Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.04.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-04-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960410017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896041001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896041001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- fehlerhafte Bindung: Seiten in falscher Reihenfolge
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-04
- Tag1896-04-10
- Monat1896-04
- Jahr1896
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezugS'PreiS H« haiptexpeditton oder den im Stadt bezirk emd den Bororten errichteten AuS- aabestellen ob geholt: vierteljährliche» »^0, vet uoetmoligrr täglicher Zustellung in« Han« öLO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich ch—. Dir»«» tägliche Kreuzt-andseaduag im» «näland: mvnatlich 7.50. Di» Morgeu-Au-gab« erscheint um '/,7 Uh«, di« dlben^-Anägab« Wochentag» nm 5 Uhr. Nr-actio« «n- Lr-e-itio«: 2-h-nneSgaffe 8. Die Spedition ist Wochentag» ununterirocheo geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Filialen: ctt, Klemm'» Lortim. (Alfred Hahn». UniversitätSstraße 1, Laut» Lösche, Katharinenstr. 14, pari, und König-Platz 7. Morgen-Ausgabe. UchMr Tageblatt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Nolizei-Ämtes der Stadt Leipzig. Tlnzeigen.Preis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg. Recla men unter dem RedactionSfirich l4ge- svulten) 50-^, vor den Famtliennachrichten (6 gespalten) 40^. iprößere Schriften laut unserem Prei«. verzeichnitz. Tabellarischer und Zissernlatz nach höherem Tarif. Sxtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen - Aukgabe, ohne Postbefvrderung SO.—, mit Pvstbesörderung 70-—. !XnnaliMksch!uß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen nnd Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig Jahrgang. ^-180. Freitag den 10. April 1896. Hausirer und Hausirgesetze. Bon vr. Richard Rößger. I. ES ^iebt gewisse Fragen in der Gesetzgebung, die, so oft ihre Lösung auch versucht worden ist, doch niemals eine eigentlich zufriedenstellende Entscheidung gefunden haben. Zu diesen gehört die gesetzliche Regelung deS Gewerbebetriebes im Umherziehen. Ost sah der Gesetzgeber sich vor die Roth Wendigkeit gestellt, diese vorzunebmen, und ebenso oft erwies sie sich als ein Problem, das die größten Schwierigkeiten bereitete. Es lagen hier Gegensätze vor, die auch jetzt noch unvereinbar scheinen. Auf der einen Seite steht das Interesse deS seßhaften Händlers, welches nicht duldet, daß ihm durch seinen ungleich beweglicheren Concurrenten ein großer Theil deS Gewinnes auf eine den Traditionen seines Handelsbetriebs entgegenstehende Weise entzogen wird. Auf der andern Seite sehen wir diese unermüdliche Classe von „Kleinhändlern im kleinsten Maßstabe", wie Roscher') sie nennt, deren Art eS ist, abseits vom breitgetretenen Wege der üblichen Geschäfts gepflogenheit sich neue Pfade zu suchen und gangbar zu machen, die man, so schnell und sicher sie auch zum Ziele führen, doch nicht mehr als erlaubt gelten lassen will. Während jene warten, bis der Käufer, veranlaßt durch sein Bedürfniß, zu ihnen kommt, bedienen sich diese des erfolgreicheren Mittels, ibn direct auszusuchen, seinem Bedürfnisse entgegenzukommen und das noch nicht vorhandene zu wecken. Der Gegensatz zwischen stehendem Gewerbe und Hausir- handel ist uralt; er ist so alt, wie das stehende Gewerbe selbst. Er findet seinen Ausdruck in dem Versuche jenes Gewerbes, den umherziehenden Handel zu unterdrücken. Diese Versuche werden schon frühzeitig gemacht. Sie