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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.12.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-12-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981231022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898123102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898123102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
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- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-12
- Tag1898-12-31
- Monat1898-12
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Bezug-Prei- U» Lrorgen-Av-gabe »rschedtt er« '/,? Uhr, die Kbeud-AuSgabe Wochentag« mn k Uhr. Ntdaclilm »n- Lr-r-itto»: L,ha«»e-,«Ge 8. Lik^-«diti<m ist Wochentag« ununterbrochen »eöffutl von früh 8 bi« LbcudS 7 Uhr. /Male«: lvttO Mr««'» Garti«. (Alfred Hah»^ LeÄersitättstraß« S (Pauli»«»), Laut» Lösch«, Ratharinenstr. Z4, pari, »ad Kö»ig«platz 7. «i Mximaliaer täglicher Zustellung in« Hau« KLO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertellährlich . Direkte tägliche streuzbandiendung «» Au-land: monatlich 7.S0. ««z. Abend-Aus eipMer^aMall Druck und Verlag von L. Bold ta LelpzkA. 92. Jahrgang. Souuabenb den 31. December 18S8. Avnahmeschluß für Äuzelgen: Ab end «Ausgabe: vormittag« 16 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« 4Uhr. Bei d«n Filialen und Annahmestellen je ei« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet« an die Exheditt«» -u richten. Anzeigen-Prei- die Sgespaltme Petilzeile SO Ptz? Reklamen unter dem RedacttonSstrich s4»a» spalten) üO^j, vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 4v^. Größer« Schriften laut unserem Preis» vrrzeichmß. Tabellarischer und Zifsernsa- »ach höherem Tarif. Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes und Polizei-Amtes -er Lta-t Leipzig. Extra »Bei lagen (gefalzt), nur mit d« Morgen «Ausgabe, ohne Postbesörderung SO.—, mit Postbeförderung 70.—. PolMsche Tagesschau. * Leipzig, 31. December. Die Münchener „Allgem. Ztg." theilt au« dem kürzlich erschienenen Werke de- bekannten Schriftsteller« Dagovrrt v. Gerhardt „Da- Skizzenbuch meine« Leben«" (II. Theil, Brr-lau 1899) die folgende, am IS. December 1887 an Gerhardt gerichtete Aeußeruna de- Grast-erzog- Von Vaden Ster die Socialde«okralie mit: „Sie haben auch deS öfteren die sociale Frag« berührt. Die Art und Weis«, wie Sie die« thaten, hat Mich durchaus au- gesprochen; man muß bei der Besprechung dieser Frage auch de» Reichen und vornehmen derb di» Wahrheit sage«. Richt» ist verkehrter, al- den Socialdemokraten bei Bekämpfung der Doktrinen nur als ihr hochmüthiger und leidenschaftlicher Feind gegenüberzntreten. Man muß al» ihr wohlwollender Helfer auftteten und kann dann um so wirksamer da- verkehrte ihrer Forderungen bekämpfen. ES sind Menschen, wie wir, und sie wollen, wie wir, als Menschen leben, nur di« Mittel, die sie zur Erreichung auch ihrer discutir« baren Forderungen anwendeu wollen, sind thörichl und verwerflich. Am verkehrtesten ist es aber, ihnen darin nach- zuahmen, daß mau im Kampf gegen sie auch jene Art von Agitation betreibt, di« nur Haß und Feindschaft säet und in der ihre Wortführer geradezu Meister sind; ich begreife di« Leute hier in Berlin nicht, die von solchem Vorgehen da- Heil erwarten. Die sociale Frage wird nur durch die freiesten Köpfe und die reinsten Herzen aus dem Volk selbst zu lösen sein. Und da werden sich freilich auch unsre oberen Stände gewaltig ändern müssen. Hier in Berlin herrscht ein Luxus, ein Uebermuth de« Geldes, der un« mit schwerer