wieder vereinigt wurde, ein 'Conrector an der Domschule zu -Schleswig dieses Ereigniß in einer Ode pries, die begann: Jauchzet, ihr Dänen! Ein Kieler Professor verstieg sich bei der Nachricht von dem Kampfe der Dänen mit den Engländern auf der Rheede von Kopenhagen 1801 zu dem Erguß: „Erhaben steht unsere Nationalehre! Mit edlem Stolz fühlt dies jeder brave Däne. Ich weiß, ich theile dies Gefühl mit allen meinen Mitbürgern; denn auch wir sind brave Dänen." Als nun vollends Deutschland unter dem Druck der gewaltigen Faust des Corsen darniederlag, ja, als es kein Deutschland mehr gab, da klammerte man sich in den Herzogthümern um so fester an den dänischen Königsthron, um doch wenigstens «twas zu sein. Für die Erhebung des Jahres 1809 gab es kein Verständniß. Die holsteinischen Husaren, denen in Stralsund der traurige Ruhm zu Theil wurde, den edlen Major von Schill im Straßenkampfe zu fällen, waren, Dank der Jerome'schen Bekanntmachung, in dem guten Glauben, einen Räuberhauptmann schlimmster Sorte getödtet zu haben. Auch die glorreiche Erhebung von 1813 ging an der Bevölkerung der Herzogthümer, abgesehen von einigen Kieler Professoren, eindruckslos vorüber. Die Kieler Studenten feierten im Gegen- kheil noch Lang« den Sieg bei Sehestadt, der von Dänen und Schleswig-Holsteinern über die deutsche Legion davongetragen worden war, und ein Schleswiger Primaner pries in einem Auf sätze Niels Ebbesen, den Mörder Gerhard'S deS Großen, als den Retter des „Vaterlandes"! Das nach dem großen Kriege von 1813 erwachte und langsam erstarkende Nationalbewußtsein, der Aufschwung des deutschen Handels und der deutschen Wissenschaft mußten auch ihre Strahlen nach der Nordmark senden und Männer für die deutsche Sache, für das deutsche Vaterland begeistern. Ein solcher Mann war Uwe JenS Lornsen, der in seinem Entwurf« einer Unions verfassung ein selbstständiges, nur durch Personalunion mit Dänemark verbundenes Schleswig-Holstein und dann, sobald di« königliche Linie auSstürbe, den Eintritt der befreiten Nordmark in den Deutschen Bund verlangte. Seine große Idee fand Widerhall in manchen Herzen, und als 1841 Georg Beseler Lornsen's nachgelassenes Werk hrrausgab, gab er damit der deutschen Bewegung einen nachhaltigen Anstoß. Seit dieser Zeit vereinigten sich olle Deutschen in der vorher verblaßten Meinung, daß allein der Mannesstamm in den unzertrennlichen Herzog- thümern erbberechtigt sei. Zwar hatte Theodor Olshausen und seine radikalen Freunde, wie Treitschke hervorhebt, lange und ohne Anklang zu finden, die Ansicht vertreten, daß man Schles wig opfern müßte, um Holstein desto fester mit dem liberalen Deutschland zu verbinden, allein sobald die Angriffe der Dänen bedrohlich wurden, gaben diese Neuholsteiner ihre Sondermeinung auf und schaarten sich um das Banner des Landesrechtes. Die Dänen waren während jener Zeit nicht müßig geblieben, ihre nationalen Wünsche zu befriedigen, und ein Keil trieb den anderen. So lange der greise Friedrich VI., der erste rein dänisch gesinnte König des Jnselreiches, lebte, hatte die nationale Strömung sich öffentlich ruhig verhalten, als dieser aber im December 1839 starb, oa begann eine neue Zeit, und unter seinem Vetter und Nachfolger Christian VHI. brausten die mühsam ver haltenen nationalen Wünsche mächtig auf. Als Christian zur Regierung kam, setzte man auf ihn große Hoffnungen. Er war zwar ein Lebemann, ein wenig Schauspieler und Faiseur, aber immerhin geistvoll, und da er einstmals mit den Carbonori, wenn auch nur sehr lose, in Verbindung gestanden hatte, ging ihm der Ruf eines Liberalen voraus. Sobald er den Thron be stiegen hatte, stürmten di« dänischen Chauvinisten auf ihn ein. Ihr Führer Orla Lehmann trat mit Leidenschaftlichkeit für die Verbindung der drei skandinavischen Reiche ein und strebte ins besondere nach der Ausbreitung der dänischen Sprache in Nord schleswig. Er wollt« Schleswig völlig danisiren, und ihm und seinen Anhängern waren dazu allc Mittel recht. Seine Partei nannte sich nationalliberal oder die der Eiderdänen, weil sie bis zur Eider Alles dänisch haben wollte. Orla