entspringen in der frühesten Zeit lediglich dem einen Beweggründe, einen Mitbewerb zu verhindern, in dessen die Maaren persönlich anbietendem Charakter man an sich schon eine Unlauterkeit erblickte. Von solchen Verboten geben uns die Zunflverord- nungen der verschiedensten Handwerke Kunde, so z. B. die voü Wehrmann herausgegebenen Lübecker Zunftrollen 2). Mit dem Uebergang aus der Stadtwirthschast zur Staatswirth- schaft blieb daS Bestreben, dem seßhaften Gewerbe den alten Schutz zu erhalten, völlig bestehen; nur konnte dieser Schutz nicht mehr von den Zünften ausgehen, er mußte durch die Staatsgewalt verbürgt werden, wenn er wirksam sein sollte. Demgemäß waren die späteren Verbote zwar durch Be schwerden der ansässigen Gewerbetreibenden veranlaßt worden, sie erfolgten aber durch die Regierungen der einzelnen Länder. Zn den Gesetzessammlungen und Verordnungen aller Staaten Deutschlands finden sich solche das „Herumbtragen der Maaren" verbietende „Edicte und Mandate". Sie mußten freilich von Zeit zu Zeit „erneuert und verschärft" werden, weil ihnen „nicht immer nachgelebet" wurde. Für das Kur- sürstenthum Sachsen sind aus den Jahren 1650—1799 im ^ugustcus und seinen beiden Fortsetzungen 26 solcher Erlasse und Oberamtspatente gegen das Hausirgewerbe ent halten. Aus diesen geht nun hervor, daß zwar der Hausir- handel meist nicht gestattet war, ein streng durchgeführtes Hausirverbot aber Wohl überhaupt nicht in Geltung gewesen ist, daß man vielmehr frühzeitig sich zu Ausnahmen bequemen mußte. Diese waren freilich insofern nicht von großer Bedeutung, als sie sich meist auf Erzeugnisse der Haus- ') W. Roscher, Nationalökonomik des Handels und Gewerb sleibes 8 14- ') Di« älteste stammt aus dem Jahre 1330 und verbietet den Meistern und Gesellen bei 10 soll Strafe, das Pergament in Lübeck in die Häuser und Läden zu tragen und dort frilzubieten. industrie und auf Artikel von geringem Wertbe erstreckten. Doch ist gerade diese Abgrenzung, welche sich unter den fort geschritteneren Verhältnissen der späteren Zeiten als viel zu eng erwies, um deswillen von großem Interesse, als neuer dings wieder sehr viele Stimmen laut werden, die erkennen lassen, daß man unsere Gewerbegesetzgebung auf jenen Zu stand der wirthschafllichen Gebundenheit vieler Kräfte zurück führen möckte. Auch die sächsischen Erlasse sind durch die Zünfte und kaufmännischen Corporalionen veranlaßt worden.Die meisten besagen das selbst. So ist z. B. das Verbot vom 14. August 1708 erfolgt auf Beschwerde der Sechsstädte'), „sowie sämtl. in der Ober- und Niederlausitz angesessener Meister, wie ihr Handwerk durch diese herumbschweifende Leute ruiniert würde." Am 15. September 1750 heißt es: „Nachdem aber die innländischen Fabrikanten und Innungen vielfältige Klage geführt u. s. w."... so wird die Erlaubniß von 1720 aufgehoben und das Verbot von 1719 verschärft. Unterm 12. December 1764 wird auf Vorstellung der „Aeltesten der Creißlade der Paretmacher und Strumpfwirker" das Hausiren mit Strnmpf- waaren verboten. Unterm 2. Juni 1747 lesen wir von einer Beschwerde der Glaser, unterm 22. October 1793 von einer solchen der Säge- und Zeugschmiede. Die Verbote vom 27. März 1790 und 11. Juli 1795 berichten von einer Be schwerde aus Suhl und einer solchen der „Thönernen Pseifen- Fabrikanten". Auch der „Magistrat und die Kaufmannschaft zu Budißin" haben eine Beschwerde an die Regierung gerichtet rc. Die Erlasse sind entweder ganz allgemein gehalten und wenden sich gegen jedes „Hausiren in denen Städten und auf dem Dorfe", oder sind gerichtet gegen bestimmte Kategorien von Hausirern nnd Maaren wie: „Die heimliche Handlung») und den Pfuscherhandel der Bauren'), Hausirer und Land streicher";») „Die umbschweiffenden Kesselfübrer, Kesselflicker und Paktierer mit Ausnahme der früher privilegierten";») „Die heimlichen Zinngießer" '») und wider das „Hausieren mit Strumpfwaaren".") Vor allen Dingen sollte aber die inländische Production und der inländische Handel gegen die durch das Hausiren verursachte Benacbtheiligung, überhaupt der Inländer gegen den Ausländer, geschützt werden. Hierfür sprechen außer dem allgemeinen Verbote gegen die „Juden, Italiener, Tabulrtträger, auswärtigen Buttenträger"', denen zu Zeiten selbst aus Messen und Märkten da» Hausiren nicht gestattet sein soll, noch die Untersagung des HausirenS mit: ausländischen „Zwillicht-, Leinwand- und Baumwollen- waaren'2), ausländischen GlaSwaaren'»), namentlich den so genannten Reffträgrrn, fremden Tabaken"), ») Vergl. die Verbote vom 2. Januar 1762 und 8. Lctober 1798. Im Jahre 1476 (bezw. 1490) gründeten die sechs Städte Bautzen, Görlitz, Lauban, Löbau, Kamenz und Zittau ein Schutz- und Trutzbündniß, welches als Lausitzer Sechsstädtebund bekannt ist. ») Erlaß vom 15. September 1750 ; 2. Januar 1794, Obrramts- patent vom 3. Februar 1749 ; 2. Januar 1754 und 11. Juni 1795. ') Erlaß vom 14. August 1708. Ausarn ommen sollte nur sein derDorsf-Leinwandbändler. ") Erlaß vom 13. December 1671; vgl. auch vom 2 Januar 1762, 8. November 1790, 8. Jun! 1794. 10. April 1650. 2. December 1708 (Oberamtspatent). '«) 2. December 1764. ») 16. April 1764. ") 2. Juni 1747. den aus Steiermärker und Kärntbner Eisen und Stahl gefertigten Pflugscharen, Sensen, Sicheln, .Futter klingen i5) rc. und mit den im Auslande gefertigten tbönernen Tabakspfeifen'»). Neben diesem Schutze des beimischen Gewerbfleißes war der Beweggrund zu jenen Verboten auch die Wahrung der Interessen des Publikums, welches man vor Betrügereien aller Art schützen zu müssen glaubte. „Die Erfahrung bezeuget", heißt es in einem Edict"), „daß durch erwehnle Leute zu vielem Unfug und Dieberey Anlaß gegeben worden." Von diesem Gesichtspunkte aus sind auch die Verbote „gegen die Arzneilaboranten zu Bockau, Neudorf u. s. w., soweit sie keine Konzession"'») batten, und gegen die ausländischen, namentlich „Königseer Arzneyhändler"'») zu verstehen. DaS Hausieren mit Druckschriften wurde gleichfalls unter- sagt»»). Und als der Magistrat zu Zschopau „solches" für seinen Bezirk gestattet hatte, mußte er noch unterm 14. Juni 1798 die Erlaubniß zurücknehmen, wurde für den möglichen Nachtheil verantwortlich gemacht und zur Tragung der auf gelaufenen Kosten verurtheilt. Daß das Hausieren vielfach nur als ein Vorwand zur Bettelei angesehen war, erhellt auS dem Edict vom 18. October 1798, durch welches „Betteln und Haußieren im Erzgebirgischen Kreyße" untersagt wurde. Nickt zum wenigsten mag bei vielen dieser Verbote auch das fiskalische Interesse mitgewirkt haben. Da der Hausierer mit seinem leicht beweglichen Kramladen die Zollgrenzen leickt überschreiten tonnte, lag die Gefahr nahe, daß er mit Maaren, auf denen ein hoher Zoll lastete, Schleichhandel trieb; und so fürchtet auch daS Edict vom 10. Juli 1719, daß dadurch „die General ConsumtionS-Accise und andere Revenuen merklich geschwächt und geschmälert würden." Das letzte dieser im Loäex ^UFU8tcus abgedruckten Man date ist noch an der Schwelle des neuen Jahrhunderts er lassen worden, es stammt vom 31. Januar 1799. Auch hier finden wir noch das bestimmte Hausirverbot; trotzdem zeigt es einen gewissen Fortschritt, indem eS nicht mehr das Hausiren und „Herumtragen" allerhand auswärtiger und