Sorge wegen der Zukunft erfüllen kann. Ich bitte Sie, fahre» Sie fort, Ihre wohl meinenden Rathschläge immer wieder an jene höheren Gesellschafts schichten zu erthrilen, die in kurzsichtigster Genußsucht für die Sturm zeichen unserer Tage gar kein Aage zu haben scheinen." Die „Allgem. Ztg." hofft, daß diese Worte in recht weite Kreise dringen und die verdiente Beherzigung finden. Auch wir hoffen da-, um so mehr, al« die Mahnung deö edlen Fürsten zu einer Zeit bekannt wird, die ohnehin zu ernster Seldstprüfung auffordert. Man würde die Mahnung aber nicht recht verstehen, wenn man sich nicht erinnerte, daß sie ihre Entstehung derselben Anschauung und Stimmung ver dankt, die mehrere Jahre darauf zur Nichtverlängerung ve« Socialistengesetze« führten. Damals glaubte man in den ausschlaggebenden Kreisen, die großen socialen Reformgesetze würden den mißleiteten Anhängern der social demokratischen Führer die Augen über die wohlwollenden Absichten der Regierenden und der großen Mehrheit des Bürgerthum« einerseits und über die thörichten und verwerf lichen KampfeSmittel der Leiter der Bewegung andererseits öffnen; e« würde, um dieser Bewegung Herr zu werden, ge nügen, wenn Gesetzgebung und Bürgerthum als wohlmeinende Helfer der „Enterbten" sich weiter bethätigten. Aber dieser Erwartung ist eine bittere Enttäuschung gefolgt. Es hat sich gezeigt, daß jene Agitation, „die nur Haß und Feindschaft säet" und in der die socialdemokratischen Wortführer geradezu Meister sind, auf die großen Massen mehr wirkt, als der werklhätige Reformeifer, mit dem Deutschland allen anderen Nationen vorangegangen ist. Wie oft hat seitdem derselbe hochsinnige Fürst, der vor 12 Jahren die oben- stebenden Sätze schrieb, in Krieger- und anderen Vereinen auf jene Agitation und ihren Glauben, Nächsten- undVater- landSliebr, Familiensinn und Lebensfreude vernichtenden Ein fluß hinzuweisen sich genöthigt gesehen und den Abwehrkampf gegen die Agitatoren al« eine der ersten Pflichten jedes wackeren Staatsbürger« bezeichnen müssen! So wird man denn, wenn man im Sinne de« fürstlichen Mahners und mit Beherzigung der auch von ihm gemachten Erfahrungen handeln will, nicht nur jene Gesellschaftsschichten, die in kurzsichtiger Genußsucht die Sturmzeichen unserer Tage nicht sehen wollen, au- dieser blinden Genuß sucht aufrütteln, sondern uii« gleicher unermüd licher Energie da« ganze, in seiner nationalen Existenz, wie in seinem moralischen und wirthschaftlichen Besitzthum schwer bedrohte Bürgerthum zur geschloffenen der socialdemokratischen Agitation und zur Entlarvung «.(>.. Li'h«n, Entstellungen und Hetzereien der Meister im Säe., . on Hc-ß und Feindschaft aufrufen müssen. Nur durch (..reu solche«- Kampf nach zwei Seiten, gegen den „Uebermuth L<.ü Feldes" und gegen den Frevelmuth der Umstürzler, kann da« Ziel erreicht werden, daS dem hochherzigen fürstliche Mahner vorschwebt; nur m solchem Doppelkampfe ist i .rutsche Bürgerthum würdig seines größten StaatSmaunev, dessen unersetzlichen Verlust man niemals tiefer empfinden kann, al« wenn man die seit dem Erlöschen seine« Einflüsse« er zielten Erfolge der socialdemokratischen Führer in Be tracht zieht. Die «rotzpolnische Auslandspreise fabelt von einem „Ausrottungskampf, der in den Grenzen deS preußischen Staates tobt". Wenn man näher zusieht, worin dieser „Ausrottungskampf" denn eigentlich besteht, so stellt sich heraus, daß die gewiß nur legitimen Bestrebungen des von der Hochfluth großpolnischer Hetzpropaganda umtosten Deutsch- thums in den gemischtsprachigen LandeStheilen Preußens, sich seine Sprache