Lehmami's stürmisches Wesen machte dem König viel zu schaffen und be einflußte ihn ohne Zweifel stark. Die Eiderdänen wollten eine radikale Neugestaltung des dänischen Einheitsstaates und vor Allem schrankenlosen Parlamentarismus. Kein Wunder, daß Christian Sorgen hatte, aber wehr als die eiderdänischen An sprüche »ahm seine Gedanken die Thronfolge in Anspruch. Christian hatte nur einen Sohn Friedrich und dessen Ehen waren kinderlos geblieben. Dieser Friedrich war ein so roher Patron, daß keine seiner zwei Gattinnen mit ihm Zusammenleben konnte und beide Ehen getrennt werden mußten. Zum dritten Male hätte ihn «ine Prinzessin überhaupt nicht genommen. Christian's Auge lenkte sich nun auf den Mann seiner rein dänisch gesinnten eine Demonstration, welch« die Behörden nicht vorgesehen hatten. Aus der Menge ergoß sich nämlich ein förmlicher Blumenregen über das Denkmal, besonders warfen einige Hundert Studenten zahlreiche Blumen auf die Stufen und den -Sockel. Der Weihe act selbst erfolgte in lateinischer Sprache, und das Orchester spielte darauf die Polonaise aus dem ersten Acte der „Halka", während bei Beginn des Weiheactes das Gebet aus dem vierten Acte der „Halka" (Oper von MoniuSzto) gespielt worden war. Vor der eigentlichen Feier hatte noch ein kurzer Gottesdienst in der Käthe dralkirche stattgcfundcn. Es war aber den Zeitungen streng ver boten worden, irgend eine Ankündigung für diesen Gottesdienst zu bringen. Bald nachdem die Feier vorüber war, zog eine An zahl Socialisten ruhig am Denkmal vorüber. Die Gendarmen ließen die Socialdemokraten unbehindert passiren. Orient Großfürst RtcolanS; Hafendau in Haidar Pascha. * Konstantinopel, 28. December. (Telegram m.) Großfürst NicolauS ist nach stürmischer Ueberfahrt in Sebastopol eingetroffen und hat von dort aus ein Telegramm an den Sultan gerichtet, in dem er ihm für den ihm zu Theil gewordenen herzlichen Empfang dankt. * AuS Berlin, 27. December, wird dem „Hamb. Corr." geschrieben: „Das Projekt der Deutschen Gesellschaft der Anatolischen Eisenbahn, betr.de» Hafenbau in Haidar Pascha, scheint seiner Verwirklichung näher gerückt zu sein. Die Gesellschaft hatte bisher schon in Haidar Pascha, als dem Ausgangspunkt des syrischen Netzes, einen Hasen, der aber so leicht ist, daß die Seeschiffe ihre Maaren durch Leichterschiffe an Bord und von Bord bringen müssen. Die Gesellschaft wünscht einen leistungsfähigen, für See» schiffe zugänglichen Hafen nebst den dazu erforderlichen Quai anlagen herzustclleu, der eine raschere und billigere Beladung und Entladung der Transportschiffe ermöglicht. Haidar Pascha liegt bekanntlich an der Nordküste Syriens gegenüber Konstantinopel. DaS Project stieß bisher auf den Widerspruch der französischen Quaigesellschaft in Konstantinopel, die die Coucurrenz der Anatolischen Bahn fürchtete. Soweit war der Streit ein lediglich privater; nach- dem aber der französische Botschafter zu Gunsten der Quaigesellschaft intervenirt hatte, sah sich auch, der deutsche Vertreter veranlaßt, für das Hafenproject einzutreten, und zwar, wie es scheint, mit Ersolg. Es kommt dabei in Betracht, daß während des griechisch türkischen Krieges nur mit Hilfe anatolischer Bahnen der raschere Transport der türkischen Reserven aus Syrien, dessen Bevöl kerung eine hervorragend kriegstüchtige ist, nach dem Kriegs schauplatz möglich gewesen ist, während sich die französische Eisenbahngesellschaft als leistungsunsähig erwies. Diese Erwägung dürfte schließlich zu Gunsten des Hafenprojerts den Ausschlag ge- geben haben. Afrika. Transvaal. * London, 28.December. (Telegramm.) „DailyMail" meldet auS Capstadt: Die Boerenregierung habe end lich gezeigt, daß sie ihre ernste Lage begreife; sie habe eine Untersuchung wegen der brutalen Behandlung von Cap- arbeikern durch die Boerenpolizei eingeleitet. Dem Polizisten, der den Europäer Edgar erschossen hat, wurde die vorläufige Freilassung gegen Cautivn verweigert. Die Zeitung der Boeren „Vollstem" führe eine versöhnlichere Sprache, be- theuere, die Regierung werde Gerechtigkeit üben, und drücke die Hoffnung auS, England werde nicht