inländischer Waaren, insonderheit denen Juden „gäntzlich" verbietet, sondern gewisse Unterschiede macht. Zu Messen und Jahrmärkten dürfen durch In länder alle Waaren im Hausirbandel vertrieben werden, nicht aber durch die Italiener und auswärtigen Tabulet- und Büttenträger, da diese zu den overidus publieis nichts beitrügen. Verboten bleiben jedoch für die übrige Zeit auch den Inländern die „wollenen, leinenen und der gleichen Schnitt-, auch andere Kram- und Handwerkswaaren, wie auch ausländische GlaSwaaren." Neben diesem Hausir- verbote enthält jedoch dieser Erlaß — wie eS in späterer Zeit überhaupt immer mehr üblich geworden war — eine Auf führung derjenigen Waaren, für welche der Hausirvertrieb zulässig war. Diesen Hausirverboten suchte man nun durch „nahmhafte" Strafen»') den nöthigen Nachdruck zu verschaffen. Auch diese werden angeführt. Sie sollen für diejenigem, welche mit be spanntem Fuhrwerk umberfahren, 10, für die übrigen Hausirer aber 5 Thaler-2), auch „durchgängige ConfiScation der Waaren" '») 11. December 1771. "») 19. Juli 1787; vgl. auch 22. October 1793. ") 27. März 1792. ") 10. Juli 1719. '») 28. Januar 1749. ") 4. December 1771. ?') 8. November 1790. *") Oder vierwöchige und vierzehntagige Gesängnißstrase. betragen. Der Beamte oder das Gericht, welche die lieber tretung entdecken und die gerichtliche Untersuchung veranlassen, sollen den vierten Theil der Strafe und der confiscirkcn Waaren erhalten-'»). Um daS vermeintliche Uebel grüncli.k- auSzurotten und dem Hausirbandel völlig den Boden zu entziehen, delmte man diese Strafandrohung auch aus die Consnmenten ans. „Nicht minder", beißt eS, „sollen aber auch diejenigen, so Waaren von den Hausirern im ganzen oder einzelnen zu bandeln sich unterstehen, jedesmabl in fünf Thaler Geldbuße genommen oder nach Befinden, wenn sie geringen Stand ess!), mit vierzehntägigem Gefängniß belegt werken 2«)." Auch hier war demjenigen, „so die Conkra- vention anzciget", die Hälfte der Strafe in Aussicht gestellt ^). Trotz dieser schroffen Erlasse, zu deren Durchführung, wie man sieht, die Hilfe von Denunciationen nöthig war, ließ sich das Hausirwesen nicht einschränken, cs entwickelte sich stetig weiter. Dies darf als Beweis dafür angesehen werden, daß diese Verordnungen nicht dem Rechtsbewußtsein des Voltes entsprachen und daß das Bedürfniß nach dem Hausirer stärker war, als die Furcht vor der Strafe; es wirst frei lich auch ein wenig günstiges Licht auf die Polizeiorgane jener Zeit. 28. August 1772. — Aehnliche Bestimmungen finden sich auch in den Hausirverboten der anderen Staaten. In dem Edicte vom 27. März 1737 für die Mark Brandenburg wird verordnet, daß jeder, der einen Hausirer zur Anzeige bringe, als Belohnung 10 Thaler „wie vor »inen zurückgebrachten Deserteur" erhalten solle. -') Das obengenannte brandenburgische Edict bedroht die Käufer von Hausirerwaoren mit Wegnahme der gekauften Waaren und einer Stroke von vier Thalern „vor jeden Thaler erhandelter Waare". '-*)15 September 1750; ebenso 2.Januar 1762 und3l. Januar 1799. Deutsches Reich. -sch- Leipzig, 9. April. „Die Blätter von Neapel", so heißt es nach einer von dort ergangenen Meldung in der „Germania" vom 5. d. Mts. (Nr. 79, I), „schildern in lebhaften Farben die wiederholten Zusammenkünfte deS Kaisers Wilhelm mit dem Cardinal-Erzbischof von Neapel, San Felice." ES ist gut, daß die „Lebbaftig leit der Farben" betont wird. In Wirklichkeit dürsten die Dinge wobl etwas schlichter verlaufen sein. Der Cardinal hat die Ehre gehabt, bei der Besichtigung der Kartbause von Camaldoli den Führer des deutschen Kaiserpaares zu