und seine nationale Eigenart ungeschmälert zu erhalten, den wahnsinnigen Haß de« PolenthumS entflammt haben und letztere- unfähig machen, die Dinge zu sehen, wie sie wirklich sind. Der grobpolnische Hetzer verlangt für sich vollkommene Freiheit und Ungebundenbeit. soN">* , -""der der Bevölkerung als gegenüber den Landesgesetzen, und schreit über deutsche Tyrannei und Brutalität, wenn er dazu anzehalten wird, in Preußen den Staatsgesetzen schuldigen Gehorsam zu leisten. Daß Kaiser Wilbelm die Reichsange hörigen in Palästina seines kaiserlichen Schutzes versicherte, wird ihm zwar von den Polen nicht direct verübelt, Wohl aber hätte er, nach Meinung der in besonders bösartigem deutschfeindlichen Sinne redigirten „Nova Reform«", nicht nöthig gehabt, die weite Welt aufzusuchen, um einen Beweis von Monarcheugerechtigkeit zu erbringen, denn: „Bei sich zu Hause, in seinem eigenen Staate, hat er Unter- thanen, die der Menschenrechte beraubt und Unter» thanen zweiter Classe sind. Deswegen, weil sie nicht als Deutsche geboren wurden, sind sie der Gegenstand der Hetz- jagd einer Bande von Verfolgern, die durch Las Regierungssystem unterstützt werden. Der christliche Kaiser hat in seinem eigenen Staate Christen, die der gött lichen und menschlichen Rechte beraubt sind. Ist die Muttersprache, di» Anhänglichkeit an die väterliche Scholle nicht ein solches verachtetes Recht? Man stellt die nach Millionen zählende polnische Bevölkerung außerhalb diese» Recht», nimmt ihr di« Muttersprache und entreißt ihr die väterliche Scholle, ja mau wirft die zuzieheade slawische Bevölkerung auS slawischen Landen hinan», um sie wtrth- schaftlich zu ruinireu und an ihrer Statt dem deutschen Element den Weg zu bahnen." Es würde dem genannten Hetzblatt einfach unmötzlich sein, auch nur den Schatten eine« Beweise« für seine ungeheuerlichen Anschuldigungen zu erbringen. Auf die Feststellung der Wahrheit kommt e« ihm aber auch gar nicht an, sondern darauf, im UuSlande Stimmung gegen die Politik de« Deutschen Reiches im All gemeinen und gegen die Polenpolitik der preußischen Staatsregierung im Besonderen zu machen. Und darin hat e« die Gesammtheit der großpolnischen Verschwörung gegen den heutigen völkerrechtlichen »tatus quo hinter sich. Indem die Förderung deutscher Cultur in den gemischtsprachigen LandeStheilen mit allen zulässigen Mitteln fortgesetzt wird, dient man daher zugleich der Sache de« Frieden« nicht nur im Innern, sondern auch nach außen. Ein Pariser Telegramm meldete, daß auf Weisung de« Justizministers Lebret der erste Präsident deS CassationS- bofe«, Mazeau, eine Untersuchung in der Affaire Bard- Picquart einzuleiteu im Begriffe stehe. Die Veranlassung zu dieser Maßregel dürfte in einer Mittheilung de« anti-revisionistischen Organ« „L'Eclair" zu suchen sein. Dieses Blatt hatte erzählt, daß Picquart während seine« Aufenthalte« im Gebäude de« CaffationShofe«, wenn er nicht gerade ein Verhör zu bestehen hatte, in einem zum Bureau de« Richter- B. gehörigen Cabinet internirt ge halten wurde. Eine« Tage«, da sich Picquart in diesem Cabinet befand, wurde plötzlich die Thür aufgeriffen und Richter Bard hätte auSgerufen: „Mein lieber Picquart, sagen Sie mir Ihre Ansicht über die Aussage des ... ." Bard vollendete den Satz nicht, denn er sah sich nicht Picquart, sondern dem Richter B. gegenüber. Nach einer in Paris verbreiteten Version soll dieser Richter B. der bekannte Herr QueSnay de Beaurspaire gewesen sein, der den Vorgang auch dcm „Eclair" berichtet hätte. Nach einer Mit- theilung des „GauloiS" hätte Richter Bard sogar gesagt: „Mein