übereilt handeln. (Magdeb. Ztg.) Manne. T Berlin, 28. December. (Telegramm.) Der Reichspvsi- dampfer „Bayern" mit Len abgelösten Besatzungen der Schiffe des Kreuzergeschwaders, Transportsührer Capitain zur See Kocllner, ist am 28. December in Suez eingetroffen und hat an demselben Tage die Heimreise nach Neavel fortgesetzt. G Kiel, 27. December. An der Kaiseryacht „Hohenzollern", welche sofort nach ihrer Rückkehr von der Mittelmeerreije ins Dock der kaiserlichen Werst zu Kiel ging, sind jetzt zahlreiche Arbeit«- äste beschäftigt, die erforderlichen Justondsetzungsarbeiten vorzu nehmen. Das Schiff wird auch in diesem Winter nicht außer Dienst gestellt werden. Einer Anordnung des Kaisers zufolge sollen die Arbeiten bis zum I. März beendet sein, damit die Pacht von diesem Zeitpunkte an wieder zur Verfügung des Kaisers stehen kann. Ernennungen, Versetzungen rc. im öffentlichen Dienste. Departement -es Cultus nnd öffentlichen Unterrichts. Erledigt: 2 ständige Lehrerstellen an der Bürgerschule zu Roßwein. Anfangsgehalt 1600 cM einschl. Wohnungs geld; 1 Lehrerstelle an einer progymnasialen Classe der I. Bürger schule zuRoßwein. Gehalt 1800 einschl. Wohnungsgeld. Bewerbungsgesuche um diese 3 Stellen sind bis zum 15. Januar 1899 bei dem Stadkrathe zu Roßwein einzureichen. — Z u b e s e tz e n : die Kirchschulstelle zuOelzschau. Collator: das königl. Ministerium des Cultus und öffentlichen Unterrichts. Einkommen außer freier Wohnung im Schulhause mit Garten 1000 c-l vom Schuldienste, 479 vom Kirchendienste, 72 für den Fortbildungsschulunterricht und nach Umständen 72 für die Frau des Lehrers für den Handarbeitsunterricht. Be werbungsgesuche mit sämmtlichen ZeugniMn sind bis zum 15. Januar 1899 bei dem königl. Bczirksschulinspector Or. Schwester, den Landgrafen Wilhelm von Hessen, und um sich die Gunst eines Mächtigen zu sichern, wurde dessen Sohn, Christian's Neffe, Landgraf Friedrich, der rechtmäßige Thronfolger in Hessen-Cassel, miteinerTochter des Zaren Nicolaus vermählt. Der fein ausgedachten Verwandtschaft machte der Tod ein Ende. Landgräfin Alexandrine starb nach kurzer Ehe, und, das sei bei läufig erwähnt, ihr sauberer Herr Gemahl, rin eitler leerer Mensch, ließ in seinem ererbten Geldhunger die Versteigerung des Nachlasses seiner Frau ankündigen, ein öffentlicher Skandal, den Zar Nikolaus durch heimlichen Ankauf des Nachlasses seiner Tochter bald verhinderte. Man kann sich denken, daß solche Vor kommnisse die Schleswig-Holsteiner nur in der Verthcidigung ihres Rechtes auf die Vererbung der Herzogs-Würde im Mannes stamme, der durch die Augustenburger repräsentirt wurde, be stärken konnte. Man ließ denn auch Christian dies fühlen. Als der König im Jahre 1840 mit seiner Gemahlin zum ersten Male die Stadt Schleswig besuchte, wachte der Festausschuß peinlich darüber, daß alle Empfangsfeierlichkeiten «in rein deutsches Ge präge trugen. Ein nach der Melodie des dänischen Nationalliedes („Kong Christian stod ved hoien Mast") gedichtetes Empfangs lied wurde zurückgewiesen und statt dessen di« Melodie „Heil Dir im Siegerkranz" eingesetzt. Auch wurde bei einem Hoch auf den König der Herzogstitel nicht fortgrlassen, worauf bisher kein Ge wicht bei deraratigen Anlässen gelegt worden war. Die Aenderungen in den Verbänden der alten schleswig-hol steinischen Regimenter und in den Garnisonen hakten Unwillen erregt, den der König durch die Ernennung des Prinzen Friedrich von Noer, einem Bruder des Augustenburgers, zum Statthalter der Herzogthümer und durch die Einsetzung deS gut schleswig- holsteinisch gesinnten Grafen Reventiow-Crimiml zum Prä sidenten der schleswig-holsteinischen Kanzlei zu beschwichtigen suchte. Das nationale Bewußtsein, durch diese Nachgiebigkeit des Königs noch mehr gestärkt, gewann in weiteren Kreisen an Boden durch die im Jahre 1843 erschienene Preisschrift deS Flensburger Advocaten Bremer: „Kurzgefaßte Beschreibung und Geschichte Schleswig-Holsteins", zu welcher die Anregung in Schleswig- Holstein durch Beseler, Jacobsen und Steindorff gegeben worden war.
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