machen. Daß der Kaiser dem Cardinal dabei Güte und Wohlwollen erwiesen und ihm durch Verleihung seines Bildes, sowie durch die Aufforderung zu einer Be sichtigung der „Hohenzollern" seinen kaiserlichen Dank be zeigte, erscheint glaublich; entspricht es doch durchaus ter Großherzigkeit des deutschen und protestantischen Herrschers. Das Weitere wollen wir aus Rechnung der südländischen Phantasie oder der Tendenz römisch-katholischer Selbst verherrlichung setzen. Hat der Cardinal wirklich gewagt, sein eigenes Portrait dem Kaiser als Gegengabe zu bieten, so bat er sich einer ausfälligen Taktlosigkeit schuldig gemacht. Wunder nehmen kann dergleichen freilich nicht, so wenig wie die echt ultramontane Dreistigkeit, welche den Cardinal, nach dem „Osservatore Romano", bei der Verabschiedung unter ankeren die Worte sprechen ließ: „ich bitte zu Gotl, daß er Eure Majestät dieWahrheit so sehen lasse, wie ich sie sehe". Der „Osservatore Romano" oder der Cardinal haben nur übersehen, die Antwort des Kaisers mit FeniHetsn. Ällerhand Schwabenstreiche. Von Theodor Kraus (Cassel). Nachdruck verboten. Daß die biederen Schwaben von Hause aus mit über triebenem Scharfsinn nicht begabt sein und erst mit dem „Schwabenalter" von vierzig Jahren gescheidt werden sollen, ist gewiß nur eitel Verleumdung und Vorurtheil. DaS beweist schon daS schwäbische Bäuerlein, daS mit dieser Eißenthüm- lichkeit seiner Landsleute gehänselt wurde und auf die Frage, ob denn daS mit dem Schwabenalter richtig sei, zur Antwort -ab: „DeeS ischt freili wahr; aber wann de Schwabe vierzig Jahre alt werde, müsset se au scharf aufpasse, daß sie 'neS richtig' Minütle nit verpasse, — sonst bleiwet se grad so komm, wie d' andere Leut'." Aber seitdem daS Volksbuch von den sieben Schwaben existirt, das Jeder kennt, gilt nun einmal ein „Schwabenstreich" für das Gegentheil eines Geniestreichs und wird immer dafür gelten, obwohl diese Art Streiche durchaus nicht nur in Schwaben „im Schwang" zu sein pflegt. Schwabenstreiche im weiteren Sinne de« Wortes sind auch alle die Schildbürger««», die von einzelnen deutschen Gemeinden erzählt werden und im VolkSmunde fortleben, und deren einzelne, wie z. B. da- Hornberger Schießen, längst zu sprichwörtlicher Berühmtheit gelangt sind. E» ist durchaus nicht Schilda allein, dessen Name auf solche Weise unsterb lich geworden ist; vielmehr hat fast jede deutsche Provinz ibr kleine» Abdrra, von dem allerhand schnurrige Anekdoten an Umlauf sind. Diese eigenartige Rolle spielt zum Beispiel in Braunschweig da» oft genannte Schöppenstädt, in Meiningen Wasungen, in Bayern Weilheim, Finsingen, Schrobenhausen, in Baden Ueberlingen am Bodensee, in Hessen Schwarzenborn, Griesheim, in Mecklenburg Teterow, m Friesland Büsum, in Schleswig Fockbeck, in Kölnerland Dülken u. f. w. Manche- von Dem, was den wackeren Be wohnern dieser Ortschaften nachgesagt wird, mag eine that- sächlich« Grundlage haben: Viele» aber ist auch bloße Erfindung, wie sich schon daraus ergiebt, daß einzelne besonder» dumme Streiche in vier, sünf ganz verschiedenen Landesgegenden fast gleichlautend erzählt werden. So findet sich die bekannte Anekdote von den fünf Bürgern, dir glauben, e» sei einer von ihnen abhanden gekommen, weil beim Abzählen jeder vergißt, sich selbst mitzurechnen, mit geringen Varianten, in Bopfingen, Saulgau, Büsum u. a. O. Die nicht minder populäre Geschichte vom „Ulmer Spatz", der mit einem Halmlein in sein Nest fliegt und so den Ulmern zeigte, wie sie einen großen Balken der Länge nach durchs Stadtthor zu bringen vermöchten, den sie vordem schlauer Weise immer nur der Breite nach