lieber Picquart, hier haben Sie die Aussagen des Generals Gonse. Ich glaube, daß wir ihn jetzt haben." Sowohl der „Eclair", als auch der „Gaulois" sind bekannt lich anti-revisionistische, die Interessen des Generalstabes ver tretende Blätter, die eS dem Richter Bard nicht verzeihen können, daß er seinen Bericht über die RevisiouSfrage an den CassationShof in einer für Dreyfus überaus günstigen Weise abgefaßt und die Revision des ProcesseS unabwendbar gemacht hat. Richter Bard hat übrigens die obige Erzählung der genannte» Blätter in einer in der „Agence HavaS", einem Regierungsorgan, publicirten Note ausdrücklich demen- tiren lassen. Das obige Gerücht, hieß es in dieser Note, dürfte dadurch entstanden sein, daß Bard einmal von dem Präsidenten ersucht wurde, Picquart und dessen Wächtern mitzutbeilen, daß der Oberst erst am folgenden Tage ver hört werden würde. Diesen Auftrag, sagt Bard, habe er auszeführt, sonst aber an Picquart, ven er persönlich nicht kenne, niemals daS Wort gerichtet. Trotzdem hat die Regierung nun eine Untersuchung des Zwischenfalles Bard- Picquart verfügt, was vielleicht nur eine Folge der von dem Deputaten Lasie« angekündigten, nach Zusammentritt der Kammer einzubringenden Interpellation ist. Die Regierung will offenbar am 10. Januar in der Lage sein, actenmäßig beweisen zu können, daß die Erzählungen de« „Eclair" und des „GauloiS" erfunden sind, und sie wird unschwer ihren Zweck erreichen, da, wie un« beute Morgen au« Pari« trlegraphirt wird, eine Note der „Agence HavaS" publicirt ist, die Fol gende« besagt: Schon auS der ersten Prüfung der Thatsachen und der Enlärungen QueSnay de Beaurepaire'S und Bard'S ergiebt sich, daß die Bard zugeschriebenen Aeußeruogen, namentlich die Worte: „Mein lieber Picquart", sowie die Aeußeruna hinsichtlich der Aussage de« General« Gonse nicht gefallen sind. Das Befinden des spanischen Ministerpräsidenten Sagasta'S hat sich gebessert, und die Lösung der Cabinets- krisis wird daher nicht ohne Mitwirkung des Minister präsidenten erfolgen. Nach einer Mittheilung de« „TempS" nimmt man in den politischen Kreisen Madrids vier Lösungen der gegenwärtigen Lage al« möglich an. Ersten- die Umbildung de» Cabinet- und der liberalen Partei durch Versöhnung der verschiedenen Gruppen der Mehrheit unter dem Vorsitze Sagasta'S oder Montero Rio«. Zweiten« ein liberale« Concentrations- ministerium unter dem Vorsitze Sagasta'S mit der Unterstützung Weyler'S und Canaleia'S und unter der wohlwollenden Haltung Römers Robledo», um die Mithilfe der liberalen Dissidenten entbehren zu können. Drittens ein orthodox - konservatives Ministerium unter dem Vorsitz Silvela'S oder des Marschalls CampoS. Viertens ein konservative« Concentrationsministerium unter dem Vorsitz de« Marschalls CampoS, da« auch die Unterstützung deS General« Polavieja und des Herzogs von Teluan gewinnen soll, ohne sich den General Weyler und seine militarrpolitische Gruppe zu verfeinden. Ob General Weyler durch alle diese Berechnungen einen Strich macht, muß abgewartet werden. Ueber ferne Unterredung mit der Königin-Regentin beobachtet der ehemalige Generalgouveraeur von Cuba Schweigen, doch vermuthet mau, daß er das Pro gramm der „starken" Regierung, welche- die Auflösung der CorteS früher oder später, je nach den Eventualitäten ver äußeren und vornehmlich der inneren Politik vorsieht, empfohlen hat. Die übrigen politischen Generale sind Gegner einer solchen „Diktatur", da sie eifersüchtig auf den „Gewalt menschen" Weyler sind, von dem sie befurchten, daß er die gesammte Macht an sich reißen werde. Ihren Zu