durch die schmale OeffnunH zu bringen versucht hatten, wird genau so von Schöppenstädt und von Mistelgau in Oberfranken erzählt, blos daß hier eine Hummel die Leute zurechtweist. Solche Parallelen ließen sich noch viele finden. Von den Bopsingern in Württemberg geht die Sage, sie hätten Salz auf den Acker gesäet, weil sie meinten, das ließe sich pflanzen: es wuchsen aber nur Brennnesseln. Ein andermal bauten sie ein RathhauS, wußten aber nicht, wo sie mit der ausgegrabenen Erde hinsollten. Da meinte der Bürgermeister: „Da macht Ihr eben das Loch noch größer, dann wird die Erde schon hineingehen." In GanSlosen im württembergischen Donaukreis ward an der Kirche eine Sonnenuhr angebracht. Der Schultheiß aber fürchtete, der Regen möchte die schöne Malerei bald abspülen nnd ließ vorsorglich ein — Schutzdach!«» über der Uhr Herrichten. — In Mundinaen sah eines Bauern Sohn, als er den Schweinestall öffnen wollte, auS dessen Thürritze ein ver dächtig lange» gelbes Ding sich herauSdringeln. Ganz ent setzt, alarmirt er seinen Vater und die Nachbarn: e» sei eine Natter im Stall. Darauf mußte der herbeigeholte Schmied mit dem Stemmeisen auf das verdächtige Ding loshauen. Sofort sing drinnen im Stall rin jämmerliches Grunzen und Quietschen an, und als man öffnete, sah man mit Er staunen daS Borstenvieh ganz verzweifelt im Kreis Herum rennen, worauf schließlich der Bauernsohn die tiefsinnige Be merkung machte: „Vatter, — des Ding, des do aus dem Loch rauSguckt bot, ischt, glaub'« als, der Sauschwanz g'wä ond koi' Natter!" Von den Karlstädtern in Unterfranken wird erzählt, sie hätten im Schwedenkrieg ihre silberne Kirchenglocke im Main versenkt, um sie vor dem Feinde zu verbergen. Um sie später bestimmt wiederzufinden, machten sie an der Stelle des BootS- rande», wo sie die Glocke ins Wasser hinablirßen, einen Kerb schnitt. Die Glocke liegt heute noch im Main. — Einen ähnlichen Streich lieferten die Teterower, al- sie einmal den Besuch ihre» Herzog- erwarteten. Damals singen sie »inen wunderschönen Hecht von zwanzig Pfund, den wollten sie dem hohen Herrn vorsetzen. Da eS aber bis zu dessen Ankunft noch zwei Monate hin waren, setzten sie den Fisch wieder in den See, und um ihn später dort gleich wieder fangen zu können, banden sie ihm eine Schelle um den Hals. Der Herzog kam später wirklich nach Teterow; aber Hecht hat er nicht zu essen bekommen. — Daß die Fockbecker gesalzene Heringe in einem Teich ansetzten, damit sie sich dort fortpflanzten, daß die Hosdruper daS Summen einer Hummel im bohlen Faß für den Schall einer Kriegstrommel hielten und die Flucht ergriffen, diese und ähnliche Histörchen sind beliebte Nummern unserer Volkslesebücher. Weniger bekannt ist der schlaue Rath, den ein Bürgermeister von Dülken seinen Landsleuten gab, als sie ihren Kirchthurm rcparirten. Sie wollten nämlich einen schweren Balken hinaufziehen, aber das Seil erwies sich als viel zu kurz. Da schlug das weise Gemeindeoberhaupt vor: man solle nur den Balken halbiren und jedes Stück für sich allein hinaufziehen, dann werde es schon gehen. — Ein Dülkener war auch das brave Bäuer lein, das einen unbezahlten Schuldschein auf der leeren Rückseite noch einmal abschrieb und das vor Gericht dann erklärte: „Ja seb'n Sie, Ihr Herren, es könnt mir halt passiren, daß ich den Schuldschein verlöre; dann hält ich doch noch die Abschrift." Solche Einzelfälle von Bauernschlauheit erzählt der Volks mund noch unendlich viele. Da verordnet einem der Arzt Pulver, von denen er „jede Stunde eins in Wasser" nehmen soll. Am nächsten Tag gebt es dem Patienten bedeutend schlechter, und aus die