sammenkünften wird große Bedeutung beigelegt. Die Königin-Regentin hat nach Weyler auch diese Generale empfangen. Ob sie versucht hat, dieselben den Plänen Weyler'S geneigt zu machen und einer im gegenwärtigen Augenblick besonders gefährlichen Spaltung der Armee in zwei feindliche Lager vorzübeugen, oder ob nur die carlistische Gefahr zur Erörterung gekommen ist, läßt sich nicht sagen. Wahrschein lich ist aber Beides verhandelt worden. Die englischen Zeitungen bleiben dabei, daß eS dem Prätendenten gelungen sei, eine Anleihe zu Stande zu bringen. Ist daS richtig, so hat man in Madrid Ursache, auf der Hut zu sein. Falls Lord Sali-bury nicht neuerdings in Sacher. Chinas ein ganz neues Blatt umgeschlagen hat und ge sonnen ist, dort in der Folge ganz anders aufzutreten, als bisher, muß ihm die Informationsreise, die Lord Charles ^auiHeton. Hellersdorff. ILj Novelle von Hedda von Schmid. Nachdruck verbot«». Die Baronin zerbröckelte nervös einen Bisquit. „Schöne Aussichten für morgen: Hermine krank — Sie, bester Baron, im Begriff abzureisen, und die Dekorationen zu den Tableaux noch in weitem Felde." „Unbesorgt, gnädige Frau, es wird Alles zu rechter Zeit fertig sein", raffte -sich Arend aus seiner Schweigsamkeit zu einer Ant wort auf. „Sie werden mit Packen zu thun haben", erwiderte die Baronin klagend, „und schwerlich Muße finden, sich um die Bühne zu kümmern. Der Rudi Sebenberg ist auch zu nichts zu gebrauchen. Mit Mühe bekommt man ihn zu den richtigen Stel lungen in den Bildern, in welchen er steht. Auf praktische Hilfe von seiner Seite ist nicht zu rechnen." „Er wird doch aber sehr nett gefunden", sagte Arend mit solch' scharfer Betonung, daß Elisabeth, die verträumt vor sich hin geschaut, erstaunt aufblickte. In demselben Augenblick zuckte es vor den offenen Fenstern, an denen die Stores nicht herabgelassen waren, grell auf. Ein lang nachhallender Donner folgte. „Himmel! Wieder ein Gewitter!" jammerte die Baronin, in ihren Stuhl zurücksinkend, „und gerade jetzt mit einbrechender Nacht zieht es herauf. O, wie unheimlich, da blitzt es schon wieder." „Du solltest auf Dein Zimmer gehen, Mama", schlug Elisa beth vor, „dort werden die Blitze nicht so sichtbar sein." „Nein, nein, ich stürbe da allein vor Angst. Thun Sie mir den Gefallen, bester Baron, schließen Sie die Fenster — die Lampen müssen sämmtlich verlöscht werden, liebste Irene — und nur ja keinen Zugwind im Hause — das ist gefährlich bei Ge witter." Die geängstigte Baronin kauerte sich auf den Polster divan, der in einer Ecke des Speisezimmers stand, und beschwor Arend, als Schützer dazubleiben. „Aber beruhigen Sie sich doch, gnädige Frau, eben ist noch gar kein Grund zur Furcht vorhanden", versuchte derselbe die aufgeregte Dame zu beschwichtigen. Das Gewitter begann sich jedoch mit ungewöhnlicher Heftig keit zu entladen. Blitz und Schlag folgten einander fast un mittelbar. Ein wilder Sturm fegte daher, unter dem die Bäume de» Parkes ächzten und stöhnten, und noch immer zögerte der Regen, welcher den Aufruhr in der Natur zu dämpfen im Stande war. Bei jedem Blitz erhellte sich das Gemach, in dem die Lampen verlöscht waren^— nach einigen Minuten fand sich's, daß Irene dos Zimmer verlassen hatte. „Sie wird sich zu Hermine begeben haben", sagte die Baronin; „ein bewunderungswürdiger Muth, ich wäre nicht im Stande, jetzt allein bis an das andere Ende dieses weitläufigen Hauses zu gehen." Beim nächsten Blitze ent deckte die Dame, daß auch Elisabeth fehlte. „Um Gotteswillen — liebster Baron, erbarmen Sie sich, suchen Sie mein« Tochter — das unvernünftige Kind ist im Stande, jetzt allein im Parke umherzustreifen — ich kenne diese Angewohnheit bei Elisabeth, beruhigen Sie mein geängstigtes Mutterherz, bringen Sic mir mein Kind." Arend hatte bereits dem Wunsche der Baronin gehorcht; merkwürdiger Weise zeigte diese, allein zurückgeblieben, keinerlei Gewitterfurcht mehr — es lag aber trotzdem eine fiebernde Spannung in ihren Zügen . . . . „Wenn er sich jetzt nicht erklärt, dann ist jede weitere Hoff nung darauf ausgeschlossen", murmelte sie. Durch den Park brauste der Sturm ... Es war in der That eine Unvernunft, sich während des Gewitters unter den Baumriesen aufzuhalten; doch Arend brauchte nicht lange nach Elisabeth zu suchen, beim ersten Blitzstrahl entdeckte er, die, an den Stamm einer gewaltigen Linde gelehnt, dastand. Ihr reiches Haar hatte sich gelöst und umwogte ihre Schultern wie ein dichter Mantel. Rasch trat Arend auf sie zu. Es hielt schwer, sich bei dem Wettergebraus verständlich zu machen. „Baronesse — Ihre Frau Mutter vermißt Sie — gestatten Sie mir. Sie ins Haus zurückzugeleiten." Elisabeth schüttelte mit dem Köpft „Lassen Sie mich — mir ist hier am wohlsten." „Elisabeth!" brach Arend los, „Sie sind ein Kind, «in eigen williges Kind. Was soll dies nun wieder bedeuten? Sie setzen sich einer ernsten Gefahr aus — hier unter den Bäumen — das Gewitter steht gerade über Hellersdorff, der Blitz kann in jedem Moment einschlagen, kann den Baum treffen, unter dem wir stehen. Nicht genug, daß Sie mich seit gestern durch Ihre Kälte quälen, Sie treiben mich zur Verzweiflung, wenn Sie diesen gefährlichen Platz nicht sofort verlassen. — Warum handeln Sie so? Bor Jahren, als ich im Begriff stand, um Sie zu werben, da stießen Sie mich plötzlich zurück — ich zog fort, um in einem fernen Welttheil Vergessenheit zu finden — ich glaubte, mit der Zeit mein Herz bezwungen zu haben — da, zurückgekehrt — sah ich Dich wieder, Elisabeth, und der alte Kampf, das alte Sehnen, begannen aufs Neue. Ich schöpfte wieder Hoffnung — ich fing an, von einer wonnigen Zukunft zu träumen, und nun — nun stößt Du mich zum zweiten Male zurück, also gelte ich Dir doch nichts — Elisabeth — wenn Du wüßtest, wie grenzenlos ich Dich liebe. . ." „Arend!" Wie ein Jubelschrei ringt sich der Name von Elisabeth's Lippen — und dann liegt sie an seiner Brust und duldet seinen Kuß und erwidert denselben. „Mein, endlich mein", flüstert Arend, „aber sag', warum hast Du mich so namenlos gequält, Du Böse, Du Süße?" „Später", raunt sie, „später will ich Dir Alles erklären — nun komm, laß uns fortgehen, schnell — jetzt, wo ich weiß, daß Du mich noch liebst, fürchte ich den Tod, ich will nicht vom Blitze erschlagen werden an der Schwelle meines Glückes." Halb führte, halb trug Arend Nydegg seine Braut unter das schützende Dach der Veranda. Als sie dieselbe erreicht und in den Park zurückblickten, flammte es hinter den Bäumen in der Richtung, wo die Aa dahinströmte, grellroth auf — dort mußte der Blitz in ein Gebäude gefahren sein und dasselbe in Brand versetzt haben, denn weithin leuchtete der Feuerschein durch die Nacht. ZwölftesCapitel. Irene hatte sich inzwischen in der That zur Tante Hermine begeben. Eine unsägliche Angst schnürte ihr plötzlich die Brust zusammen, und sie litt doch gewöhnlich nicht unter Gewitter furcht. Harald's langes Ausbleiben war ihr räthselhast. „Er wird in den Ställen sein, um das Heraustreiben des Viehes und der Pferde selbst zu überwachen", tröstete sie sich. Bei dem gefährlichen Wetter durften die Thiere selbstverständlich nicht in ihren Lateren bleiben, der Blitz konnte ja in jedem Augen blick einschlagen. Tante Hermine war, als Irene bei ihr eintrat, mehr denn je von Schmerzen geplagt; sie verhielt sich in Folge dessen dem Gewitter gegenüber ziemlich theilnahmlo«. Emma, Irenens Zofe, machte der alten Dame mit zitternden Händen Kräutrrumschläge. „Gott stehe uns bei, gnädige Frau", flüsterte sie Irenen zu; „erst das Unglück in der Mühle, und nun dieses schreckliche Gewitter — mir beben di« Glied» vor Angst — und der gnädige Herr sind fortgeritten ohnr Mütze, der Wind wehte sie ihm vom Kopfe — der Rappe flog nur so — ich sah es durchs Fenster. . ." „Was reden Sie da, Emma?" fragte Irene erschrocken, doch so leis«, daß die Kranke nichts verstehen konnte; „von welch' einem Unglück sprechen Sie eigentlich und wohin ritt der Herr? Trotz des von Harald erlassenen Verbotes hatte sich die Nach richt von dem Schleusendurchbruch und dem Verunglücktsein eines der Arbeiter im Hause schnell verbreitet. Der wohlgeschulte Be diente hatte allerdings geschwiegen, aber ein Gleiches zu thun, das wäre über Emma's Kräfte gegangen. Sie erzählte flüsternd Alles, was sie wußte. Irene fühlte, wie ihre Hände eistalt wurden und ihre Knie zu zittern begannen — Harald draußen im ärgsten Unwetter — Harald in Gefahr . . .! Sie zwang sich jedoch zu ein paar ruhig gesprochenen Worten der Theilnahme Tante Herminen gegenüber, dann verließ sie das Zimmer und floh, wie gehetzt, den Korridor entlang. In dem Entröe riß sie ein leichtes Tuch vom Mantelständer und, sich dasselbe um Kopf und Schultern windend, stürmte sie hinaus, im vünnen Sommerkleide, in leichten Lackschuhen, des Sturmes und der unablässig zuckenden Blitze nicht achtend. Nach ein paar Schritten taumelte sie entsetzt Zurück, grellroth schimmerte es auf, der Feuerschein verbreitete sich tapid über den Horizont — kein Zweifel — es brannte in der Richtung der halbzerstörten Mühle. „Harald!" schrie Irene auf und hastete, sich mit allen Kräften gegen den Sturm stemmend, vorwärts. Es war fast ein Ding der Unmöglichkeit für die zarte Frau, bei diesem Wetter weiter vorzudringen, doch die Verzweiflung verlieh Irenen Riesenkräfte. Sie bangte um ihren Mann — den Mann, den sie liebte. „Ja, sie liebte Harald; in diesen letzten zehn Minuten quäl vollster Seelenangst war sie sich dessen bewußt geworden. Sie zitterte um ihn, denn^r war tollkühn in Gefahr und würde ohne Besinnen sein Leben einsetzen, wenn es die Rettung Anderer galt. Hellersdorff versinkt im Dunkel der Nacht hinter der jungen Frau — vor ihr leuchtet der Feuerschein und weist ihr den Weg — kaum noch tragen sie ihre Füße, allein sie strebt vorwärts, den betäubenden Donner, die züngelnden Blitze nicht fürchtend. „Harald!" klingt es unaufhörlich in ihrem Herzen; zu ihm — ihn finden, sich überzeugen, daß er lebt, daß ihn keine Gefahr bedroht, daß weder Feuer noch Wasser ihm zum Vcrhängniß geworden. Da öffnet der Himmel seine Schleusen, wolkenbruchartig strömt der Regen herab, im Augenblick die junge Frau bis auf die Haut durchnässend — noch ein paar Schritte taumelt sie, dann strauchelt ihr Fuß über etwas, das ihr den Weg versperrt, sie sinkt nach vorn — fällt und schlägt mit dem Kopf hart auf den Stamm eines Baumes, den der Sturm niedergeriffen. Es ist die alte Ulme am Ufer der Aa, welche nicht, wie Arend voraus gesetzt, den Fluthen, sondern dem Gewittersturm zum Opfer gr- fallen. . Regungslos bleibt die weiße Frauengestalt liegen — die Minuten verrinnen, der Regen beginnt mit verminderter Gewalt herabzuströmen, der Feuerschein ist erloschen, die Blitz« zucken
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