Frage, ob er denn die Pulver richtig genommen habe, meint er: ja, die hält' er wohl genommen, aber so jede Stunde sich ins Wasser zu setzen, daS greise doch an! — Ein anderer Bauer kommt einmal in die Stadt und sieht, wie die Waisenkinder paarweise spazieren geführt werden. „DeeS weiß der Teufel", sagt er ganz verwundert, „i komm' jrtz' scho' an die zwanzig Jahr in d' Stadt, aber die Krüppel (Knirpse) werdet ihr Lebtag nit größer: so Han i se scho' g'sehn, wo mei' Vater selig noch g'lebt bat." — Noch geistreicher scheint ein biederer Ulmer Bürger gewesen zu sein, der einen ihm bekannten Schmied mit den Worten anredet: „Meischter HanS, seid sitz' Ihr vergangene Woche gsstorbe oder Euer Bruder?" Der Schmied sagt, sein Bruder sei gestorben, worauf sein Besucher kopfschüttelnd meint: „Ischt wahr, Meischter Han»? Mir ischt aber berichtet worden, daß Ihr seldscht g'storben seid, und die Leut', die mir da- g'sagt haben, sind doch keine Kinder; ich glaube diesen Leuten mebr al» Euch!" Von den zahlreichen Anekdoten, die speciell den Schult heißen und Bürgermeistern des Schwabenlandes nacherzählt werden, seien hier nur zwei erwähnt. Einer von ihnen batte einmal dem Oberamt dienstlich berichtet, daß in seinem Dorfe alle Nußbäume durch den Frost im Frühjahr gelitten hätten. Al» nach einiger Zeit der Oberamtmann zur Inspection erschien und dem Bürgermeister vorhielt, daß es im Ort überhaupt keine Nußbäume gebe, kratzte sich der Hinterm Obe und meinte: „Ja, das weiß ich Wohl; es sind kalt Zwetschgen bäume; aber der Teufel schreib das Wort Zwetschgen." — Die andere Geschichte ist jüngeren Datums und bandelt von einem Schultheißen, der einem Landstreicher aus Gutmütbig keit ein Leumundszeugniß ausgestellt bat und deswegen als Zeuge vor Gericht kommt. Der Richter hält ihm voc, wic er da» Amtssiegel dazu mißbrauchen könne, einem solchen Lumpen ein Zeugniß auszustellen. „Ja, Herr Richter", vci theidigt sich das Dorfhaupt, „i hab' mir halt glei gedacht, daß mit dem Kerle was nel in Ordnung isch, — und deSwe ze Han' i an mit mei'm Stempfel nur grad' so hindupst." Allen diesen kleinen Geschichten, die den Aberglauben vom „Schwabenalter" zu bestätigen scheinen, ließe sich eine weit größere Zabl anreiben, die beweist, daß der schwäbische Bauer nichts weniger als auf den Kops gc fallen ist und daS Mundwerk meistens auf dem richtigen Fleck sitzen hat. Wer dafür und für den saftig-derben deutschen Volkswitz überhaupt Interesse hat, findet die denkbar reichste Ausbeute in einer mehrbändigen Samm lung „WaS sich da» Volk erzählt", die Heinrich Merkens vor einigen Iabren erscheinen zu lassen begonnen bat (Jena, Hermann Costenoble) und die hoffentlich noch lange nicht abgeschlossen ist. Früher waren ja solche Blütbenlescn deutschen VolkSbumors ein besonderer Zweig unserer Literatur: es s« nur an da» „Lalenbuch", den „Eulenspiegel", an des StrikerS „Pfaffen Ami»", Jörg Wickram'S „Rollwagen büchlein", Pauli'S „Schimpf und Ernst" u. a. erinnert. In neuerer Zeit bat Hebel mit seinem vielgelesenen „Schatz kästlein" ein solche- Sammelbuch geschaffen, daS sich noch lange lebendig erhalten wird; aber was eS bringt, ist nur der kleinste Theil de» reichen Schatzes an Humor, der in zahllosen, theil» schon gedruckt verstreuten, theil» nur mündlich überlieferten Anekdoten und Geschichtchen überall in deutschen Gauen im Volke sortlebt, und ein Versuch, all diese Halme und Hälmlein zu Garben zu binden, wie ion die Merkrn»'sche Sammlung macht, verdient die allgemeinste Unterstützung und bedarf ihrer auch, um »um Ziel, zu führen.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite